Verwaltungsrecht

Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutz, wasserrechtliche Untersagungsanordnung, Stau- und Wasserkraftanlage im Flusslauf, Absenken eines oberirdischen Gewässers, Altrecht für einen Schwellbetrieb, Auslegung eines Verwaltungsakts, Verwirkung eines Altrechts

Aktenzeichen  8 CS 21.1051

Datum:
1.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 2020
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 146
WHG § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1, § 100 Abs. 1 S. 2
BayWG Art. 58 Abs. 1 S. 2, 75
BayWG 1907 Art. 42, 43

 

Leitsatz

Verfahrensgang

Au 9 S 20.2781 2021-03-23 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.125 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt im vorläufigen Rechtschutzverfahren die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine wasserrechtliche Untersagung des Schwellbetriebs an ihrem Wasserkraftwerk durch den Antragsgegner.
1. Die Antragstellerin betreibt das Wasserkraftwerk O …, das mit ihren Wasserkraftwerken R … und F … (alle Landkreis D … ) und E … (Landkreis A … ) eine Kraftwerksgruppe im Lauf des L …s bildet. Die Stauhaltung in O … wird bei einem Schwellbetrieb an der Kraftwerkskette gemeinsam mit dem Stauraum am Kraftwerk E … (vgl. Az. 8 CS 21.1056) als sog. Kopfspeicher verwendet. Durch eine temporäre zusätzliche Wasserentnahme aus dem Kopfspeicher wird die Energieerzeugung in der Starklastzeit erhöht; in der Schwachlastzeit (nachts oder am Wochenende) werden durch Wasserrückhalt die Speicherräume wieder aufgefüllt.
2. Mit Beschluss des Landratsamts N … … … vom 25. April 1955 in der Fassung des Beschwerdebescheids der Regierung von Schwaben vom 4. August 1959 erteilte der Antragsgegner der Antragstellerin zur Errichtung und zum Betrieb einer Stau- und Kraftwerksanlage am L … bei O … gemäß Art. 42, 43 BayWG 1907 in Verbindung mit § 106 ff. der Vollzugsbekanntmachung zum Wassergesetz (VBzWG) die Erlaubnis zur Wassernutzung (vgl. dort Ziff. I Nr. 1). Die „Erlaubnisbedingungen“ (Abschnitt A des Beschwerdebescheids [BB]) der Erlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer bis 31. Dezember 2050 (vgl. dort § 2 Ziff. I) sehen u.a. vor:
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Nutzungsbefugnis …
„II Das Stauziel wird auf Höhe 416,50 m ü.NN festgelegt. …
III Zum Ausgleich der in der Kraftstufe E … spitzenmäßig verarbeiteten Werkwassermengen vor Ausbau und zur Ermöglichung eines Schwellbetriebes nach Ausbau der Kraftanlage R … sind in der Stauhaltung der Kraftstufe O … Absenkungen des Stauspiegels im Rahmen einer Betriebsvorschrift (siehe § 21 Ziff. II) zulässig. Die beim Schwellbetrieb in den Stufen E … und O … spitzenmäßig verarbeiteten Werkwassermengen sind zunächst im Stauraum der Kraftanlagen R … – nach Inbetriebnahme weiterer am unteren L … gelegenen Staustufen in der letzten Stufe – auszugleichen, d.h. dem natürlichen Zufluß entsprechend ins Unterwasser abzugeben.“
3. Mit Schreiben vom 14. August 1962 beantragte die Antragstellerin die Genehmigung ihrer Betriebsvorschrift, die im Schwellbetrieb am Kopfspeicher O … eine maximale Absenkung von 1,00 m (Senkziel 415,50 m ü.NN) vorsah. Mit Ergänzungsbescheid vom 11. Oktober 1968 wurde ihr die beschränkte widerrufliche Erlaubnis erteilt, den L … von der im Beschluss vom 25. April 1955 in der Fassung des Beschwerdebescheids vom 4. August 1959 festgelegten Stauhöhe (416,50 m ü.NN) um höchstens einen Meter auf die Höhe 415,50 m ü.NN abzusenken (vgl. dort Nr. I.1 Buchst. b). Die Erlaubnis war bis längstens 31. März 1969 befristet. In der Folgezeit, erhielt die Antragstellerin insoweit weitere, jeweils befristete Gestattungen. Zuletzt wurde der vorzeitige Beginn des Schwellbetriebs für die Staustufe O … mit Bescheid des Landratsamts D … vom 16. Februar 2007 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 29. September 2009, bis zum 31. März 2013 im Umfang einer maximalen Absenkung von 1 m (auf die Höhe 415,50 m ü.NN) zugelassen. Ein Antrag auf Verlängerung der Zulassung des vorzeitigen Nutzungsbeginns für weitere vier Jahre wurde am 24. September 2014 zurückgenommen, nachdem das Landratsamt D … dies wegen nicht vollständiger Erfüllung von Maßnahmen zum Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft nicht in Aussicht stellen konnte.
4. Mit Schreiben vom 25. September 2020 berief sich die Antragstellerin gegenüber dem Landratsamt D … auf ein altes Wasserrecht für den Regel- und Schwellbetrieb an der Staustufe O … Im Hinblick auf die klare Rechtslage wolle man die Klärung naturschutzrechtlicher Fragen nicht abwarten, sondern am 28. September 2020 mit dem Schwellbetrieb zwischen O … und F … beginnen. Die vorgelegte Betriebsvorschrift sieht am Kopfspeicher O … eine Absenkung von max. 1,00 m (Senkziel 415,50 m ü.NN) vor.
Das Landratsamt D … trat dem entgegen. Der Schwellbetreib zwischen O … und F … wurde trotzdem am 30. September 2020 wiederaufgenommen.
5. Mit Bescheid vom 27. November 2020 untersagte das Landratsamt D … die mit Schreiben der … … GmbH vom 25. September 2020 gegenüber dem Landratsamt D … und vom 24. November 2020 gegenüber dem Landratsamt A … angezeigte Wiederaufnahme des Schwellbetriebs in der Staustufe O … ab dem 28. September 2020 bzw. 30. November 2020 bzw. – soweit ein solcher bereits seit dem 28. September 2020 stattgefunden hat – dessen Fortsetzung (vgl. Ziffer I). Soweit ein Schwellbetrieb bereits ab dem 28. September 2020 wiederaufgenommen wurde, wurde festgestellt, dass das Landratsamt D … weder im Rahmen eines Gesprächstermins mit Vertretern der … … GmbH am 21. September 2020 dessen Zulässigkeit bestätigt noch infolge der Anzeige der Wiederaufnahme des Schwellbetriebs zum 28. September 2020 mit Schreiben der … … GmbH vom 25. September 2020 diese geduldet oder ihr in sonstiger Weise zugestimmt habe (vgl. Ziffer II). Bei Nichterfüllung der Ziffer I des Bescheids wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 25.000 Euro angedroht (vgl. Ziffer III). Die sofortige Vollziehung der Ziffer I des Bescheids wurde angeordnet (vgl. Ziffer IV). Die Untersagungsanordnung wurde auf Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG i.V.m. § 100 Abs. 1 WHG gestützt. Die Gewässerbenutzung im Schwellbetrieb sei formell illegal. Selbst wenn ein Altrecht bestünde, sei die Untersagung notwendig, um erhebliche nachteilige Gewässerauswirkungen eines praktisch „ungeregelten“ Schwellbetriebs zu vermeiden.
6. Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 22. Dezember 2020 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg (Az. 9 K 20.2792), über die noch nicht entschieden ist. Zudem beantragte sie sinngemäß, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die in Ziffer I des Bescheids angeordnete Untersagung wiederherzustellen.
7. Das Verwaltungsgericht Augsburg lehnte den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss vom 23. März 2021 ab. Die Untersagungsanordnung sei voraussichtlich rechtmäßig. Ob der Schwellbetrieb eine formell unzulässige Gewässerbenutzung darstelle, müsse im Eilverfahren nicht entschieden werden. Selbst wenn ein Altrecht bestünde, könne sich die Antragstellerin nicht darauf berufen, solange es dem Antragsgegner nicht möglich gewesen sei, nachträglich Inhalts- und Schrankenbestimmungen zur Vermeidung zu erwartender erheblicher nachteiliger Gewässereinwirkungen zu erlassen. Darauf gerichtete (fach-)behördliche Prüfungen seien wegen der kurzfristigen Ankündigung der Antragstellerin vor Bescheiderlass nicht möglich gewesen.
8. Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtschutzbegehren weiter.
9. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Akten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
A. Der Verwaltungsgerichtshof prüft bei Beschwerden in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich nur die rechtzeitig dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO). Erweisen sich die Beschwerdegründe als berechtigt, darf sich die angefochtene Entscheidung aber nicht aus anderen Gründen als richtig erweisen, was aus der entsprechenden Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO folgt (vgl. BayVGH, B.v. 27.3.2019 – 8 CS 18.2398 – ZfB 2019, 202 = juris Rn. 26 m.w.N.). Die Prüfung ist insoweit nicht auf die vom Beschwerdeführer thematisierten Aspekte beschränkt; die Beteiligten müssen hinsichtlich aller erstinstanzlich oder im Beschwerdeverfahren erörterten Aspekte mit der Möglichkeit rechnen, dass die Beschwerdeentscheidung auf andere als die vom Verwaltungsgericht tragend zugrunde gelegten Gründe gestützt wird (vgl. BayVGH, B.v. 16.6.2020 – 14 CE 20.1131 – juris Rn. 19 m.w.N.).
In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht auf der Grundlage einer eigenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen. Wesentliches Element dieser Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; B.v. 16.9.2014 – 7 VR 1.14 – NVwZ 2015, 82 = juris Rn. 10). Bei offenen Erfolgsaussichten findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. BVerwG, B.v. 14.4.2005 – 4 VR 1005.04 – BVerwGE 123, 241 = juris Rn. 12).
B. Nach diesem Maßstab überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse, weil der angegriffene Bescheid vom 27. November 2020 einer summarischen Prüfung standhält.
Der angefochtene Bescheid findet seine Rechtsgrundlage in § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG und Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG. Hiernach ordnet die Kreisverwaltungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Verpflichtungen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG sicherzustellen.
1. Die Untersagung des Schwellbetriebs war notwendig, um eine vorherige behördliche Kontrolle der damit einhergehenden gestattungspflichtigen Gewässerabsenkung (§§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 WHG) sicherzustellen (§ 100 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 WHG).
Der von der Antragstellerin am 30. September 2020 wieder aufgenommene Schwellbetrieb an der Staustufe O … mit einer Absenkung von max. 1,0 m (vgl. Betriebsvorschrift S. 5) ist formell illegal, weil sich die Antragstellerin diesbezüglich nicht (mehr) auf ein altes Recht oder eine alte Befugnis (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 WHG, Art. 75 BayWG, Art. 42, 43 BayWG 1907) berufen kann.
a) Der Antragstellerin wurde mit Beschluss des Landratsamts N … … … vom 25. April 1955 in der Fassung des Beschwerdebescheids der Regierung von Schwaben vom 4. August 1959 zur Errichtung und zum Betrieb einer Stau- und Kraftwerksanlage am L … bei O … nach Art. 42, 43 BayWG 1907 i.V.m. §§ 106 ff. der Vollzugsbekanntmachung zum Wassergesetz (VBzWG vom 3.12.1907, BayBS II S. 490) die Erlaubnis zur Wassernutzung erteilt (vgl. dort Nr. I.1).
aa) Die Erlaubnis nach Art. 42, 43 BayWG 1907 stellt ein Recht im Sinne des Bayerischen Wassergesetzes vom 23. März 1907 (BayBS II, 471) dar, das unmittelbar durch § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG von der Erlaubnis- und Bewilligungspflicht freigestellt ist (vgl. Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand Juli 2021, Art. 75 BayWG Rn. 21; Zöllner in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, BayWG, Stand Februar 2019, Art. 75 Rn. 59; vgl. auch Riederer/Sieder, BayWG 1907, 1. Aufl. 1957, Art. 42 Rn. 12; BayVGH, U.v. 5.7.2005 – 8 B 04.356 – NuR 2006, 177 = juris Rn. 47). Abgesehen davon handelt es sich auch um eine Gewässerbenutzung, die auf Grund eines förmlichen Verfahrens nach Art. 42, 43 BayWG 1907 zugelassen worden ist (vgl. Art. 75 Abs. 2 BayWG).
bb) Ob der Antragstellerin mit dem Beschwerdebescheid der Regierung von Schwaben vom 4. August 1959 ein Recht zur Gewässerbenutzung im Schwellbetrieb an der Stau- und Kraftwerksanlage in O … erteilt wurde, das den wiederaufgenommen Umfang (Absenkung bis max. 1,0 m) umfasst, ist anhand der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren vorliegenden Unterlagen nicht abschließend zu beurteilen.
(1) Der Inhalt eines Verwaltungsakts ist entsprechend den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Regeln zu ermitteln. Die Auslegung richtet sich nach dem erklärten Willen der erlassenden Behörde, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (stRspr, vgl. nur BVerwG, U.v. 21.8.2018 – 1 C 21.17 – BVerwGE 162, 382 = juris Rn. 25). Bei der Ermittlung des objektiven Erklärungswerts ist in erster Linie auf den Entscheidungssatz und die Begründung des Verwaltungsakts abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 26.7.2006 – 6 C 20.05 – BVerwGE 126, 254 = juris Rn. 78). Von Bedeutung für die Auslegung sind aber auch die bekannten oder ohne Weiteres erkennbaren Begleitumstände, insbesondere die einer Bewilligung vorausgehenden Anträge und die ihr zugrundeliegenden Rechtsnormen (vgl. BVerwG, U.v. 24.7.2014 – 3 C 23.13 – NVwZ-RR 2015, 21 = juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 31.8.2020 – 8 ZB 20.801 – juris Rn. 11; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 43 Rn. 62).
(2) Gemessen an diesen Maßstäben ist nicht zweifelsfrei zu klären, ob der Antragstellerin der Schwellbetrieb in dem wiederaufgenommenen Umfang erlaubt worden ist.
(a) Inhalt und Umfang der erlaubten Gewässerbenutzung sind in Abschnitt A § 6 („Nutzungsbefugnis“) des Beschwerdebescheids geregelt. § 6 Ziff. III Satz 1 sieht vor, dass u.a. „zur Ermöglichung eines Schwellbetriebs … in der Stauhaltung der Kraftstufe O … Absenkungen des Stauspiegels im Rahmen einer Betriebsvorschrift (siehe § 21 Ziff. II) zulässig“ sind. In dem dort in Bezug genommenen § 21 Ziff. II („Kraftwerksbetrieb“) wird der Antragstellerin aufgegeben, “für die gesamten Anlagen, insbesondere für die Durchführung eines Schwellbetriebs … eine Betriebsvorschrift auszuarbeiten und der Verwaltungsbehörde zur Genehmigung vorzulegen.“
Anders als im Beschwerdebescheid der Regierung von Schwaben vom 16. Dezember 1959 zur Stau- und Kraftwerksanlage bei E … (vgl. B.v. 1.2.2022 – 8 CS 21.1056 – Rn. 32 ff.) bleibt die Festsetzung des Absenkziels im Schwellbetrieb keinem gesonderten Bescheid der Verwaltungsbehörde vorbehalten. Die durch Nebenbestimmung angeordnete Verpflichtung der Anlagenunternehmerin zur Vorlage einer Betriebsvorschrift, verbunden mit der Vorgabe ihrer Genehmigung durch die Verwaltungsbehörde, kann nicht als Vorbehalt der Festsetzung des Absenkziels durch eine spätere Entscheidung verstanden werden. Im Ergebnis wurde die Erlaubnis zur Durchführung eines Schwellbetriebs erteilt, ohne dass ein Absenkziel festgesetzt oder dessen Festsetzung einer späteren Behördenentscheidung vorbehalten worden wäre.
Dies hat das Landratsamt später richtig erkannt und gegenüber der Antragstellerin klargestellt, dass die Festsetzung des Absenkziels eines gesonderten Ausspruchs der Verwaltungsbehörde bedürfe, der nicht – wie in Abschnitt A § 21 Ziff. II des Beschwerdebeschlusses vom 4. August 1959 vorgesehen – durch Genehmigung einer „Betriebsvorschrift“ erfolgen könne (vgl. Ergänzungsbescheid vom 11.10.1968 S. 6 f. und Niederschrift vom 21.8.1968 über die Verhandlungstagfahrt am 9.7.1968 S. 5, VG-Akte Az. Au 9 K 20.2777, Anlagenkonvolut Landratsamt, Anlagen 7 und 12).
Bei summarischer Prüfung kann auch nicht angenommen werden, dass die unterschiedlichen Formulierungen für den Schwellbetrieb bei den Stau- und Kraftwerksanlagen O … und E …, die beide ihre endgültige Fassung durch dieselbe Behörde (Regierung von Schwaben auf Weisung des Staatsministeriums des Innern, vgl. BB vom 4.8.1959 S. 47 ff. [O …] bzw. vom 16.12.1959 S. 50 ff. [E …]) in engem zeitlichen Zusammenhang erhalten haben, zufällig zustande gekommen sind. Die Frage, ob Absenkungen einer gesonderten Genehmigung der Verwaltungsbehörde bedürfen, war Gegenstand der Beschwerde der Antragstellerin gegen den Ausgangsbescheid des Landratsamts N … … … vom 25. April 1955. Die dortige Formulierung, Absenkungen des Stauspiegels bedürften „der Genehmigung der Verwaltungsbehörde, sofern hierüber nicht die Betriebsvorschrift (…) eine Regelung trifft“ (vgl. dort § 10 Ziff. III Satz 1), wurde im Beschwerdebescheid zugunsten der Antragstellerin abgemildert. Damit wurde deren Beschwerdeziel, den aus ihrer Sicht „unzulässigen und rein tatsächlich nicht veranlassten“ Vorbehalt einer gesonderten Genehmigung außerhalb des Bescheides und neben der ohnehin zu genehmigenden Betriebsvorschrift zu streichen, Rechnung getragen (vgl. BB vom 4.8.1959 S. 42).
(b) Gleichwohl bleiben bei objektiver Betrachtung Zweifel, dass die Wasserbehörden damit einen unbegrenzten Schwellbetrieb – d.h. ohne maximales Absenkziel – an der Staustufe in O … per se erlauben wollten. Die dortige Staustufe wird beim Schwellbetrieb gemeinsam mit der flussaufwärts gelegenen Staustufe E … als Kopfspeicher verwendet. Die Staustufe O … nimmt die im Kraftwerk E … verarbeiteten Wassermengen auf und gibt diese wiederum an die Staustufe R … ab. Ein Spitzenbetrieb in der Stufe E … ist nur zulässig, wenn die dort verarbeiteten Wassermengen in der Stufe O … und in den unterhalb gelegenen L …stufen unter Einhaltung der diesen Stufen eingeräumten Nutzungsbefugnisse so ausgeglichen werden, dass im Unterwasser der letzten Stufe (F … ) die dem natürlichen Zufluss des L … entsprechende Wassermenge abfließt (vgl. Beschwerdebescheid vom 16.12.1959 [E …] A § 7 Ziff. IV Satz 4; Betriebsvorschrift vom 3.8.1962 S. 4).
Ausgehend von dieser Konzeption und der zeitlichen Abfolge der Zulassungsentscheidungen der einzelnen Staustufen in der Kraftwerkskette (E …: 16.12.1959; O …: 4.8.1959; R …: 12.12.1962; F …: 25.2.1960) erschließt sich für den Senat nicht, weshalb die zeitlich erste Zulassung der Gewässerbenutzung an der zweiten Staustufe in O … unbeschränkt (d.h. ohne max. Absenkziel) erfolgen hätte sollen, während die danach erteilten Erlaubnisse ein Absenkziel festsetzen (F … ) oder eine spätere Festsetzung durch gesonderten Bescheid verlangen (E … ). Auch der Vorhalt der Antragstellerin, das Ausmaß der Gewässerbenutzung sei ohne Absenkziel ausreichend bestimmt, weil in O … die im Kraftwerk E … verarbeiteten Werkwassermengen ankämen, überzeugt nicht, da das Absenkziel an der Staustufe E … nicht festgelegt wurde (vgl. B.v. 1.2.2022 – Az. 8 CS 21.1056).
(c) Hinzu kommt, dass die Betroffenen vor der Festlegung des Absenkziels keine Möglichkeit hatten, begründete Einwendungen zu erheben (vgl. Niederschrift vom 21.8.1968 über die Verhandlungstagfahrt am 9.7.1968 S. 5, VG-Akte Az. Au 9 K 20.2777, Anlagenkonvolut Landratsamt, Anlage 12). Befürchtete nachteilige Wirkungen der Absenkung auf die Fischerei wurden erst danach – im Rahmen der nachgelagerten Verfahren zur wasserrechtlichen Gestattung des Schwellbetriebs – eingehend und langwierig (bis zur Erteilung der Bewilligung vom 27.9.1976) erörtert und geprüft.
(d) Lassen sich Inhalt und Umfang eines alten Benutzungsrechts trotz Untersuchung (Art. 24 BayVwVfG) nicht aufklären, so trägt derjenige die Beweislast, der sich auf den Fortbestand des Altrechts beruft (vgl. VGH BW, U.v. 1.7.1994 – 8 S 2813/93 – NVwZ-RR 1995, 193 = juris Rn. 27; Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, § 20 WHG Rn. 33; Zöllner in Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG AbwAG, § 20 WHG Rn. 66).
b) Selbst wenn man annimmt, dass der Schwellbetrieb an der Stau- und Kraftwerksanlage O … im Hinblick auf die nach Art. 42, 43 BayWG 1907 erteilte Erlaubnis von der wasserrechtlichen Gestattungspflicht freigestellt war (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 4 WHG, Art. 75 BayWG), wurde dieses Altrecht inzwischen verwirkt.
aa) Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für das Rechtsinstitut der Verwirkung ist der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Verwirkung ist eine besondere Ausprägung dieses Grundsatzes und gilt auch im öffentlichen Recht (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 18.7.2019 – 6 B 18.19 – juris Rn. 7; U.v. 29.8.1996 – 2 C 23.95 – BVerwGE 102, 33 = juris Rn. 24, jeweils m.w.N.). Sie ist ein Hauptanwendungsfall des „venire contra factum propium“ (Verbot widersprüchlichen Verhaltens), wonach ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser seinen Anspruch nach längerer Zeit nicht mehr geltend machen würde, und wenn er sich infolge seines Vertrauens so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Maßgeblich für die Annahme der Verwirkung ist eine Gesamtbewertung aller zeitlichen und sonstigen Umstände (vgl. BVerwG, U.v. 29.8.2018 – 3 B 24.18 – VRS 134, 157 = juris Rn. 14 ff. m.w.N.).
bb) Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist auf das hier in Frage stehenden alte Recht anwendbar. § 20 Abs. 2 WHG steht dem nicht entgegen. Die Auffassung der Antragstellerin, diese Regelung sei abschließend, sodass ein Rückgriff auf das Rechtsinstitut der Verwirkung ausscheide, geht fehl. Die dem Altrecht zugrundeliegende Erlaubnis nach Art. 42, 43 BayWG 1907 unterlag nach allgemeinen Grundsätzen zweifellos der Verwirkung. Die Aufrechterhaltung alter Rechte nach § 20 Abs. 1 WHG bezweckt indessen nicht, die Rechtsposition ihrer Inhaber zu verbessern (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 20 Rn. 54; Pape Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2021, § 20 WHG Rn. 38). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. März 2001 (Az. III ZR 154/00 – BGHZ 147, 125 = juris Rn. 12; zustimmend Keienburg in Schink/Fellenberg, GK-WHG, 1. Aufl. 2021, § 20 Rn. 5) ist auf den hier vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Sie verhält sich nur zu der Frage, ob eine Verwirkung aus der bloßen Nichtausübung des Rechts folgen kann (vgl. VG Stade, U.v. 27.2.2019 – 1 A 425/15 – juris Rn. 124), auf die es hier nicht ankommt.
cc) Denn die Antragstellerin hat mit ihrem Verhalten aktiv daran mitgewirkt, dass der Antragsgegner darauf vertraut hat, sie wolle ihr ggf. altrechtlich verbürgtes Recht zur Gewässerbenutzung (Absenkung im Schwellbetrieb) nicht mehr ausüben.
Nach Erlass des Beschwerdebescheids vom 4. August 1959 hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 14. August 1962 (vgl. VG-Akte Az. Au 9 K 20.2777, Anlagenkonvolut Landratsamt, Anlage 9) darauf verwiesen, dass der Schwellbetrieb im Rahmen einer Betriebsvorschrift zulässig sei. Die entsprechende Betriebsvorschrift wurde dem Landratsamt N … … … vorgelegt und deren Genehmigung nach § 21 Ziff. II des wasserrechtlichen Bescheids erbeten. Das Landratsamt hielt demgegenüber – insbesondere auch im Hinblick darauf, dass Betroffene ohne Kenntnis des Absenkziels keine begründeten Einwendungen erheben konnten – die Durchführung eines weiteren wasserrechtlichen Gestattungsverfahrens für erforderlich (vgl. Niederschrift vom 21.8.1968 über die Verhandlungstagfahrt am 9.7.1968 S. 5, VG-Akte Az. Au 9 K 20.2777, Anlagenkonvolut Landratsamt, Anlage 12). Auf Rückfrage des Landratsamts N … … … (vgl. Zuleitungstext auf der o.g. Niederschrift vom 21.8.1968 S. 13) teilte die Antragstellerin mit Schreiben vom 19. September 1968 mit, dass ihrerseits „aus praktischen Gründen“ keine Bedenken dagegen bestünden, ihren Antrag vom 14. August 1962 als Antrag auf Erteilung einer Bewilligung zu werten, obwohl im Bewilligungsbescheid für das Kraftwerk O … der Schwellbetrieb dem Grunde nach bereits genehmigt und lediglich noch für die Betriebsordnung eine Genehmigung vorbehalten sei (vgl. VG-Akte Az. Au 9 K 20.2777, Anlagenkonvolut Landratsamt, Anlage 11).
Das Landratsamt erteilte ihr daraufhin mit Ergänzungsbescheid vom 11. Oktober 1968 zunächst – befristet bis längstens 31. März 1969 – die beschränkte widerrufliche Erlaubnis, den L … von der im Beschluss vom 25. April 1955 in der Fassung des Beschwerdebescheids vom 4. August 1959 festgelegten Stauhöhe (416,50 m ü.NN) um höchstens 1 m auf die Höhe 415,50 m ü.NN abzusenken. In der Begründung des Bescheids stellte sie ihre Sichtweise klar, wonach der Antragstellerin in A § 6 Ziff. III des Beschwerdebescheids vom 4. August 1959 eine Absenkung des festgesetzten Stauziels lediglich dem Grunde nach zugesprochen worden sei. Die Festsetzung des Absenkziels bedürfe somit eines gesonderten Ausspruchs der Verwaltungsbehörde, der nicht – wie in A § 21 Ziff. II des o.g. Beschwerdebescheids vorgesehen – durch Genehmigung einer „Betriebsvorschrift“, sondern nur im Rahmen eines Erlaubnis- bzw. Bewilligungsverfahrens gewährt werden könne (vgl. dort S. 6 f.). In der Folgezeit erhielt die Antragstellerin insoweit weitere, jeweils befristete Erlaubnisse. Im Schreiben vom 2. März 1972 (vgl. VG-Akte Az. Au 9 K 20.2777, Anlagenkonvolut Landratsamt, Anlage 13) bestätigte die Antragstellerin gegenüber dem Landratsamt N … … … ihre frühere Aussage, „aus praktischen Gründen“ bzgl. einer verfahrensrechtlichen Behandlung ihres Antrags auf Zustimmung zur Betriebsvorschrift als Antrag auf Bewilligung für die Stufe O … „keine Schwierigkeiten machen zu wollen“.
Mit Bescheid vom 27. September 1976 bewilligte das Landratsamt D … den Schwellbetrieb u.a. an der Staustufe O … (Absenkung max. 1 m). Mit Schreiben vom 6. Dezember 1985 beantragte die Antragstellerin die Verlängerung der Bewilligung um weitere 10 Jahre (vgl. Behördenakte des LRA D … Az. 643-2/133.1 S. 1397 f.). Die Bewilligung erfolgte – nach eingehender Prüfung naturschutzrechtlicher Fragen (insbesondere Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen) – erst mit Bescheid vom 23. September 1996; bis dahin war mehrmals befristet der vorzeitige Beginn der Gewässerbenutzung zugelassen worden. Am 27. Mai 2004 folgte ein Antrag auf Verlängerung der Bewilligung um mindestens weitere 10 Jahre (vgl. Behördenakte des LRA D … Az. 643-2/133.1 S. 1990 f.). Der vorzeitige Beginn des Schwellbetriebs wurde zuletzt bis zum 31. März 2013 zugelassen. Die Antragstellerin hat die o.g. Anträge gestellt und im Rahmen der Gestattungsverfahren, innerhalb derer vielfältige naturschutzfachliche Anforderungen abzuarbeiten waren, mitgewirkt, ohne einzuwenden, dass es dieser Gestattungsverfahren nicht bedürfe. Noch viel weniger hat sie auf eine entsprechende Feststellung ihres Altrechts hingewirkt, die bei behördlicher Ablehnung mit einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO durchgesetzt hätte werden können (vgl. BayVGH, B.v. 10.2.2021 – 8 ZB 19.2464 – BayVBl 2021, 632 = juris Rn. 8; Pape in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 20 WHG Rn. 97 m.w.N.).
Bei der summarischen Gesamtbewertung dieses Sachverhalts geht der Senat davon aus, dass die Antragstellerin ein etwaiges Altrecht für den Schwellbetrieb verwirkt hat. Seit dem früheren Vorbehalt ihres Rechts, den Schwellbetreib in O … erlaubnis- bzw. bewilligungsfrei ausüben zu dürfen (zuletzt 2.3.1972) und der Geltendmachung mit Schreiben vom 25. September 2020 liegen fast 50 Jahre. In dieser Zeit hat die Antragstellerin zahlreiche Anträge auf wasserrechtliche Gestattung des Schwellbetriebs gestellt und an den von ihr eingeleiteten Verwaltungsverfahren aktiv mitgewirkt. Der frühere Vorbehalt, dies nur aus „praktischen Gründen“ zu tun, wirkt bei dieser Sachlage nicht jahrzehntelang fort mit der Folge, dass alle Verfahrenshandlungen vorbehaltlich des Bestehens eines Altrechts vorgenommen worden wären. Stattdessen konnten die Wasserrechtsbehörden das Verhalten der Antragstellerin nur so verstehen, dass diese an ihrem aus dem Beschwerdebescheid vom 4. August 1959 zunächst abgeleiteten Recht, den Schwellbetrieb an der Staustufe O … erlaubnis- bzw. bewilligungsfrei auszuüben, nicht festhalten. Das Beschwerdevorbringen, die Antragstellerin habe sich nach einer siebenjährigen ergebnislosen Wartezeit nur „aus praktischen Gründen“ auf das Gestattungsverfahren eingelassen, kann ihr Verhalten nach der letztmaligen Äußerung ihres Vorbehalts im Jahr 1972 nicht erklären. Ihr Vorhalt, sie habe nicht auf ihr Altrecht verzichtet, greift schon deshalb zu kurz, weil die Verwirkung keinen Verzicht voraussetzt (vgl. BVerwG, U.v. 4.4.2012 – 8 C 9.11 – ZOV 2012, 208 = juris Rn. 26). Entgegen der Auffassung der Beschwerde steht der Verwirkung auch nicht entgegen, dass das Landratsamt bei ihr eine unrichtige Rechtsauffassung hervorgerufen hätte. Von einer treuwidrigen Herbeiführung eines Rechtsirrtums kann keine Rede sein, wenn unterschiedliche Auffassungen zu einem auslegungsbedürftigen Verwaltungsakt bestehen. Im Übrigen verbleibt es dabei, dass die Folgen eines Rechtsirrtums grundsätzlich denjenigen treffen, der diesem Irrtum unterliegt und für dessen Handeln bzw. Unterlassen er ursächlich ist (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 8.12.2011 – OVG 11 B 24.10 – ZOV 2012, 102 = juris Rn. 108; vgl. auch BVerwG, U.v. 28.5.1980 – 7 A 2.79 – BVerwGE 60, 162 = juris Rn. 112). Dass die Antragstellerin im Vertrauen auf ein wasserrechtlich zutreffendes Handeln der Behörden gehandelt haben mag, ändert daran nichts.
2. Keiner abschließenden Entscheidung bedarf, ob die angegriffene Untersagungsanordnung auch im Einzelfall notwendig ist, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 WHG).
Soweit das Verwaltungsgericht darauf abgestellt hat, dass die Antragstellerin das Landratsamt durch ihre kurzfristige Ankündigung des Schwellbetriebs vor vollendete Tatsachen gestellt hat, ohne dass die Prüfung der Zulässigkeit des Schwellbetriebs zeitlich noch möglich gewesen wäre (vgl. BA Rn. 39), verkennt es den maßgeblichen Zeitpunkt bei der verwaltungsgerichtlichen Prüfung der Rechtmäßigkeit einer auf § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG, Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG gestützten Untersagungsverfügung. Bei einer solchen Untersagungsanordnung handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, da sie sich nicht in einem einmaligen Verbot oder einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage in der Vergangenheit erschöpft, sondern sich das Verbot fortlaufend verlängert und aktualisiert. Ist aber ein behördlich verfügtes Verbot auf Fortwirkung und Dauer angelegt, ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit regelmäßig – soweit sich aus dem materiellen Recht nichts anderes ergibt – auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – NJW 2021, 1970 = juris Rn. 11; U.v. 7.11.2018 – 7 C 18.18 – DVBl 2019, 905 = juris Rn. 15). Dies gilt auch für die Untersagung einer Gewässerbenutzung aufgrund § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG (vgl. BayVGH, B.v. 2.2.2018 – 8 ZB 17.1271 – juris Rn. 11; OVG SH, U.v. 23.6.2011 – 4 LB 2/10 – juris Rn. 30).
3. Die Beseitigungsanordnung erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig.
Für das wasserwirtschaftliche Einschreiten ist es grundsätzlich unerheblich, ob das der Wasserwirtschaftsordnung zuwiderlaufende Verhalten formell oder materiell illegal ist; eine Trennung zwischen formeller und materieller Illegalität ist im Wasserrecht – im Gegensatz zum öffentlichen Baurecht – mangels Rechts auf Gewässerbenutzung nicht vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2012 – 8 ZB 10.2343 – juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 14.5.2018 – 20 B 117/18 – UPR 2018, 397 = juris Rn. 11). Allerdings kann sich aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Einzelfall ergeben, dass eine auf die bloße formelle Illegalität der Gewässerbenutzung gestützte Anordnung ausnahmsweise nur dann rechtmäßig ist, wenn eine Beeinträchtigung des Wasserhaushalts konkret zu erwarten ist und die Behörde zuvor die Möglichkeit der Gewässerbenutzung geprüft und verneint hat (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2017 – 8 ZB 15.2642 – juris Rn. 20; B.v. 19.3.2012 – 8 ZB 10.2343 – juris Rn. 14). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor; die Untersagungsanordnung war vielmehr notwendig, um eine vorherige behördliche Kontrolle der mit dem Schwellbetrieb einhergehenden gestattungspflichtigen Gewässerbenutzung sicherzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2019 – 8 CS 18.2411 – NuR 2019, 787 = juris Rn. 12, 27). Im Übrigen kann die Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens mangels Vorliegens eines entsprechenden Antrags nicht überprüft werden.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
D. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs. Sie folgt der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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