Verwaltungsrecht

Besondere Aufwandsentschädigung von Gerichtsvollziehern

Aktenzeichen  AN 1 K 18.01966

Datum:
19.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 16673
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBesG Art. 93
GVO § 30 Abs. 1 S. 1
BKEntschv-GV § 1, § 2, § 5, § 6
VwGO § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6, Nr. 7, § 113 Abs. 5, § 124a Abs. 1, § 154 Abs. 1, § 161 Abs. 1, § 167
GKG § 52 Abs. 3

 

Leitsatz

1. Bei der Frage der Berechtigung eines Kostenerstattungsanspruchs eines Gerichtsvollziehers ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die Aufwendungen entstanden, in der Höhe bezifferbar und von der zuständigen Behörde unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsgrundlagen auf ihre Erstattungsfähigkeit hin überprüfbar sind. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die rechtlichen Wirkungen einer Versetzung ergeben sich nicht erst mit deren Unanfechtbarkeit, sondern bereits ab dem in der Versetzungsverfügung angeordneten Zeitpunkt. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Gerichtsvollzieher können eine Bürokostenentschädigung nur nach Maßgabe der §§ 2 und 3 BKEntschV-GV beanspruchen. Die regelmäßigen Kostenfaktoren werden über die monatlichen Sachkostenpauschalen gemäß § 2 Abs. 1 BKEntschV-GV abgedeckt. Bei über die (pauschale) Grundentschädigung hinausgehenden Erstattungsanträgen ist der Anfall der höheren Sachkosten nachzuweisen sowie die Gründe für die Notwendigkeit der Mehrkosten darzulegen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die mit Bescheid vom 20. Februar 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2018 ausgesprochene Ablehnung der Kostenerstattung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung in Höhe von 3.000,00 EUR.
Die Gewährung der Entschädigung zur Abgeltung der den Gerichtsvollziehern und Gerichtsvollzieherinnen für die Verpflichtung zur Einrichtung und Unterhaltung eines Büros entstehenden notwendigen Aufwendungen richtet sich gemäß Art. 93 des Bayerischen Besoldungsgesetzes (BayBesG) nach der durch das Bayerische Staatsministerium der Justiz erlassenen Verordnung über die Aufwandsentschädigung für Bürokosten der Gerichtsvollzieher vom 29. November 2007 in der Fassung vom 22. Juli 2017.
Bei der Frage der Berechtigung eines Kostenerstattungsanspruchs ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage dabei abweichend vom grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die Aufwendungen entstanden, in der Höhe bezifferbar und von der zuständigen Behörde unter Heranziehung der einschlägigen Rechtsgrundlagen auf ihre Erstattungsfähigkeit hin überprüfbar sind (Decker in: BeckOK VwGO § 113 Rn. 74a.3; Riese in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO § 113 Rn. 270).
Gemäß Art. 93 BayBesG i.V.m. § 1 BKEntschV-GV erhalten die Gerichtsvollzieher und Gerichtsvollzieherinnen eine Entschädigung zur Abgeltung des notwendigen finanziellen Aufwandes für das gemäß § 30 Abs. 1 Satz 1 der Gerichtsvollzieherordnung (GVO) auf eigene Kosten zu unterhaltende Geschäftszimmer. Mit Wegfall der Verpflichtung, ein Geschäftszimmer zu unterhalten, entfällt auch der Anspruch auf die Gewährung einer Entschädigung.
Die Entschädigung wird gemäß § 2 Abs. 1 BKEntschV-GV als Pauschale gewährt. Reicht diese nicht aus, um die für die Einrichtung und Unterhaltung des Büros notwendigen Ausgaben zu decken, kann gemäß § 6 Satz 1 BKEntschV-GV auf Antrag eine besondere Aufwandsentschädigung gewährt werden. Die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher haben gemäß § 6 Satz 2 BKEntschV-GV den Anfall der entstandenen höheren Sach- und Personalkosten nachzuweisen und die Gründe für die Notwendigkeit der Mehrkosten darzulegen.
Auf Grundlage des § 6 BKEntschV-GV hat der Beklagte im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der Sachaufklärung zum 1. Januar 2013 mit JMS vom 10. September 2012, Gz. 2103 – IV – 1041/12, auf Grundlage des § 6 BKEntschV-GV für die Anschaffung des reformbedingten Zusatzbedarfs in den Jahren 2012/2013 eine Einmalzahlung von bis zu 3.000,00 EUR in Aussicht gestellt, die der Klägerin mit Bescheid vom 2. September 2013 in voller Höhe bewilligt worden war.
Mit weiterem JMS vom 17. August 2017, Gz. A2 – 2103 – IV – 10345/05, hat der Beklagte eine erneute Erstattung gemäß § 6 BKEntschV-GV für die Erneuerung der Zusatzausstattung zur Reform der Sachaufklärung bis zu einem Betrag von 3.000,00 EUR zugesagt. Soweit dem JMS vom 17. August 2017, Gz. A2 – 2103 – IV – 10345/05 möglicherweise entnommen werden kann, dass Aufwendungen für die Erneuerung der Zusatzausstattung „Reform der Sachaufklärung“ grundsätzlich für notwendig erachtet werden und entsprechend der Nachweis für die Notwendigkeit der Aufwendungen entfallen könnte, so gilt dies nach Überzeugung der Kammer immer nur unter der Voraussetzung, dass der jeweilige Antragsteller als Gerichtsvollzieher tätig ist und dies auch noch für die folgende Zeit sein wird.
Die Klägerin hat auf diese zusätzliche Sachkostenentschädigung keinen Anspruch, da sie die Notwendigkeit der Anschaffung für die Dienstausübung gerade nicht belegen kann.
Die Klägerin wurde mit Bescheid vom 7. Dezember 2017 mit Wirkung zum 1. Februar 2018 von den Aufgaben einer Gerichtsvollzieherin entbunden und in den Justizfachwirtedienst bei dem Amtsgericht … versetzt. Damit entfiel die Verpflichtung, ein Geschäftszimmer zu unterhalten, ebenfalls mit Wirkung zum 1. Februar 2018, da die Klägerin ab diesem Zeitpunkt nicht mehr als Gerichtsvollzieherin tätig war. Dass die Klägerin gegen die Versetzung in den Justizfachwirtedienst Widerspruch eingelegt und anschließend Klage erhoben hat, führt zu keiner anderen Bewertung. Zum einen hat die Klägerin den Dienst beim Amtsgericht … termingerecht angetreten, zum anderen ergeben sich die rechtlichen Wirkungen einer Versetzung nicht erst mit deren Unanfechtbarkeit, sondern bereits ab dem in der Versetzungsverfügung angeordneten Zeitpunkt (SächsOVG, B.v. 16.1.2013 – 2 A 222/10 – juris Rn. 13; vgl. § 54 Abs. 4 BeamtStG).
Zwar machte die Klägerin mit ihrem Antrag auf Kosten-/Aufwandserstattung vom 21. Dezember 2017 unter Vorlage verschiedener Rechnungen vom 21. Dezember 2017, 22. Dezember 2017 und 13. Oktober 2017 Kosten, die bereits vor dem Entfallen der Pflicht, ein Geschäftszimmer zu unterhalten, entstanden sind, geltend, wegen der zum 1. Februar 2018 wirksam gewordenen Versetzung waren die Aufwendungen jedoch bereits zum Zeitpunkt der Beauftragung nicht mehr notwendig für die ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeit als Gerichtsvollzieherin.
Gerichtsvollzieher können nämlich eine Bürokostenentschädigung nur nach Maßgabe der §§ 2 und 3 BKEntschV-GV beanspruchen. Die regelmäßigen Kostenfaktoren werden über die monatlichen Sachkostenpauschalen gemäß § 2 Abs. 1 BKEntschV-GV abgedeckt. Bei über die (pauschale) Grundentschädigung hinausgehenden Erstattungsanträgen ist der Anfall der höheren Sachkosten nachzuweisen sowie die Gründe für die Notwendigkeit der Mehrkosten darzulegen (Leihkauff in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Teil C – Bayern, Ziff. 1.1 – BayBesG, Art. 93, Rn. 30, 32).
Die Klägerin konnte insoweit aber die Notwendigkeit der Aufwendungen für die Erneuerung der Zusatzausstattung zur Reform der Sachaufklärung aber gerade nicht nachweisen. Denn der Klägerin war aufgrund des Bescheides des Präsidenten des Oberlandesgerichts … vom 7. Dezember 2017 klar, dass ihre Versetzung mit Wirkung zum 1. Februar 2018 bevorstand. Zum Zeitpunkt des Zugangs des maßgeblichen Bescheides verfügte die Klägerin über eine funktionierende EDV-Anlage, die ihr den Vollzug ihrer Aufgaben als Gerichtsvollzieherin in ausreichender Art und Weise ermöglichte. Nach Einlassung der Klägerin wurde die EDV-Anlage auch erst nach Zugang des Versetzungsbescheides, nämlich am 20. Dezember 2017, geliefert und eingerichtet und war damit objektiv für den weiteren Vollzug für den überschaubaren Zeitraum bis einschließlich 31. Januar 2018 nicht erforderlich.
Dafür, dass die ersetzte EDV-Anlage einen Defekt gehabt hat oder wegen sonstiger technischer Gründe nicht mehr bis 31. Januar 2018 einsetzbar gewesen sein könnte, liegen keine belastbaren Anhaltspunkte vor. Zwar erklärte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 22. Februar 2019, dass der Ersatz erfolgt sei, da mit der alten Hard- und Software eine Tätigkeit bis 31. Januar 2018 nicht mehr möglich gewesen wäre, nannte hierfür aber weder Gründe noch legte er entsprechende Nachweise vor.
Gegen einen Defekt, der außerplanmäßig behoben werden hätte müssen, spricht darüber hinaus, dass nach Vortrag der Klägerin im Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 25. April 2018 die Beauftragung der Firma …GmbH bereits Anfang November 2017 erfolgt ist. Mangels eines entgegenstehenden substantiierten Vortrags der Klägerin steht für die Kammer fest, dass die Klägerin zwischen Beauftragung der Fa. … GmbH und der Lieferung ihre Aufgaben mit der vorhandenen EDV-Anlage uneingeschränkt erledigen konnte.
Bei Annahme einer Beauftragung der Fa. … GmbH Anfang November 2017, wofür ebenfalls ein belastbarer Nachweis, z.B. in Form einer Auftragsbestätigung, fehlt, kommt es nicht mehr darauf an, ob die Klägerin von der Versetzungsabsicht durch den Präsidenten des OLG … zeitgleich zur Kenntnisnahme des JMS vom 17. August 2017, Gz. … erfahren hat oder nicht, da die Klägerin mit einer Beauftragung der Fa. … GmbH jedenfalls bis Anfang November 2017 abgewartet hat. Denn zu diesem Zeitpunkt war sie sowohl durch ein Schreiben des Präsidenten des Amtsgerichts … vom 19. September 2017 als auch durch das Anhörungsschreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts … vom 27. September 2017 bereits über die Absicht informiert worden, sie von den Aufgaben einer Gerichtsvollzieherin zu entbinden und in das Amt einer Justizhauptsekretärin beim Amtsgericht … zu versetzen.
Aber selbst wenn zum Zeitpunkt der Beauftragung der Fa. … GmbH der Versetzungsbescheid vom 7. Dezember 2017 der Klägerin – wie von ihr dargestellt – noch nicht zugegangen gewesen sein sollte, hätte die Klägerin die Beauftragung nicht ohne weitere Nachfrage bei ihrem Dienstvorgesetzten vornehmen dürfen. Denn Gerichtsvollzieher sind gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 BKEntschV-GV, der sich als Ausfluss des Dienst- und Haushaltsrecht darstellt, bei vorhersehbarer längerfristigen Verhinderung verpflichtet, die die für die Einrichtung und Unterhaltung des Büros anfallenden Kosten soweit möglich und zumutbar zu reduzieren (Leihkauff in: Schwegmann/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, Teil C – Bayern, Ziff. 1.1 – BayBesG, Art. 93, Rn. 29). Unabhängig davon, welche Folgen sich aus eine Verletzung dieser Kostenminderungspflicht ergeben, lässt sich aus der Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 1 BKEntschV-GV jedenfalls eine Dienstpflicht, sich vor Verursachung außer- bzw. überplanmäßiger Kosten mit dem Dienstherrn zur Abstimmung in Verbindung zu setzen, herleiten, wenn dem Gerichtsvollzieher Informationen darüber vorliegen, dass eine längerfristige Verhinderung absehbar ist. Wenn eine entsprechende Verpflichtung aber schon im Fall der vorhersehbaren längerfristigen Verhinderung besteht, so ergibt sich eine entsprechende Pflicht erst recht in dem Fall, dass der Gerichtsvollzieherin bekannt ist, dass sie die Tätigkeit als Gerichtsvollzieherin in Folge der Versetzung überhaupt nicht mehr ausüben wird. Hätte die Klägerin zum Zeitpunkt der Beauftragung bei ihrem Dienstvorgesetzten nachgefragt, wäre sie auf die bereits angekündigte, nunmehr anstehende Versetzung entsprechend hingewiesen worden.
Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 22. Februar 2018 noch Jahresabrechnungen der … eG für Strom und Gast jeweils vom 29. Januar 2019 vorgelegt hat, so sind diese nicht Streitgegenstand des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Berufung nach § 124 a Abs. 1 VwGO zuzulassen, liegen nicht vor.


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