Verwaltungsrecht

Bestimmtheit einer gewerberechtlichen Anordnung

Aktenzeichen  22 ZB 17.733

Datum:
26.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 113734
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1, Art. 44 Abs. 1
VwGO § 108 Abs. 1
BGB § 166 Abs. 1
ArbSchG § 13
ArbStättV § 3a Abs. 1 S. 1, S. 2, § 7 Abs. 4

 

Leitsatz

1 Ein Bechäftigter, der an einer Baustelle die Aufsicht führt und der sich selbst als zuständig ansieht, um den Empfang eines bei einer Betriebskontrolle erlassenen schriftlichen Verwaltungsakts zu bestätigen, ist auch dann entsprechend § 166 Abs. 1 BGB als Wissensvertreter des Arbeitgebers hinsichtlich der aus solchem Anlass seitens der Behörde mündlich geäußerten arbeitsschutzrechtlichen Beanstandungen zu qualifizieren, wenn es sich bei diesem Beschäftigten nicht um eine “verantwortliche Person” iSv § 13 ArbSchG gehandelt haben sollte. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A2.1 und die DGUV-Information 201-023 müssen bei einem Unternehmen, das Abbrucharbeiten durchführt, als bekannt vorausgesetzt werden. Ein Verwaltungsakt, der Begriffe aus diesen Regelwerken verwendet, ist in sich verständlich. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 2 K 14.877 2017-02-22 GeB VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Am 15. Juli 2014, am 5. August 2014, am 19. August 2014 und am 20. August 2014 kontrollierte die Regierung von Oberfranken – Gewerbeaufsichtsamt – (nachfolgend nur „Gewerbeaufsichtsamt“ genannt) Abbrucharbeiten, die die Klägerin in Neustadt b. Coburg auf dem ehemaligen Gelände der Fa. S. durchführte. Bei diesen Überprüfungen wurden jeweils Verstöße gegen dem Schutz der Beschäftigten dienende Vorschriften festgestellt, die dem Gewerbeaufsichtsamt Anlass gaben, am 15. Juli 2014 und am 20. August 2014 gegenüber der Klägerin noch an Ort und Stelle schriftliche, für sofort vollziehbar erklärte Anordnungen (sog. „Handbescheide“) zu erlassen. Die am 5. und 19. August 2014 vorgefundenen sicherheitstechnischen Mängel wurden durch das Gewerbeaufsichtsamt jeweils in Schriftstücken festgehalten, die die sinngemäße Aufforderung enthielten, der Behörde innerhalb einer bestimmten Frist eine Vollzugsmeldung über deren Behebung zu erstatten.
Im Handbescheid vom 20. August 2014 gab das Gewerbeaufsichtsamt der Klägerin auf, sofort der folgenden Anordnung nachzukommen:
„Die Arbeiten in den Gebäuden (speziell BT 43) ohne Absturzsicherung dürfen erst fortgesetzt werden, wenn die Gebäude durch außreichenden Seitenschutz/Abdeckung versehen sind.“
Falls die Klägerin diese Verpflichtung nicht oder nicht vollständig erfülle, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 € zur Zahlung fällig.
Eine Person, die im Bescheidsvordruck als Aufsichtführender bezeichnet wird, bestätigte am 20. August 2014 durch ihre Unterschrift, dass sie die Anordnung zur Kenntnis genommen habe.
Am 3. November 2014 stellte das Gewerbeaufsichtsamt erneut sicherheitstechnische Mängel in Zusammenhang mit von der Klägerin vorgenommenen Abbruch- und Entkernungsarbeiten auf dem ehemaligen S.-Gelände fest. Sie wurden in einem Schreiben festgehalten, das dem Aufsichtführenden der Klägerin am gleichen Tag gegen Unterschriftsleistung übergeben wurde. Das Gewerbeaufsichtsamt führte darin als erforderliche Schutzmaßnahmen u. a. aus:
„Gebäudeöffnungen BT 131 an denen gearbeitet wird mit Absturzsicherung versehen.“
Mit Schreiben vom 28. November 2014 machte das Gewerbeaufsichtsamt gegenüber der Klägerin geltend, da sie der Anordnung vom 20. August 2014 nicht nachgekommen sei, sei das damals angedrohte Zwangsgeld fällig geworden.
Ausweislich eines am 20. Januar 2015 an die Landespolizei gerichteten Schreibens des Gewerbeaufsichtsamts hatte sich am 11. November 2014 auf dem ehemaligen S.-Gelände ein Arbeitsunfall ereignet, bei dem der Bruder des Geschäftsführers der Klägerin, der auf der Baustelle in einer einem Polier vergleichbaren Funktion tätig gewesen sei, zu Tode kam. Zu dem Unglück könnte es nach den Untersuchungen des Gewerbeaufsichtsamts gekommen sei, als der Bruder des Geschäftsführers der Klägerin daran mitgewirkt habe, ein größeres Objekt an eine ca. 9,7 m über dem Boden befindliche Absturzkante zu schieben, um es in einen Container fallen zu lassen. Da das Objekt zu groß gewesen sei, um es über die an der Wandöffnung als Absturzsicherung angebrachte Querstange zu heben, sei diese entfernt worden. Es sei zu vermuten, dass der Verunglückte mit seiner Kleidung an dem zu entsorgenden Objekt hängengeblieben und mit ihm in die Tiefe gerissen worden sei.
Mit der am 23. Dezember 2014 zum Verwaltungsgericht erhobenen Klage beantragte die Klägerin:
1. Es wird festgestellt, dass die Anordnung des Beklagten vom 20. August 2014 nichtig ist.
2. Es wird festgestellt, dass das mit Schreiben vom 28. November 2014 fällig gestellte Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 € nicht zur Zahlung fällig ist.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage durch Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2017 als unbegründet ab. Es sei nicht erkennbar, dass die Anordnung vom 20. August 2014 an einem besonders schweren und offenkundigen Fehler im Sinn von Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG leide. Zwar hätte es das Gericht für sinnvoll gehalten, die konkreten Absicherungsmaßnahmen in den Bescheid aufzunehmen. Das Fehlen solcher Angaben habe jedoch nicht die Nichtigkeit der Anordnung zur Folge; vielmehr habe der Aufsichtführende klar zu erkennen vermocht, was zu tun sei. Der Klageantrag 2 sei deswegen unbegründet, weil die Klägerin jedenfalls am 3. November 2014 gegen die im Bescheid vom 20. August 2014 angeordneten Sicherungspflichten verstoßen habe.
Die Klägerin beantragt,
gestützt auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO,
die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 22. Februar 2017 zuzulassen.
II.
Über den Antrag auf Zulassung der Berufung konnte ohne Anhörung des Beklagten entschieden werden, da aus der Antragsbegründung vom 8. Mai 2017 (vgl. zur Maßgeblichkeit der darin enthaltenen Darlegungen für den Erfolg eines Zulassungsantrags § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht hervorgeht, dass die Voraussetzungen der Zulassungsgründe, die die Klägerin für sich in Anspruch nimmt, erfüllt sind.
1. Aus dem Schriftsatz vom 8. Mai 2017 ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
1.1 Den Ausführungen in den Entscheidungsgründen, in denen das Verwaltungsgericht dargelegt hat, warum es den Klageantrag 1 als unbegründet abgewiesen hat, tritt die Klägerin mit der Behauptung entgegen, es wäre geboten gewesen, im Zeitpunkt der Anordnung die konkreten Beanstandungen des Gewerbeaufsichtsamts aufzuzeigen und anzugeben, auf welchen Gebäudeteil und welche Arbeitsausführung sich diese Beanstandungen bezogen. Bei seiner Annahme, für den Aufsichtführenden der Klägerin sei erkennbar gewesen, was der Bescheid vom 20. August 2014 genau verlangt habe, habe das Verwaltungsgericht die Größe des ehemaligen S-Geländes außer Acht gelassen. Durch dieses Vorbringen werden ernstliche Zweifel daran, dass jener Handbescheid keine Mängel aufweist, die gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG seine Nichtigkeit nach sich ziehen, nicht dargetan.
Dahinstehen kann, ob die Anordnung vom 20. August 2014 dem Bestimmtheitserfordernis (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) vollumfänglich genügt. Denn nicht bereits jede inhaltliche Unschärfe, die einem Verwaltungsakt anhaftet, zieht dessen Nichtigkeit nach sich. Diese Rechtsfolge tritt vielmehr erst dann ein, wenn sich der Inhaltsadressat auf die getroffene Regelung „überhaupt nicht einzustellen vermag“ (BayVGH, U.v. 14.2.1990 – 22 B 88.275 – NVwZ-RR 1990, 407/408) bzw. der Verwaltungsakt „in sich unverständlich ist“ (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 44 Rn. 116; Leisner-Egensperger in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 44 Rn. 18).
Der Bejahung einer solchen Fallgestaltung steht hier zum einen – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – entgegen, dass der am 20. August 2014 eingesetzte Gewerbeaufsichtsbeamte B. die auf der Baustelle vorgefundenen Mängel mit der aufsichtführenden Person der Klägerin besprochen hat. Nach der Darstellung in der Klageerwiderung des Gewerbeaufsichtsamts vom 20. März 2015, auf die das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang verwiesen hat, hat dieser Amtsträger dem Aufsichtführenden im Rahmen jener Erörterung die wahrgenommenen und gerügten Mängel im Einzelnen geschildert. Die Begründung des Zulassungsantrags tritt weder der Richtigkeit dieser Angabe noch der dem angefochtenen Gerichtsbescheid erkennbar zugrunde liegenden Rechtsauffassung entgegen, dass ein Beschäftigter, der an einer Baustelle die Aufsicht führt und der sich selbst als zuständig ansieht, um den Empfang eines bei einer Betriebskontrolle erlassenen schriftlichen Verwaltungsakts zu bestätigen, auch dann entsprechend § 166 Abs. 1 BGB als „Wissensvertreter“ des Arbeitgebers hinsichtlich der aus solchem Anlass seitens der Behörde mündlich geäußerten arbeitsschutzrechtlichen Beanstandungen anzusehen ist, wenn es sich bei diesem Beschäftigten nicht um eine „verantwortliche Person“ im Sinn von § 13 ArbSchG gehandelt haben sollte. Aus der Kostenmitteilung vom 2. September 2014, die der Gewerbeaufsichtsbeamte B. über die am 20. August 2014 auf dem ehemaligen S.-Gelände durchgeführten Kontrolltätigkeiten erstellt hat, geht im Übrigen hervor, dass diese Überprüfung (einschließlich der Erstellung des Handbescheids) ca. zweieinhalb Stunden in Anspruch genommen hat. Innerhalb einer solchen Zeitspanne kann ein fachkundiger Amtsträger Mängel hinsichtlich der Absturzsicherung von Beschäftigten auch auf einem größeren Areal zuverlässig feststellen und sie einer verantwortlichen Person des betroffenen Unternehmens in ausreichendem Umfang erläutern.
Die Annahme, der am 20. August 2014 gegenüber der Klägerin erlassene Verwaltungsakt sei „in sich unverständlich“ (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 44 Rn. 116; Leisner-Egensperger in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2014, § 44 Rn. 18) und deshalb gemäß Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nichtig, verbietet sich zum anderen deshalb, weil die einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen genau vorgeben, was unter einem „ausreichenden Seitenschutz“ und einer (ausreichenden) „Abdeckung“, wie sie im Bescheid vom 20. August 2014 verlangt wurden, zu verstehen ist. Nach der in der Nummer 2.1 der DGUV-Information 201-023 („Sicherheit von Seitenschutz, Randsicherungen und Dachschutzwänden als Absturzsicherungen bei Bauarbeiten“) vorgenommenen Begriffsbestimmung ist unter einem „Seitenschutz“ eine Einrichtung zur Sicherung gegen Absturz von Personen zu verstehen, die aus Geländer- und Zwischenholm, Bordbrett und Seitenschutzpfosten besteht. Im Anschluss daran erläutert die DGUV-Information 201-023 – namentlich in ihrem Abschnitt 6 – detailgenau, wie die drei ersten der vorerwähnten Bestandteile eines Seitenschutzes beschaffen sein müssen, welche (zentimetergenau festgelegten) Abstände sie zueinander (höchstens) aufweisen dürfen und unter welchen Voraussetzungen auf sie (bzw. Teile hiervon) verzichtet werden kann; die Anforderungen, denen Seitenschutzpfosten genügen müssen, ergeben sich aus dem Abschnitt 7 der DGUV-Information 201-023. In welchen Fällen aus Gründen der Absturzsicherheit eine „Abdeckung“ erforderlich ist, folgt u. a. aus der Nummer 5.2 Abs. 1 der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A2.1 („Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenständen, Betreten von Gefahrenbereichen“); wie solche Abdeckungen zu beschaffen sein haben, bestimmen die Absätze 2 und 3 der Nummer 5.2 dieses Regelwerks. Sowohl die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A2.1 als auch die DGUV-Information 201-023 müssen bei einem Unternehmen, das Abbrucharbeiten durchführt, als bekannt vorausgesetzt werden (vgl. zu der bei Bauunternehmen vorauszusetzenden Kenntnis elementarer Unfallverhütungsvorschriften OLG Brandenburg, U.v. 18.12.2001 – 11 U 134/99 – BauR 2003, 119/120). Denn bei dem erstgenannten Regelwerk handelt es sich um eine nach § 7 Abs. 4 ArbStättV bekanntgemachte Bestimmung (vgl. zu der vom November 2012 stammenden Urfassung der ASR A2.1 GMBl 2012, S. 1220, zu der im April 2014 vorgenommenen letzten Änderung GMBl 2014, S. 284); derartige Regeln hat gemäß § 3a Abs. 1 Satz 2 ArbStättV jeder Arbeitgeber zu berücksichtigen, um der sich aus § 3a Abs. 1 Satz 1 ArbStättV ergebenden Pflicht gerecht zu werden. Die rechtliche und praktische Bedeutung der DGUV-Information 201-023 besteht darin, dass die sich aus § 12 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift „Bauarbeiten“ (BGV C 22; früher VBG 37) ergebende Forderung nach einer Absturzsicherung dann erfüllt ist, wenn ein Seitenschutz angebracht wurde, der in Abmessung und Ausführung der DIN 4420-1 (in bestehenden baulichen Anlagen der DIN 4426) oder der BG-Information (nunmehr: DGUV-Information) „Sicherheit von Seitenschutz, Randsicherungen und Dachschutzwänden als Absturzsicherung bei Bauarbeiten“ entspricht (vgl. die Durchführungsanweisungen zu § 12 Abs. 1 der BGV C 22 sowie OLG Brandenburg, U.v. 18.12.2001 – 11 U 134/99 – BauR 2003, 119/120).
Ungeeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids aufzuzeigen, ist ferner die in der Antragsbegründung im Anschluss an den Hinweis auf die Größe des ehemaligen S* …-Geländes aufgestellte Behauptung, „diese maßgeblichen Umstände“ ergäben sich aus der vom Verwaltungsgericht beigezogenen Akte eines Strafverfahrens, das den gegen den Geschäftsführer der Klägerin erhobenen Vorwurf der fahrlässigen Tötung zum Gegenstand hatte. Eine derartige, nicht näher spezifizierte Bezugnahme auf Akten genügt dem Darlegungsgebot (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht, da sie es dem Verwaltungsgerichtshof überlässt, diese Unterlagen daraufhin durchzusehen, ob sich aus ihnen Gesichtspunkte ergeben, die dem Rechtsbehelfsführer ggf. einen Anspruch auf Zulassung der Berufung verschaffen.
Bereits aus dem Wortlaut des Handbescheids vom 20. August 2014 geht eindeutig hervor, dass das Gewerbeaufsichtsamt darin die Durchführung von Arbeiten in allen Gebäuden auf dem ehemaligen S.-Gelände für den Fall untersagt hat, dass erforderliche Absturzsicherungen fehlen. Wenn in diesem Zusammenhang ein mit „BT 43“ bezeichnetes Objekt „speziell“ erwähnt wurde, so handelt es sich hierbei bereits ausweislich der sprachlichen Gestalt dieser Erklärung nur um die Hervorhebung eines Gebäudes oder Gebäudeteils, hinsichtlich dessen der getroffenen Anordnung besonderes Gewicht zukommt sollte, nicht aber um eine inhaltliche Beschränkung des Regelungsgehalts des Bescheids vom 20. August 2014 hierauf.
1.2 Keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Gerichtsbescheids zeigt die Antragsbegründung auch hinsichtlich der Abweisung des Klageantrags 2 auf.
Das Verwaltungsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, das angedrohte Zwangsgeld sei deshalb fällig geworden, weil die Klägerin am 3. November 2014 die im Bescheid vom 20. August 2014 auferlegte Verpflichtung missachtet habe, Arbeiten nicht ohne erforderliche Absturzsicherung durchzuführen. Seine Überzeugung, dass es am erstgenannten Tag zu einem derartigen Verstoß gekommen ist, hat das Verwaltungsgericht zum einen damit begründet, dass das seinerzeit erstellte Mängelprotokoll u. a. den Vermerk „Gebäudeöffnungen BT 131 an denen gearbeitet wird mit Absturzsicherung versehen“ enthält. Zum anderen hat es darauf verwiesen, dass das Gewerbeaufsichtsamt während des erstinstanzlichen Verfahrens folgendes erklärt hat: „Technischer Gewerbeaufsichtsbeamter B. hat … mitgeteilt, dass zum Zeitpunkt seiner Kontrolle am 03.11.2014 keinerlei Absturzsicherung an dem Bauteil, an dem gearbeitet wurde, angebracht war“ (vgl. Seite 1 des Schriftsatzes des Gewerbeaufsichtsamts vom 12.5.2015).
Durch dieses Vorbringen hat der Beklagte klargestellt, dass die Bedingung, deren Eintritt Voraussetzung für die Fälligkeit des angedrohten Zwangsgelds ist, am 3. November 2014 (und nicht etwa – wie das in der Begründung des Zulassungsantrags als Möglichkeit in den Raum gestellt wird – am 11.11.2014) verwirklicht wurde. Die Unklarheit, die sich daraus ergeben konnte, dass das Schreiben des Gewerbeaufsichtsamts vom 28. November 2014 das Datum des Verstoßes, im Hinblick auf den das Zwangsgeld fällig gestellt wurde, nicht genannt hat, obwohl u. U. auch die Vorgänge am 11. November 2014 als Anknüpfungspunkt für diese Maßnahme in Betracht gekommen wären, wurde damit ausgeräumt.
Im Übrigen tritt die Begründung des Zulassungsantrags der Sachverhaltsdarstellung des Gewerbeaufsichtsamts lediglich mit der Behauptung entgegen, es treffe nicht zu, dass am 3. November 2014 im Bauteil 131 gearbeitet worden sei; das sei der Grund dafür, dass an der dort vorhandenen Gebäudeöffnung keine Absturzsicherung angebracht gewesen sei.
Die Klägerin wiederholt damit eine Einlassung, die sie bereits im ersten Rechtszug vorgebracht hat. Entgegen der Darstellung im Schriftsatz vom 8. Mai 2017 hat das Verwaltungsgericht diesen Sachvortrag nicht übergangen, sondern sich im zweiten vollständigen Absatz auf Seite 8 des angefochtenen Gerichtsbescheids damit in einer dem Begründungserfordernis des § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO genügenden Weise auseinandergesetzt. Um ernstliche Zweifel an dem Ergebnis aufzuzeigen, zu dem das Verwaltungsgericht bei der Würdigung des divergierenden Vorbringens der Klägerin und des Beklagten gelangt ist, hätte die Begründung des Zulassungsantrags darlegen müssen, dass das Verwaltungsgericht die Grenzen der freien richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) überschritten oder von dieser Befugnis in unvertretbarer Weise Gebrauch gemacht hat. Die Klägerin hat sich demgegenüber damit begnügt, die Auffassung des Verwaltungsgerichts als „unzutreffend“ zu bezeichnen, ohne den vom Verwaltungsgericht eingenommenen Standpunkts mit substantiierten Gegenargumenten in Frage zu ziehen.
2. Nicht dargetan hat die Klägerin auch die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Die besondere tatsächliche Schwierigkeit der Rechtssache erblickt sie in der zutreffenden Beantwortung der Frage, ob sie gegen die Anordnung vom 20. August 2014 verstoßen hat, da sich der diesbezügliche Vortrag der Beteiligten widerspreche und der Beklagte nicht habe darlegen können, dass es zwischen dem letztgenannten Datum und dem 28. November 2014 zu einer Missachtung der im verfahrensgegenständlichen Handbescheid erteilten Anordnung gekommen sei.
Dem kann nicht gefolgt werden. Die Befugnis der Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit, ihre Überzeugung auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens frei zu gewinnen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), schließt das Recht ein, der Sachverhaltsschilderung einer Seite auch dann zu folgen, wenn ein anderer Beteiligter gegenläufige Behauptungen aufstellt, solange dieser Beteiligte keine förmliche Beweiserhebung zum Zwecke der Verifizierung seines Vorbringens beantragt und sich auch nicht die Notwendigkeit aufdrängt, den Sachverhalt insofern von Amts wegen aufzuklären. Dass hier eine der beiden letztgenannten Fallgestaltungen inmitten steht, ergibt sich aus der Begründung des Zulassungsantrags nicht. Vielmehr sprechen auch aus der Sicht des Verwaltungsgerichtshofs gewichtige Gründe für die Plausibilität des Tatsachenvortrags des Beklagten. Das gilt zumal im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht mit Schreiben vom 21. April 2015 zunächst eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits dergestalt angeregt hatte, dass der Beklagte erklären sollte, auf eine Beitreibung des fällig gestellten Zwangsgelds zu verzichten. Denn aus den dem Verwaltungsgericht bis dahin vorliegenden Akten ergebe sich nicht, wann auf der fraglichen Baustelle eine Kontrolle stattgefunden habe, bei der ein Verstoß gegen den Bescheid vom 20. August 2014 festgestellt worden sei. Während sich die Klägerin mit dem Vorschlag des Gerichts einverstanden erklärte, widersetzte sich der Beklagte einer solchen Verfahrensbeendigung und legte eine weitere Aktenheftung vor, die u. a. das Mängelprotokoll vom 3. November 2014 enthält. Außerdem verwies er auf die vorerwähnten Wahrnehmungen, die der Technische Gewerbeaufsichtsbeamte B. an jenem Tag getätigt habe, und erklärte, dieser Amtsträger sei bereit, seine Feststellungen mündlich näher zu erläutern. Dieses prozessuale Verhalten verdeutlicht, dass sich der Beklagte der Richtigkeit seiner Sachverhaltsdarstellung in hohem Grade sicher war. Die Klägerin hat sich im weiteren Verfahrensfortgang demgegenüber darauf beschränkt, die behördlichen Schilderungen, soweit sie die Verhältnisse am 3. November 2014 betrafen, lediglich zu bestreiten; substantiierte, mit Beweisangeboten untermauerte Tatsachenbehauptungen hat sie nur hinsichtlich des Unglücksfalls am 11. November 2014 aufgestellt.
3. Die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat die Klägerin nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO genügenden Weise dargelegt. Als grundsätzlich bedeutsam sieht sie die Frage an, „ob ein allgemeiner Hinweis auf ‚Sicherungspflichten‘ wie im Bescheid vom 20.08.2014 ausreichend ist und Grundlage sein kann für die Fälligkeitsmitteilung eines Zwangsgeldes wegen eines angeblichen Verstoßes gegen allgemeine Sicherungspflichten.“ Die Klägerin hat jedoch weder aufgezeigt, dass diese Frage in verallgemeinerungsfähiger Weise beantwortbar ist bzw. dass einer Antwort hierauf einzelfallübergreifende Bedeutung zukäme, noch ergibt sich aus der Begründung des Zulassungsantrags, dass diese Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig ist (vgl. zu diesen Voraussetzungen des Zulassungsgrundes der „grundsätzlichen Bedeutung“ z.B. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36 ff.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich der Streitwerthöhe wird auf die zutreffende Begründung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts Bezug genommen.


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