Verwaltungsrecht

Betriebserlaubnis, Kindertageseinrichtung, Gemeinderat, Interessenausgleich, Klagebefugnis, Anordnungsanspruch

Aktenzeichen  M 18 E 20.3465

Datum:
30.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 26891
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 abs. 2, § 80 Abs. 5, § 123
BayKiBiG Art. 2 Abs. 1, Art. 7
SGB VIII § 45 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, die eine private Kinderkrippe betreibt, begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Einstellung des Betriebs einer Krippengruppe in einer nahegelegenen kirchlichen Kindertageseinrichtung.
Die Antragstellerin ist staatlich anerkannte Erzieherin. Mit Bescheid vom 11. Oktober 2012 erteilte ihr der Antragsgegner die Erlaubnis zum Betrieb einer Kinderkrippe für sechzehn Plätze für Kinder unter drei Jahren im Ortsteil N. der Gemeinde S. 3
In fußläufiger Nähe betreibt die Katholische Kirchenstiftung St. J. N. eine integrative Kindertageseinrichtung, die zunächst 75 Plätze in drei Kindergartengruppen umfasste.
Am 19. Juli 2016 fand eine öffentliche Sitzung des Gemeinderats zum Thema Kinderbetreuung in der Gemeinde S. statt; laut der Sitzungsniederschrift wurde festgestellt, dass ein weiterer Betreuungsbedarf bestehe und insbesondere ein örtlicher Bedarf für eine Kleinkindgruppe (für Kinder unter 3 Jahren) erkannt. Die Gemeindeverwaltung wurde beauftragt, diesbezüglich mit der Kath. Kirchenstiftung St. J. N. Verhandlungen aufzunehmen.
In einer Sitzung vom 27. Juni 2017 erkannte der Gemeinderat den Bedarf für zehn zusätzliche Kindergartenplätze beim katholischen Kindergarten St. J. N. befristet für das Kindergartenjahr 2017/2018 an und gewährte die kindbezogene Förderung nach dem Bayerischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz (BayKiBiG).
Mit Bescheid des Antragsgegners vom 23. Oktober 2018 wurde die Betriebserlaubnis für die Kindertagesstätte der Kirchenstiftung St. J. N. mit Wirkung ab 1. September 2018 um zehn Krippenplätze erweitert; die Krippengruppe wurde wegen eines Wasserschadens und baulicher Maßnahmen im eigentlichen Kindergartengebäude übergangsweise im Pfarrzentrum untergebracht. Diese Übergangslösung wurde mit Bescheid vom 2. Januar 2020 nochmals geregelt und verlängert. Nach Abschluss der Baumaßnahmen zog die Krippengruppe in das nunmehr erweiterte Kindergartengebäude um; dem kirchlichen Träger wurde mit Bescheid vom 6. Juli 2020 rückwirkend zum 1. Februar 2020 eine Gesamtbetriebserlaubnis zum Betrieb der Kindertageseinrichtung mit insgesamt 90 Plätzen, davon 15 in einer Krippenstammgruppe, erteilt.
Mit am 30. Juli 2020 eingegangenem Schreiben hat die Antragstellerin, vertreten durch ihren Ehemann, Klage zum Verwaltungsgericht München erhoben mit dem Antrag, die Betriebserlaubnis für die Kinderkrippe St. J. N. aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass diese Betriebserlaubnis durch Zeitablauf der zeitlich befristeten Bedarfsanerkennung nichtig sei (M 18 K …)
Gleichzeitig ist im vorliegenden Verfahren beantragt worden,
den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung anzuweisen, den Betrieb der Kinderkrippe im Kindergarten St. J. N. aufgrund seiner Betriebserlaubnis ab dem 1. September 2020 bis zu einer Entscheidung in der Sache einstweilen einzustellen.
Zur Begründung von Klage und Eilantrag macht die Antragstellerin geltend, der Antragsgegner habe dem Kindergarten St. J. N. offensichtlich eine unbefristete Betriebserlaubnis für den Betrieb einer Kinderkrippe erteilt, obwohl hierfür laut dem Gemeinderatsbeschluss vom 27. Juni 2017 nur eine zeitlich bis zum 31. August 2018 befristete Bedarfsanerkennung vorgelegen habe. Die Fortführung der Kinderkrippe St. J. N. über den 31. August 2018 hinaus erfolge zum Schaden der Antragstellerin und unter Beeinträchtigung ihrer Rechte aus der Bedarfsanerkennung für ihre Kinderkrippe. Der Antragsgegner verstoße damit vorsätzlich gegen das alleinige Recht der Gemeinde zur Bedarfsanerkennung gemäß Art. 7 BayKiBiG, wonach nur eine von der Gemeinde mit einer konkreten Platzzahl als bedarfsnotwendig anerkannte Kindertageseinrichtung eine Betriebserlaubnis erhalten dürfe und dadurch auch berechtigt werde, die öffentliche kindbezogene Förderung in Anspruch zu nehmen. Die Antragstellerin mache daher gegen den Antragsgegner im Rahmen einer „Drittklage“ einen Anspruch aus Verletzung ihrer Rechte aus dem zum Schutz der Existenz ihrer Kinderkrippe bis 31. August 2018 zeitlich befristeten Bedarfsanerkennungsbeschluss für die Krippe St. J. N. geltend. Die von der Antragstellerin betriebene Einrichtung sei zuvor die einzige Krippe im Ortsteil N. gewesen und habe mit ihren 16 Plätzen zur Deckung des dortigen Bedarfs ausgereicht; 4 bis 8 Plätze seien jeweils durch Kinder aus den Nachbargemeinden belegt worden. Dennoch habe der Kindergarten St. J. N. 2017 einen Antrag auf Bedarfsanerkennung von 10 Krippenplätzen gestellt, obgleich er keinen zweifelsfreien Bedarfsnachweis erbracht habe und die Antragstellerin begründete Einwendungen mit ihren Bestandsmeldungen, die insbesondere im Krippenjahr 2017/2018 gesunken seien, vorgetragen habe. Daher habe auch der Gemeinderat nach dem 27. Juni 2017 offensichtlich keinen Verlängerungsbeschluss mehr für St. J. N. gefasst, sodass die Bedarfsanerkennung zum 31. August 2018 geendet habe. Trotzdem führe St. J. N. die Krippe weiter. Dieses Vorgehen sei rechtswidrig. Jede Betriebserlaubnis für eine Kindertageseinrichtung nach dem BayKiBiG setze eine gemeindliche Bedarfsanerkennung gemäß Art. 7 BayKiBiG voraus, nur auf dieser Grundlage dürfe ein Landratsamt nach § 45 SGB VIII eine Betriebserlaubnis erteilen. Werde – wie hier – die gemeindliche Bedarfsanerkennung zeitlich befristet, sei auch die Betriebserlaubnis befristet zu erteilen. Die Betriebserlaubnis, auf die sich St. J. N. stütze, sei hier durch Zeitablauf des gemeindlichen Bedarfsanerkennungsbeschlusses rechtsgrundlos und der weitere Kinderkrippenbetrieb damit rechtswidrig geworden. Über die damit zwingend erforderliche Rücknahme der Betriebserlaubnis habe sich sowohl die Gemeinde als auch der Antragsgegner vorsätzlich hinweggesetzt. Der Kindergarten St. J. N. könne sich insoweit auch nicht auf Vertrauensschutz berufen. Die Belegung der Krippe der Antragstellerin habe sich seit Inbetriebnahme der Krippengruppe durch St. J. N. verschlechtert. Zum 1. Mai 2018 hätte nur noch fünf Kinder aus der Gemeinde S. Plätze bei der Antragstellerin belegt, zum 1. September 2018 seien es nur noch drei Kinder gewesen. Die Antragstellerin habe sich in dieser Sache an die Gemeinde sowie an den Antragsgegner gewandt und Rechtsaufsichtsbeschwerde erhoben, jeweils ohne Erfolg. Schon um die weitere Existenz der Krippe der Antragstellerin zu sichern und damit wesentliche Nachteile abzuwenden, sei die einstweilige Schließung der Krippe in St. J. N. anzuordnen. Es sei rasche Planungssicherheit erforderlich.
Mit Schreiben vom 11. August 2020 wies das Gericht auf die Unzulässigkeit der „Konkurrentenklage“ der Antragstellerin gegen die dem kirchlichen Träger nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erteilte Erlaubnis zum Betrieb der Kindertagestätte hin.
Mit Schreiben vom 14. August 2020 hat der Antragsgegner beantragt,
die Klage abzuweisen und den Antrag abzulehnen.
Es liege keine Antrags- bzw. Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO der Antragstellerin vor. Weder sei sie Adressatin eines belastenden Verwaltungsakts noch verletze die Betriebserlaubnis für St. J. N. sie in eigenen Rechten. In der Erteilung einer geforderten Erlaubnis durch den Staat an einen Konkurrenten liege grundsätzlich schon kein Eingriff in Art. 12 und 14 GG. Es bestehe ein gebundener Anspruch auf Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet sei. Da eine Bedarfsfeststellung nach § 45 Abs. 2 VIII schon gar nicht Voraussetzung für die Erteilung einer Betriebserlaubnis sei, fehle es auch an einer möglichen Verletzung einfachgesetzlich eingeräumter subjektiver Rechte. Lediglich ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die Bedarfsplanung der Marktgemeinde S. zudem kommunalaufsichtlich geprüft worden sei und nicht habe beanstandet werden müssen.
Mit Schreiben vom 14. August 2020 und 8. September 2020 wies der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin darauf hin, dass es sich entgegen des Hinweises des Gerichts nicht um einen Konkurrentenstreit handle, sondern um eine Drittklage aus der Schutzwirkung der zugunsten der Antragstellerin zeitlich befristeten Bedarfsanerkennung für den Kindergarten St. J. N. Das hier allein maßgebliche BayKiBiG sehe eine Bedarfsprüfung zwingend vor und nur auf der Basis des gemeindlich anerkannten Bedarfs dürfe der Antragsgegner eine Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII erteilen. Für eine Kindertageseinrichtung genüge es nicht, dass ein beantragender Träger das Wohl der Kinder in seiner geplanten Einrichtung nach dem BayKiBiG gewährleiste, um eine Betriebserlaubnis zu beantragen und zu erhalten, vielmehr habe er einen zusätzlichen Bedarf gegenüber der zuständigen Gemeinde nachzuweisen, der so konkret sein müsse, dass hierdurch ein Sicherstellungsauftrag bei der Gemeinde entstehe. Erst die gemeindliche Anerkennung berechtige den Träger, beim zuständigen Landkreis einen Antrag auf Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII zu stellen. Damit bestehe nicht schon dann ein gebundener Anspruch auf Erteilung der Betriebserlaubnis, wenn das Wohl der Kinder in der geplanten Einrichtung gewährleistet sei, sondern diese Prüfung dürfe erst dann stattfinden, wenn zuvor nach Art. 5 und 7 BayKiBiG die Bedarfsplanung der Gemeinde zu einer Bedarfsanerkennung beim beantragenden Träger durch einen Anerkennungsbeschluss im Einzelfall geführt habe. So sei auch bei der Betriebserlaubnis für die Krippe der Antragstellerin verfahren worden. Soweit der Antragsgegner darauf hinweise, dass die Bedarfsplanung der Gemeinde S. kommunalaufsichtlich geprüft worden sei, verkenne dies die zeitliche Befristung in dem Gemeinderatsbeschluss.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren und im Verfahren M 18 K 20.3415 verwiesen.
II.
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes bleibt – auch nach der gemäß § 122 Abs. 1 i.V.m. § 88 VwGO gerichtlich vorzunehmenden Auslegung des im gesamten Vortrag der Antragstellerin zum Ausdruck kommenden Rechtsschutzziels (vgl. dazu z.B. Fertig in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1.7.2020, § 88 VwGO Rn. 6 m.w.N.) – unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt ohne Erfolg.
Die Antragstellerin will mit ihrem Eilantrag erreichen, dass der Antragsgegner Maßnahmen gegenüber einem Dritten trifft, nämlich dass er den Betrieb der Krippengruppe in der Kindertagestätte St. J. N. (vorläufig) einstellt. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes verlangt aber in jedem Fall zwingend die Geltendmachung der Verletzung in eigenen Rechten (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 42 Rn. 80 ff. m.w.N.). Eine solche ist hier bei der Antragstellerin nicht ersichtlich.
1. Ein Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die der katholischen Kirchenstiftung St. J. N. mit Bescheid vom 6. Juli 2020 erteilte Gesamtbetriebserlaubnis zum Betrieb der Kindertageseinrichtung mit u.a. 15 Krippenplätzen ist bereits unzulässig; es fehlt an der erforderlichen Antragsbefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO.
Zulässigkeitsvoraussetzung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist eine Antragsbefugnis des Antragstellers in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO. Dies gilt auch für den Fall, dass vorläufiger Rechtsschutz gegen einen Verwaltungsakt begehrt wird, von dem der Antragsteller behauptet, es handle sich um einen so genannten Verwaltungsakt mit Drittwirkung bzw. Doppelwirkung i.S.v. § 80a VwGO (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2003 – 8 CS 03.2279 – NVwZ-RR 2004, 886 m.w.N.).
Die Antragsbefugnis in entsprechender Anwendung von § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben, wenn die Möglichkeit der vom Antragsteller behaupteten Rechtsverletzung besteht. Dies setzt voraus, dass die Anwendung von Rechtssätzen möglich erscheint, die abstrakt auch dem Schutz der Interessen von Personen zu dienen bestimmt sind, welche sich in einer Lage befinden, die derjenigen des Antragstellers vergleichbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.11.2003 a.a.O. m.w.N.). Insoweit bedarf es jedenfalls dann einer besonderen Prüfung, wenn der Antragsteller nicht selbst Adressat eines ihn belastenden Verwaltungsaktes ist, sondern sich gegen einen in erster Linie einen anderen begünstigenden Verwaltungsakt als so genannter Dritter wendet. Hierbei geht es um die Frage nach dem sachlichen und personellen Schutzbereich einer Norm. Nur wenn hier ein besonderer Bezug zu Dritten festzustellen ist, kann die betreffende Rechtsvorschrift als so genannte Schutznorm angesehen werden (BayVGH, B.v. 24.11.2003 a.a.O. m.w.N.)
Die Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII kommt keine Schutzwirkung für Dritte im soeben dargestellten Sinne zu.
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII bedarf eine Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten, einer Betriebserlaubnis. Kindertageseinrichtungen i.S.v. Art. 2 Abs. 1 BayKiBiG, also auch Kinderkrippen, unterfallen diesem Erlaubnisvorbehalt. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII ist die Erlaubnis zu erteilen, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gewährleistet ist.
Die Erlaubniserteilung ist nicht in das Ermessen der zuständigen Behörde gestellt. Vielmehr hat der jeweilige Träger einen Anspruch auf Erteilung der Betriebserlaubnis, wenn das Wohl der Kinder und Jugendlichen in seiner Einrichtung gewährleistet ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.8.2016 – 12 CE 16.1172 – juris; B.v. 24.7.2017 – 12 CE 17.704 – BeckRS 2017, 119306; Janda in Beck-Online-Kommentar Sozialrecht, Stand: 1.9.2020, § 45 SGB VIII Rn. 49). Der Genehmigungsvorbehalt dient allein der Gefahrenabwehr. Als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt will er sicherstellen, dass Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen keinen Gefährdungen ausgesetzt sind. Das Kindeswohl bildet also den alleinigen Maßstab für die Erlaubnisfähigkeit der Einrichtung nach § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Insbesondere kommt es dabei nicht auf Aspekte der Bedarfsplanung an; ein wie auch immer gearteter Nachweis des Bedarfs für eine bestimmte Einrichtung stellt also kein Tatbestandsmerkmal für die Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII dar (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2017 – 12 CE 17.704 – BeckRS 2017, 119306 Rn. 41). Dies gilt insbesondere auch insoweit, als der Bevollmächtigte auf die örtliche Bedarfsplanung nach Art. 7 BayKiBiG verweist. Die gemeindliche Bedarfsfeststellung nach Art. 7 Satz 1 BayKiBiG ist keine Voraussetzung für die Betriebserlaubnis einer Kindertageseinrichtung i.S.v. Art. 2 Abs. 1 BayKiBiG, sondern allenfalls für finanzielle Förderungen (vgl. § 74a SGB VIII i.V.m. Art. 18 ff. BayKiBiG; so setzt insbesondere die Investitionskostenförderung ausdrücklich die Bedarfsfeststellung voraus, vgl. Art. 28 Satz 3 BayKiBiG).
Im Übrigen obliegt die Entscheidung, ob und welche Einrichtung ein (freier) Träger betreiben möchte, seiner grundrechtlich abgesicherten (wirtschaftlichen) Dispositionsfreiheit; damit trägt er aber zugleich auch das wirtschaftliche Risiko (BayVGH, B.v. 24.7.2017 – 12 CE 17.704 – BeckRS 2017, 119306 Rn. 41).
Jedenfalls kommt der Erteilung einer Betriebserlaubnis nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB III keine Schutzwirkung zugunsten Dritter, die eine „Konkurrenzeinrichtung“ betreiben, zu. Die Möglichkeit einer Verletzung der Antragstellerin in eigenen Rechten entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO als Zulässigkeitsvoraussetzung für vorläufigen Rechtsschutz nach § 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist daher nicht gegeben.
2. Auch soweit die Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO die (vorläufige) Einstellung des Betriebs der Kinderkrippe in der Kindertagesstätte St. J. N. begehrt, bleibt ein so verstandener Antrag ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO); einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass der Antragsteller das von ihm behauptete streitige Recht (den Anordnungsanspruch) und die drohende Gefahr seiner Beeinträchtigung (den Anordnungsgrund) glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Wird dabei – wie hier mit der vom Antragsteller begehrten Entscheidung – die Hauptsache (teilweise) vorweggenommen, sind an die Prüfung von Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch qualifizierte Anforderungen zu stellen; in diesem Fall kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung nur in Betracht, wenn ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache jedenfalls dem Grunde nach spricht und der Antragsteller ohne die einstweilige Anordnung unzumutbaren Nachteilen ausgesetzt wäre (BayVGH, B.v. 18.3.2016 – 12 CE 16.66 – juris Rn. 4).
Ungeachtet der Frage, ob hier im Hinblick auf die grundsätzliche Subsidiarität eines Eilantrags nach § 123 Abs. 1 VwGO gegenüber einem Antrag nach §§ 80, 80a VwGO ein solcher hier überhaupt zulässig ist (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO), wurde vorliegend jedenfalls nicht im Ansatz ein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
Der Antragstellerin kommt keine öffentlich-rechtlich geschützte Rechtsposition zu, aus der sie einen Anspruch auf Einstellung des Krippenbetriebs im Kindergarten St. J. N. herleiten könnte. Es ist hier keine drittschützende Norm ersichtlich, deren Schutzbereich sich nicht im vertikalen Verhältnis erschöpft, sondern – über bloße Reflexwirkungen hinaus – auch einen Interessenausgleich im horizontalen Verhältnis kollidierender Privatinteressen bezweckt (zur sog. Schutznormlehre vgl. z.B. Schmidt-Kötters in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1.10.2019, § 42 VwGO Rn. 51 ff. m.w.N.). Insbesondere kann sie einen solchen Anspruch nicht auf die Grundrechte aus Art. 2, 3 und 12 GG stützen, da die deutsche Rechtsordnung grundsätzlich keinen generellen Schutz von Erwerbschancen eines Unternehmers, insbesondere auch keinen Schutz vor der Zulassung von Konkurrenten gewährt (OVG RhPf., U.v. 15.7.1981 – 2 A 10/81 – NJW 1982, 1301 m.w.N.). So ist auch ein Geschäftsrückgang kein grundsätzlich im Verwaltungsrechtsweg verfolgbares subjektives Recht. Nur in einigen Bereichen hat der Gesetzgeber entweder ausdrücklich oder durch wettbewerbsrelevante Regulierung Sonderregelungen geschaffen, die einen weitergehenden Schutz ermöglichen (Schmidt-Kötters a.a.O. § 42 VwGO Rn. 205 m.w.N.). Dies ist bei der Erteilung von Betriebserlaubnissen für Kindertageseinrichtungen nach § 45 SGB VIII aber gerade nicht der Fall, gerade auch weil der Erlaubnisvorbehalt, wie oben ausgeführt, ausschließlich dem Schutz der Kinder und Jugendlichen dient.
Auch soweit der Bevollmächtigte der Antragstellerin geltend macht, die der Kath. Kirchenstiftung St. J. N. erteilte Betriebserlaubnis i.S.v. § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII sei nichtig bzw. zumindest rechtswidrig, weil kein Bedarf für die dort genehmigte Kinderkrippe bestehe bzw. vom Gemeinderat ausdrücklich nur ein Bedarf bis 31. August 2018 festgestellt worden sei, rechtfertigt dies keinesfalls einen Anspruch der Antragstellerin auf Aufhebung der Erlaubnis „gemäß § 48 VwVfG“ bzw. gemäß der im Sozialverfahrensrecht Anwendung findenden Parallelvorschrift nach § 45 SGB X. Abgesehen davon, dass sich auch nicht ansatzweise irgendwelche Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der mit Bescheid vom 6. Juli 2020 erteilten Gesamtbetriebserlaubnis ergeben würden, gilt diese Vorschrift allein im (horizontalen) Verhältnis der Behörde zum Bescheidsadressaten. Die Antragstellerin kann für sich hieraus keine Rechte ableiten.
3. Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Gerichtskostenfreiheit des Verfahrens ergibt sich aus § 188 Satz 2 VwGO.


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