Verwaltungsrecht

Beurteilung der Dienstfähigkeit – Rechtmäßigkeit amtsärztlichen Gutachtens;

Aktenzeichen  3 CS 16.208

Datum:
4.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO §§ 80 V, 146
BayBG BayBG Art. 8, 47

 

Leitsatz

Tenor

I.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu Recht abgelehnt. Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine andere Entscheidung.
1. Das Antragstellerin rügt, das Verwaltungsgericht habe die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage nur summarisch geprüft. Sie beruft sich auf die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 22. November 2002 (1 BvR 1586/02 – NJW 2003, 1236 – juris) und vom 29. Juli 2003 (2 BvR 311/03- NVwZ 2004, 95 – juris), wonach eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache zu erfolgen habe. Nach den von der Antragstellerin in den Blick genommenen verfassungsrechtlichen Entscheidungen ist bei drohender Schaffung vollendeter Tatsachen eine über die sonst vorgesehene summarische Prüfung hinausgehende genauere Untersuchung der Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs geboten (vgl. auch Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand: 1.7.2015, § 80 Rn. 3; Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 1 m. w. N.). Eine entsprechende Fallkonstellation hat die Antragstellerin nicht dargelegt. Eine solche ist bei einer Abordnung, der nur ein vorübergehender Moment innewohnt, auch nicht ersichtlich.
2. Nach Art. 47 Abs. 1 BayBG können Beamte und Beamtinnen vorübergehend ganz oder teilweise zu einer ihrem Amt entsprechenden Tätigkeit an eine andere Dienststelle abgeordnet werden, wenn ein dienstliches Bedürfnis besteht. Das Tatbestandsmerkmal des dienstlichen Bedürfnisses ist ausschließlich aus Sicht des Dienstherrn zu verstehen. Persönliche Gründe des Beamten können kein dienstliches Bedürfnis darstellen, es sei denn diese wirken sich zugleich allgemein dienstlich aus oder begründen eine Handlungspflicht des Dienstherrn (vgl. Beck’scher Online-Kommentar Beamtenrecht Bayern, Stand: 1.7.2015, Art. 47 BayBG Rn. 43). Die Antragstellerin führt aus, es sei nicht gerechtfertigt, die Abordnung mit einem Verlust der von ihr innegehabten Leitungsfunktion zu verbinden. Damit legt sie keine persönlichen Gründe dar, die sich dienstlich auswirken können, sondern Umstände, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen sind. Auch die Frage der Verantwortlichkeit für den Konflikt in der Dienststelle kann allenfalls für die Rechtmäßigkeit des behördlichen Ermessens bedeutsam sein. Ein dienstliches Bedürfnis für die Abordnung ist grundsätzlich bereits aufgrund der objektiven Beteiligung an dem Spannungsverhältnis zu bejahen, also von der Verschuldensfrage unabhängig (vgl. BVerwG, B. v. 27.11.2004 – 2 B 72/04 – juris Rn. 13 zur Umsetzung eines Beamten).
3. Die Antragstellerin hält das amtsärztliche Gutachten vom 18. November 2014 für rechtswidrig. Es sei nicht taugliche Grundlage für die Beurteilung ihrer Dienstfähigkeit. Sie verweist auf ihren umfänglichen Vortrag hierzu im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, der keine Berücksichtigung gefunden haben soll. Das Verwaltungsgericht hat den Vortrag der Antragstellerin jedenfalls insoweit berücksichtigt, als der Amtsarzt pflichtwidrig nicht auf die Vorfälle eingegangen sei, die zur psychoreaktiven Belastungsreaktion der Antragstellerin geführt hätten. Auch der Vorwurf des Mobbings wurde vom Verwaltungsgericht berücksichtigt, wenn auch nicht im Sinne der Antragstellerin. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass es für die Frage des Vorliegens der Dienstfähigkeit aus medizinisch-fachlicher Sicht nicht relevant sei, wodurch eine psychische Erkrankung verursacht bzw. ausgelöst worden sei. Mit dem weiteren erstinstanzlichen Vortrag wird die Verwertbarkeit des amtsärztlichen Gutachtens mit seinen Feststellungen nicht in Frage gestellt. Die Weitergabe von Daten durch den Amtsarzt an den beauftragenden Dienstherrn ist zulässig, weil mit Art. 65 Abs. 2 und 3 i. V. m. Art. 67 BayBG vom Gesetzgeber ein ausdrücklicher Rechtfertigungsgrund zur Übermittlung geschaffen wurde, der vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Interesse des Beamten an der Geheimhaltung seines Gesundheitszustandes einerseits und den Mitteilungsinteressen des Dienstherrn andererseits herstellt (vgl. Beck’scher Online-Kommentar Beamtenrecht Bayern, Stand: 1.7.2015, Art. 65 BayBG Rn. 23). Der Umstand, dass die Antragstellerin den Begutachtensauftrag an den Amtsarzt nicht zur Kenntnis erhielt, liegt im Vorfeld der Begutachtung und vermag die Richtigkeit und die Verwertbarkeit des Gutachtens nicht in Frage zu stellen (vgl. BVerwG, U. v. 26.4.2012 – 2 C 17/10 – NVwZ 2012, 1483 – juris Rn. 18: „Unterzieht sich der betroffene Beamte demgegenüber der angeordneten Untersuchung, so kann das Gutachten auch dann verwendet werden, wenn sich die Aufforderung als solche bei einer gerichtlichen Prüfung als nicht berechtigt erweisen sollte.“). Der Einwand, die Antragstellerin habe niemals gesagt, der Konflikt an der Justizvollzugsanstalt Augsburg sei kurz- oder mittelfristig eher weniger wahrscheinlich, sondern habe gesagt, dass es unter erwachsenen Menschen wohl möglich sein sollte, einen Konflikt vernünftig und sachlich zu lösen, ist eher semantischer Natur und vermag die Einschätzung, dass die Antragstellerin wegen eines – unstreitig – bestehenden Konflikts für den Einsatz an der Dienststelle als dienstunfähig anzusehen ist, nicht zu erschüttern.
4. Warum die Antragstellerin meint, der Amtsarzt habe ihre Dienstfähigkeit nicht geprüft und es existiere kein entsprechendes Gutachten, erschließt sich dem Senat nicht. Es liegt mit der Stellungnahme der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von Schwaben vom 18. November 2014 eine amtsärztliche Stellungnahme zur Dienstfähigkeit der Antragstellerin vor. Die Behauptung, bei der Antragstellerin „existiere eine psychische Erkrankung definitiv nicht“ wird nicht belegt und ist wohl in dem Sinne zu verstehen, dass die psychoreaktive Belastungsstörung unterhalb der Schwelle einer psychischen Erkrankung liegt, ohne dass damit dem Erfordernis einer Abordnung entgegen getreten wird. Unbehelflich ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der Antragstellerin auf ihre dienstliche Beurteilung, in der davon die Rede sein soll, ein Gutachter habe empfohlen, ihr die Leitungsfunktionen zu entziehen.
5. Das Verwaltungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die Leitungsfunktion im Bereich des Sozialdienstes gesetzlich nicht normiert und in den bayerischen Justizvollzugsanstalten eine Leitung für den Sozialdienst nicht vorgesehen ist. Es schließt daraus, dass die Leitungsfunktion der Antragstellerin ein „Amt im funktionellen Sinn“ und rechtlich in erheblich geringerem Umfang geschützt ist.
Die Antragstellerin trägt hierzu vor, Psychologen nähmen im Vollzugsdienst Leitungsfunktionen war, ohne dass dies gesetzlich geregelt sei. Hier werde eine Ungleichbehandlung der Sozialarbeiter im Vergleich zu Verwaltungsfachwirten oder auch Psychologen deutlich. Mit diesem Vortrag setzt sich die Antragstellerin nicht mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts auseinander, die darauf abzielt, dass die Leitungsfunktion nicht das Statusamt, sondern das Amt im funktionellen Sinn betrifft. Die Antragstellerin meint, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Entzug der Leitungsposition sachlich gerechtfertigt sein müsse und sich der Schutz des Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG nicht nur auf die Veränderung des Statusamtes, sondern auch auf die Funktionsämter erstreckt. Gemäß Art. 143b Abs. 3 Satz 1 GG werden die bei der Deutschen Bundespost tätigen Bundesbeamten unter Wahrung ihrer Rechtsstellung und der Verantwortung des Dienstherrn bei den privaten Dienstherrn beschäftigt. Die Antragstellerin unterfällt dieser Vorschrift nicht. In dem von der Antragstellerin zitierten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2006 (2 C 26/05 – BVerwGE 126, 182 – juris) wurde ein Beamter der Deutschen Telekom AG bei vollem Lohnausgleich gewissenmaßen auf „Wartestellung“ gesetzt, ohne dass ihm ein Dienstposten zugewiesen worden wäre. Auch dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. September 2008 (2 C 8/07 – BVerwGE 132, 31 – juris) liegt ein entsprechender Sachverhalt zugrunde (Berliner Stellenpoolgesetz). Das ist bei der Antragstellerin nicht der Fall. Zu der Frage einer zuvor inne gehabten Leitungsfunktion verhalten sich die Entscheidungen nicht. Der von der Antragstellerin weiter in den Blick genommene Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2014 (2 BvR 816/14 – NVwZ 2015, 523 – juris) betrifft einen beamtenrechtlichen Konkurrentenstreit. Der Entzug einer Leitungsfunktion bzw. die Übertragung eines Funktionsamtes wird dort nicht thematisiert. Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Mai 1980 (2 C 30/78 – BVerwGE 60, 144 – juris) kann der Ermessensspielraum des Dienstherrn bei einer Umsetzung eingeschränkt sein, wenn der Beamte eine „Leitungsfunktion“ innehat. Übertragen auf die hier verfahrensgegenständliche Abordnung ist mit dem Verwaltungsgericht der Schluss zu ziehen, dass die Abordnung nur auf Ermessensfehler überprüft werden kann, nicht aber „sachlich gerechtfertigt“ sein muss. Soweit das Verwaltungsgericht insoweit auf die Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen Strafvollzugsgesetz hingewiesen hat, handelt es sich nur um eine flankierende, aber nicht stützende Argumentation.
6. Die Antragstellerin rügt, es müsse gesondert geprüft werden, ob sie eine Leitungsfunktion aus gesundheitlichen Gründen ausüben könne. Damit kann die Antragstellerin bereits deshalb nicht gehört werden, weil eine entsprechende Leitungsfunktion gesetzlich nicht vorgesehen ist und zudem keine isolierte Betrachtung einer einzelnen Funktion im Lichte der Dienstfähigkeit möglich ist.
7. In dem von der Beschwerde in den Blick genommenen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Mai 2005 (2 BvR 583/05 – NVwZ 2005, 926 – juris), der auf der Seite 11 der Beschwerdebegründung unter falschen Aktenzeichen referiert wird, hat der von der Abordnung betroffene Beamte eine fachärztliche Bescheinigung vorgelegt, wonach bereits die Ankündigung der Abordnung zu einer starken Zuspitzung der psychischen Einschränkungen geführt habe und beim Vollzug der Abordnung prognostisch mit einer nachhaltigen gesundheitlichen Verschlechterung zu rechnen sei. Das Bundesverfassungsgericht hat bei dieser Fallkonstellation entschieden, dass substantiierte Anhaltspunkte für eine Gesundheitsschädigung des Beamten im Rahmen der Ermessensentscheidung des Dienstherrn hinsichtlich der Abordnung angemessen zu berücksichtigen sind (juris Rn. 10). Hier liegt eine entsprechende Sachverhaltskonstellation nicht vor.
8. Die Antragstellerin leitet ihre Beschwerdebegründung damit ein, ihr privates Interesse, von der Vollziehung der verfahrensgegenständlichen Abordnung verschont zu bleiben, sei gegenüber dem öffentlichen Interesse vorrangig. Sie meint wohl, es komme auf eine Prüfung der Erfolgsaussichten allein nicht an und verkennt das Stufensystem bei der Prüfung der Erfolgsaussichten eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO. Die Antragstellerin kann kein schutzwürdiges Interesse daran haben, von der Vollziehung einer – wovon der Senat nach der Prüfung der von der Antragstellerin dargelegten Beschwerdegründe ausgeht – offensichtlich rechtmäßigen Abordnung verschont zu bleiben. Das entspricht der überwiegenden Übung der Verwaltungsgerichte und wird auch vom Bundesverfassungsgericht gebilligt (vgl. Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 80 Rn. 74).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG, wobei sich der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um die Hälfte des Streitwerts des Hauptsacheverfahrens reduziert.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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