Verwaltungsrecht

Bewertung von Arbeiten in zweiter Juristischer Staatsprüfung

Aktenzeichen  M 4 K 15.4680

Datum:
7.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 121346
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 4 Abs. 1, Abs. 3
ZPO § 281

 

Leitsatz

1. Nach dem das Prüfungsrecht beherrschenden Grundsatz der Chancengleichheit müssen für vergleichbare Prüflinge so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraumes sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es handelt sich um eine den Prüfern vorbehaltene prüfungsspezifische Wertung, ob im Hinblick auf eine entsprechend determinierte Notenstufe bzw. zugeordnete Punktzahl eine Prüfungsleistung als „brauchbar“ zu bewerten ist; in diesen Bereich des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraumes dürfen die Gerichte grundsätzlich nicht eindringen, sondern haben nur zu überprüfen, ob die Prüfer die objektiven, auch rechtlich beachtlichen Grenzen ihres Bewertungsspielraumes überschritten haben. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
4. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, dem aber ein Antwortspielraum des Prüflings gegenübersteht; eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
5. Das Gericht hat die zu Grunde liegenden Prüfungsbewertungen nur insoweit zu überprüfen, als vom Prüfling dagegen substantiierte Einwendungen vorgebracht werden. Dazu genügt es nicht, dass er sich generell gegen eine bestimmte Bewertung seiner Prüfungsleistungen wendet und etwa pauschal eine zu strenge Korrektur bemängelt; vielmehr muss er konkret darlegen, in welchen Punkten die Korrektur bestimmter Prüfungsleistungen nach seiner Auffassung Bewertungsfehler aufweist, indem er substantiierte Einwände gegen Prüferbemerkungen und -bewertungen erhebt. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
6. Ist die vom Prüfling gerügte Bewertung einer Prüfungsaufgabe fehlerhaft und hat dieser Fehler Einfluss auf das Prüfungsergebnis, so führt dies zur Aufhebung des Bescheides über die Prüfungsendnote und zur Verpflichtung der Prüfungsbehörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen. Können allerdings Auswirkungen dieser materiellen Prüfungsfehler auf das Ergebnis der Prüfungsentscheidung ausgeschlossen werden, so folgt – wie bei unwesentlichen Verfahrensfehlern – aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, dass ein Anspruch auf Neubewertung nicht besteht, weil sich die Prüfungsentscheidung im Ergebnis als zutreffend und damit als rechtmäßig darstellt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Prüfungsbescheid des Landesjustizprüfungsamts vom 13. Oktober 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Bewertungen der von der Klägerin angefertigten Bearbeitungen (Klausuren) der Aufgaben 3 und 11 sind nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf Neubewertung dieser Klausuren und Neuverbescheidung (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).
I.
Prüfungsentscheidungen sind nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar.
Nach dem das Prüfungsrecht beherrschenden Grundsatz der Chancengleichheit müssen für vergleichbare Prüflinge so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten. Mit diesem Grundsatz wäre es unvereinbar, wenn einzelne Kandidaten, indem sie einen Verwaltungsgerichtsprozess anstrengen, die Chance einer vom Vergleichsrahmen unabhängigen Bewertung erhielten. Die gleichmäßige Beurteilung aller vergleichbaren Kandidaten ist nur erreichbar, wenn den Prüfungsbehörden bei prüfungsspezifischen Wertungen ein Entschei-dungsspielraum verbleibt und die gerichtliche Kontrolle insoweit eingeschränkt wird (BVerfG B. v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34 [52]).
Dieser prüfungsspezifische Bewertungsspielraum erstreckt sich auch auf die Notenvergabe bei Prüfungen wie der streitgegenständlichen: Die Prüfer müssen bei ihrem wertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer Examenspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben und allgemein anwenden. Auch die Bestehensgrenze lässt sich nicht starr und ohne den Blick auf durchschnittliche Ergebnisse bestimmen. Daraus folgt, dass die Prüfungsnoten nicht isoliert gesehen werden dürfen, sondern in einem Bezugssystem zu finden sind, das durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflusst wird. Da sich die komplexen Erwägungen, die einer Prüfungsentscheidung zugrunde liegen, nicht regelhaft erfassen lassen, würde eine gerichtliche Kontrolle zu einer Verzerrung der Maßstäbe führen (BVerfG B. v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34 [51 f.]).
Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraumes sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels (BVerwG U.v. 12.11.1997 – 6 C 11.96 – juris Rn. 22; B.v. 13.5.2004 – 6 B 25/04 – juris; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 5. Aufl. 2010, Rn. 635). Ebenso handelt es sich um eine den Prüfern vorbehaltene prüfungsspezifische Wertung, ob im Hinblick auf eine entsprechend determinierte Notenstufe bzw. zugeordnete Punktzahl eine Prüfungsleistung als „brauchbar“ zu bewerten ist (BVerwG v. 12.11.1997, a.a.O.). In diesen Bereich des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraumes dürfen die Gerichte grundsätzlich nicht eindringen, sondern haben nur zu überprüfen, ob die Prüfer die objektiven, auch rechtlich beachtlichen Grenzen ihres Bewertungsspielraumes überschritten haben (vgl. BVerwG v. 13.5.2004 – 6 B 25/04 – juris; BVerfG B. v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34 ff.).
Der Bewertungsspielraum ist überschritten, wenn die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Ein in diesem Sinne allgemeingültiger Bewertungsgrundsatz ist es, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen im Prinzip nicht als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, dem aber ein Antwortspielraum des Prüflings gegenübersteht. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden. Überschritten wird der Beurteilungsspielraum ferner, wenn eine Bewertung auf einer wissenschaftlich-fachlichen Annahme des Prüfers beruht, die einem Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss (BVerfG B. v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34 [53 ff.]; BVerwG B. v. 13.5.2004 – 6 B 25/04 – juris). Die wissenschaftlich-fachlichen Wertungen können vom Gericht stärker, wenn auch nicht vollständig, überprüft werden. Eine fachliche Antwort lässt sich bei entsprechendem Fachwissen als „richtig“, „falsch“ oder bei bestehenden Unklarheiten zumindest als „vertretbar“ bezeichnen. Ob eine als „falsch“ bewertete Lösung diese Voraussetzungen erfüllt, muss das Gericht gegebenenfalls durch Sachverständige klären. Bei der Beurteilung juristischer Fachfragen, insbesondere bei juristischen Staatsprüfungen, ist allerdings in aller Regel von der erforderlichen Qualifikation und Fachkompetenz der Verwaltungsgerichte auszugehen (BVerwG U. v. 24.2. 1993 – 6 C-38/92 – juris; BVerwG B. v. 21.7.1998 – 6 B 44/98 – juris).
Das Gericht hat die zu Grunde liegenden Prüfungsbewertungen nur insoweit zu überprüfen, als vom Prüfling dagegen substantiierte Einwendungen vorgebracht werden. Der Prüfling muss also auf vermeintliche Irrtümer und Rechtsfehler wirkungsvoll hinweisen (BVerfG B. v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34, 48). Dazu genügt es nicht, dass er sich generell gegen eine bestimmte Bewertung seiner Prüfungsleistungen wendet und etwa pauschal eine zu strenge Korrektur bemängelt. Vielmehr muss er konkret darlegen, in welchen Punkten die Korrektur bestimmter Prüfungsleistungen nach seiner Auffassung Bewertungsfehler aufweist, indem er substantiierte Einwände gegen Prüferbemerkungen und -bewertungen erhebt. Macht er geltend, dass etwa eine als falsch bewertete Antwort in Wahrheit vertretbar sei und auch so vertreten werde, so hat er dies unter Hinweis auf entsprechende Fundstellen näher darzulegen (BVerwG U. v. 24.2.1993 – 6 C-35/92 – juris).
Ist die vom Prüfling gerügte Bewertung einer Prüfungsaufgabe fehlerhaft und hat dieser Fehler Einfluss auf das Prüfungsergebnis, so führt dies zur Aufhebung des Bescheides über die Prüfungsendnote und zur Verpflichtung der Prüfungsbehörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen (BVerwG U. v. 16.3.1994 – 6 C-5/93 – juris). Können allerdings Auswirkungen dieser materiellen Prüfungsfehler auf das Ergebnis der Prüfungsentscheidung ausgeschlossen werden, so folgt – wie bei unwesentlichen Verfahrensfehlern – aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, dass ein Anspruch auf Neubewertung nicht besteht, weil sich die Prüfungsentscheidung im Ergebnis als zutreffend und damit als rechtmäßig darstellt (BVerwG B. v. 13.3.1998 – 6 B 28/98 – juris).
II.
Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die gegen die Klausurbewertungen zuletzt erhobenen Einwendungen nicht durchgreifen.
1.) Die zivilrechtliche Klausur 3 wurde vom Erstkorrektor mit 3 Punkten (mangelhaft) und vom Zweitkorrektor mit 4 Punkten (ausreichend) bewertet.
a) Die Klägerin rügt die Bemerkung des Erstkorrektors in der zusammenfassenden Beurteilung, der Verfasser begehe in Verkennung des § 281 ZPO den schwerwiegenden Fehler, einen Verweisungsantrag zu stellen, statt die Zuständigkeitsrüge zu erheben. Die Klägerin wendet hiergegen ein, sie erhebe bereits in der Einspruchsschrift des Klausurbeklagten Widerklage. Damit sei der Beklagte selbst Widerkläger. Ein Widerkläger könne aber den Antrag nach § 281 ZPO stellen (vgl. hierzu Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 12. Auflage 2015, § 281 Rn. 7). Dieser Verweisungsantrag enthalte als „Minus“ auch die Rüge der Unzuständigkeit für die Klage.
Mit dieser Rüge dringt die Klägerin nicht durch. § 281 Abs. 1 Satz 1 ZPO gibt dem Kläger die Möglichkeit, bei Anrufung eines sachlich oder örtlich unzuständigen Gerichts die Klageabweisung durch Prozessurteil dadurch zu vermeiden, dass er einen Antrag auf Verweisung an das zuständige Gericht stellt. Die Vorschrift dient dem Schutz des Klägers vor zu hohen Prozesskosten und zugleich der Prozessökonomie. Der Kläger kann verhindern, dass die Klage wegen Unzuständigkeit des Gerichts als unzulässig abgewiesen wird und sich damit die Kosten und Mühen einer erneuten Klage vor dem zuständigen Gericht ersparen. Ihm bleiben ferner die Vorteile der Rechtshängigkeit erhalten (Beck’scher Online Kommentar ZPO, Vorwerk/Volk, 24. Auflage, Stand 1. März 2017 Rn. 1). Auf den Beklagten ist die Regelung nach dem klaren Wortlaut der Norm nicht anzuwenden. Dies gilt auch für den Fall, dass der Beklagte Widerklage erhebt. Der vom Vertreter der Klägerin angegebenen Kommentarstelle des ZPO Kommentars von Musielak u.a. lässt sich lediglich entnehmen, dass die Verweisung grundsätzlich nur auf Antrag des Klägers erfolgt, und dass eine Ausnahme nur im Fall des § 506 ZPO gilt, nach dem der Antrag des Beklagten zur Verweisung eines durch Widerklage oder Erweiterung des Klageantrags erhobenen Anspruchs genügt. Ein solcher Fall des § 506 ZPO (nachträgliche sachliche Unzuständigkeit durch Widerklage) war aber nicht durch den Lösungsvorschlag der Klägerin begründet worden und wäre auch an der Zuständigkeitsgrenze des § 23 Nr. 1 GVG gescheitert. Im Übrigen wäre die Folge hieraus lediglich die Verweisung der Widerklage, nicht aber des klägerischen Begehrens. Im vorliegenden Fall ging es dem Klausurbeklagten aber nicht um die Verweisung seiner Widerklage, sondern darum, das Klagebegehren (und nicht die Widerklage) an sein Heimatgericht verweisen zu lassen. Die von der Klägerin vorgebrachte Argumentation, die Erhebung einer Widerklage mache aus dem Beklagten im Sinne des § 281 Abs. 1 ZPO gleichsam generell einen Kläger, ist in dieser Verkürzung nicht zutreffend und findet auch weder in Literatur noch in Rechtsprechung soweit ersichtlich eine Stütze. Sie würde auch dem Sinn und Zweck des § 281 ZPO (s.o., Dispositionsbefugnis des Klägers) widersprechen. Unabhängig davon hat die Klägerin auf S. 16 ihrer Ausarbeitung keinen Bezug zu der von ihr in der Einspruchsschrift erhobenen Widerklage hergestellt. Hieraus und in Kombination mit ihren Ausführungen auf S. 3 oben wird deutlich, dass die Klägerin den Anwendungsbereich des § 281 ZPO nicht korrekt erfasst hat. Demzufolge mangelt es der Arbeit auch an einer entsprechenden Auseinandersetzung mit der Problematik, in deren Rahmen eine Diskussion über einen erweiterten Anwendungsbereich etwa des § 506 ZPO ein entsprechendes Problembewusstsein hätte deutlich werden lassen. Auf die Ausführungen insbesondere des Erstkorrektors im Nachprüfungsverfahren wird insoweit Bezug genommen.
Die Bemerkungen am Rand der Klausur S. 3 und S. 16 sowie in der zusammenfassenden Beurteilung sind daher korrekt, weil sich die Klägerin nicht auf eine partielle Unzuständigkeit bei teilbaren Ansprüchen, also mit einer Teilverweisung auseinandersetzt, sondern den Verweisungsantrag über die Widerklage hinaus auf den gesamten Rechtsstreit erstreckt. Es stellt keine Verletzung des Prüferermessens dar, dies als einen schwerwiegenden Fehler zu werten.
b) Weiterhin moniert der Bevollmächtigte der Klägerin die Bemerkung des Erstkorrektors in der zusammenfassenden Würdigung, wonach das Mandantenschreiben keinerlei taktische Überlegungen enthalte. Dies sei eine Konsequenz aus der Tatsache, dass die Klausurbeklagte bereits im Einspruchsschriftsatz Widerklage erhoben und in diesem Zusammenhang auch den Verweisungsantrag gestellt habe. Dieser gegenüber der Musterlösung andere Lösungs Weg könne nicht dazu führen, das Mandantenschreiben dahingehend zu kritisieren, es enthalte keine taktischen Überlegungen.
Auch mit dieser Rüge dringt die Klägerin nicht durch. Nach Durchsicht der S. 25 ff. der Klausur hat das Gericht festgestellt, dass sich das Mandantenschreiben in der Schilderung der Rechtslage und in Ausführungen zu bereits eingeleiteten Schritten erschöpft. Taktische, in die Zukunft gerichtete Überlegungen, die von der Klausurbeklagten und Mandantin gegebenenfalls auf eigenen Wunsch auch noch anders gehandhabt werden könnten, finden sich demgegenüber nicht im Mandantenschreiben. Zumindest hätten die vom Erstkorrektor erwarteten Ausführungen zur Frage der Absicherung der Rechtsposition der Mandantin für den Fall des gerichtlichen Misserfolges sowie zu dem günstigsten Zeitpunkt für die Erhebung der Widerklage in einem Hilfsgutachten eingegangen werden müssen. Es stellt keine Überschreitung des Prüferspielraums dar, dieses Fehlen taktischer Überlegungen zu bemängeln.
2.) Die Rügen gegen die Korrektur der Klausur Nr. 10 hat der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zurückgezogen.
3.) Die steuerrechtliche Klausur 11 wurde vom Erstkorrektor mit 5 Punkten (ausreichend) und vom Zweitkorrektor mit 3 Punkten (mangelhaft) bewertet.
Der Bevollmächtigte der Klägerin wendet sich mit seiner Rüge gegen die Zweitkorrektur der Klausur Nr. 11 und bezieht sich auf die ursprüngliche Feststellung des Zweitkorrektors in der zusammenfassenden Wertung, wonach der verfahrensrechtliche Teil gar nicht bearbeitet worden sei. Dieser Vorwurf sei inkorrekt, die Bearbeitung des AO-Teils sei auf den S. 25 f. erfolgt. Die Klägerin habe ihre Bearbeitung mit dem Abfassen des AO-Teils begonnen. Bedingt durch die Nutzung eines Prüfungsheftes sei die Bearbeitung weiter hinten platziert worden, damit im Nachgang für den vorherigen Einkommenssteuerteil genügend Seiten zur Verfügung stünden. Offensichtlich sei der Zweitkorrektor daher davon ausgegangen, dass die Bearbeitung auf S. 21 ende. Diese Feststellung der Klagepartei ist zutreffend.
Weiter führt der Bevollmächtigte der Klägerin aus, der Zweitkorrektor habe im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens ausgeführt, dass zwar einige Teile der Arbeit fälschlicherweise nicht in die Bewertung mit eingeflossen seien, anschließend schiebe er nun plötzlich Gründe nach, warum dies aber keinen Einfluss auf die Gesamtbewertung der Aufgabe haben solle. Wie der Erstkorrektor allerdings zutreffend feststelle, habe die Klägerin im AO-Teil die relevante Problematik gesehen, wenn auch nicht (vertiefend) ausgeschöpft. Der AO-Teil müsse sich zwingend auf die Gesamtbewertung auswirken. Dem Zweitkorrektor sei keine neutrale Sichtweise mehr möglich, da er der Klägerin die Schuld dafür gebe, dass er den zweiten Teil der Klausur übersehen habe. Weiterhin bezeichnend für seine Befangenheit sei, dass er es vermeide, eine klare Aussage zu dem nicht gelesenen Teil zu treffen, sondern sich auf die Gesamtschau zurückziehe und erkläre, dass er den ersten Teil eigentlich hätte schlechter bewerten können. Ein weiteres Indiz für die fehlende Neutralität des Zweitkorrektors sei, dass er im Rahmen des § 4 Abs. 3 EStG davon spreche, die maßgeblichen Vorschriften seien offensichtlich unbekannt, obwohl die Norm von der Klägerin zitiert worden sei.
Auch mit dieser Rüge dringt die Klägerin nicht durch. Eine Überschreitung des Bewertungsspielraums liegt unter Heranziehung der Ausführungen des Zweitkorrektors im Nachprüfungsverfahren nicht vor. Insbesondere lassen sich seinen Ausführungen keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Zweitkorrektor bei der Abfassung seines Votums im Nachprüfungsverfahren nicht mehr zu einem unbefangenen und neutralen Urteil in der Lage gewesen sein soll.
a) So entbehrt schon der Vorwurf, der Zweitkorrektor habe der Klägerin die Schuld dafür gegeben, dass er den AO-Teil übersehen habe, jeglicher Tatsachengrundlage. Der Zweitkorrektor hat in seiner Stellungnahme vom 15. Dezember 2015 lediglich eingestanden, dass bei der Zweitkorrektur davon ausgegangen worden sei, dass die Bearbeitung auf S. 21 ende, da ein Hinweis auf eine Fortsetzung der Arbeit auf S. 25 fehle, weswegen die Ausführungen zu Teil 2 nicht in die Bewertung eingeflossen seien. Das ist eine objektive Feststellung, wie sie von jedem Unbeteiligten getroffen würde, ein „Schuldvorwurf“ bzw. Schuldzuweisungen und daraus folgend die Besorgnis fehlender Neutralität des Zweitkorrektors lässt sich hieraus nicht ableiten.
b) Weiterhin gehen die Ausführungen des Bevollmächtigten der Klägerin fehl, wonach der Zweitkorrektor es vermeide, eine klare Aussage zu dem nicht gelesenen Teil zu treffen, sondern sich auf die Gesamtschau zurückziehe und erkläre, dass er den ersten Teil eigentlich hätte schlechter bewerten können, und damit suggeriere, dass der zweite Teil eigentlich die Note ändern würde, aber es sich dadurch, dass er den ersten Teil zu gut bewertet habe, wieder ausgleiche.
Auch dieser Vorwurf lässt sich den Ausführungen des Zweitkorrektors im Nachprüfungsverfahren nicht entnehmen. Er vermeidet es gerade nicht, eine klare Aussage zu dem nicht gelesenen Teil zu treffen, und zieht sich auch nicht auf eine Gesamtschau zurück, sondern begründet auf ca. zwei Seiten ausführlich, weshalb er die Bearbeitung des AO-Teils für nicht gelungen hält. Auch erklärt er nicht, dass er den ersten Teil eigentlich hätte schlechter bewerten können, sondern er stellt in seinem Schlussvotum fest, dass (insgesamt) auch eine schlechtere Bewertung als 3 Punkte vertretbar gewesen wäre. Damit suggeriert er gerade nicht, dass der zweite Teil eigentlich die Note ändern würde, sondern er begründet detailliert, weshalb die Arbeit auch unter nunmehriger Erstbewertung des AO-Teils insgesamt nicht den Bereich eines „ausreichend“ erreicht. Der Vorhalt der Klagepartei, der Zweitkorrektor sei mit „schwammiger“ Begründung von der ursprünglichen Bewertung abgewichen und habe seine Bewertungsgrundlagen nachträglich geändert, geht ebenso fehl, da der Zweitkorrektor nicht die Bewertungsgrundlagen geändert hat, sondern ersichtlich unter 2.) seiner Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren detailliert begründet hat, weswegen es bei nochmaliger Durchsicht der Ausführungen zu Teil 1 bei der bisherigen Bewertung zu bleiben hat.
c) Auch der Vorwurf an den Zweitkorrektor, er habe zu Unrecht moniert, dass dem Bearbeiter offensichtlich unbekannt sei, dass die rechtliche Grundlage für die Gewinnermittlungsart in § 4 Abs. 3 EStG geregelt sei, geht schon in der Sache fehl. Denn ausweislich der Klausur der Klägerin S. 3 f. bezieht sich die Klägerin bei der Ermittlung des Gewinns als Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben wiederum auf das Vorgehen nach § 4 Abs. 1 EStG, wonach der Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, vermindert um den Wert der Einlagen und vermehrt um den Wert der Entnahmen den Gewinn darstellt. Die Klägerin hat also offensichtlich nicht erkannt, dass § 4 Abs. 3 EStG eine Erleichterung im Vergleich zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG darstellt. An dieser Einschätzung ändert auch eine Zitierung von § 4 Abs. 3 EStG durch die Klägerin nichts. Es stellt keine Verletzung des Prüferspielraums dar, dies als einen schweren Grundlagenfehler zu werten. Eine Besorgnis der Befangenheit lässt sich hieraus nicht herleiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. Zivilprozessordnung.
Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.


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