Verwaltungsrecht

Bloße Bezugnahme erfüllt Darlegungserfordernis nicht

Aktenzeichen  11 ZB 19.30197

Datum:
31.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 2243
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 74 Abs. 1, Abs. 2, § 78 Abs. 3 Nr. 1, § 79 Abs. 1
VwGO § 87b Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 128a Abs. 1

 

Leitsatz

Die bloße Bezugnahme auf im Internet veröffentlichte Berichte oder Videos oder der Verweis auf Fundstellen im Internet, aus denen nicht konkret hervorgeht, welche Informationen sich hinter dem Link verbergen, ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit denselben genügt nicht dem Darlegungserfordernis.  (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 6 K 18.31939 2018-11-26 Ent VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht hinreichend dargelegt (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG).
Einer Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 127). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. Happ in Eyermann, a.a.O. § 124a Rn. 72; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Mai 2018, § 124a Rn. 102 ff.; Berlit in GK-AsylG, Stand November 2018, § 78 Rn. 88 m.w.N.). Dabei bedeutet „darlegen“ schon nach allgemeinem Sprachgebrauch mehr als lediglich einen allgemeinen Hinweis; „etwas darlegen“ bedeutet vielmehr so viel wie „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, B.v. 9.3.1993 – 3 B 105/92 – juris Rn. 3 m.w.N.). Tatsachenfragen sind grundsätzlich nicht berufungsgerichtlich klärungsbedürftig, wenn das Verwaltungsgericht die verfügbaren Informationen herangezogen, aufbereitet und sachgerecht bewertet hat, ohne dass gegen diese Bewertung beachtliche Zweifel erkennbar sind und wenn keine gewichtigen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse im Ergebnis unzutreffend beurteilt hat (Berlit, a.a.O. § 78 Rn. 139 f.). Es genügt nicht, die gerichtlichen Feststellungen zu den Gegebenheiten im Herkunftsland des Asylsuchenden bloß in Zweifel zu ziehen oder schlicht gegenteilige Behauptungen aufzustellen. Vielmehr muss durch Benennung bestimmter Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür dargelegt werden, dass nicht die Feststellungen, Erkenntnisse und Einschätzungen des Verwaltungsgerichts, sondern die gegenteiligen Behauptungen in der Antragsschrift zutreffend sind, so dass es zur Klärung der sich insoweit stellenden Fragen der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf (OVG NW, B.v. 14.3.2018 – 13 A 341/18.A – juris Rn. 5 f. m.w.N.; BayVGH, B.v. 22.2.2018 – 20 ZB 17.30393 – juris Rn. 11; B.v. 19.4.2018 – 11 ZB 18.30588 – juris Rn. 4; NdsOVG, B.v. 8.2.2018 – 2 LA 1784/17 – juris Rn. 4). Das Verlangen nach bloßer Neubewertung unveränderter Tatsachen- oder Erkenntnisquellen rechtfertigt die Berufungszulassung grundsätzlich nicht (Berlit, a.a.O. § 78 Rn. 609).
Diese Voraussetzungen erfüllt der Zulassungsantrag nicht. Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob russischstämmige und russisch-sprechende Bürger in der „übrigen Ukraine“ diskriminiert, verfolgt oder angefeindet werden. Zur Begründung werden zahlreiche Internetadressen genannt, aus denen sich u.a. ergeben soll, dass im ukrainischen Parlament über die Einführung von Strafen für die Verwendung der russischen Sprache im Alltag diskutiert werde; dass Nationalisten, von denen Prügel, Hass und Judenfeindlichkeit ausgehe, in Kiew mitregierten; dass die ukrainische Regierung versuche, mit allen Mitteln alles zu verbieten, was einen Bezug auf die russische Sprache, russische Bevölkerung und Russland habe und einer russischen ESC-Kandidatin die Einreise verboten habe sowie russische soziale Netzwerke und das Tragen des Georgsbands verbiete.
Unabhängig davon, ob die angedeuteten Inhalte dieser Berichte überhaupt einen Zusammenhang mit der formulierten Frage haben, ist die bloße Bezugnahme auf im Internet veröffentlichte Berichte, die noch dazu dem Zulassungsantrag nicht beigelegt sind, zur Erfüllung des Darlegungsgebotes nicht ausreichend. Sinn und Zweck des Darlegungsgebotes ist es u.a., die Gerichte zu entlasten, indem dem Rechtsmittelführer auferlegt wird, vorzutragen, warum er die gesetzlich vorgesehenen Zulassungsgründe als gegeben erachtet (BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – NVwZ 2000, 1163 = juris Rn. 12). Der Verweis auf Fundstellen im Internet, aus dem nicht konkret hervorgeht, welche Informationen sich hinter dem jeweiligen Link verbergen, aus welchem Jahr diese Informationen stammen und die teilweise nur auf die allgemeine Homepage des Betreibers der Internetseite führen oder in ukrainischer Sprache sind, kann daher zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichen (vgl. BayVGH, B.v.16.1.2018 – 20 ZB 18.30059 – juris; vgl. Berlit in GK-AsylG, § 78 Rn. 613 a.E.), ebenso wenig genügt der Verweis auf Videos oder Berichte ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit denselben (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2018 – 11 ZB 18.30615 – juris Rn. 4). Es kann daher offen bleiben, ob diese Unterlagen nicht ohnehin überwiegend nach § 79 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG, § 128a VwGO präkludiert sind (vgl. BayVGH, B.v. 9.10.2007 – 5 ZB 07.2149 – juris Rn. 11), da sie schon dem Verwaltungsgericht hätten vorgelegt werden können. Zwar hat das Verwaltungsgericht keine Frist nach § 87b Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 VwGO gesetzt, die Beklagte hat die Klägerin aber in der dem Bescheid vom 21. Juni 2017 beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:auf die Frist nach § 74 Abs. 2 Satz 1 AsylG hingewiesen und über die Rechtsfolgen einer Fristversäumung nach § 74 Abs. 2 Satz 3 AsylG belehrt.
Aus den vom Verwaltungsgericht zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnismaterialien (z.B. Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 12.3.2018, Stand Januar 2018) ergibt sich demgegenüber nicht, dass russischsprachigen Staatsbürgern der Ukraine, die ca. 30 Prozent der Bevölkerung stellen, politische Verfolgung droht (vgl. BayVGH, B.v. 30.5.2017 – 11 ZB 17.30523 – juris Rn. 5). Es hätte daher auch einer Auseinandersetzung mit diesen Erkenntnisquellen bedurft.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit der unanfechtbaren (§ 80 AsylG) Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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