Verwaltungsrecht

Bundesbeamtenrecht, Telekom, Konkurrentenstreit, Gesundheitliche Eignung für das Beförderungsamt, Prognose, Lange Fehlzeiten

Aktenzeichen  6 CE 22.438

Datum:
12.4.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 10652
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 33 Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 16 E 22.70 2022-01-25 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Gründe

I. 
Die Antragstellerin und die Beigeladene sind Beamtinnen auf Lebenszeit (Besoldungsgruppe A 8) im Dienst der Antragsgegnerin und konkurrieren im Rahmen der Beförderungsrunde 2021/2022 um (noch) eine offene Beförderungsstelle (A9_vz).
Auf der maßgeblichen Beförderungsliste „PLS_weitere_nT“ wird die Antragstellerin mit dem Ergebnis der letzten dienstlichen Beurteilung vom 27./28. Mai 2021 „Hervorragend +“ (Beurteilungszeitraum vom 1.9.2018 bis 31.8.2020) auf dem ersten Platz geführt. Mit Schreiben vom 2. November 2021 wurde ihr mitgeteilt, dass sie trotz dieses Umstands wegen fehlender gesundheitlicher Eignung in der Beförderungsrunde 2021/2022 nicht berücksichtigt werden könne. Aufgrund vorliegender gesundheitlicher Einschränkungen sei sie wiederholt und zuletzt seit dem 12. Januar 2021 durchgehend dienstunfähig krankgeschrieben, so dass ein Verfahren zur Feststellung der dauernden Dienstunfähigkeit eingeleitet worden sei. Dies lasse eine positive Prognose hinsichtlich der Erfüllung der Anforderungen des Beförderungsamtes nicht zu. Die Beförderung eines seit längerer Zeit dienstunfähigen Beamten verstoße gegen den Leistungsgrundsatz.
Die Antragstellerin hat mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 17. November 2021 beim Verwaltungsgericht zunächst beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu untersagen, die im Zuge der Beförderungsrunde 2021/2022 aus der Beförderungsliste „PLS_weitere_nT“ für drei Beförderungsplanstellen nach A9_vz ausgewählten Bewerberinnen zu ernennen. Aufgrund ihrer langen krankheitsbedingten Ausfallzeiten sei zwar ein Verfahren zur Feststellung einer dauernden Dienstunfähigkeit eingeleitet worden. Dieses Verfahren habe aber nicht zu ihrer Versetzung in den Ruhestand geführt, vielmehr sei auf entsprechende Empfehlung im Gutachten des ärztlichen Dienstes vom 30. Juli 2021 in der Zeit vom 4. Oktober bis zum 12. November 2021 erfolgreich ein Wiedereingliederungsverfahren durchgeführt worden. Die Antragstellerin sei seit dem 15. November 2021 voll dienstfähig und zur Dienstaufnahme bereit.
Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 25. Januar 2022 abgelehnt. Die streitgegenständliche Auswahlentscheidung lasse keine Rechtsfehler zum Nachteil der Antragstellerin erkennen. Die Antragstellerin sei zu Recht aufgrund fehlender gesundheitlicher Eignung in der Beförderungsrunde 2021/2022 trotz ihres Ergebnisses in der aktuellen Beurteilung von der Antragsgegnerin nicht berücksichtigt worden. Angesichts der längeren Fehlzeiten lägen berechtigte und nachvollziehbare Zweifel an der gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin für das Beförderungsamt vor, die eine Zurückstellung von ihrer Beförderung rechtfertigten, da im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung für die Antragsgegnerin keine sichere Prognose darüber möglich gewesen sei, dass und wann die Antragstellerin ihre Dienstfähigkeit wiedererlangen werde. Damit habe ein von Amts wegen zu beachtendes Beförderungshindernis vorgelegen. Nach dem Ergebnis einer am 13. Juli 2021 erfolgten sozialmedizinischen Untersuchung sei zwar eine stufenweise Wiedereingliederung der Antragstellerin empfohlen worden. Jedoch sei es zum maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung – die hier mit dem Vermerk vom 14. Oktober 2021 abgeschlossen worden sei – alles andere als sicher gewesen, ob und wann die Antragstellerin, die nahezu das gesamte Jahr 2021 dienstunfähig erkrankt gewesen sei, wieder zum Dienst erscheinen werde.
Die Antragstellerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt mit der Maßgabe, der Antragsgegnerin zu untersagen, die im Zuge der Beförderungsrunde 2021/2022 aus der Beförderungsliste „PLS_weitere_nT“ für die Beförderungsplanstellen nach A9_vz ausgewählte Beigeladene K. zu ernennen.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die Beigeladene hat sich zum Verfahren nicht geäußert.
II. 
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.
Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht geltend gemacht worden sind und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem mit dem Rechtsmittel weiter verfolgten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu entsprechen.
1. Der Anordnungsgrund steht mit Blick auf die umgehend beabsichtigte Vergabe des in Rede stehenden höheren Statusamts an die Beigeladene – zu Recht – außer Streit.
2. Der Antragstellerin hat aber einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin über die Bewerbung der Antragstellerin im Rahmen der Beförderungsrunde 2021/2022 unterliegt dem Prinzip der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG). Der hierbei zu beachtende Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin wird durch die streitgegenständliche Auswahlentscheidung nicht verletzt. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin zu Recht wegen fehlender gesundheitlicher Eignung für eine Beförderung nicht in Betracht gezogen.
Wie das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf einschlägige Rechtsprechung zutreffend ausgeführt hat, hat der Dienstherr bei der Bewertung der Eignung der Bewerber um eine Beförderungsstelle immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der einzelne Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amts in gesundheitlicher Hinsicht entspricht. Denn geeignet im Sinn des Art. 33 Abs. 2 GG ist nur, wer dem angestrebten Amt auch in körperlicher und psychischer Hinsicht gewachsen ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 12.11 – juris Rn. 10; B.v. 10.12.2008 – 2 BvR 2571.07 – juris Rn. 11; U.v. 21.7.2007 – 2 A 6.06 – juris Rn. 20). Bestehen im Hinblick auf einen Bewerber daran begründete Zweifel, ist der Dienstherr nicht berechtigt und kann er erst recht nicht verpflichtet sein, die in Rede stehende Beförderungsstelle diesem Bewerber unter Missachtung des öffentlichen Interesses an einer möglichst effektiven Aufgabenerfüllung und bestmöglicher Stellenbesetzung zu übertragen (vgl. OVG NW, B.v. 12.4.2017 – 6 A 794/16 – juris Rn. 15; B.v. 1.2.2013 – 6 B 1196/12 – juris Rn. 4 m.w.N.). Maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung dieser Eignungsbeurteilung ist der Zeitpunkt der – hier im Oktober 2021 getroffenen – behördlichen Auswahlentscheidung (vgl. BVerwG, B.v. 11.3.2016 – 1 WDS-VR 9.15 – juris Rn. 37).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, es bestünden angesichts der wiederholten erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten begründete Zweifel daran, ob die Antragstellerin den Anforderungen der Beförderungsstelle in gesundheitlicher Hinsicht entspreche. Diese Annahme wird durch das Beschwerdevorbringen nicht erschüttert.
a) Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat die Antragsgegnerin bei der Prüfung der Beförderungseignung der Antragstellerin nicht lediglich pauschal auf deren erhebliche krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit abgestellt.
aa) Für die Prüfung der Beförderungseignung in gesundheitlicher Hinsicht bedarf es einer zukunftsgerichteten Prognoseentscheidung, weshalb nicht allein auf den gegenwärtigen Stand der gesundheitlichen Verhältnisse oder gar nur auf in der Vergangenheit aufgetretene gesundheitliche Probleme abgestellt werden darf (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 18.3.2016 – 4 S 46.15 – juris Rn. 5). Eine pauschale Betrachtung der Anzahl der Fehltage eines Beförderungsbewerbers in der Vergangenheit allein reicht als belastbare Tatsachengrundlage für eine negative Eignungsprognose in der Regel daher nicht aus (vgl. OVG NW, B.v. 23.10.2019 – 6 B 720/19 – juris Rn. 14).
Erhebliche Fehlzeiten können aber jedenfalls ein Indiz für eine insgesamt labile oder dauerhaft stark angegriffene gesundheitliche Konstitution bzw. für chronische Krankheitssymptome sein (vgl. OVG NW, B.v. 7.6.2017 – 1 B 326/17 – juris Rn. 14) und als solches in die Betrachtung einbezogen werden. Dies gilt umso mehr, je länger der Erkrankungszeitraum währt. Die Prognoseentscheidung muss insgesamt auf einer hinreichend fundierten Tatsachenbasis gründen, wobei die Beurteilung in aller Regel besonderen medizinischen Sachverstand voraussetzt, über den grundsätzlich nur ein Arzt verfügt (vgl. OVG NW, B.v. 7.6.2017 – 1 B 326/17 – juris Rn. 10 m.w.N.). Tatsächliche Anhaltspunkte für die Prognose, dass der Bewerber den Anforderungen des angestrebten Amtes in gesundheitlicher Hinsicht nicht genügen wird, können sich daher etwa aus (amts-)ärztlichen Gutachten oder sonstigen Erkenntnissen über die Ursache der Fehlzeiten sowie über den Zeitpunkt der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit ergeben (vgl. OVG NW, B.v. 23.10.2019 – 6 B 720/19 – juris Rn. 19).
bb) Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Antragsgegnerin begründete Zweifel an der gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin für eine Beförderung im Rahmen der aktuellen Beförderungsrunde 2021/2022 zu Recht bejaht. Diese stützen sich zunächst auf die zum maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung gegebenen krankheitsbedingten Fehlzeiten, die erheblich sind. Die Antragstellerin war vom 1. Oktober bis 18. Dezember 2020 arbeitsunfähig und sodann vom 12. Januar 2021 durchgängig bis zur Auswahlentscheidung im Oktober 2021 (und darüber hinaus). Die vor diesem Hintergrund berechtigten Zweifel daran, dass die Antragstellerin den Anforderungen des Beförderungsamts in gesundheitlicher Hinsicht entsprechen würde, werden bestätigt durch die Feststellungen in dem im Rahmen des von der Antragsgegnerin eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung der dauernden Dienstunfähigkeit erstellten sozialmedizinischen Gutachten des Facharztes für Arbeitsmedizin Dr. med. M. vom 30. Juli 2021, dem ein Fremdbefund des Neurologen und Psychiaters Dr. L. vorlag. Danach leidet die Antragstellerin an einer depressiven Symptomatik sowie an Angststörungen mit Panikattacken. Zum Zeitpunkt der Untersuchung (13.7.2021) bestand „für alle möglichen Tätigkeiten keinerlei (Rest-)Leistungsvermögen“. Vor allem die fehlende psychische Belastbarkeit habe zur Arbeitsunfähigkeit in der Vergangenheit geführt und tue dies auch noch weiterhin. Nach einem möglichst baldigen Beginn einer verhaltenstherapeutischen Behandlung könne diese berufsbegleitend im Rahmen einer stufenweisen 6-wöchigen Wiedereingliederung fortgeführt werden.
b) Soweit die Antragstellerin geltend macht, im Verfahren zur Prüfung einer vorzeitigen Zurruhesetzung sei eine dauerhafte Dienstunfähigkeit gerade nicht festgestellt worden, verkennt sie, dass im vorliegenden Zusammenhang einer Beförderungsentscheidung – anders als bei der Feststellung einer dauernden Dienstunfähigkeit – für eine Nichtberücksichtigung begründete Zweifel an der aktuellen gesundheitlichen Eignung ausreichen (vgl. OVG NW, B.v. 10.10.2018 – 6 B 988/18 – juris Rn. 19). Aus der vom Gutachter aufgezeigten Möglichkeit eines schrittweisen Wiedereingliederungversuchs kann nicht gefolgert werden, dass dieser von einer – in Zukunft fortbestehenden – baldigen Wiederherstellung einer stabilen Dienstfähigkeit bei der Antragstellerin ausging. Ob, wann und mit welchem Erfolg die Antragstellerin die von ihm für erforderlich gehaltene Verhaltenstherapie tatsächlich absolvieren und ob sie die am 4. Oktober 2021 begonnene Wiedereingliederungsmaßnahme fortführen und gegebenenfalls auch erfolgreich abschließen würde, war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung weder für ihn noch für die Antragsgegnerin absehbar. Tragfähige Erkenntnisse, die eine positive Prognose hinsichtlich der zukünftigen Arbeitsfähigkeit der Antragstellerin erlaubt hätten, lagen zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht vor. Angesichts dessen ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin zum maßgeblichen Zeitpunkt (aktuell) nicht von einer gesundheitlichen Eignung der Antragstellerin für ein Beförderungsamt ausgegangen ist und sie aus diesem Grunde im Auswahlverfahren im Rahmen der Beförderungsrunde 2021/2022 nicht berücksichtigt hat. Eines speziell zur – weiteren – Untermauerung der begründeten Zweifel einzuholenden Gutachtens bedurfte es entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht.
c) Wegen des maßgeblichen Beurteilungszeitpunkts (Auswahlentscheidung) verhilft es der Beschwerde auch nicht zum Erfolg, dass die Antragstellerin inzwischen tatsächlich die Widereingliederungsmaßnahme erfolgreich absolviert hat und ab dem 15. November 2021 (zunächst) wieder zur vollen Dienstaufnahme bereit war (vgl. OVG NW, B.v. 23.10.2019 – 6 B 720/19 – juris Rn. 13). Auf die Frage, ob ihre Arbeitsfähigkeit auch über einen längeren Zeitraum Bestand hatte, oder ob, wie lange und aufgrund welcher Umstände sie erneut dienstunfähig erkrankt ist, kommt es ebenso wenig an.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene trägt nach § 162 Abs. 3 VwGO ihre außergerichtlichen Kosten selbst, weil sie keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Der Streitwert in einem beamtenrechtlichen Konkurrenteneilverfahren, das auf die vorläufige Freihaltung eines höherwertigen Dienstpostens durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet ist, bemisst sich nach neuerer Rechtsprechung des Senats nach § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG und beträgt ein Viertel der für ein Kalenderjahr in dem angestrebten Amt zu zahlenden Bezüge nach Maßgabe von § 52 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 GKG (BayVGH, B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – juris).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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