Verwaltungsrecht

Café/Bistro und Laden mit Wettannahmestelle als kerngebietstypische Vergnügungsstätte

Aktenzeichen  9 ZB 17.284

Datum:
13.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 108381
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

Die Nutzung einer ehemaligen Kfz-Ausstellungsfläche als Café/Bistro und Laden mit Wettannahmestelle kann eine einheitlich zu beurteilende räumlich-funktionale Einheit darstellen, wenn sie als einheitliches Vorhaben beantragt wird, die Räumlichkeiten unmittelbar nebeneinander liegen, beide Nutzungen einen einheitlichen Betreiber und weitgehend einheitliche Öffnungszeiten aufweisen sowie optisch als Einheit erscheinen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 9 K 15.2594 2016-12-21 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 76.000,– Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt die Erteilung einer Genehmigung zur Nutzungsänderung einer ehemaligen Kfz-Ausstellungsfläche zu einem Café/Bistro und einem Laden mit Wettannahmestelle in dem Gebäude auf FlNr. … Gemarkung A …
Den Bauantrag auf Nutzungsänderung der Klägerin vom 16. Juni 2015 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19. November 2015 ab. Die darauf erhobene Verpflichtungsklage der Klägerin wies das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 21. Dezember 2016 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich das Vorhaben nach der gebotenen objektiven Betrachtung als kerngebietstypische Vergnügungsstätte darstellt und in der als faktisches Mischgebiet zu beurteilenden maßgeblichen Umgebungsbebauung bauplanungsrechtlich unzulässig ist. Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel der Klägerin.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Es ist bereits fraglich, ob der im Stil einer Berufungsbegründung gehaltene Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin den Darlegungsanforderungen nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO genügt. Selbst wenn man aber davon ausgehen sollte, dass im Begründungsschriftsatz vom 6. März 2017 sinngemäß ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) geltend gemacht werden, bleibt der Zulassungsantrag ohne Erfolg.
a) Das Verwaltungsgericht ist vorliegend nicht entscheidungserheblich von einem fehlerhaften Sachverhalt ausgegangen.
Das Vorbringen der Klägerin, „das Objekt trägt, auch wenn es nicht mehr darauf ankommen dürfte, die Nr. 3“ und nicht, wie das Verwaltungsgericht im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung ausgeführt hat, die Hausnummer 1a, ist – unabhängig von der Frage, ob diese Hausnummer von der Beklagten (noch nicht) förmlich zugeteilt worden ist – unbeachtlich. Denn das Verwaltungsgericht geht zutreffend davon aus, dass das Vorhaben in dem Gebäude der ehemaligen Kfz-Ausstellungshalle auf dem „Grundstück FlNr. … Gemarkung A …“ (UA S. 2) ausgeführt werden soll. Dem entsprechen auch die Bauvorlagen und der Sachvortrag sämtlicher Beteiligten.
Die Kritik an der vom Verwaltungsgericht angenommenen „Toilettenmitbenutzung“ im Café/Bistro ist unberechtigt. Anders als die Klägerin darlegt, hat das Verwaltungsgericht dem Vorhaben keine „Gemeinschaftstoilette angedichtet“, sondern ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass zumindest die – in der Betriebsbeschreibung angegebenen – Beschäftigten der Wettannahmestelle die Toiletten des Café/Bistros mitbenutzen werden (UA S. 19). Hierauf geht das Zulassungsvorbringen nicht ein.
Soweit die Klägerin vorbringt, das Verwaltungsgericht gehe fehlerhaft davon aus, die Theke in der Wettannahmestelle diene neben der Annahme von Wettscheinen zugleich dem Kaffeeausschank (vgl. UA S. 3, 18), ergibt sich dies zwar nicht aus den Bauantragsunterlagen oder der Betriebsbeschreibung. Diese etwaige Unrichtigkeit kann allerdings nicht zur Zulassung der Berufung führen, weil das Verwaltungsgericht für das Vorliegen einer kerngebietstypischen Vergnügungsstätte nicht entscheidungserheblich auf einen Kaffeeausschank in der Wettannahmestelle abgestellt hat. Entscheidungserheblich war für das Verwaltungsgericht insoweit vielmehr eine Gesamtschau anhand objektiver Umstände, ob das Vorhaben in seinen städtebaulichen Auswirkungen als räumlich funktionale Einheit zu bewerten ist. Diese räumlich funktionale Einheit bejaht das Verwaltungsgericht im Folgenden und stellt dabei maßgeblich auf die „ideale Ergänzung der Angebote beider Einheiten, die sich durch die Verbindung der Wettabgabe und des Verfolgens von Live-Sportereignissen in geselliger Atmosphäre im Sinne einer jeweils gesteigerten Attraktivität verbinden“ ab. Ein eventueller Kaffeeausschank in der Wettannahmestelle bleibt hierbei gänzlich unerwähnt.
b) Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich auch keine ernstlichen Zweifel hinsichtlich der Annahme einer räumlich funktionalen Einheit durch das Verwaltungsgericht.
Das Verwaltungsgericht hat weder die Wettannahmestelle und das Café/Bistro „addiert“ bzw. „zusammengewürfelt“, noch hat es dem „staunenden Publikum vermittelt, als geschehe beides im selben Raum“. Es hat seine rechtliche Bewertung zum Vorliegen einer räumlich funktionalen Einheit auf Grundlage der tatsächlichen Umstände vielmehr überzeugend begründet und sich dabei auf die Beantragung als einheitliches Vorhaben, das unmittelbare Nebeneinander der Räumlichkeiten, den einheitlichen Betreiber und die weitgehend einheitlichen Öffnungszeiten sowie die optische Erscheinung (UA S. 18 f.) gestützt. Das Verwaltungsgericht hat dabei auch das Vorliegen unterschiedlicher Eingänge berücksichtigt, zu denen im Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 19. November 2015 unwidersprochen ausgeführt wird, dass das Vorhaben in einer Sackgasse liegt und die Kunden die nah aneinander liegenden Eingänge betreten und verlassen können ohne Straßen zu queren oder Straßenverkehr groß beachten zu müssen.
Die Klägerin kann auch nicht mit dem Vortrag durchdringen, dass auf den beiden Monitoren in der Wettannahmestelle „keinerlei Live-Wetten übertragen“ werden. Denn das Verwaltungsgericht geht an keiner Stelle des angefochtenen Urteils davon aus, dass von der Klägerin beabsichtigt sei, Live-Wetten zu übertragen oder zu vermitteln. Es bewertet lediglich die Verbindung der Wettabgabe in der Wettannahmestelle einerseits und die Möglichkeit des Verfolgens von Live-Sportereignissen im unmittelbar angrenzenden Café/Bistro in geselliger Atmosphäre andererseits im Sinne einer jeweils gesteigerten Attraktivität, die – neben anderen Gegebenheiten – dem einheitlich zu beurteilenden Vorhaben hier seine Prägung als Vergnügungsstätte verleiht. Dieser Bewertung wird im Zulassungsvorbringen nicht substantiiert entgegengetreten.
2. Soweit der Bevollmächtigte in seinem Schriftsatz vom 3. April 2017 die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Klärung des Schwellenwertes von 100 m2 für die Einstufung als kerngebietstypische Spielhalle anführt, ist der Vortrag zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO bereits nicht fristgerecht erfolgt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Unabhängig davon ist eine grundsätzliche Bedeutung weder ausreichend dargelegt (vgl. zu den Anforderungen: BayVGH, B.v. 23.2.2017 – 9 ZB 14.1914 – juris Rn. 13) noch die Frage einer grundsätzlichen Klärung zugänglich (vgl. BVerwG, B.v. 29.10.1992 – 4 B 103.92 – juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 15.3.2013 – 8 S 2073/12 – juris Rn. 7).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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