Verwaltungsrecht

CBD, Novel Food

Aktenzeichen  20 CS 21.2815

Datum:
10.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 8199
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 146
Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283

 

Leitsatz

Verfahrensgang

W 8 S 21.1202 2021-10-26 Bes VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 26. Oktober 2021 wird geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes Würzburg vom 29. September 2021 wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Die nach § 146 Abs. 1 VwGO zulässig erhobene und nach § 146 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO fristgerecht begründete Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu Unrecht abgelehnt.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen bzw. wiederherstellen. Der Verwaltungsgerichtshof hat – unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens, auf das sich die Prüfung des Senats grundsätzlich beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) – bei seiner Entscheidung eine originäre Interessenabwägung auf der Grundlage der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage darüber zu treffen, ob die Interessen, die für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung streiten, oder diejenigen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, überwiegen. Dabei sind die Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren wesentlich zu berücksichtigen, soweit sie bereits überschaubar sind. Nach allgemeiner Meinung besteht an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich aussichtslosen Klage kein überwiegendes Interesse. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, ist regelmäßig die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen (BayVGH, B.v. 27.3.2019 – 8 CS 18.2398 – ZfB 2019, 202 = juris Rn. 25 m.w.N.).
Die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage wird aller Voraussicht nach Erfolg haben. Die von dem Antragsgegner getroffenen Verfügungen (1.1. Die Wiederverkäufer sind über die Untersagung des Inverkehrbringens des Produktes,, … … … … …“ zu informieren, sowie 1.2. einen Nachweis darüber, 1.3. eine Liste aller mit dem Produkt belieferten Wiederverkäufer mit vollständiger Anschrift und 1.4. eine Übersicht über den aktuellen Warenbestand vorzulegen) dürften rechtswidrig sein und die Antragstellerin in ihren Rechten verletzen. Zentraler Streitpunkt im vorliegenden Verfahren ist, ob das Inverkehrbringen des Produkts,, … … … … …“ nach Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 verboten ist, weil es sich bei CBD um ein derzeit nicht zugelassenes neuartiges Lebensmittel (novel food) handelt. Weil der Antragsgegner diese Frage bejaht, hat er den streitgegenständlichen Bescheid vom 29. September 2021 erlassen. Von einer Untersagung des Inverkehrbringens wurde dagegen abgesehen, weil die zuständige Behörde festgestellt hatte, dass das Produkt aus dem Onlineshop der Antragstellerin entfernt worden sei.
Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Stuft die Behörde das Handeln einer Person als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot ein und will sie hieraus durch Verwaltungsakt vollziehbare Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflichten begründen, so ist es unerlässlich, dass sie das gesetzliche Verbot durch Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten der Maßnahmen konkretisiert (normkonkretisierender Verwaltungsakt). Die Verwaltungsbehörden sind grundsätzlich berechtigt, gesetzliche Ge- oder Verbote durch feststellenden Verwaltungsakt gegenüber dem Normadressaten zu konkretisieren (BVerwG, Urt. v. 23.2.2011 − 8 C 51.09 − NVwZ 2011, 1142 m.w.N., Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 44 VwVfG Rn 59). Sie sind dazu verpflichtet, wenn sie, wie hier, aus einem behaupteten Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot weitere, darauf aufbauende Rechtsfolgen knüpfen wollen. Die (feststellende) Untersagung des Inverkehrbringens eines Lebensmittels konkretisiert in einem solchen Fall das gesetzliche Verbot des Inverkehrbringens und soll es für den Adressaten der Untersagung rechtsverbindlich in Bezug zum konkreten Lebensmittel feststellen. Daran fehlt es hier, was aller Voraussicht nach die Rechtswidrigkeit der gesamten Verfügung des Antragsgegners zur Folge hat. Der Umstand, dass die Begründung des Bescheids vom 29. September 2021 Ausführungen enthält, dass es sich bei dem Produkt der Antragstellerin um ein nicht verkehrsfähiges neuartiges Lebensmittel handelt, ändert an dieser Einschätzung nichts, denn die Begründung eines Bescheids nimmt nicht an seiner Tatbestandswirkung teil.
Nach alldem kommt es auf die Frage, ob der Bescheid in seiner Tenorierung den rechtstaatlichen Bestimmtheitsanforderungen genügt (vgl. Schoch/Schneider, § 37 VwVfG Rn 36), nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte war der Streitwert der Hauptsache nach § 52 Abs. 2 GKG für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG unanfechtbar.


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