Verwaltungsrecht

Corona-Pandemie, Antragsbefugnis (verneint), vorbeugender vorläufiger Rechtsschutz

Aktenzeichen  20 NE 21.3214

Datum:
9.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 4083
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1, Abs. 6
BayIfSMV § 3, § 4, § 5 15.

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt

Gründe

Der Antrag ist unzulässig und hat deshalb keinen Erfolg.
1. Der Antragstellerin fehlt es bereits an der erforderlichen Antragsbefugnis i.S.v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Sie kann nicht geltend machen, durch die angegriffenen Normen der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 und 5 Abs. 1 der 15. Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (15. BayIfSMV) vom 23. November 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 816), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. Januar 2022 (BayMBl. 2022 Nr. 41), in ihren Rechten verletzt zu sein, weil sie derzeit von den geltend gemachten Einschränkungen nicht erfasst wird.
a) Die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags und damit auch eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO setzt die Möglichkeit einer aktuellen Betroffenheit in eigenen Rechten voraus (vgl. nur Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 47 Rn. 148 m.w.N.). Besondere Maßstäbe gelten, wenn der Rechtsschutz vorbeugend – im Hinblick auf eine möglicherweise zukünftig entstehende Betroffenheit – in Anspruch genommen werden soll. Denn die Verwaltungsgerichtsordnung ist auf die Gewährung von nachträglichem Rechtsschutz zugeschnitten; effektiver Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 VwGO) kann grundsätzlich nachträglich – auch einstweilig – in ausreichender Weise gewährt werden. Insbesondere ein vorbeugender vorläufiger Rechtsschutz kommt deshalb grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. VGH BW, B.v. 17.12.2021 – 1 S 3670/21 – juris Rn. 35 f.; Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2021, § 47 Rn. 144b). Ein berechtigtes Interesse an einem vorbeugenden Rechtsschutz kann zudem insbesondere dann nicht anerkannt werden, solange sich die Art und Ausgestaltung der drohenden Maßnahme und der Zeitpunkt des Entstehens einer Betroffenheit in eigenen Rechten noch nicht mit dafür erforderlicher Bestimmtheit absehen lassen.
b) Gemessen daran fehlt der Antragstellerin, die erst im März 2022 14 Jahre alt wird, derzeit die Antragsbefugnis. Von den angegriffenen Normen ist sie aktuell nicht unmittelbar betroffen: Im Rahmen der angegriffenen Kontaktbeschränkungen bleiben Kinder unter 14 Jahren außer Betracht (§ 3 Abs. 1 Satz 2 15. BayIfSMV). Im Hinblick auf die ebenfalls angegriffenen §§ 4 und 5 15. BayIfSMV sind Kinder unter 14 Jahren ausdrücklich den geimpften und genesenen Personen i.S.d. § 2 Nr. 2 und Nr. 4 SchAusnahmV gleichgestellt (vgl. §§ 4 Abs. 1 Nr. 1; 5 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 15. BayIfSMV), so dass die Antragstellerin durch die fehlende Impfung derzeit nicht unmittelbar in ihren Rechten beschränkt wird. Daran ändert auch der Umstand ihres im März 2022 bevorstehenden 14. Geburtstags nichts. Ob – wie sie vorträgt – die derzeit geltenden Regelungen voraussichtlich über ihren Geburtstag hinaus verlängert werden, bleibt angesichts der aktuell dynamischen Entwicklung, die insbesondere der Verbreitung der sog. Omikron-Variante geschuldet ist, letztlich spekulativ und kann nicht hinreichend sicher vorausgesehen werden. Im Übrigen indiziert gerade der vorliegende Antrag, dass die Entwicklung der Maßnahmen gegen die Verbreitung von COVID-19 regelmäßig nicht mit hinreichender Gewissheit absehbar ist: Während die Antragstellerin bis zum Datum der Antragstellung, dem 27. Dezember 2021, noch von den angegriffenen Bestimmungen betroffen war, ist sie dies aufgrund von § 1 Nr. 1 Buchst. a), Nr. 2 Buchst. a) und Nr. 3 der Änderungsverordnung vom 23. Dezember 2021 (BayMBl. 2021 Nr. 949) seit dem 28. Dezember 2021 nicht mehr. Soweit sich die Antragstellerin auf eine mittelbare Rechtsverletzung dadurch beruft, dass „Freunde und Klassen- und Sportkameraden“ der Antragstellerin schon derzeit 14 Jahre alt seien, ist – unabhängig davon, dass eine Betroffenheit in ihren eigenen Rechten i.S.d. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO damit nicht dargelegt sein dürfte – der Vortrag schon nicht hinreichend substantiiert, da sich aus dem Antrag nicht ergibt, dass die 14 Jahre alten Freunde nicht geimpft sind.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Gegenstandswertes ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Da die von der Antragstellerin angegriffene Verordnung bereits mit Ablauf des 9. Februar 2022 außer Kraft tritt (§ 18 15. BayIfSMV), zielt der Eilantrag inhaltlich auf eine Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb eine Reduzierung des Gegenstandswertes für das Eilverfahren auf der Grundlage von Ziff. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 hier nicht angebracht ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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