Verwaltungsrecht

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Aktenzeichen  2 ZB 21.31397

Datum:
1.2.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 1977
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RN 15 K 19.30481 2021-08-02 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt wurden oder nicht vorliegen.
1. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG liegt nicht vor bzw. wurde nicht hinreichend dargelegt.
Der Tatbestand der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder nicht revisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist (vgl. Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, § 78 AsylG Rn. 11 ff.).
Die Kläger halten die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,
ob die Beklagte wirksam durch allgemeine Prozesserklärung auf Einhaltung der Ladungsfrist hätte verzichten können.
Insoweit ist die Frage schon nicht entscheidungserheblich, da die Beklagte ausweislich der Gerichtsakte (Bl. 195) mit gerichtlichem Schreiben vom 5. Mai 2021 zum Termin der mündlichen Verhandlung am 2. August 2021 und damit unter Einhaltung der Ladungsfrist geladen wurde. Im Übrigen dient die Einhaltung der Ladungsfrist nur dem Schutz des jeweiligen Betroffenen und kann daher nur von diesem und nicht einem anderen Beteiligten gerügt werden (vgl. BVerwG, B.v. 21.10.1996 – 1 B 113/96 – NVwZ-RR 1997, 319; Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 138 Rn. 39).
Des Weiteren werfen die Kläger die Fragen auf,
ob ein Verwaltungsgericht durch eine Einzelrichterin die mündliche Verhandlung schließen kann, wenn die Sitzung zu diesem Zeitpunkt noch unterbrochen war,
ob ein Verwaltungsgericht die Parteien aufrufen muss und diese von der mündlichen Verhandlung und/oder von der Fortsetzung der mündlichen Verhandlung, wenn eine Unterbrechung stattgefunden hat, informieren muss,
und
ob ein Verwaltungsgericht einen Kläger von einem Unterbrechen der mündlichen Verhandlung informieren muss.
Ebenso wenig sind diese Fragen jeweils entscheidungserheblich. Denn das Erstgericht hat die mündliche Verhandlung im Verfahren der Kläger um 11.00 Uhr geschlossen. Es hat lediglich die Sitzung bis 13.30 Uhr unterbrochen (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung am 2. August 2021, S. 3).
Ferner halten die Kläger die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,
ob eine vom Auswärtigen Amt erstellte Auskunft nur dann eine amtlich verwertbare Urkunde darstellt, wenn diese vom Verfasser der Auskunft unterzeichnet worden ist, also folglich mit der Unterschrift die Amtlichkeit dokumentiert wird,
ob eine Auskunft des Auswärtigen Amts ohne Benennung eines Bearbeiters und/ohne Unterschrift des Verfassers nicht als öffentliche/private Urkunde und damit nicht als verwertbare amtliche Urkunde in das Verfahren eingeführt und als eine solche gewürdigt werden kann,
sowie
ob eine amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes und damit eine echte und verwertbare Urkunde für ein Verwaltungsgericht im Verwaltungsprozess für die Entscheidung einer streiterheblichen Frage nur dann vorliegt, wenn die gestellten Fragen an das Auswärtige Amt zur Beantwortung und Überprüfung der Echtheit einer Urkunde bezüglich der Amtlichkeit der Urkunde dem Verwaltungsgericht und einem Kläger mitübersandt werden müssen, um die Antworten nachvollziehen zu können und damit nur dann als amtliche Auskunft des Auswärtigen Amtes Geltung erlangen können.
Die aufgeworfenen Fragen sind ebenfalls nicht entscheidungserheblich. Dies gilt für die ersten beiden Fragen insoweit, als das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung den Inhalt der Auskunft des Auswärtigen Amts unabhängig von ihrer förmlichen Einstufung als amtliche Auskunft oder Urkunde im Wege des Freibeweises (vgl. BVerwG, U.v. 22.1985 – 9 C 52.83 – BayVBl 1985, 606) zugrunde gelegt hat. Im Hinblick auf die beanstandete, fehlende Übersendung des zur Auskunft vom 7. Mai 2018 dazugehörigen Fragenkatalogs ist die als grundsätzlich bezeichnete Frage einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich. Es liegt auf der Hand, dass es keine die freie Beweiswürdigung einschränkende allgemeingültige Beweisregel des Inhalts geben kann, dass eine Auskunft des Auswärtigen Amts, die mehrere im Anschreiben an das Auswärtige Amt gestellte Fragen beantwortet, in einem Gerichtsverfahren nur dann verwertet und gewürdigt werden kann, wenn das Anschreiben selbst der Auskunft wiederum beigefügt ist. Ob eine Auskunft des Auswärtigen Amts diesem zugerechnet werden kann und aus sich heraus verständlich ist, ist jeweils eine Frage des Einzelfalls.
Die Kläger halten weiterhin die Fragen für grundsätzlich bedeutsam,
ob ein Verwaltungsgericht bei konkreten Anhaltspunkten für eine im Inland vorgenommene exilpolitische Tätigkeit für die Bewertung, ob diese als hervorgehoben anzusehen ist, im Rahmen seiner Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verpflichtet ist, einen Hinweis einem Kläger im Termin zu erteilen, nach welchen Kriterien das Verwaltungsgericht insofern eine Prüfung vornimmt,
ob aserbaidschanischen Staatsangehörigen, die vom Ausland aus längere Zeit exilpolitische Tätigkeit erbringen, die einen Parteiausweis haben und die Demonstrationen anmelden und an Demonstrationen teilnehmen, die ins Verfolgungsvisier der aserbaidschanischen Staatsorgane geraten sind, bei einer erzwungenen Rückkehr nach Aserbaidschan eine asylrechtlich relevante Verfolgung droht,
und,
ob bei einem Kläger, der im Erstverfahren vorgetragen hat, sich exilpolitisch im Ausland betätigt zu haben, insbesondere dies glaubhaft angegeben hat, gemäß der Rechtsprechung des BVG aufgrund dessen dem Staat mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dies bekannt geworden ist, zu einer verfolgungsrelevanten Tätigkeit und deshalb zu einer politischen Verfolgung durch den Staat führt.
Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Fragen, welche Schlussfolgerungen aus einer im Inland vorgenommenen bzw. vom Ausland aus exilpolitischen Tätigkeit zu ziehen sind, Einzelfallfragen, die nicht einer grundsätzlichen Klärung zugänglich sind.
Die Kläger werfen weiterhin die Fragen auf,
ob in Aserbaidschan eine kostenfreie, für die Entwicklung grundlegender körperlicher und geistiger Fähigkeiten bei einem Kind mit der Erkrankung Thallasämie ausreichende heilpädagogische, krankengymnastische, orthopädische einschließlich Operationen mit Behandlung und notwendiger Medikation mit Medikamenten erfolgen kann und ob für einen solchen Kläger eine Versorgung mit den insoweit erforderlichen Hilfsmitteln und Medikamenten einschließlich Operationen finanziell erlangbar ist, insbesondere was die neuen Thallasämiemedikamente betrifft,
ob infolge der weltweiten Corona-Pandemie sich die Lebensverhältnisse in Aserbaidschan derart verschlechtert haben, dass leistungsfähige, erwachsene Personen mit Kindern ohne bestehendes familiäres oder soziales Netzwerk in der Lage sind, ihr Existenzminimum zu erwirtschaften oder verelenden würden, so dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu besorgen und ein nationales Abschiebeverbot festzustellen ist,
ob sich die tatsächlichen Verhältnisse in Aserbaidschan infolge der weltweiten Corona-Pandemie, insbesondere aufgrund der Delta-Variante derart verschlechtert haben, dass potentielle Tagelöhner und Arbeiter ohne bestehendes familiäres oder soziales Netzwerk in der Lage sind, ihr Existenzminimum für ihre Familie mit Kindern zu erwirtschaften oder verelenden würden, so dass eine Verletzung von Art. 3 EMRK zu besorgen und ein nationales Abschiebungsverbot festzustellen ist
sowie
ob sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Aserbaidschan während oder infolge der Corona-Pandemie verschlechtert haben.
Insoweit ist eine grundsätzliche Bedeutung jeweils nicht gegeben. Denn die hier inmitten stehenden Fragestellungen lassen sich nur für den Einzelfall klären.
Die Kläger werfen weiterhin die Fragen auf,
ob der vom Verwaltungsgericht angenommene Maßstab der „zwingenden humanitären Gründe“ anzuwenden ist,
und
ob für einen Rückkehrer und seine Familie das Existenzminimum auf Dauer gesichert sein muss oder nicht.
Hinsichtlich des Maßstabes der „zwingenden humanitären Gründe“ zitiert das Verwaltungsgericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Urteil vom 28.6.2011 – Sofi und Elmi/Vereinigtes Königreich Nr. 8319/07- NVwZ 2012, 681). In diesem Zusammenhang geht es davon aus, dass es ausreichende Möglichkeiten für die Kläger bei einer Rückkehr nach Aserbaidschan gebe, ihr Existenzminimum zu sichern, so dass eine Verletzung des Art. 3 EMRK nicht zu erwarten sei (UA S. 17). Dagegen ist nichts einzuwenden. Ferner prüft das Erstgericht bei der Anwendung von Art. 3 EMRK auch individuelle Gründe bei den Klägern. Im Übrigen geht die Zulassungsbegründung selbst davon aus, dass die Rechtfertigung der Anlegung des Maßstabes der zwingenden humanitären Gründe nur in Abhängigkeit von der Situation im Herkunftsland betrachtet werden kann, sodass sie einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich ist.
Dass die Frage, ob sich ein Rückkehrer im Heimatland eine Existenzgrundlage sichern kann, gleichzeitig auch die Dauerhaftigkeit derselben umfasst, ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs bereits geklärt (vgl. BayVGH, U.v. 30.4.2002 – 23 B 02.30303 – juris). Sie wird hier im Übrigen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie aufgeworfen. Das Erstgericht verweist hierzu insbesondere auf die Leistungs- und Arbeitsfähigkeit des Klägers zu 1, auch angesichts seiner Schulbildung und Berufserfahrung, sowie auf die Unterstützung durch den familiären Verbund (UA S. 17f.). Dabei handelt sich aber um keine grundsätzlichen Fragen. Vielmehr lassen sich diese nur im jeweiligen Einzelfall beantworten.
2. Die gegen das erstinstanzliche Urteil insgesamt gerichteten Verfahrensrügen nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG gehen fehl.
Der Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) wurde nicht verletzt. Dieser ist ein prozessuales Grundrecht und außerdem ein rechtsstaatliches konstitutives Verfassungsprinzip, das mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG in funktionalem Zusammenhang steht. Er sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (vgl. BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1.02 – BVerfGE 107, 395). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG kann allerdings nur dann festgestellt werden, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung nicht erwogen hat. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Gerichte von ihnen entgegengenommenes Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben (vgl. BVerfG, B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986.91 – BVerfGE 86, 133). Die Behauptung, die richterlichen Tatsachenfeststellungen seien falsch oder der Richter habe einem Umstand nicht die richtige Bedeutung für weitere tatsächliche oder rechtliche Folgerungen beigemessen, vermag grundsätzlich einen Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht zu begründen (vgl. BVerfG, E.v. 19.7.1967 – 2 BvR 639.66 – BVerfGE 22, 267).
In diesem Zusammenhang rügen die Kläger unter verschiedenen Aspekten die Verletzung rechtlichen Gehörs.
a) Soweit die Kläger rügen, das Erstgericht habe nicht auf das Erscheinen des Klägers zu 1 in der mündlichen Verhandlung gewartet, obwohl er seine Verspätung um ca. 15 Minuten dem Gericht mitgeteilt habe, bleibt ihr Vorbringen ohne Erfolg. Denn ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung am 2. August 2021 (S. 2f.) hat das Verwaltungsgericht nach zweimaliger Unterbrechung der für 10.30 Uhr anberaumten mündlichen Verhandlung diese schließlich um 11.00 Uhr fortgesetzt. Zuvor hat es um 10.58 Uhr festgestellt, dass seitens der Kläger weiterhin keiner erschienen ist, auch nicht bei der Einlasskontrolle. Daraufhin hat es die mündliche Verhandlung um 11.01 Uhr geschlossen. Dies ist nicht zu beanstanden. Das Erstgericht hat ausreichend lang zugewartet, insbesondere nachdem kein weiterer Anruf über den Verbleib des Klägers zu 1 bei Gericht eingegangen war (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung am 2. August 2021, S. 2). Dies gilt umso mehr, als die Kläger nicht vorgetragen haben, dass der Kläger zu 1 aus von ihm nicht zu vertretenen Gründen nicht rechtzeitig erscheinen konnte. Im Übrigen ist entgegen der Auffassung der Kläger der verspätet erschienene Beteiligte gehalten, sich zu vergewissern, ob seine Sache bereits aufgerufen wurde (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 108 Rn. 106 m.w.N.).
b) Soweit die Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs zu begründen versuchen, weil das Erstgericht das Erkenntnismittel vom 7. Mai 2018 dem Klägerbevollmächtigten trotz Aufforderung nicht zugesandt habe, kann dies dahin gestellt bleiben. Denn die Kläger haben nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt, was im Fall ordnungsgemäßer Gewährung rechtlichen Gehörs Entscheidungserhebliches vorgetragen worden wäre (vgl. BVerwG, B.v. 19.8.1997 – 7 B 261/97 – NJW 1997, 3328; BGH, B.v. 28.7.2016 – III ZB 127/15 – NJW 2016, 2890).
c) Nach Auffassung der Kläger ist ihnen darüber hinaus das rechtliche Gehör versagt worden, weil das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung klägerischen Vortrag übergangen, sich nicht ausreichend mit den Fragestellungen auseinandergesetzt sowie willkürlich und überraschend entschieden habe. So habe es willkürlich die exilpolitische Tätigkeit des Klägers zu 1 und die daraus zu ziehenden Folgen beurteilt sowie die Parteimitgliedschaft des Klägers zu 1 willkürlich in Zweifel gezogen. Das Verwaltungsgericht habe die Erkrankungen der Kläger, ihre Behandelbarkeit in Aserbaidschan sowie deren Finanzierbarkeit insoweit nicht ausreichend berücksichtigt. Es habe sich mit den vorgelegten Attesten und insbesondere dem eingereichten Schriftsatz vom 21. Januar 2021 nicht auseinandergesetzt. Das Verwaltungsgericht habe zur Höhe des Existenzminimums für insgesamt fünf Personen einschließlich Krankenversorgung keine Feststellungen getroffen. Darüber hinaus habe es die Entwicklungen aufgrund der Corona-Pandemie für die Kläger nicht in den Blick genommen. Es habe die voraussichtlichen Lebensbedingungen in Aserbaidschan und, wie sich die wirtschaftliche und gesundheitliche Situation in Aserbaidschan für die Kläger auswirken werde, nicht berücksichtigt. Es hätte aktueller Auskünfte bedurft, um die Lage zu beurteilen. Hingegen habe das Verwaltungsgericht den klägerischen Vortrag hinsichtlich der Höhe des Existenzminimums, des Zugangs zum Gesundheitssystem und der Schwierigkeiten für Flüchtlinge in Aserbaidschan angesichts der Corona-Pandemie Arbeit zu finden nicht in Erwägung gezogen.
Dieser Vortrag ist jedoch nicht geeignet, einen Gehörsverstoß zu begründen. Das Erstgericht hat umfassend einen Anspruch nach Art. 16a GG, § 3 Abs. 1 und 4 AsylG, § 4 Abs. 1 AsylG sowie das allgemeine oder krankheitsbedingte Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthaltG und § 60 Abs. 7 Sätze 1 und 2 AufenthG geprüft (UA S. 13ff.). Insbesondere hat es sich auch mit den von den Klägern vorgelegten Attesten auseinandergesetzt (UA S. 15ff.). Ein Willkürverstoß im Hinblick auf die Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nicht zu erkennen. Letztlich machen die Kläger im Gewand einer Gehörsrüge ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung geltend. Dies stellt im Asylverfahren anders als § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO keinen Berufungszulassungsgrund gemäß § 78 AsylG dar.
d) Darüber hinaus rügen die Kläger in verschiedenen Zusammenhängen, dass das Urteil nicht ausreichend begründet sei, insbesondere im Hinblick auf die Erkrankungen der Kläger, die Fragen ihrer Behandelbarkeit in Aserbaidschan und Finanzierbarkeit, die Möglichkeit der Existenzsicherung für die Kläger sowie die Prüfung einer nach Ansicht der Kläger völlig unzureichenden Versorgungslage in Aserbaidschan infolge der Corona-Pandemie.
Soweit die Kläger damit einen Verfahrensfehler im Sinn von § 138 Nr. 6 VwGO rügen, dringen sie damit nicht durch. Nach dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juni 1998 (9 B 412.98 – NJW 1998, 3290) ist ein Begründungsmangel im Sinn von § 138 Nr. 6 VwGO – abgesehen von einem vollständigen Fehlen von Gründen – nur dann anzunehmen, wenn die Begründung völlig unverständlich und verworren ist, so dass sie in Wirklichkeit nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgeblich gewesen sind. Davon kann hier ersichtlich nicht die Rede sein. Die Kläger wenden sich in Wirklichkeit gegen die aus ihrer Sicht unzutreffende Darstellung der Gründe; daraus lässt sich ein Begründungsmangel im Sinn von § 138 Nr. 6 VwGO aber nicht herleiten.
e) Soweit die Kläger mit ihren Einwänden auf die Verletzung der gerichtlichen Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) abzielen, kann das ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung führen. Ein – unterstellter – Aufklärungsmangel begründet weder einen Gehörsverstoß noch gehört er zu den sonstigen Verfahrensmängeln im Sinn von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO; das gilt auch insoweit, als der gerichtlichen Aufklärungsverpflichtung verfassungsrechtliche Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.2016 – 21 ZB 16.30144 – juris).
f) Entgegen dem Zulassungsvorbringen hat das Verwaltungsgericht auch keine das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG verletzende Überraschungsentscheidung getroffen. Eine solche liegt nur vor, wenn das Gericht einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerfGE, B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986791 – BVerfGE 86, 133; B.v. 31.5.1995 – 2 BvR 736/95 – juris; BVerwG, B.v. 1.2.1999 – 10 B 4.98 – juris; B.v. 26.2.2013 – 4 B 53.12 – juris; B.v. 1.7.2013 – 8 BN 1.13 – juris; B.v. 15.5.2014 – 9 B 57.13 – NVwZ-RR 2014, 657). Ausweislich der Gerichtsakte (Bl. 194) wurde der Klägerbevollmächtigte ordnungsgemäß geladen, so dass es den Klägern oblag, alles in ihren Kräften Stehende und nach Lage der Dinge Erforderliche zu tun, um sich durch Wahrnehmung des Verhandlungstermins rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl. Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 108 Rn. 104 m.w.N.).
3. Sollten die Kläger mit ihrem Vorbringen auch den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) rügen, entspricht ihr Vortrag schon nicht den Darlegungsanforderungen nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Denn im Hinblick auf eine behauptete Divergenz wird von ihnen schon nicht hinreichend dargelegt, von welchem Rechtssatz das Erstgericht jeweils abgewichen sein soll.
4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtkosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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