Verwaltungsrecht

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Aktenzeichen  24 ZB 21.30317

Datum:
14.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 6552
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

AN 17 K 19.50797 2021-01-14 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof wird abgelehnt.
II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

1. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt, da der Rechtsverfolgung aus den nachfolgenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg zukommt (§ 166 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
2. Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG sowie der Divergenz gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG liegen nicht vor.
2.1. Der hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG liegt nicht vor.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Asylrechtsstreitigkeit, wenn mit ihr eine grundsätzliche, bisher höchstrichterlich und obergerichtlich nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine im Bereich der Tatsachenfeststellungen bisher obergerichtlich nicht geklärte Frage von allgemeiner Bedeutung aufgeworfen wird, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts berufungsgerichtlicher Klärung bedarf. Die Darlegung dieser Voraussetzungen erfordert wenigstens die Bezeichnung einer konkreten Frage, die sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für das Berufungsverfahren erheblich wäre. Eine verallgemeinerungsfähige Frage tatsächlicher Natur ist als grundsätzlich bedeutsam anzusehen, wenn sich nach Auswertung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel klärungsbedürftige Gesichtspunkte ergeben, weil diese Erkenntnismittel in ihrer Gesamtheit keine klare und eindeutige Aussage zu der Tatsachenfrage zulassen. Insoweit verlangt das Darlegungserfordernis gemäß § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass die tatsächliche Frage nicht nur aufgeworfen wird, sondern im Wege der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Ausführungen in dem angefochtenen Urteil und mit den wichtigsten Erkenntnismitteln, etwa aktuellen Lageberichten des Auswärtigen Amtes, herausgearbeitet wird, warum ein allgemeiner Klärungsbedarf bestehen soll (Seibert in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 211 ff.) und aus welchen Gründen ihr eine Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird.
Der Kläger hält die folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
„Sind Antragsteller, denen in Griechenland internationaler Schutz gewährt wurde und die über keine konkret-individuelle Zusicherung von den griechischen Behörden verfügen, aktuell – unter Berücksichtigung der Covid-19-Pandemie – bei einer Rückkehr nach Griechenland generell dem „real risk“ einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK und Art. 4 GRC in Griechenland ausgesetzt, was die Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG zur Folge hat?“.
Nach den oben dargelegten Maßstäben ist die aufgeworfene Frage einer generellen fallübergreifenden Klärung nicht zugänglich, weil das Bestehen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht losgelöst von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls beantwortet werden kann.
Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der EMRK ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden. Schlechte humanitäre Verhältnisse im Herkunftsland können nach gefestigter Rechtsprechung im Ausnahmefall ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen einer unmenschlichen oder erniedrigender Behandlung begründen (vgl. BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30285 – juris Rn. 17; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146,12 Rn. 23,25, juris 23; B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 8). Dies setzt aber voraus, dass im Zielstaat der Abschiebung das für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung erforderliche Mindestmaß an Schwere (minimum level of severity) erreicht wird. (vgl. EGMR , U.v. 13.12.2016 – Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien – NVwZ 2017, 1187-1191; EuGH, U.v. 16.2.2017 – C-578/16 PPU, C.K. u.a. – juris Rn. 68). Diese Rechtsprechung ist auch auf anerkannte Flüchtlinge zu übertragen, die sich darauf berufen, dass die Lebensbedingungen, denen sie im Staat ihrer Flüchtlingsanerkennung ausgesetzt sind, Art. 3 EMRK widersprechen (BVerwG, B.v. 2.8.2017 – 1 C 37.16 – juris Rn. 20). Der Betroffene muss sich in „einer besonders gravierenden Lage“ befinden. Das kann der Fall sein, wenn ein Ausländer im Zielstaat seinen existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern kann, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhält. Die Unmöglichkeit der Sicherung des Lebensunterhalts kann auf der Verhinderung eines Zugangs zum Arbeitsmarkt oder auf dem Fehlen staatlicher Unterstützungsleistungen beruhen. Das Bundesverwaltungsgericht stellte aber gleichzeitig klar, dass das Erfordernis, dass ein „gewisses Mindestmaß an Schwere“ erreicht sein muss, einer weitergehenden abstrakten Konkretisierung nicht zugänglich ist und es insoweit vielmehr der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls bedarf (BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris LS 1 und Rn. 9, 11).
Hieraus folgt, dass die aufgeworfene Frage, ob „Antragsteller, denen in Griechenland internationaler Schutz gewährt wurde, generell dem Risiko einer unmenschlichen und erniedrigender Behandlung in Griechenland ausgesetzt sein werden“, einer grundsätzlichen Klärung in einem Berufungsverfahren nicht zugänglich ist, weil die Bewertung, ob die einem Ausländer im Abschiebezielstaat, hier in Griechenland, drohenden Gefahren ein „Mindestmaß an Schwere“ erreichen, von einer Vielzahl individueller Umstände und Faktoren – wie etwa dem Alter, dem Geschlecht, dem Gesundheitszustand, der Volkszugehörigkeit, der Ausbildung, dem Vermögen und familiären oder freundschaftlichen Verbindungen – abhängig ist, es also auf eine Würdigung des Einzelfalls durch das Verwaltungsgerichts ankommt. Daher lässt sich die vom Kläger angestrebte Klärung nicht abstrakt und allgemein für alle nach Griechenland zurückkehrenden internationalen Schutzberechtigten losgelöst von den tatsächlichen Umständen des konkreten Einzelfalls mit der Durchführung eines weiteren Berufungsverfahrens erreichen.
2.2. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) liegt nicht vor.
Der Kläger beruft sich darauf, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach von der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster (U.v. 21.1.2021 – 11 A 1564/20.A – juris) abweicht. Die Formulierung in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO „des Oberverwaltungsgerichts“ macht indes deutlich, dass das Urteil von einer Entscheidung des dem Verwaltungsgericht übergeordneten Oberverwaltungsgerichts abweichen muss. Abweichungen von Entscheidungen anderer Oberverwaltungsgerichte rechtfertigen die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 45). Im hier zu entscheidenden Fall müsste daher eine Abweichung des Erstgerichts von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. § 78 Abs. 5 Satz 1 AsylG, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO) und nicht des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen dargelegt werden, was der Kläger nicht getan hat.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
Dieser Beschluss, mit dem das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG), ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).


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