Verwaltungsrecht

Darlegungsanforderungen an den Verfahrensmangel der Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen Ablehnung von Beweisanträgen im Asylprozess

Aktenzeichen  10 ZB 16.30102

Datum:
9.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 63
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 4
VwGO § 86 Abs. 2, § 138 Nr. 3

 

Leitsatz

1 Vermag der Kläger nicht darzulegen, dass die Ablehnung des Beweisantrags als unsubstantiiert im Prozessrecht keine Stütze findet, genügt das Zulassungsvorbringen dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG nicht. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2 Behauptete Verstöße gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) gehören im Asylprozess nicht zu den Verfahrensfehlern, die gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG iVm § 138 VwGO zur Zulassung der Berufung führen können. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3 War die Ablehnung des Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung als unsubstantiiert nicht prozessordnungswidrig, kommt es auf die im Urteil genannten Ablehnungsgründe des Beweisantrags nicht mehr an, es sei denn, der Kläger hätte eine Gehörsrüge bezogen auf die seiner Auffassung nach im Urteil genannten Ablehnungsgründe erhoben. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 21 K 15.31606 2016-03-22 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Verpflichtung des Beklagten weiter, das Vorliegen eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil der geltend gemachte Verfahrensmangel, durch die Ablehnung seines Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung sei dem Kläger das rechtliche Gehör versagt worden (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO), nicht vorliegt.
Die Ablehnung nach § 86 Abs. 2 VwGO verstößt gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerwG, B.v. 10.8.2015 – 5 B 48.15 – juris Rn 10), d.h. ein Beweisantrag in willkürlicher Weise als unerheblich qualifiziert wird. Willkürlich ist ein Richterspruch, wenn er unter keinem denkbaren Ansatz rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass er auf sachfremden Erwägungen beruht (BayVGH, B.v. 20.11.2017 – 11 ZB. 31318 – juris Rn. 4). Von Willkür kann insbesondere dann nicht gesprochen werden, wenn das Gericht sich mit der Rechtslage eingehend auseinandersetzt und seine Rechtsauffassung nicht jeden sachlichen Grundes entbehrt (BVerfG, B.v. 22.5.2015 – 1 BvR 2291/13 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 22. März 2016 zum Beweis der Tatsache, dass er unter einer Erkrankung in Form der posttraumatischen Belastungsstörung leide, weiterhin dringend psychiatrisch und psychotherapeutisch behandlungsbedürftig sei und ein Abbruch der Behandlung zu einer wesentlichen oder gar lebensbedrohlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands führe, die Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens beantragt.
Das Verwaltungsgericht hat den Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung als unsubstantiiert abgelehnt. Für die Notwendigkeit der weiteren Einholung eines Sachverständigengutachtens bedürfe es der Vorlage eines fachärztlichen Attests, das sich in besonderer Weise mit der Frage des Gesundheitsbildes der PTBS befasse. Nach den bisher vorgelegten Attesten und dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei nicht erkennbar, dass sich der bisher behandelnde Arzt mit dem sogenannten A-Kriterium der Erkrankung sowie mit der Frage, weshalb der Kläger die Erkrankung erst nach Ablauf von über zwei Jahren nach seiner Einreise angesprochen habe, auseinandergesetzt habe.
Zur Begründung seines Zulassungsantrags bringt der Kläger vor, dass das Verwaltungsgericht seine Angaben zum das Trauma auslösenden Ereignis zu Unrecht nicht für glaubhaft gehalten habe. Auch wenn man sein Vorbringen zum Voodoo-Kult für unglaubwürdig halte, lasse dies keinen Rückschluss darauf zu, dass die Bootsfahrt von Libyen nach Italien und das dabei Erlebte nicht geglaubt werden könten. Das Gericht hätte den Kläger zu den Erlebnissen bei der Überfahrt befragen müssen.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Kläger jedoch nicht auf, dass die Ablehnung des Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung (§ 86 Abs. 2 VwGO) als unsubstantiiert fehlerhaft gewesen wäre. Das Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG verlangt für eine Rüge wegen der Versagung rechtlichen Gehörs durch die Ablehnung eines in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags zunächst, dass der Kläger gegenüber dem Berufungsgericht das ordnungsgemäße Stellen eines Beweisantrags im erstinstanzlichen Verfahren aufzeigt, was insbesondere die Mitteilung des Beweisthemas und des angebotenen Beweismittels erfordert. Ferner hat er darzutun, dass das Beweisthema nach der maßgeblichen materiellen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich und das angebotene Beweismittel zur Klärung der unter Beweis gestellten Tatsachenbehauptung tauglich gewesen ist. Schließlich ist in Auseinandersetzung mit den vom Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung angegebenen Gründen für die erfolgte Beweisantragsablehnung darzulegen, dass die Ablehnung prozessrechtlich unvertretbar gewesen ist (OVG NRW, B.v. 18.10.2017 – 13 A 2430/17.A – juris Rn. 16). Diesen Anforderungen genügt das Zulassungsvorbringen nicht, weil der Kläger nicht darzulegen vermag, dass die Ablehnung des Beweisantrags als unsubstantiiert im Prozessrecht keine Stütze findet.
Zutreffend geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass sich aus den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen und der Vernehmung des behandelnden Arztes in der mündlichen Verhandlung nicht die von der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8.07 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 11 ZB 17.31186 – juris Rn. 6) für die Substantiierung eines Sachverständigenbeweisantrags, der das Vorliegen einer PTBS zum Gegenstand hat, gestellten Mindestanforderungen ergeben. Vor-aussetzung für die Diagnose einer PTBS ist u.a. der Nachweis eines traumatisierenden Ereignisses (A-Kriterium). Wird das Vorliegen einer PTBS auf länger zurückliegende Ereignisse gestützt (hier insbesondere: Ereignisse auf der Flucht), so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist (BVerwG, a.a.O.). Daran fehlt es vorliegend. Der behandelnde Arzt hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass er nicht geprüft habe, ob die Ereignisse, auf die er seine Diagnose stütze, wahr seien. Auch habe er nicht gewusst, dass der Kläger erst zwei Jahre nach seiner Ankunft in der Bundesrepublik als er zu ihm erstmals in Behandlung gekommen sei, von den Symptomen berichtet habe.
Soweit der Kläger zudem anführt, dass Gericht tausche in der Urteilsbegründung die Gründe für die Ablehnung des Beweisantrages aus, in dem es nunmehr ausführe, das Vorbringen des Klägers zu den das Trauma auslösenden Ereignissen sei unglaubhaft, und es diesen Grund bereits im Ablehnungsbeschluss für den Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung hätte anführen müssen, rechtfertigen diese Darlegungen nicht die Zulassung der Berufung wegen eines Verstoßes gegen § 138 Nr. 3 VwGO.
Das Gericht setzt sich in den Entscheidungsgründen mit den Substantiierungsanforderungen für den Nachweis des Vorliegens einer PTBS auseinander und kommt zum Ergebnis, dass die vom Kläger vorgelegten Atteste den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen nicht genügen, weil die fachärztlichen Aussagen auf einer unzureichenden tatsächlichen Grundlage zur Frage des Vorliegens eines traumatischen Ereignisses beruhen. Als Gründe hierfür benennt das Verwaltungsgericht die Tatsache, dass der behandelnde Arzt seine Diagnose auch auf die Angst des Klägers vor Voodoo-Zauber stützt und er die geschilderten Symptome erstmals zwei Jahre nach seiner Einreise in das Bundesgebiet erwähnt hat.
Soweit der Kläger im Zulassungsverfahren vorbringt, auch wenn das Verwaltungsgericht das Vorbringen zum Voodoo-Zauber für absolut unglaubwürdig halte, hätte es keine Rückschlüsse auf die Glaubhaftigkeit der Angaben zur Überfahrt ziehen dürfen und ihn zu diesen Ereignissen befragen müssen, rügt er damit einen Verstoß gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und greift im Ergebnis die Beweiswürdigung des Gerichts an. Behauptete Verstöße gegen diese Vorschriften gehören im Asylprozess jedoch nicht zu den Verfahrensfehlern, die gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 VwGO zur Zulassung der Berufung führen können (BayVGH, B.v. 5.10.2017 – 11 ZB 17.31186 – juris Rn. 6). Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ist nicht geeignet, eine vermeintlich fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Bewertung zu beanstanden (BayVGH, B.v. 22.11.2017 – 11 ZB 17.30768 – juris Rn. 8 m.w.N.).
War die Ablehnung des Beweisantrags in der mündlichen Verhandlung als unsubstantiiert somit nicht prozessordnungswidrig, kommt es insoweit auf die schriftlichen Urteilsgründe nicht mehr an. Folgte man dem Vorbringen des Klägers, wonach sich aus den Entscheidungsgründen ergebe, dass das Verwaltungsgericht den Beweisantrag deshalb ablehnt habe, weil es seine Angaben zu den das Trauma auslösenden Ereignissen nicht für glaubhaft gehalten habe, so wäre eine Gehörsrüge nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO nur dann schlüssig erhoben, wenn er eine den genannten Anforderungen entsprechende Gehörsrüge bezogen auf die seiner Auffassung nach im Urteil genannten Ablehnungsgründe erhoben hätte (BayVGH, B.v. 22.11.2017 – 11 ZB 17.30768 – juris Rn. 7 m.w.N.). Daran fehlt es jedoch vorliegend.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 22. März 2016 rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 S. 2 AsylG).


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