Verwaltungsrecht

Darlegungsanforderungen hinsichtlich einer Gehörsrüge im Rahmen eines Berufungszulassungantrages

Aktenzeichen  20 ZB 18.30551

Datum:
8.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11860
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 138 Nr. 3
AsylG § 77 Abs. 2, § 78 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 S. 4
AufenthG § 60 Abs. 7

 

Leitsatz

1. Kann dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht entnommen werden, inwiefern das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Frage, ob ihm ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot iSd § 60 Abs. 7 S. 2 bis 4 AufenthG zusteht, überzogene oder unzutreffende Anforderungen an die Substantiierung einer PTBS-Erkrankung (oder einer anderen relevanten psychischen Erkrankung) gestellt haben soll, genügt dies nicht den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sieht der Kläger eine Gehörsverletzung iSd § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG iVm § 138 Nr. 3 VwGO darin, dass das Verwaltungsgericht entgegen seinem Vortrag zur Sicherheitslage im Nordirak zu der Einschätzung gekommen sei, dass ein innerstaatlicher Konflikt in der Heimatregion des Klägers – der Provinz Dohuk – nach Auswertung der in das Verfahren einbezogenen Erkenntnisquellen nicht vorliege, weshalb der Kläger keinen Anspruch auf subsidiären Schutz habe, wird allenfalls ein Verstoß gegen die Pflicht des Verwaltungsgerichts zur Sachaufklärung angesprochen, jedoch kein gravierender Verstoß dargelegt, der zu einer Gehörsverletzung führt. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 2 K 16.31599 2018-01-11 Ent VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 11. Januar 2018, Az. AN 2 K 16.31599, ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund einer Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO) nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Weise dargelegt wurde.
1. Die Rüge, das rechtliche Gehör (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) sei verletzt, erfordert regelmäßig, dass substantiiert dargelegt wird, welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Verwaltungsgericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen haben soll oder zu welchen entscheidungserheblichen Tatsachen oder Beweisergebnissen der Kläger sich nicht hat äußern können. Sie erfordert außerdem, dass substantiiert dargelegt wird, was der Kläger vorgetragen hätte, wenn ihm ausreichendes Gehör gewährt worden wäre, und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (BVerwG, B. v.19.8.1997 – 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328). Zwar kann eine Versagung des rechtlichen Gehörs im Sinne von § 138 Nr. 3 VwGO auch in der Verletzung von Verfahrensvorschriften liegen, die der Wahrung des rechtlichen Gehörs dienen. Hierzu gehören allerdings regelmäßig nicht Verstöße gegen die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO) oder gegen das Gebot der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dazu zählt grundsätzlich auch die Frage, ob das Gericht auf hinreichend breiter Tatsachengrundlage entschieden hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann bei solchen Mängeln im Einzelfall allenfalls bei gravierenden Verstößen verletzt sein (BVerfG, B.v. 8.4.2004 – 2 BvR 743/03 – NJW-RR 2004, 1150), oder wenn es sich um gewichtige Verstöße gegen Beweiswürdigungsgrundsätze handelt, beispielsweise weil die Beteiligten mit der vom Gericht vorgenommenen Würdigung ohne ausdrücklichen Hinweis nicht rechnen mussten (vgl. BVerfG, B.v. 12.6.2003 – 1 BvR 2285/02 – NJW 2003, 2524) oder weil die Würdigung willkürlich erscheint oder gegen die Denkgesetze verstößt (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1995 – 9 B 710.94 – NVwZ-RR 1996, 359). Derartige gravierende Mängel sind hier nicht dargelegt. Im Ergebnis hält der Kläger die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung in mehrfacher Hinsicht für falsch. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind nach § 78 Abs. 3 AsylG jedoch kein Grund für die Zulassung der Berufung.
a) Der Kläger sieht eine Gehörsverletzung zum einen darin, dass das Verwaltungsgericht den im Asylverfahren vorgelegten Bericht einer Diplom-Psychologin über eine psychologisch-psychotherapeutische Befunderhebung vom 12. April 2016 (Bl. 41 der Beiakte) nicht ausreichend gewürdigt habe. Hierzu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt (UA S. 4), das Bundesamt habe in zutreffender Weise gewürdigt, dass auf Grund des vorgelegten Berichts kein Befund erkennbar sei, der die Annahme einer relevanten psychischen Erkrankung rechtfertigen könnte, die einer Rückkehr des Klägers in seine Heimat entgegenstünde. Laut seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung bemühe sich der Kläger um eine Arbeitsstelle und die Aufnahme in einen Sprachkurs. Relevante psychische Einschränkungen seien deshalb nicht erkennbar. Des Weiteren hat das Verwaltungsgericht in gemäß § 77 Abs. 2 AsylG zulässiger Weise auf die Gründe des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge Bezug genommen und sich damit dessen Begründung zu Eigen gemacht. Dort ist ausgeführt (Beiakt Bl. 69/70), dass der vorgelegte Bericht nicht den Anforderungen entspreche, die das Bundesverwaltungsgericht an die Substantiierung einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) stellt, welche wiederum eine Pflicht des Gerichtes zur weiteren Sachaufklärung von Amts wegen erst auslöst (vgl. BVerwG, BVerwG, U.v. 11.9.2007 – 10 C 8.07 – NJW 2008, 330, juris).
b) Demgegenüber kann dem Zulassungsvorbringen des Klägers nicht entnommen werden, inwiefern das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Frage, ob ihm ein krankheitsbedingtes zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 bis 4 AufenthG zusteht, überzogene oder unzutreffende Anforderungen an die Substantiierung einer PTBS-Erkrankung (oder einer anderen relevanten psychischen Erkrankung) gestellt haben soll. Für die erforderliche Darlegung genügt insbesondere nicht, dass der Kläger ausführt, er sei wegen der Sprachbarriere und der Entfernung der Therapeutin zu seiner Unterkunft nicht mehr zu einer Therapeutin bzw. einem Therapeuten gegangen. Da somit nicht dargelegt ist, weshalb das Verwaltungsgericht die Anforderungen an die Substantiierung des Vorliegens einer entsprechenden Erkrankung zu Unrecht als nicht erfüllt angesehen haben soll, kommt es auch nicht auf den Vortrag des Klägers an, das Verwaltungsgericht sei nicht auf die vorgetragene Problematik des (Wieder-) Auflebens der Erkrankung im Falle seiner Rückkehr in den Heimatstaat eingegangen.
c) Des Weiteren sieht der Kläger eine Gehörsverletzung auch darin, dass das Verwaltungsgericht entgegen seinem Vortrag zur Sicherheitslage im Nordirak zu der Einschätzung gekommen sei, dass ein innerstaatlicher Konflikt in der Heimatregion des Klägers – der Provinz Dohuk – nach Auswertung der in das Verfahren einbezogenen Erkenntnisquellen nicht vorliege, weshalb der Kläger keinen Anspruch auf subsidiären Schutz habe (UA S. 4 f.). Damit ist jedoch allenfalls ein Verstoß gegen die Pflicht des Verwaltungsgerichts zur Sachaufklärung angesprochen, jedoch kein gravierender Verstoß dargelegt, der zu einer Gehörsverletzung führt. Im Ergebnis hält der Kläger die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung für falsch. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind jedoch, wie ausgeführt, im Asylprozess kein Grund für die Zulassung der Berufung.
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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