Verwaltungsrecht

Darlegungsanforderungen in Bezug auf die grundsätzliche Bedeutung einer Tatsachenfrage hinsichtlich der Verfolgung von Kurden

Aktenzeichen  9 ZB 18.32454

Datum:
2.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 25056
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 3, Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

Für die Darlegung des § 78 Abs. 4 S. 4 AsylG in Bezug auf die grundsätzliche Bedeutung einer Tatsachenfrage bedarf es zumindest eines überprüfbaren Hinweises auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- und Erkenntnisquellen (zB Gutachten, Auskünfte, Presseberichte), die zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzeigen, dass die aufgeworfene Tatsachenfrage anders als in der angefochtenen Entscheidung zu beantworten ist (vgl. BayVGH BeckRS 2018, 20073). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 6 K 17.35071 2018-08-14 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1. Soweit der Kläger beantragt, die Berufung „wegen abweichender Entscheidung des BVerwG und des BVerfG zuzulassen“, fehlt es an Darlegungen hierzu (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG).
2. Soweit der Kläger beantragt, die Berufung „wegen Vorliegens eines Verfahrensmangels zuzulassen“, genügt sein Vorbringen nicht den Darlegensanforderungen an eine Verfahrensrüge nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG).
a) Der Kläger trägt unter dem Gesichtspunkt ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils folgendes vor: „Das Urteil ist eine Kopie des Ablehnungsbescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und beinhaltet keine fachliche und rechtliche Würdigung des tatsächlichen Geschehens und ist absolut in sich widersprüchlich und lebensfremd. Begründung für das Urteil vorliegend unbedingt eine klageabweisende Entscheidung treffen wollte“.
Es kann dahinstehen, ob der Kläger mit diesem pauschalen Vorbringen der Sache nach die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts kritisiert (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 3 i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO geltend machen will und/oder, dass die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist (§ 138 Nr. 6 VwGO). Denn die behaupteten Mängel sind weder hinreichend dargelegt, noch liegen sie vor.
Das Verwaltungsgericht nimmt zulässigerweise auf die Gründe des angefochtenen Bescheids des Bundesamts Bezug (vgl. § 77 Abs. 2 AsylG) und führt „ergänzend“ auf über 23 Seiten ausführlich aus, weshalb es die Klage abgewiesen hat. Die Entscheidungsgründe sind weder widersprüchlich noch lebensfremd. Das Verwaltungsgericht hat seine Überzeugungsbildung und Entscheidungsfindung vielmehr auf einer breiten Tatsachengrundlage unter eingehender Würdigung des klägerischen Vorbringens umfassend und einleuchtend begründet. Die lediglich abweichende Bewertung der Sach- und Rechtslage durch den Kläger führt auf keinen Verfahrensmangel hin.
b) Das Vorbringen, es sei nicht auszuschließen, dass der Kläger traumatisiert sei und jetzt an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide, darauf sei das Verwaltungsgericht nicht ansatzweise eingegangen, lässt keinen zur Zulassung der Berufung führenden Verfahrensmangel i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG erkennen.
Der Kläger legt nicht dar, dass er im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen hätte, möglicherweise an einer posttraumatischen Belastungsstörung oder an einer anderen psychischen Erkrankung zu leiden; hierfür ist auch nichts ersichtlich.
3. Der ausdrücklich geltend gemachte Zulassungsgrund der „ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils“ („§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO“) kann die Zulassung der Berufung nicht begründen. Im Asylverfahren sind die Zulassungsgründe in der Sonderregelung des § 78 Abs. 3 AsylG abschließend aufgeführt. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO findet darin keine Entsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 9.7.2018 – 9 ZB 18.31470 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 13.8.2018 – 8 ZB 18.31142 – juris Rn. 2, jeweils m.w.N.).
Dasselbe gilt für den geltend gemachten Zulassungsgrund des „§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO“ (besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache).
Das Vorbringen des Klägers zu den seiner Ansicht nach bestehenden ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils führt auch der Sache nach auf keinen Zulassungsgrund i.S.d. § 78 Abs. 3 AsylG hin (hinsichtlich der behaupteten besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache hat der Kläger nichts ausgeführt).
4. Die Berufung ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG).
Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substanziiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr Bedeutung über den Einzelfall hinaus zugemessen wird (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.2017 – 9 ZB 15.30129 – juris Rn. 4 m.w.N.). Dem genügt das Zulassungsvorbringen nicht.
Die Frage,
„ob kurdische Volkszugehörige die, wie der Kläger in einer ausweglosen Situation aus ihrer Heimatregion fliehen mussten um nicht weiter den ständigen Übergriffen der türkischen Sicherheitsbehörden ausgesetzt zu sein, tatsächlich keiner Verfolgung ausgesetzt sind und eventuell im Westen eine inländische Fluchtalternative haben und ob ihnen im Falle einer Rückkehr in der Türkei die Gefahr droht, unmenschlich behandelt und inhaftiert zu werden“
genügt nicht den Darlegungsanforderungen an eine Grundsatzrüge, weil nicht substanziiert ausgeführt wird, warum diese Frage für klärungsbedürftig gehalten wird.
Stützt sich das Verwaltungsgericht – wie hier – bei seiner Entscheidung auf bestimmte Erkenntnismittel oder gerichtliche Entscheidungen, genügt es den Darlegungsanforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG in Bezug auf die grundsätzliche Bedeutung einer Tatsachenfrage nicht, wenn lediglich die Behauptung aufgestellt wird, die für die Beurteilung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse stellten sich anders dar als vom Verwaltungsgericht angenommen. Vielmehr bedarf es in diesen Fällen zumindest eines überprüfbaren Hinweises auf andere Gerichtsentscheidungen oder auf vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigte sonstige Tatsachen- und Erkenntnisquellen (z.B. Gutachten, Auskünfte, Presseberichte), die zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit aufzeigen, dass die aufgeworfene Tatsachenfrage anders als in der angefochtenen Entscheidung zu beantworten ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.8.2018 – 9 ZB 18.50044 – juris Rn. 14 m.w.N.). Daran fehlt es.
Von Vorstehendem abgesehen ist die vom Kläger für grundsätzlich bedeutsam erachtete Frage auch nicht klärungsfähig, weil das Verwaltungsgericht nicht davon ausgegangen ist, dass der Kläger „in einer ausweglosen Situation aus seiner Heimatregion fliehen musste“, sondern dass dieser keine an ihn individuell gerichteten Bedrohungen oder gar Übergriffe geschildert habe.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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