Verwaltungsrecht

Dienstunfallfürsorge, Dienstunfallrecht, Verwaltungsgerichte, Untersuchung auf Dienstfähigkeit, Amtsärztliche Untersuchung, Dienstvorgesetzter, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Sachverständigengutachten, Dienstunfähigkeit, Widerspruchsbescheid, Unfallereignis, Belastungssituation, Prozeßbevollmächtigter, Gesundheitszeugnis, Am Arbeitsplatz, Behördenakten, Vollstreckungsschutz, Dienstherr, Plötzliches Ereignis, Schädigendes Ereignis

Aktenzeichen  B 5 K 19.264

Datum:
11.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 40895
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.  
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 26.07.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.02.2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des geltend gemachten Ereignisses als Dienstunfall gemäß Art. 46 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz (BayBeamtVG).
1. Das vom Kläger geltend gemachte Ereignis vom 04.08.2016 – Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung verbunden mit der Verhängung eines Hausverbots – stellt kein Dienstunfallereignis im Sinne des Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG dar. Danach ist ein Dienstunfall ein auf äußerer Einwirkung beruhendes, plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Körperschaden verursachendes Ereignis, das in Ausübung oder infolge des Dienstes eingetreten ist. Wesentliche Merkmale eines Unfalls sind somit ein äußeres Ereignis als Ursache und eine Körperschädigung als dessen Auswirkung. Weitere Voraussetzung eines Dienstunfalls ist die Beziehung des Vorfalls zum Dienst. Zudem muss zwischen Unfallereignis und eingetretenem Körperschaden eine enge kausale Verknüpfung bestehen.
a) Zweifelhaft ist schon, ob dienstliches Verhalten an sich ein Dienstunfallereignis im gesetzlichen Sinne darstellen kann. Jedenfalls im vorliegenden Fall ist das dem Beklagten vorgeworfene Verhalten nicht geeignet, eine äußere Einwirkung auf den Kläger darzustellen, die einen Körperschaden zu verursachen geeignet ist.
Das Merkmal der äußeren Einwirkung hat den Zweck, äußere Vorgänge von lediglich im Innern des menschlichen Körpers ablaufenden Vorgängen abzugrenzen. Es soll Unfallereignisse und Körperbeschädigungen ausschließen, die auf eine in körperlicher oder seelischer Hinsicht besondere Veranlagung des Beamten oder auf willentliches Verhalten des Beamten zurückgehen. Zwar können auch psychische Reaktionen auf äußere Vorgänge, wie z. B. der tätliche Angriff auf einen Kollegen oder Beleidigungen und Beschimpfungen einen Körperschaden zur Folge haben, der zum Vorliegen eines Dienstunfalls führt. Für die Abgrenzung eines Unfalls von sonstigen Körperschädigungen ist jedoch entscheidend, ob die Einwirkung auf Umständen beruht, für die eine in körperlicher oder seelischer Hinsicht besondere Veranlagung des Verletzten wesentliche Ursache gewesen ist.
Die Abgrenzung zwischen innerer und äußerer Einwirkung erfolgt grundsätzlich negativ, d. h. ist eine innere Einwirkung nicht erkennbar, muss vom Vorliegen einer äußeren Einwirkung ausgegangen werden. Treffen eine innere und äußere Ursache zusammen, kommt es darauf an, welches die wesentliche Teilursache ist. Bei Dienstunfällen infolge psychischer Einwirkungen stellt sich insofern die Frage, ob das behauptete schädigende Ereignis seiner Art nach generell geeignet ist, die geltend gemachten emotionalen Belastungen mit Krankheitswert hervorzurufen. Dieses ist nur dann rechtlich als wesentliche Ursache für eine psychische Störung zu sehen, wenn das behauptete Unfallereignis und seine gesundheitlichen Auswirkungen ihrer Eigenart und Intensität nach unersetzlich sind. Ist aber die Psyche des Beamten aufgrund seiner aktuellen seelischen Verfassung bzw. seiner Veranlagung so leicht ansprechbar, dass sie gegenüber den psychischen Auswirkungen des Unfallereignisses die rechtlich allein wesentliche Ursache ist, ist es ausgeschlossen, das behauptete Unfallereignis als rechtlich allein wesentliche Ursache anzusehen (BayVGH, B. v. 20.6.2016 – 3 ZB 14.1450, BeckRS 2016, 47787 Rn. 8 f., beck-online, m.w.N.).
Zwar können auch herabsetzende Reden, Beleidigungen und Beschimpfungen eine äußere Einwirkung sein, weil sie „von außen her“ die seelische Verfassung des Betroffenen beeinflussen und zu körperlichen Beeinträchtigungen führen können. Es ist in der Rechtsprechung des BVerwG geklärt, dass einerseits auch nicht-körperliche Einwirkungen – und damit auch dienstliche Gespräche – äußere Einwirkungen im Sinne des Dienstunfallrechts sein können und andererseits ein im Rahmen des Üblichen bleibender, sozialadäquater Verlauf eines Dienstgesprächs keine äußere Einwirkung in diesem Sinne ist. Nur dann, wenn während des Dienstgesprächs durch dessen Verlauf, durch die Art der Äußerungen (z.B. aggressives Anbrüllen) oder durch deren Inhalt (z.B. Beleidigungen, Beschimpfungen) der Rahmen der Sozialadäquanz überschritten wird, ist ein auf dieser psychischen Einwirkung beruhender Körperschaden, namentlich ein seelischer Schaden, wertungsmäßig der Sphäre des Dienstherrn und nicht der Sphäre des Beamten aufgrund seiner besonderen individuellen Veranlagung zuzurechnen. Nur in einem solchen Fall gibt es eine innere Rechtfertigung, dem Beamten über die auch in diesen Fällen stets zu gewährenden Beihilfeleistungen hinaus den besonderen Schutz des Dienstunfallfürsorgerechts zukommen zu lassen (BVerwG, Beschluss vom 11.10.2018 – 2 B 3/18, NVwZ-RR 2019, 160 Rn. 13, 14, beck-online). Für ein Eingreifen der Unfallfürsorge besteht jedoch kein Anlass bei Vorgängen, die – wie bloße Mitteilungen über Personalentscheidungen – im Rahmen des Dienstverhältnisses üblich und selbstverständlich sind. Derartige Vorkommnisse, die sich im Rahmen der sozialen Adäquanz halten, vermögen den Dienstunfallbegriff von vornherein nicht zu erfüllen. Etwas anderes kann nur gelten bei Hinzutreten weiterer Umstände, die den Rahmen der normalen Ausgestaltung des Dienstverhältnisses übersteigen. Dies ist etwa der Fall bei verletzenden Äußerungen im Verlauf einer verbalen Auseinandersetzung mit Dienstvorgesetzten (OVG Schleswig Urt. v. 26.11.1993 – 3 L 99/93, BeckRS 1994, 20707, beck-online).
Gemessen an diesen Grundsätzen kann das vom Kläger angeschuldigte Verhalten seines Dienstvorgesetzten – die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung des Klägers auf seine Dienstfähigkeit wegen des Verdachts auf Alkohol- oder Drogenmissbrauch und die Verhängung eines Hausverbots – am 04.08.2016 kein Dienstunfallereignis im rechtlichen Sinne darstellen.
Es ist hier kein Anhaltspunkt ersichtlich, dass sich die vorgeblich zur Erkrankung führenden Ereignisse außerhalb des Rahmens der sozialen Adäquanz bewegt haben. Beleidigungen, Beschimpfungen und Herabsetzungen bei der Eröffnung der dienstlichen Maßnahme oder innerhalb des eröffneten Schreibens sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen.
Bereits in den Beiblättern zur Dienstunfallmeldung schildert der Kläger den Geschehensablauf am 04.08.2016 folgendermaßen: „Kurz vor dem Abschluss der Arbeiten, gegen 13.00 Uhr, wurde ich an der Unterverteilung in der Aula von der Verwaltungsangestellten … und dem Hausmeister der Zweigstelle … mit der Aufforderung, die Tätigkeiten sofort einzustellen und dem mitgeführten Schreiben unverzüglich Folge zu leisten, abgefangen. Das mitgeführte Schreiben […] fassungslos zur Kenntnis nehmend, wurde ich aufgefordert meine Schlüssel abzugeben und das Schulhaus zu verlassen. […] Nachdem mir (unter dauernder Aufsicht) die Gelegenheit zur Mitnahme einiger im persönlichen Eigentum stehender Gegenstände […] gegeben wurde, erfolgte das Herausführen aus dem Schulgebäude, sowie das Beobachten des Verlassens des Schulgeländes durch die zwei genannten Personen. Die beamtenrechtlich zumindest sehr fragwürdige Aktion noch immer nicht richtig realisiert, erhielt ich in den folgenden Stunden […] einen Anruf von meiner Frau, die erschüttert und völlig überrascht darüber berichtete, dass ich auf dem Postweg eine Ladung vom LRA … zur amtsärztlichen Untersuchung erhalten hätte.“ Schon die Schilderung durch den Kläger selbst ergibt keine unsachliche oder beleidigende sowie bloßstellende Vorgehensweise des Dienstherrn bei Anordnung der entsprechenden Maßnahmen. Auch das übergebene Schreiben selbst (Bl. 20 der Behördenakte) enthält lediglich die notwendigen Informationen und entbehrt jeglicher unsachlichen Darstellung. Neben der Anordnung, die notwendigen Termine zur Untersuchung auf Dienstfähigkeit am LRA … wahrzunehmen, der Mitteilung, dass der Kläger bis auf Weiteres von der Erbringung der Dienstpflichten befreit sei und dem Hinweis, wie mit Eigentum des Dienstherrn zu verfahren ist, werden keine Ausführungen gemacht. Weder aus dem schriftsätzlichen Vorbringen des Bevollmächtigten, noch aus seinen Ausführungen in der mündlichen Verhandlung haben sich darüber hinaus Hinweise für ein sozial inadäquates Vorgehen auf Beklagtenseite in Zusammenhang mit den vorgenannten Vorkommnissen ergeben.
Allein die Tatsache, dass sich der den Maßnahmen zugrundeliegende Verdacht des Alkohol- bzw. Drogenmissbrauchs durch den Kläger im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung nicht bestätigt hat, legt keine andere Bewertung nahe. Dieser Umstand ändert zum einen schon nichts an der rechtlich betrachtet angemessenen Vorgehensweise des Dienstvorgesetzten des Klägers, zum anderen steht bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit dienstrechtlicher Maßnahmen den davon Betroffenen der Rechtsweg offen. Schließlich muss es einem Dienstherrn bei begründeten Anhaltspunkten frei stehen, Zweifel an der Dienstfähigkeit seiner Beamten ärztlicherseits abklären zu lassen, ohne im Fall, dass sich der Verdacht nicht bestätigt, automatisch ersatzpflichtig im Rahmen der Dienstunfallfürsorge zu werden.
b) Darüber hinaus fehlt es dem vom Kläger geltend gemachten und sich aus den Akten ergebenden Ereignis an der nach Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG erforderlichen Plötzlichkeit.
Um im dienstunfallrechtlichen Sinne von einem „plötzlichen Ereignis“ sprechen zu können, muss sich das Unfallgeschehen in einem relativ kurzen Zeitraum ereignen und wirken. Dabei wird in der gesetzlichen Unfallversicherung als „plötzlich“ noch ein Ereignis angesehen, das im Zeitraum längstens einer Arbeitsschicht eingetreten ist. Dies kann in bestimmten Fällen auch als Maßstab für ein Unfallereignis i. S. d. Art. 46 Abs. 1 BayBeamtVG herangezogen werden (BayVGH, B. v. 25.10.2012 – 3 ZB 10.2737 – juris Rn. 5). Eine generelle zeitliche Festlegung, was als kurzer Zeitraum anzusehen ist, gibt es hingegen nicht. Das Tatbestandsmerkmal „plötzliches Ereignis“ dient vielmehr der Abgrenzung eines Dienstunfalls gegenüber einer länger dauernden Einwirkung. Schädliche Dauereinwirkungen im dienstlichen Bereich durch steigende Arbeitsbelastung (BayVGH, B. v. 12.9.2011 – 3 ZB 09.1477 – juris Rn. 2) oder sog. „Mobbing“ (BayVGH, B. v. 4.5.2011 – 3 ZB 09.2463 – juris Rn. 3) stellen deshalb grundsätzlich kein plötzliches Ereignis dar.
Allein wegen des Kriteriums der Plötzlichkeit eines Unfallereignisses haben psychische Ursachen daher in der Regel nur dann dienstunfallrechtliche Relevanz, wenn es sich um eine schockartige Einwirkung handelt, welche eine schlagartig auftretende schwere psychische Erschütterung auslöst, die auch geeignet ist, eine dauerhafte mentale Störung mit Krankheitswert hervorzurufen. Von einem plötzlichen Ereignis kann nur gesprochen werden, wenn es unvermittelt, d. h. innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums eintritt, was vorhersehbare Ereignisse – etwa weil bestimmte Umstände sie ankündigen -, nicht ausschließt (Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O., RdNr. 36 zu § 31 BeamtVG).
Gemessen an diesen Grundsätzen fehlt es bei dem vom Kläger als Dienstunfall geltend gemachten dienstlichen Verhalten seines Dienstvorgesetzten auch an dem Merkmal der Plötzlichkeit. Zu Gunsten des Klägers kann man noch insofern von einem unerwarteten Ereignis sprechen, als der Kläger möglicherweise nicht an diesem konkreten Tag mit dieser konkreten Vorgehensweise des Beklagten gerechnet hat, zumal der Kläger an diesem Tag nach eigenen Angaben noch Arbeitsanweisungen erhalten hat. Allerdings stößt diese Sichtweise bei Betrachtung des zugrundeliegenden Gesamtzusammenhangs bzw. der über lange Zeit andauernden Entwicklung des dienstlichen Verhältnisses zwischen dem Kläger und seinem Vorgesetzten an ihre Grenzen. Über Jahre hinweg hat sich ein immer stärker werdender persönlicher Konflikt zwischen der Leitung des Schulzentrums und dem Kläger entwickelt. So schreibt der Kläger selbst auf dem ersten der „Beiblätter zur ausführlichen Unfallschilderung“ (Bl. 9 der Behördenakte) über den Zeitraum ab dem 14.07.2016: „Nachdem mir bereits im vorangegangenen Schriftverkehr und ohne nachvollziehbare Begründung das Vertrauen seitens des Schulleiters entzogen wurde, folgten in den darauffolgenden Tagen schrittweise die Anweisung zur täglichen Meldung von Dienstantritt und -ende sowie die Übermittlung eines entsprechend detaillierten täglichen Tätigkeitsnachweises, der Entzug von zur Abarbeitung von administrativen Aufgaben notwendigen Zugangsrechten im Netzwerk, die Auslagerung meines Postfaches von der Schulverwaltung ins Lehrerzimmer, sowie die vom Schulleiter an … (Hausmeister) angewiesene schrittweise Durchführung der Rückgabe/Austausch von Schlüsseln.“ Daran chronologisch schließen sich Ausführungen über Ereignisse von 21.07.2016 an, die von neutralen dienstlichen Vorgängen berichten. Das berufliche Miteinander zwischen Schulleitung und Kläger war offenbar derart angespannt, dass es dem Kläger explizit erwähnenswert schien, Tage, an denen sich keine Konflikte ereigneten, gesondert aufzuführen, wenn er weiter formuliert: „In den weiter folgenden Tagen (26.07.-02.08.2016) ging ich, ohne weitere Vorkommnisse, meinen gewöhnlichen Tätigkeiten zum Schuljahreswechsel nach.“ Weiter führt der Kläger schließlich aus: „Am 03.08.2016, einen vorab entfallenen Erholungsurlaubstag „genießend“, bereitete ich eine erneute Initiative zur endgültigen Konfliktbewältigung in Sachen Aufgabenbereiche und Trennung von privaten und dienstlichen Belangen vor. Hierzu kontaktierte ich auch …, bezüglich der Erreichbarkeit der neuen Personalvertretung.“ Darüber hinaus findet sich in den Akten bereits unter dem Datum vom 14.07.2016 ein Remonstrationsschreiben des Klägers an die Regierung von Oberfranken, in dem er um Unterstützung im Hinblick auf seiner Ansicht nach rechtswidrige Arbeitsanweisungen durch den Dienstvorgesetzten bittet.
In das eben geschilderte Gesamtgeschehen der unmittelbar zurückliegenden Wochen eingebettet und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass bereits Jahre zuvor ausweislich der medizinischen Gutachten der Arbeitsplatzkonflikt derart gravierend gewesen war, dass er beim Kläger psychische Probleme hervorgerufen hatte (dazu sogleich unter c), erscheint eine Charakterisierung des streitgegenständlichen Ereignisses als „plötzlich“ lebensfremd.
c) Unbeschadet dieser Ausführungen – und ohne, dass es entscheidungserheblich darauf ankäme, weil der Beklagte seinen Bescheid nicht auf dieses Kriterium gestützt hat – würde es für die Anerkennung des vom Kläger geltend gemachten Ereignisses als Dienstunfall wohl auch an der Kausalität des Ereignisses für einen etwaigen Körperschaden scheitern.
Dabei sind nach der von der Rechtsprechung entwickelten Theorie der wesentlichen Verursachung bzw. der zumindest wesentlich mitwirkenden Teilursache nur solche kausalen Bedingungen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn für den Schadenseintritt (mit-) ursächlich, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg bei dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Die im Dienstunfallrecht herrschende Theorie der wesentlich mitwirkenden Ursache hat die Funktion, im Sinne einer sachgerechten Risikoverteilung dem Dienstherrn die spezifischen Gefahren der Beamtentätigkeit oder die nach der Lebenserfahrung auf sie zurückführbaren, für den Schaden wesentlichen Risiken aufzubürden, hingegen diejenigen Risiken, die sich aus persönlichen, von der Norm abweichenden Anlagen oder aus anderen als dienstlich gesetzten Gründen ergeben, bei dem Beamten zu belassen. Nach der danach maßgebenden Kausalitätstheorie besteht ein Ursachenzusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Körperschaden nicht mehr, wenn für diesen eine weitere Bedingung ausschlaggebende Bedeutung hatte (vgl. etwa BVerwG, U.v. 1.3.2007 – 2 A 9/04 – juris Rn. 8; U.v. 28.4.2002 – 2 C 22/01 – ZBR 2003, 140 – juris Rn. 10; B.v. 8.3.2004 – 2 B 54/03 – Buchholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 13 – juris Rn. 7).
Nicht ursächlich im Sinne des Gesetzes sind demnach die sog. Gelegenheitsursachen, d.h. solche Bedingungen, bei denen zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Dienst eine rein zufällige Beziehung besteht. Letzteres ist beispielsweise dann der Fall, wenn die krankhafte Veranlagung oder das anlagebedingte Leiden so leicht ansprechbar waren, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Eigenart unersetzlichen Einwirkungen bedurfte, sondern auch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis zum selben Erfolg geführt hätte (vgl. BVerwG, B.v. 8.3.2004 – 2 B 54/03 – Bucholz 239.1 § 31 BeamtVG Nr. 13).
Dabei müssen alle Tatbestandsvoraussetzungen für eine Dienstunfallanerkennung bzw. die geltend gemachten Folgen zur Überzeugung der Behörde und des Gerichts vorliegen. Der Beamte trägt das Feststellungsrisiko, dass die behauptete Schädigungsfolge wesentlich auf den Dienstunfall und nicht etwa auf eine anlagebedingte Konstitution zurückzuführen ist. Im Dienstunfallrecht gelten dabei die allgemeinen Beweisgrundsätze. Für das Vorliegen eines Dienstunfalls ist grundsätzlich der volle Beweis zu erbringen. Wenn sich die anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht klären lassen, trägt der Beamte die materielle Beweislast. Auch im Beamtenrecht entstehende Beweisschwierigkeiten rechtfertigen keine von den allgemeinen Beweisgrundsätzen abweichende mildere Beurteilung der Beweisanforderungen. Vielmehr trägt derjenige, der aus einer Norm eine ihm günstigere Rechtsfolge ableitet, die materielle Beweislast, wenn das Gericht in Erfüllung seiner Pflicht zur umfassenden Aufklärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen zu seiner vollen Überzeugungsgewissheit („mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“) weder feststellen noch ausschließen kann und wenn sich aus der materiellen Anspruchsnorm nichts Abweichendes ergibt (st. Rspr. vgl. nur: BayVGH, B.v. 31.1.2008 – 14 B 04.73 – Rn. 20 f.; BVerwG, U.v. 23.5.1962 – VI C 39.60 – BVerwGE 14, 181; BVerwG, U.v. 21.10.1964 – VI C 132.61 – Buchholz 232.1 § 135 BBG Nr. 22).
Gemessen daran liegen die Voraussetzungen für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 04.08.2016 als Dienstunfall mit anschließender langwährender Krankheitsdauer mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht vor. Zwar hat sich der streitgegenständliche Vorfall während des Dienstes zugetragen. Allein dieser Umstand verhilft der Klage aber nicht zum Erfolg, weil die notwendige Kausalität zwischen den schädigenden Ereignissen und den geltend gemachten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers fehlt. Denn der streitgegenständliche Vorfall hat die beim Kläger – wohl – bestehende Behandlungsbedürftigkeit seiner psychischen Verfassung nicht hervorgerufen, auch nicht im Sinn einer wesentlich mitwirkenden Teilursache. Auch eine wesentliche Verschlimmerung möglicherweise bereits vorbestehender Leiden ist nicht kausal auf dieses Geschehen zurückzuführen.
Das Gericht ist vielmehr der Überzeugung, dass die (wiederholte) Behandlungsbedürftigkeit des Klägers auf ein seit mehreren Jahren vorbestehendes Leiden zurückzuführen ist, sei dieses auch durch die über lange Jahre währende, allgemein konfliktbeladene dienstliche Situation entstanden. Dies ergibt sich aus den in den Gerichts- und Behördenakten befindlichen ärztlichen Zeugnissen und Gutachten.
So erwähnt bereits das im Auftrag des Dienstherrn anhand der Untersuchung des Klägers am 09.08.2016 erstellte Gesundheitszeugnis des Fachbereichs Gesundheitswesen am LRA …, dass bei dem Kläger eine Erkrankung besteht, die schon seit Jahren medikamentös behandelt wird und die wahrscheinlich im Rahmen einer beruflichen Belastungssituation entstanden ist. Dadurch waren bis zum Untersuchungszeitpunkt zwar noch keine längeren krankheitsbedingten Fehlzeiten aufgetreten, jedoch eine abnehmende Arbeitsleistung und Effektivität bei der Bewältigung dienstlicher Aufgaben (Bl. 45 der Behördenakte). Die Erkrankung geht mit Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, rascher Ermüdbarkeit und Stimmungsschwankungen einher, was aber durch die Medikation abgeschwächt wird.
Das im Lauf des gerichtlichen Verfahrens von Klägerseite vorgelegte psychiatrische Fachgutachten legt des Weiteren einen deutlich früheren Beginn der beim Kläger bestehenden psychischen Symptomatik fest. Zwar kommen sämtliche Gutachten einhellig zu der Auffassung, dass beim Kläger keine Symptome von Krankheitswert vorliegen, allerdings gibt der Kläger ausweislich der in einem Gutachten befindlichen Eigenanamnese selbst an, dass er gesundheitlich bereits ab dem Jahr 2009 aufgrund der hier gegenständlichen beruflichen Belastungssituation beeinträchtigt war.
So findet sich in dem psychiatrischen Sachverständigengutachten des … vom 16.02.2017 unter Bezugnahme auf ein Gutachten des LRA …, dass wahrscheinlich bereits 2010 im Rahmen einer beruflichen Überbelastung ein psychisches Erschöpfungssyndrom mit depressiver Entwicklung aufgetreten ist. In der Eigenanamnese findet sich die Aussage des Klägers, dass er 2009 erstmals mit Drehschwindel zusammengebrochen ist, woran sich ein einwöchiger Krankenhausaufenthalt angeschlossen hat. Erst später ist ihm die Bedeutung der Konflikte am Arbeitsplatz deutlich geworden.
Zweifel an der Schlüssigkeit dieses Gutachtens bestehen nicht. Zudem gesteht der Klägerbevollmächtigte im Schriftsatz vom 15.05.2020 selbst ein, dass der Kläger wegen der seit ca. 2012 bestehenden Belastungssituation am Arbeitsplatz durch seine Hausärztin mit einem Antidepressivum behandelt worden sei. Abgesehen davon, dass es vorliegend ohnehin nicht entscheidungserheblich darauf ankommt, war auch aufgrund der obigen Ausführungen neben den vorliegenden Behördengutachten keine Einholung eines gerichtlichen Gutachtens angezeigt (BSG, U.v.14.12.2001, Az.: B 3 P 5/00 R – beck-online).
Die Klage war somit abzuweisen.
2. Der Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Wegen der allenfalls geringen Höhe der durch den Beklagten vorläufig vollstreckbaren Kosten ist die Einräumung von Vollstreckungsschutz nicht angezeigt.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO).
4. Gründe, für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.


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