Verwaltungsrecht

Divergenz als Berufungszulassungsgrund

Aktenzeichen  11 ZB 17.31360

Datum:
19.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 133232
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4

 

Leitsatz

Eine Divergenz liegt nur vor, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Vorschrift mit einem seine Entscheidung tragenden Rechts- oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz von der Rechtsprechung übergeordneter Gerichte ausdrücklich oder konkludent abweicht. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RO 9 K 17.33942 2017-08-17 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da das erstinstanzliche Urteil auf mehrere Gründe gestützt ist, die Kläger jedoch nur geltend machen, dass das Verwaltungsgericht ihnen unter Abweichung von der durch das Bundesverfassungsgericht mit Bindungswirkung versehenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht geglaubt habe (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG). Wird die angefochtene Entscheidung auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, so ist – sofern nicht ausnahmsweise ein Fall der Rechtskrafterstreckung vorliegt – in Bezug auf jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund darzulegen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund dann entweder nicht entscheidungserheblich ist oder das angefochtene Urteil hierauf nicht beruht (BVerwG, B.v. 20.12.2016 – 3 B 38/16 – juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 11 ZB 16.1451 – juris Rn. 2 und B.v. 13.1.2014 – 13a ZB 13.30365 – juris Rn. 4; Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 124a Rn. 7).
Das Verwaltungsgericht hat sich durch Bezugnahme gemäß § 77 Abs. 2 AsylG die tragenden Gründe des angefochtenen Bescheides zu eigen gemacht. Dieser ist zum einen darauf gestützt, dass die Kläger bei Wahrunterstellung ihrer – entgegen ihrer Behauptung auch vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angezweifelten – Angaben lediglich nicht asylerhebliches kriminelles Unrecht als Ausreisegrund vorgebracht haben, gegen das sie staatliche Hilfe hätten in Anspruch nehmen können, zum andern darauf, dass sie eine innerstaatliche Fluchtalternative gehabt hätten. Hierzu verhält sich die Begründung des Zulassungsantrages indes nicht (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG).
Im Übrigen haben die Kläger keinen vom Verwaltungsgericht aufgestellten abstrakten Rechts- oder Tatsachensatz dargelegt, mit dem es von demjenigen eines divergenzfähigen Gerichts abgewichen sein könnte, sondern lediglich bemängelt, dass es den Klägern im Zweifelsfall („benefit of the doubt“) nicht geglaubt habe und dass die Ausführungen zur Unglaubhaftigkeit des klägerischen Vortrags nicht überzeugend und spekulativ seien. Gemessen an den obergerichtlichen Anforderungen ist eine Divergenz im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG hiermit jedoch nicht dargelegt. Sie liegt vielmehr vor, wenn das Verwaltungsgericht in Anwendung derselben Vorschrift (vgl. BVerwG, B.v. 28.1.2004 – 6 PB 15/03 – NVwZ 2004, 889/890) mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz oder einem verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz von einem in der Rechtsprechung der genannten übergeordneten Gerichte aufgestellten Rechts- oder Tatsachensatz oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abweicht und die Entscheidung darauf beruht (vgl. Rusidile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Oktober 2016, § 124 Rn. 42; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 73 m.w.N.). Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2014 – 2 B 52/14 – juris Rn. 5). Es genügt nicht, wenn in der angegriffenen Entscheidung ein in der Rechtsprechung der übergeordneten Gerichte aufgestellter Grundsatz lediglich übersehen, übergangen oder in sonstiger Weise nicht richtig angewandt worden ist (BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 6 B 35/16 – juris Rn. 12 m.w.N.; Happ, a.a.O.; Rusidile, a.a.O.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).


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