Verwaltungsrecht

Eilrechtsschutz, Ausländerrecht, Verpflichtung zur Vorsprache bei der Auslandsvertretung, Androhung der zwangsweisen Vorführung bei der Auslandsvertretung, Unbestimmtheit der Androhung, Prozesskostenhilfe (teilweise bewilligt)

Aktenzeichen  M 10 S 21.1382, M 10 K 21.1381

Datum:
15.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 31813
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
AufenthG § 82 Abs. 4
VwZVG Art. 36 § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nummer 3 des Bescheids des Antragsgegners vom 1. März 2021 wird angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) abgelehnt.
II. Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe hinsichtlich seiner Rechtsverfolgung gegen Nummer 3 des Bescheids vom 1. März 2021 in den Verfahren M 10 K 21.1381 und M 10 S 21.1382 bewilligt. Insoweit wird ihm Rechtsanwalt … … … … … … beigeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe in den Verfahren M 10 K 21.1381 und M 10 S 21.1382 abgelehnt.
III. Die Kosten des Verfahrens hinsichtlich Nummer I haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die vom Antragsgegner verfügte Verpflichtung zur Vorsprache bei der senegalesischen Auslandsvertretung sowie die Androhung der ggf. zwangsweisen Vorführung zu einem weiteren Vorsprachetermin. Gleichzeitig wird für das Klagesowie das Eilverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt.
Der Antragsteller reiste im Februar 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und gab insbesondere im Asylverfahren zunächst an, senegalesischer Staatsangehöriger zu sein. Sein Asylantrag wurde mit zwischenzeitlich bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 10. Februar 2017 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Im Rahmen der gegen diesen Bescheid betriebenen gerichtlichen Verfahren beim Verwaltungsgericht München (M 10 K 17.33165 und M 10 S 17.33167) behauptete der Antragsteller erstmals, Staatsangehöriger von Guinea-Bissau zu sein.
Der Antragsteller wurde seitens der Ausländerbehörde mehrfach erfolglos zur Passbeschaffung aufgefordert und über seine diesbezüglichen Mitwirkungspflichten belehrt.
Mit Bescheid des Antragsgegners vom 1. März 2021, zugestellt ausweislich der Postzustellungsurkunde am 4. März 2021, wurde der Antragsteller verpflichtet, am 11. März 2021 um 9:00 Uhr zum Zweck der Ausstellung eines Passes, Passersatzes oder eines anderen gültigen Reisedokuments, das ihn zur Rückkehr in sein Heimatland berechtige, nachweislich zu einer persönlichen Anhörung durch ermächtigte Bedienstete der Republik Senegal in dem Dienstgebäude der Zentralen Ausländerbehörde … in … vorzusprechen und bei diesem Termin ein entsprechendes Reisedokument zu beantragen (Nummer 1). Ferner wurde der Antragsteller verpflichtet, das ihm ausgestellte Reisedokument unverzüglich, spätestens jedoch drei Tage nach Erhalt dem Antragsgegner zu übergeben (Nummer 2). Für den Fall, dass der Antragsteller der Verpflichtung unter Nummer 1 des Bescheids (Vorsprache am 11.3.2021 um 9:00 Uhr) nicht nachkomme, wurde ihm die zwangsweise Vorführung bei der Botschaft der Republik Senegal in Berlin oder, sollte die Botschaft oder ermächtigte Bedienstete der Republik Senegal in Bayern oder in einem anderen Bundesland entsprechende Anhörungstermine abhalten, am Ort des Anhörungstermins statt am Sitz der Landesvertretung zu einem anderen Termin angedroht (Nummer 3). In Nummer 4 des Bescheids wurde ferner die sofortige Vollziehung der Nummern 1 und 2 angeordnet. Auf die Gründe des Bescheids wird Bezug genommen.
Der Antragsteller hat mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten am 11. März 2021 Klage zum Verwaltungsgericht München gegen diesen Bescheid sowie auf Verpflichtung des Antragsgegners, dem Antragsteller bei einer erneuten Anhörung zu gestatten, an dieser in Begleitung eines Rechtsbeistandes teilzunehmen, erhoben (M 10 K 21.1381). Gleichzeitig beantragt er nach § 80 Abs. 5 VwGO:
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird angeordnet.
Zudem wird sinngemäß beantragt,
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten bewilligt.
Zur Begründung wird vorgetragen, der Bescheid des Antragsgegners vom 1. März 2021 sei rechtswidrig. Der Antragsteller sei am 11. März 2021 in Begleitung des Bevollmächtigten zu dem im verfahrensgegenständlichen Bescheid angesetzten Anhörungstermin erschienen. Dem Bevollmächtigten des Antragstellers sei durch Herrn Dr. …, einen Vertreter des Bundesamts, ohne Begründung die Teilnahme an der Anhörung verweigert worden. Daraufhin habe der Bevollmächtigte erklärt, dass der Antragsteller ohne seinen Rechtsanwalt nicht an der Anhörung teilnehmen werde, und sei gegangen, ohne dass eine Anhörung stattgefunden habe. Dies stelle eine Verletzung der anwaltlichen Vertretungsrechte gemäß § 14 Abs. 1, Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG), § 3 Abs. 3 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und damit einen schwerwiegenden Eingriff in die Verfahrensrechte des Antragstellers dar. Darüber hinaus sei der Antragsteller nicht Staatsangehöriger der Republik Senegal, sondern nachweislich Staatsangehöriger von Guinea-Bissau. Hierzu werde eine Geburtsurkunde sowie ein Geburtsregisterauszug aus Guinea-Bissau vorgelegt; nach diesen sei der Antragsteller am … Februar 1997 in Guinea-Bissau geboren. Da der gesamte Bescheid auf die Beschaffung eines senegalesischen Reisedokuments abziele, der Antragsteller nachweislich aber nicht Staatsangehöriger von Senegal sei, sei der Bescheid rechtswidrig.
Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 1. April 2021:
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung des Antrags wird im Wesentlichen vorgetragen, insbesondere die Auswahl des Landes Senegal bezüglich der Vorspracheverpflichtung sei ermessensgerecht. Die guinea-bissauische Staatsangehörigkeit des Antragstellers sei bisher nicht nachgewiesen; jedenfalls würde eine solche die senegalesische Staatsangehörigkeit nicht ausschließen. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids werde auch nicht durch die fehlende Möglichkeit des Antragstellers berührt, während der Anhörung einen anwaltlichen Beistand hinzuziehen zu können. Der angegriffene Bescheid verbiete dies nicht. Es gehe hier letztlich um die Ausgestaltung des Vollzugs der Anordnung in Nummer 1 des Bescheids. Im Übrigen sei die Teilnahme an der Anhörung durch einen Vertreter des Bundesamts verweigert worden.
In der Klageerwiderung vom 8. April 2021 wird ergänzend vorgetragen, dass die Verpflichtungsklage auf Gestattung der Teilnahme eines Rechtsanwalts bei einem weiteren Anhörungstermin bereits unzulässig sei, da sie sich gegen den falschen Gegner im Sinne des § 78 Abs. 1 VwGO richte. Der streitgegenständliche Bescheid verbiete zum einen die Begleitung durch einen Rechtsbeistand nicht. Zum anderen habe ein Vertreter des Bundesamts und damit einer Bundesbehörde gehandelt. Diese Handlung könne dem Antragsgegner nicht zugerechnet werden. Der Antragsgegner könne daher den begehrten Verwaltungsakt nicht erlassen. Jedenfalls sei diese Klage unbegründet, da ein Anspruch auf Gestattung der Begleitung durch einen Rechtsbeistand bei einem Anhörungstermin nicht bestehe.
Mit Schriftsätzen vom 27. April 2021 und 1. Juni 2021 vertieft und ergänzt der Bevollmächtigte des Antragstellers seine Ausführungen zur Staatsangehörigkeit des Antragstellers, zur Anwendbarkeit von § 14 Abs. 1, Abs. 4 VwVfG, § 3 Abs. 3 BRAO sowie zur Verantwortlichkeit des Antragsgegners, die Teilnahme eines Rechtsanwalts bei Anhörungen zu gewährleisten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren M 10 K 21.1381 und M 10 S 21.1382 sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
1. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist teilweise erfolgreich.
a) Soweit der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nummer 3 des angefochtenen Bescheids vom 1. März 2021 gerichtet ist, hat er Erfolg. Insoweit ist er zulässig und begründet.
aa) Im Hinblick auf die in Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheids angedrohte zwangsweise Vorführung nach § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ist der gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) zulässig. Da sich die Androhung der zwangsweisen Vorführung auf der Grundlage des § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nach dem bayerischen Verwaltungsvollstreckungsrecht richtet (vgl. Samel in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, § 82 AufenthG Rn. 15), haben Rechtsbehelfe gegen derartige Maßnahmen nach Art. 21a Satz 1 VwZVG keine aufschiebende Wirkung.
bb) Der insoweit zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist auch begründet, da nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids überwiegt.
Im Verfahren gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO trifft das Gericht eine eigenständige Ermessensentscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Hierbei hat es abzuwägen zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes. Dabei sind insbesondere die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Eilverfahren gebotene, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass die Klage voraussichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Sofern die Klage jedoch nach summarischer Prüfung erfolgreich sein wird, tritt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung zurück.
So liegt der Fall hier; nach summarischer Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache wird die zulässige Klage gegen Nummer 3 des angefochtenen Bescheids in der Sache voraussichtlich erfolgreich sein. Nummer 3 des Bescheids vom 1. März 2021 ist nach Aktenlage rechtswidrig und verletzt den Antragsteller daher in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Androhung der zwangsweisen Vorführung in Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheids, die auf § 82 Abs. 4 Satz 2 AufenthG gestützt ist, ist nach kursorischer Prüfung rechtswidrig, da sie nicht hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG ist.
Nach Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG muss ein bestimmtes Zwangsmittel angedroht werden.
Dem genügt Nummer 3 des angegriffenen Bescheids jedoch nicht.
Nach Nummer 3 des Bescheids wird „für den Fall, dass [der Antragsteller] der Verpflichtung unter Nummer 1 [des] Bescheids (Vorsprache am 11.3.2021 um 9:00 Uhr) nicht nachkomm[t],“ die zwangsweise Vorführung bei der Botschaft der Republik Senegal in Berlin zu einem anderen Termin angedroht.
In Nummer 1 des Bescheids sind jedoch nach seinem Wortlaut zwei Verpflichtungen enthalten, zum einen die Vorsprache und zum anderen die Beantragung eines Reisedokuments bei dem konkreten Termin. Möglicherweise ließe sich die Verpflichtung zur Vorsprache nach ihrem Sinn und Zweck auch noch aufgliedern in das persönliche Erscheinen sowie das Machen von Angaben; dann ergäben sich aus Nummer 1 insgesamt drei Verpflichtungen. Jedenfalls beruhen diese Verpflichtungen auf unterschiedlichen Rechtsgrundlagen. Die Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen fußt auf § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, diejenige zum Angabenmachen und zur Beantragung von Reisedokumenten auf § 49 Abs. 2 AufenthG.
Da die Androhung in Nummer 3 des Bescheids allerdings nur auf eine Verpflichtung, nämlich die Vorsprache, rekurriert, ist aus ihr nicht klar, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die zwangsweise Vorführung auch erfüllt sind, wenn der Antragsteller zwar vorspricht, aber die Reisedokumente nicht beantragt. Die Androhung regelt nicht klar, welche Folgen eine Teilerfüllung der Pflichten aus Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids hat.
b) Im Hinblick auf Nummern 1 und 2 des Bescheids vom 1. März 2021 ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erfolglos. Insoweit ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO bereits unzulässig, da er nicht statthaft ist.
aa) Was die Verpflichtung zur Vorsprache bei der senegalesischen Delegation (Nummer 1 des streitgegenständlichen Bescheids), deren sofortige Vollziehung in Nummer 4 des Bescheids angeordnet worden ist, angeht, ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nicht statthaft.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist insbesondere nur statthaft, wenn ein belastender Verwaltungsakt vorliegt, der bekannt gegeben worden ist, nicht unanfechtbar und nicht erledigt ist (vgl. Gersdorf in Posser/Wolff, BeckOK VwGO, 58. Ed. 1.7.2021, § 80 Rn. 147).
Im vorliegenden Fall liegen diese Voraussetzungen nicht vor, da sich die Verpflichtung in Nummer 1, am 11. März 2021 um 9:00 Uhr bei der senegalesischen Delegation vorzusprechen und Reisedokumente zu beantragen, bei Klageerhebung und Antragstellung am 11. März 2021 um 13:19 Uhr infolge Zeitablaufs bereits erledigt hatte. Durch Nummer 1 des angefochtenen Bescheids wurde dem Antragsteller konkret aufgegeben, wann er vorzusprechen hatte, da nur zu diesem Zeitpunkt die Anwesenheit der Vertreter der senegalesischen Delegation sowie deren Verfügbarkeit für den Antragsteller gewährleistet war. Zeitlich nach diesem konkret vorgegebenen Termin wäre eine Vorsprache bei den Vertretern der senegalesischen Delegation tatsächlich oder aus organisatorischen Gründen nicht mehr möglich gewesen, da sich die Entsandten eines anderen Landes zu Anhörungszwecken immer nur wenige Tage an einem bestimmten Ort aufhalten und zahlreiche Anhörungen nacheinander abhalten (vgl. zur Erledigung in diesem Kontext: BayVGH, B.v. 12.3.2007 – 24 CS 06.3176 – BeckRS 2007, 29395; aA: OVG Münster, B.v. 28.11.2006 – 19 B 1789/06 – BeckRS 2006, 27639; BayVGH, U.v. 11.7.2000 – 10 B 99.3200 – NVwZ-Beil. 2001, 4 aber nur für den Fall, dass der Ausländer per Bescheid verpflichtet wurde, bis zu einem bestimmten Datum bei der Botschaft vorzusprechen).
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wäre auch nicht statthaft, wenn in der Hauptsache anstatt einer Anfechtungsklage eine Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog erhoben worden wäre. Denn nach Erledigung des Verwaltungsakts kann ein Eilverfahren in Gestalt eines Fortsetzungsfeststellungsbegehrens eine Sicherungsfunktion im Hinblick auf das Hauptsacheverfahren nicht mehr erfüllen (Gersdorf, a.a.O., § 80 Rn. 161).
bb) Auch im Hinblick auf Nummer 2 des angegriffenen Bescheids, deren sofortige Vollziehung ebenso in Nummer 4 des Bescheids angeordnet worden ist, ist der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nicht statthaft, da sich die Verpflichtung in Nummer 2 (nach Klageerhebung) durch Zeitablauf erledigt hat. Denn die Verpflichtung in Nummer 2 knüpft nach ihrem Wortlaut (Übergabe des ausgestellten Reisedokuments) sowie ihrer systematischen Stellung im Bescheid eindeutig an die erledigte Anordnung in Nummer 1 an, wonach ein Reisedokument zu beantragen ist.
2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nur im Hinblick auf die Klage gegen Nummer 3 des angegriffenen Bescheids erfolgreich, im Übrigen bleibt er ohne Erfolg.
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. Zivilprozessordnung erhält auf Antrag diejenige Partei Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Prozesskostenhilfe ist vorliegend zu bewilligen, soweit die Anfechtungsklage gegen Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheids nach vorläufiger Prüfung zulässig und begründet ist (siehe hierzu bereits oben).
Im Übrigen ist Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen. Gegen Nummern 1 und 2 des angefochtenen Bescheids ist die Anfechtungsklage bereits unzulässig. Da sich diese Verpflichtungen des Bescheids infolge Zeitablaufs erledigt haben (siehe hierzu bereits oben), besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtungsklage mehr.
Soweit mit der Klageschrift neben der Aufhebung des Bescheids vom 1. März 2021 die Verpflichtung des Antragsgegners, bei einer erneuten Anhörung dem Antragsteller die Begleitung durch einen Rechtsbeistand zu gestatten, verbunden ist, hat diese Klage nach vorläufiger Bewertung keinen Erfolg, da ein derartiger Anspruch auf Gestattung gegenüber dem Antragsgegner nicht bestehen dürfte.
Nach dem streitgegenständlichen Bescheid werden die Anhörungstermine durch die jeweilige Delegation grundsätzlich in Zusammenarbeit mit dem Bundespolizeipräsidium und dem Landesamt für Asyl und Rückführungen durchgeführt, wobei die Beamten der Bundespolizei sowie die Mitarbeiter des Landesamts für Asyl und Rückführungen die Vorsprache organisatorisch begleiten. Die jeweilige Ausländerbehörde hingegen kann nach § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG lediglich das persönliche Erscheinen zu einem solchen Anhörungstermin vor einer Delegation eines anderen Staates anordnen, ist jedoch für die Durchführung eines solchen Anhörungstermins nicht verantwortlich. Hieraus folgt auch, dass die Ausländerbehörde keine Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Durchführung des Termins und damit hinsichtlich der Teilnahme eines Rechtsbeistandes hat.
Im Übrigen ist im konkreten Fall dem Antragsteller die Teilnahme eines Rechtsbeistandes durch den Antragsgegner bisher nicht verwehrt worden; der streitgegenständliche Bescheid verhält sich zu dieser Frage nicht. Vorliegend hat ein ebenso anwesender Vertreter des Bundesamts und damit einer Bundesbehörde die Teilnahme des Bevollmächtigten am Termin verweigert; gegen diese Handlung wäre Rechtsschutz zu suchen (gewesen). In diesem Zusammenhang weist das Gericht darauf hin, dass nach deutschem Rechtsverständnis ein Vertreter des Bundesamts als Handelnder einer deutschen Behörde die Teilnahme eines Rechtsanwalts am Anhörungstermin wohl nicht verweigern darf. Etwas Anderes mag für die Vertreter der ausländischen Delegation gelten (vgl. hierzu: VG Berlin, U.v. 23.3.2012 – VG 15 K 279.11 – BeckRS 2012, 50161; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 15.6.2006 – OVG 8 S 39.06 – juris Rn. 10 ff. zur Anhörung durch eine vietnamesische Delegation, die die Anhörung ohne Rechtsbeistand durchzuführen wünscht).
Die Entscheidung über die Prozesskostenhilfe ergeht kostenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.
3. Die Kostenentscheidung in Ziffer III folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung in Ziffer IV ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 und 1.7.2 Streitwertkatalog 2013.


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