Verwaltungsrecht

Eilrechtsschutz nach Einreiseverweigerung

Aktenzeichen  M 24 S 15.5285

Datum:
19.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG AufenthG § 15
AsylG AsylG § 55
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, § 123

 

Leitsatz

Wird einem Ausländer an der Grenze die Einreise in das Bundesgebiet nach § 15 Abs. 1 AufenthG verweigert, kann er die Einreise im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes nur durch eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO erlangen. Ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 VwGO ist unstatthaft. (red. LS Clemens Kurzidem)
Einem Antrag nach § 123 VwGO auf vorläufige Gestattung der Einreise ins Bundesgebiet fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Einreise ins Bundesgebiet bereits erfolgt ist. (red. LS Clemens Kurzidem)
Die Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG regelt den Status des Asylbewerbers nach der Einreise ins Bundesgebiet und ist ggf. gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gerichtlich zu erstreiten. Demgegenüber richtet sich verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz gegen die Einreiseverweigerung durch die Bundespolizei. (red. LS Clemens Kurzidem)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Gegenstand des Verfahrens ist eine von der Antragsgegnerin verfügte Einreiseverweigerung zulasten des Antragstellers.
Der Antragsteller ist nach seinen Angaben libanesischer Staatsangehöriger und versuchte am … November 2015 um 23:00 Uhr an der Grenzübergangsstelle … … in … zu Fuß aus … kommend in die Bundesrepublik Deutschland einzureisen. Mit Bescheid vom gleichen Tage verfügte die Antragsgegnerin die streitgegenständliche Einreiseverweigerung gem. § 15 Abs. 1 AufenthG i. V. m. Art. 13 Abs. 1 SGK i. V. m. Art. 5 Abs. 1 lit.b SGK, da der Antragsteller nicht über ein gültiges Visum oder einen gültigen Aufenthaltstitel verfüge. Der Antragsteller wurde am nächsten Morgen den … Behörden übergeben.
Gegen die Einreiseverweigerung legte der damalige Bevollmächtigte des Antragstellers am … November 2015 Widerspruch ein, und wandte sich mit Schriftsatz vom gleichen Tage, eingegangen am … November 2015, im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an das Verwaltungsgericht … mit dem Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und einer eventuell nachfolgenden Anfechtungsklage gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 3., November 2015 wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde geltend gemacht, der Antragsteller habe beabsichtigt, in der Bundesrepublik Deutschland Asyl zu beantragen und habe dies gegenüber dem diensttuenden Grenzkontrollbeamten auch geäußert. Gleichwohl sei ihm die Einreise verweigert worden. Der vorläufige Rechtsschutz sei erforderlich, da der Antragsteller andernfalls nicht nach Deutschland einreisen könne, um dort ein Asylverfahren durchzuführen.
Mit Schriftsatz vom … Dezember 2015 legte die Antragsgegnerin die Verwaltungsakte vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, der Antragsteller habe bei der Bundespolizei nicht um Asyl nachgesucht, als er am … November 2015 einreisen wollte. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei bereits unzulässig, da er keine ladungsfähige Anschrift des Antragstellers enthalte und es am Rechtsschutzbedürfnis fehle, da mit der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung die begehrte Einreise nicht erreicht werden könne. Selbst bei gerichtlicher Anordnung liefe ein solcher Antrag ins Leere, weil damit keine Rechtslage geschaffen werde, die zur Einreise berechtige, da es an einem dafür erforderlichen Aufenthaltstitel fehle (§ 4 Abs. 1 AufenthG). Die Einreiseverweigerung habe sich nicht erledigt, da ihre Regelungswirkung nicht entfallen sei und an ihren Bestand belastende Rechtsfolgen anknüpften (hier: Pflicht, die entstandenen Dolmetscherkosten zu tragen).
Auf Nachfrage des Gerichts teilte der nunmehrige Bevollmächtigte des Antragstellers mit Schriftsatz vom … März 2016 dessen derzeitige ladungsfähige Anschrift in … mit und legte zum Nachweis eine auf den Antragsteller und dessen Ehegattin lautende Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender des … … vor. Auf entsprechenden richterlichen Hinweis erklärte er außerdem, das Eilverfahren habe sich durch die Einreise nicht erledigt, da dem Antragsteller zwar die Meldung als Asylsuchender bescheinigt worden sei, es aber nach wie vor an der Ausstellung und Aushändigung einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG fehle, die dokumentiere, dass sich jede aufenthaltsbeendende Verfügung erledigt habe.
Mit Beschluss vom 18. April 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung unzulässig und hat daher keinen Erfolg.
1. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. § 80 Abs. 5 VwGO ist im vorliegenden Fall nicht statthaft, da er dem durch Auslegung des Antrags (§ 88 VwGO) zu ermittelnden Rechtsschutzziel des Antragstellers nicht gerecht wird. Der Antrag soll ausweislich seiner Begründung (Schriftsatz vom 23. November 2015) dem Zweck dienen, dem Antragsteller die Einreise zu ermöglichen, damit er in der Bundesrepublik Deutschland ein Asylverfahren durchführen kann. Dieses Rechtsschutzziel ist in der Hauptsache mit einer Anfechtungsklage nicht zu erreichen, da mit der bloßen Aufhebung der Einreiseverweigerung noch keine Einreise ermöglicht wird. Vielmehr wäre, um dem Einreisebegehren Rechnung zu tragen in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage auf Gestattung der Einreise zu erheben. Damit korrespondierend ist der einstweilige Rechtsschutz in Form eines Antrags nach § 123 VwGO auf vorläufige Gestattung der Einreise zu erlangen und nicht im Wege des § 80 Abs. 5 VwGO (so auch: Winkelmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Auflage 2016, § 15 AufenthG Rn. 69; Fränkel in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Auflage 2016, § 15 Rn. 30; Dollinger in Kluth/Heusch, BeckOK, AufenthG § 15 Rn. 6; VG München, B.v. 2.7.2013 – M 24 E 13.2258 -).
2. Auch eine im Rahmen von § 88 VwGO mögliche Umdeutung in einen Antrag nach § 123 VwGO auf vorläufige Gestattung der Einreise ist im vorliegenden Fall nicht zielführend, da im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die begehrte Einreise bereits erfolgt ist und mithin das Rechtsschutzbedürfnis für einen solchen Antrag mit der gelungenen Einreise entfallen ist.
3. Soweit der Bevollmächtigte darauf hinweist, dass der Antragsteller zwar in Besitz einer Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender, aber noch nicht im Besitz einer Aufenthaltsgestattung nach § 55 Asylgesetz (AsylG) sei, hat dies keinen Einfluss auf das vorliegende Verfahren. Die Aufenthaltsgestattung betrifft den Aufenthaltsstatus nach erfolgter Einreise und damit einen anderen Streitgegenstand, der gegebenenfalls gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geltend gemacht werden kann. Sie ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, das sich gegen die Bundespolizei richtet und die Frage der Einreise in die Bundesrepublik betrifft.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben