Verwaltungsrecht

Einbehaltung von Dienstbezügen, Festsetzung der Einbehaltungsquote, Berücksichtigung des Einkommens der nichtehelichen Lebensgefährtin

Aktenzeichen  AN 13b DS 21.01769

Datum:
21.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 48096
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 39 Abs. 2 S. 1
BayDG Art. 61 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Aussetzung der mit Verfügung des Polizeipräsidiums … vom 11. Juni 2021 als Disziplinarbehörde angeordneten und mit Verfügung vom 14. September 2021 bestätigten teilweisen Einbehaltung von Dienstbezügen.
Der am … 1991 in … geborene Antragsteller steht als Polizeiobermeister im Dienst des Antragsgegners. Er war seit dem 1. September 2017 bis zum Ausspruch des Verbots der Dienstgeschäfte bei der Polizeiinspektion … tätig.
In der letzten periodischen Beurteilung im Jahr 2012 erhielt der Antragsteller das Gesamtprädikat von 7 Punkten zugesprochen.
Der Antragsteller bezieht Dienstbezüge aus der Besoldungsgruppe A 8. Eine Schwerbehinderung liegt nicht vor.
Mit Schreiben an den Antragsteller vom 23. April 2020 leitete das Polizeipräsidium … gegen den Antragsteller ein Disziplinarverfahren ein. Zur Begründung wurde dargelegt, der Antragsteller habe mehrfach seine dienstlichen Pflichten bei dienstlichen Einsätzen in der ANKEREinrichtung … in … verletzt. Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 23. April 2020 Bezug genommen. In diesem Schreiben setzte das Polizeipräsidium …, das Disziplinarverfahren gemäß Art. 24 Abs. 3 Satz 1 BayDG bis zum rechtskräftigen Abschluss des Disziplinarverfahrens aus.
Die Staatsanwaltschaft … erhob mit Anklageschrift vom 16. November 2020 Anklage zum Amtsgericht … – Schöffengericht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anklageschrift Bezug genommen.
Das Polizeipräsidium … bestätigte gegenüber dem Polizeipräsidium … mit Schreiben vom 28. Dezember 2020 die Übernahme des Disziplinarverfahrens.
Das Polizeipräsidium … konkretisierte mit Schreiben an den Antragsteller vom 26. Februar 2021 die Vorwürfe und dehnte zudem das Disziplinarverfahren nach Art. 21 Abs. 1 BayDG aus. Gleichzeitig wurde der Antragsteller zu einer vorläufigen Dienstenthebung und zum beabsichtigten Teileinbehalt der Dienstbezüge angehört.
Der Antragstellervertreter legte mit Schriftsatz vom 11. Juni 2021 eine Übersicht über die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers vor. Dabei wurde die Summe der monatlichen Abzüge, Aufwendungen und Belastungen auf insgesamt 1.755,66 EUR beziffert.
Mit Verfügung des Polizeipräsidiums … vom 11. Juni 2021 wurde der Antragsteller vorläufig des Dienstes enthoben. Zudem wurde verfügt, dass 50 von Hundert der Dienstbezüge des Antragstellers sowie die jährliche Sonderzahlung einbehalten werden. In Bezug auf die Einbehaltung der Dienstbezüge wurde dargelegt, der Antragsteller habe gegen seine Mitwirkungspflichten verstoßen. Mache der mitwirkungspflichtige Beamte Ausgaben nicht geltend, sei deren Nichtberücksichtigung durch die Disziplinarbehörde nicht ermessensfehlerhaft.
Mit Schreiben des Polizeipräsidiums … vom 23. Juli 2021 wurde der Antragsteller erneut gebeten, auch Unterlagen in Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Lebensgefährtin vorzulegen.
Der Antragstellervertreter legte mit Schriftsatz vom 3. August 2021 gegenüber dem Polizeipräsidium … dar, eine Berücksichtigung der Einkünfte anderer Personen bei der Einbehaltung von Bezügen komme nur dann in Betracht, wenn diese gesetzliche Unterhaltspflichten gegenüber dem Beamten hätten. Dies sei bei einer Lebensgefährtin nicht der Fall, da die Zahlungsansprüche des Antragstellers auf dem Alimentationsprinzip beruhten, dessen Anknüpfungspunkte der formale familienrechtliche Status sei. Eine entsprechende Anwendung der sozialrechtlichen Regelungen, die Ausdruck des Subsidiaritätsprinzips seine, komme schon deshalb nicht in Betracht, da ansonsten informelle Lebensgemeinschaften auch hinsichtlich des Familienzuschlags zu berücksichtigen seien. Bereits aus dem Umstand, dass der Antragsteller und seine Lebensgefährtin das gemeinsam erworbene Grundstück hälftig finanzierten, belege, dass beide getrennt wirtschaften würden. Die Auffassung, dass Einkünfte dritter Personen für die Berechnung des Einbehaltungssatzes berücksichtigt werden könnten, werde weder in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung noch in der Literatur vertreten. Praktisch scheitere dies bereits am fehlenden Auskunftsanspruch des betroffenen Beamten.
Das Polizeipräsidium … forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 13.08.2021 erneut auf, Unterlagen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen seiner Lebensgefährtin vorzulegen.
Der Antragstellervertreter legte mit Schriftsatz vom 23. August 2021 gegenüber dem Polizeipräsidium … dar, eine Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Lebensgefährtin des Antragstellers erfolge nicht. Es werden nunmehr gebeten, zeitnah über den Abänderungsantrag in Bezug auf die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge zu entscheiden.
Mit Schriftsatz vom 15. September 2021 legte der Antragstellervertreter gegenüber dem Polizeipräsidium … dar, die amtsangemessene Alimentation des Antragstellers sei nicht gegeben. An den Erlass eines Abänderungsbescheides in Bezug auf die teilweise Einbehaltung der Dienstbezüge werde erinnert.
Das Polizeipräsidium … verfügte am 14. September 2021, dass weiterhin 50% der Dienstbezüge des Antragstellers einbehalten bleiben. Zur Begründung dieser Verfügung wurde auf eine Gegenüberstellung der monatlichen Einnahmen und Ausgaben des Antragstellers und seiner Lebensgefährtin Bezug genommen. Dabei kam das Polizeipräsidium … zu dem Ergebnis, dass der Bedarfsgemeinschaft – bestehend aus dem Antragsteller und seiner Lebensgefährtin – ein Gesamtnettoeinkommen von 4.657,61 EUR zur Verfügung stehe. Das monatliche Nettoeinkommen der Lebensgefährtin des Antragstellers werde auf ca. 2.000,00 EUR geschätzt. Die Ausgaben des Antragstellers seien mit 1.651,20 EUR, die der Lebensgefährtin des Antragstellers mit 396,07 EUR zu beziffern. Trotz des verfügten Einbehalts von 50% verblieben dem Antragsteller und seiner Lebensgefährtin nach Abzug der monatlichen Fixkosten noch ein Betrag in Höhe von 1.503,66 EUR. Dieser liege über den sozialrechtlichen Regelsätzen nach § 20 Abs. 4 SGB II. Die jährliche Sonderzahlung bleibe einbehalten. Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf die Begründung der Verfügung des Polizeipräsidiums … vom 14. September 2021 Bezug genommen.
Der Antragsteller ließ mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 28. September 2021 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach beantragen,
die Einbehaltung von Dienstbezügen auszusetzen.
Zur Begründung wurde dargelegt, im Wesentlichen stehe im Streit, ob hinsichtlich der Bemessung des Einbehaltungssatzes die Lebensgefährtin des Antragstellers, mit der dieser zusammenlebe, berücksichtigt werden könne. Nach der Rechtsprechung des OVG Sachsen in der Entscheidung vom 2. Dezember 2013 (D 6 B 147/12) sei die Berücksichtigung des Einkommens Dritter grundsätzlich ausgeschlossen, soweit diese Gelder nicht dem Beamten zugewendet würden. Das Alimentationsprinzip gehe grundsätzlich davon aus, dass der Beamte und seine Familie dem Dienstherrn als einheitliche Wirtschaftsgemeinschaft gegenüberträten und sich Ehegatten kraft Gesetzes zum Unterhalt verpflichtet seien. Somit sei die Einbeziehung von Ehegatteneinkommen grundsätzlich möglich. Diese Überlegungen ließen sich nicht auf nichtformalisierte Beziehungen übertragen. Der Antragsteller habe gegen seine Lebensgefährtin beispielsweise keine Unterhaltsansprüche. Auch würden keine familienbezogenen Leistungen gewährt. Da der Antragsteller eine Nebentätigkeit ausübe, seien mehr als 100,00 EUR für die Aufwendungen für Benzin zu berücksichtigen.
Der Antragsgegner beantragte
mit Schreiben vom 4. November 2021 die Ablehnung des Antrags.
Zur Begründung wurde insbesondere dargelegt, gemäß der Auskunft des zuständigen Einwohnermeldeamtes seien der Antragsteller und seine Lebensgefährtin … … seit dem 25. März 2019 im … …, … … gemeldet. Der Antragsteller bilde gemäß § 20 Abs. 4 SGB II mit seiner Lebensgefährtin eine Bedarfsgemeinschaft. Gemäß § 20 Aba. 4 SGB II sei bei zwei Partnern der Bedarfsgemeinschaft, die das 18. Lebensjahr vollendet hätten, für jede dieser Personen monatlich ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anzuerkennen. Als Partner seien dabei gemäß § 7 Abs. 3 SGB II Ehegatten, eingetragene Lebenspartnerschaften und Einstands- und Verantwortungsgemeinschaften anzusehen. Unter einer Verantwortungsgemeinschaft verstehe man dabei gemäß § 7 Abs. 3c SGB II Personen, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebten, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen sei, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Gemäß § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II werde ein wechselseitiger Wille, füreinander Verantwortung zu tragen dann angenommen, wenn die Partner mehr als ein Jahr zusammenlebten. Dies sei vorliegend der Fall. Damit sei der Regelbedarf von Frau … in die Berechnung einzubeziehen und in der Schlussfolgerung auch ihre Einnahmen und Ausgaben. Da der Antragsteller die wirtschaftlichen Verhältnisse von Frau … nicht mitgeteilt habe, habe der Antragsgegner großzügig geschätzt und ein durchschnittliches Nettoeinkommen von monatlich 2.000,00 EUR zugrunde gelegt. Soweit der Antragsteller die veranschlagten Kosten für Benzin in Höhe von 100,00 EUR monatlich moniere, weise der Antragsgegner darauf hin, dass der Antragsteller gegenüber seiner Kfz-Versicherung mitgeteilt habe, dass die jährliche Fahrleistung höchstens 9.000 Kilometer betrage.
Laut telefonischer Mitteilung des Polizeipräsidiums … vom 20. Dezember 2021 an das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach wurde der Antragsteller durch Urteil des Amtsgerichts … – Schöffengericht – vom 16. Dezember 2021 zu einer Freiheitstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt.
Wegen übrigen Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgelegte Disziplinakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet und hat somit keinen Erfolg.
Gemäß Art. 43 Abs. 2 BayDG in Verbindung mit § 5 Abs. 3 Satz 2 VwGO entscheidet der Vorsitzende der Disziplinarkammer über den vorliegenden Antrag gemäß Art. 61 Abs. 1 BayDG; die Beamtenbeisitzer (Art. 43 Abs. 1 Satz 1, Art. 44 ff. BayDG) wirken nicht mit, weil es sich vorliegend um einen Beschluss außerhalb der mündlichen Verhandlung handelt. Art. 61 Abs. 3 BayDG ist zu entnehmen, dass Entscheidungen über Anträge nach Art. 61 Abs. 1 BayDG durch Beschluss ergehen.
Gemäß Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayDG kann die Disziplinarbehörde gleichzeitig mit der vorläufigen Dienstenthebung anordnen, dass bis zu 50% der monatlichen Dienstbezüge einbehalten werden. Die Einbehaltung von Bezügen ist auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen (Art. 61 Abs. 2 BayDG). Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift sind dann anzunehmen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts offen ist, ob die von der Behörde getroffene Anordnung rechtmäßig oder rechtswidrig ist (BayVGH, B.v. 11.12.2013 – 16a DS 13.706, juris Rn. 18; B.v. 20.7.2012 – 16a DS 10.2569, juris Rn. 36 ff; B.v. 11.4.2012 – 16b DC 11.985, juris Rn. 24; B.v. 3.11.2010 – 16a DS 10.1010, juris Rn. 6; Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Rn. 6 zu Art. 61 BayDG).
Im Hinblick auf die Voraussetzungen des Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayDG ist in einem Verfahren, dass sich – wie hier – nur auf die Aussetzung der Einbehaltung der Dienstbezüge bezieht, zu prüfen, ob eine wirksame vorläufige Dienstenthebung besteht und das in Bezug auf die Einbehaltung der Dienstbezüge der Disziplinarbehörde eingeräumte Ermessen pflichtgemäß ausgeübt wurde. Die Frage, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der vorläufigen Dienstenthebung bestehen, braucht somit vorliegend nicht beantwortet zu werden (BayVGH, B. 3.3.2010 – 16a D 10.146 – juris Rn. 12).
1. Eine wirksame vorläufige Dienstenthebung ist vorliegend gegeben. Die vorläufige Dienstenthebung wurde durch den Antragsgegner am 11. Juni 2021 verfügt und per Telefax am 28. Juni 2021 an den Antragstellervertreter zugestellt. Da das Urteil des Amtsgerichts … – Schöffengericht – vom 16. Dezember 2021 noch nicht rechtskräftig ist, ist das Beamtenverhältnis des Antragstellers zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung trotz der Verurteilung des Antragstellers zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten nicht gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG durch den Verlust der Beamtenrechte beendet. Somit unterliegt der Antragsteller nach Art. 1 Abs. 1 BayDG weiterhin dem persönlichen Geltungsbereich des Bayerischen Disziplinargesetzes. Folglich führt das Urteil des Amtsgerichts … – Schöffengericht – zumindest gegenwärtig nicht zur einer Unwirksamkeit der vorläufigen Dienstenthebung.
2. Der Antragsgegner hat auch das in Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayDG eröffnete Ermessen, ohne dass insoweit Ermessensfehler erkennbar wären, ausgeübt. Die durch die Disziplinarbehörde zu treffende Ermessensentscheidung kann aufgrund der Vorgabe des § 114 Satz 1 VwGO nur im Hinblick auf das Vorliegen von möglichen Ermessensfehlern überprüft werden, wobei maßgeblich die Begründung der streitgegenständlichen Verfügung in den Blick zu nehmen ist, da anderenfalls für das Gericht nicht erkennbar wird, von welchen Tatsachen die Behörde ausgegangen ist. Die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge hat sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie am Grundsatz der angemessenen Alimentation eines Beamten und der Fürsorge ihm gegenüber zu orientieren. Bei der Festsetzung der Einbehaltungsquote muss die Einleitungsbehörde von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beamten ausgehen, wie ihr diese aufgrund von ihr anzustellenden Ermittlungen unter Mitwirkung des Beamten im Zeitpunkt der Einbehaltungsanordnung bekannt sind. Sie muss die konkreten Umstände des Einzelfalles berücksichtigen, unter denen der Beamte seinen Haushalt zu führen und seine Einnahmen in Form der ihm zustehenden Dienstbezüge aufzuteilen hat. Bei der notwendigen Gesamtbetrachtung sind die laufenden Einkünfte der Familie – einschließlich des Einkommens des Ehegatten – dem Gesamtbedarf der Familie gegenüberzustellen. Die Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge hat sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und der angemessenen Alimentation zu orientieren. Wenn der Beamte sich auch eine gewisse Einschränkung seiner Lebenshaltung als Folge der vorläufigen Dienstenthebung gefallen lassen muss, darf die Einbehaltung wegen ihres vorläufigen Charakters nicht zu existenzgefährdenden wirtschaftlichen Beeinträchtigungen oder nicht wiedergutzumachenden Nachteilen führen. Der Beamte muss auch nach der Einbehaltung in der Lage sein, seinen notwendigen Lebensunterhalt zu bestreiten. Die Einleitungsbehörde verletzt ihre Alimentationspflicht und überschreitet deshalb die Grenze des ihr von Art. 39 Abs. 2 Satz 1 BayDG eingeräumten Ermessens jedenfalls dann, wenn der dem Beamten nach der Einbehaltungsanordnung für den Lebensunterhalt verbleibende Betrag nur dem Regelsatz der Grundsicherung für Arbeitssuchende entspricht oder keinen hinreichenden Abstand zu diesem wahrt. Die Frage, ob die gekürzten Dienstbezüge des Beamten einen hinreichenden Abstand zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau wahren, lässt sich nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur absoluten Untergrenze der Nettoalimentation dahingehend beantworten, dass die dem Beamten und seiner Familie nach der Einbehaltungsanordnung für den Lebensunterhalt verbleibenden Einkünfte einen Mindestabstand zum sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau von 15% aufweisen müssen (vgl. zu alldem: BayVGH, B.v. 2.7.2019 -16a DS 19.1040 – juris Rn 15 f. m.w.N. zur Rechtsprechung).
In Anwendung dieser allgemeinen Grundsätze hat der Antragsgegner das ihm bei der Festsetzung des Einbehaltungssatzes zustehende Ermessen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.
In Bezug auf die zwischen den Beteiligten maßgebliche Streitfrage, ob der Antragsgegner das Einkommen der Lebensgefährtin des Antragstellers in die Berechnung einstellen durfte, ist Folgendes auszuführen:
Grundsätzlich ist darauf abzustellen, welche Einkünfte nach der Einbehaltungsanordnung dem Beamten und seiner Familie für die Bestreitung ihres Lebensunterhalts verbleiben, sodass jedenfalls das Einkommen eines Ehegatten – worauf auch die Antragstellerseite zurecht hinweist – in die Berechnung einzustellen ist. Soweit der Antragsgegner diesen Grundsatz erweitert und unter Bezugnahme auf das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seiner Lebensgefährtin nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II das Einkommen der Lebensgefährtin des Antragstellers, mit der der Antragsteller seit 25. März 2019 in einer gemeinsamen Wohnung im … …, … … zusammenlebt, bei der Berechnung für berücksichtigungsfähig erachtet, ist dies nicht zu beanstanden (VG München, B.v. 3.5.2021 – 19L DA 21.1378). Dabei ist dem Antraggegner zuzugeben, dass nur bei einer derartigen Betrachtungsweise sichergestellt wird, dass eine Vergleichbarkeit des nach der Einbehaltungsverfügung verbleibenden Einkommens mit dem sozialrechtlichen Grundsicherungsniveau möglich ist, da das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft den Grund und die Höhe der sozialrechtlichen Ansprüche und damit das sozialrechtliche Grundsicherungsniveau maßgeblich beeinflusst. Vor diesem Hintergrund verfängt der von der Antragstellerseite angeführte formalistische Ansatz, wonach das Beamtenrecht bei der Gewährung familienbezogener Leistungen beispielsweise im Sinne des Art. 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBesG an eine Ehe oder eine Lebenspartnerschaft anknüpft, nicht. Soweit die Antragstellerseite auf die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2013 (D 6 B 147/12 – juris Rn. 10) verweist, wonach das Einkommen Dritter nicht anzurechnen sei, ist darauf hinzuweisen, dass das Sächsische Oberverwaltungsgericht insoweit eine Ausnahme zulässt, wonach Leistungen Dritter dann berücksichtigungsfähig sind, wenn der Dritte dem Beamten etwas zuwendet. Vorliegend ist davon auszugehen, dass derartige Zuwendungen von Seiten der Lebensgefährtin des Antragstellers als Ausgleich dafür erfolgen, dass der Antragsteller die Aufwendungen für die gemeinsam bewohnte Mietwohnung nach seinen Angaben allein trägt. Dass der Antragsgegner das Einkommen der Lebensgefährtin des Antragstellers geschätzt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden, da der Antragsteller insoweit seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen ist (BayVGH, B.v. 24.1.2013 – 16a DS 12.2337 – juris Rn. 20).
Der Bedarfsgemeinschaft verbleibt nach Abzug aller Ausgaben, selbst wenn man von den von der Antragstellerseite darlegten Ausgaben in Höhe von 1.755,66 EUR und nicht von den von dem Antragsgegner in Ansatz gebrachten Ausgaben in Höhe von 1.651,20 EUR ausgeht, ein Betrag, der deutlich über den sozialrechtlichen Regelsätzen nach § 20 Abs. 4 SGB II liegt.
Im Übrigen ist die Disziplinarbehörde von Amts wegen zu fortlaufender Prüfung verpflichtet, ob sich die Umstände geändert haben, die für die Einbehaltung dem Grunde oder der Höhe nach von Bedeutung sind, und sie ist gegebenenfalls berechtigt oder gar verpflichtet, eine ursprüngliche getroffene Anordnung zu ändern (BayVGH, B.v. 2.7.2019 – 16a DS 19.1040 – juris Rn. 15). Im Fall höherer oder unvorhersehbarer Ausgaben könnte der Antragsteller diese somit gegenüber der Disziplinarbehörde geltend machen, die daraufhin eine Neuberechnung des Einbehaltungssatzes vorzunehmen hat.
Der Antrag war demnach abzulehnen.
3. Die Kosten trägt gemäß Art. 72 Abs. 4 BayDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO der Antragsteller. Das Verfahren ist gemäß Art. 73 Abs. 1 Satz 1 BayDG gerichtsgebührenfrei.


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