Verwaltungsrecht

Eine Rechtsbehelfsbelehrung wird durch die Formulierung, dass die Klage „in deutscher Sprache abgefasst sein“ muss, nicht unrichtig

Aktenzeichen  13a ZB 18.31520

Datum:
5.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13771
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 74 Abs. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4
VwGO § 58 Abs. 2 S. 1, § 138 Nr. 3, Nr. 6
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Es ist durch die Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG BeckRS 2018, 23637 und BeckRS 2019, 4554) höchstrichterlich geklärt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung durch die Formulierung, dass die Klage „in deutscher Sprache abgefasst sein“ muss, nicht unrichtig iSd § 58 Abs. 2 S. 1 VwGO ist. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 8 K 17.35700 2018-04-30 Ent VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. April 2018 bleibt ohne Erfolg. Zulassungsgründe nach § 78 Abs. 3 AsylG sind nicht gegeben.
Der Kläger hat seinen Zulassungsantrag erstens damit begründet, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG). Im Berufungsverfahren werde die Frage einer Klärung zuzuführen sein, „ob eine Rechtsbehelfsbelehrung:aufgrund der Formulierung, dass die Klage ‚in deutscher Sprache abgefasst sein‘ muss, unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 Satz 1 Hs. 1 VwGO ist.“ Das Verwaltungsgericht stelle fest, dass die Klage unzulässig sei, da sie nicht innerhalb der Zweiwochenfrist nach § 74 Abs. 1 AsylG erhoben worden sei. Diese Frage sei klärungsfähig und klärungsbedürftig. Sie werde von Verwaltungsgerichten unterschiedlich behandelt und bedürfe daher einer höchstrichterlichen Klärung. Finde sich in einer Rechtsbehelfsbelehrung:der Passus, dass die Klage „in deutscher Sprache abgefasst sein“ müsse, so stelle dies eine Unrichtigkeit im Sinne von § 58 Abs. 2 VwGO dar. Mit dieser Formulierung sei die Rechtsbehelfsbelehrung:geeignet, bei dem Betroffenen den im Widerspruch zum Gesetz stehenden Eindruck zu erwecken, dass die Klage schriftlich eingereicht werden müsse und dass der Betroffene selbst für die Schriftform zu sorgen habe (VGH BW, U. v. 18.4.2017 – A 9 S 333/17 – juris). Die Frage sei auch entscheidungserheblich, da die Klage aus diesem Grund als unzulässig abgelehnt worden sei.
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124 Rn. 36). Die Grundsatzfrage muss nach Maßgabe des Verwaltungsgerichtsurteils rechtlich aufgearbeitet sein. Dies erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2019 – 13a ZB 19.30070 – juris Rn. 5; B.v. 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 – juris Rn. 4; B.v. 13.8.2013 – 13a ZB 12.30470 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Hiervon ausgehend hat der Kläger nicht dargetan, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Der Zulassungsantrag genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG. Er setzt sich nicht ansatzweise mit den ausführlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinander, dass und warum die Rechtsbehelfsbelehrung:im verfahrensgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 6. März 2017 nicht unrichtig im Sinne von § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist (UA S. 7 – 11).
Unbeschadet dessen ist die vom Kläger aufgeworfene Frage auch nicht (mehr) klärungsbedürftig: Es ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 29.8.2018 – 1 C 6.18 – NJW 2019, 247 = juris Rn. 14 ff.; U.v. 26.2.2019 – 1 C 39.18 – juris Rn. 15 f.) nun auch höchstrichterlich geklärt, dass eine Rechtsbehelfsbelehrung:durch die Formulierung, dass die Klage „in deutscher Sprache abgefasst sein“ muss, nicht unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist (so bereits: BayVGH, U.v. 10.1.2018 – 13a B 17.31116 – juris; SächsOVG, U.v. 17.10.2018 – 5 A 69/18.A – juris; OVG Hamburg, U.v. 28.6.2018 – 1 Bf 32/17.A – juris; OVG SH, B.v. 16.11.2017 – 1 LA 68/17 – juris). Der Zulassungsantrag gibt keinen Anlass zur erneuten Überprüfung.
Zweitens hat der Kläger zur Begründung seines Zulassungsantrags vorgebracht, das Urteil unterliege einem nach § 138 Nr. 6 VwGO bezeichneten Verfahrensmangel. Das Gericht habe festgestellt, die Klage sei unbegründet und insoweit auf die Ausführungen im Bescheid der Beklagten auf Seite 3 ff. verwiesen. Im Bescheid des Bundesamts seien auf Seite 3 ff. Ausführungen zur Frage der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu finden. Es liege ein Verfahrensmangel im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO vor, da es an Ausführungen zum subsidiären Schutz und zu Abschiebungsverboten fehle.
§ 138 Nr. 6 VwGO knüpft an den notwendigen formellen Inhalt eines Urteils an (vgl. § 117 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Danach müssen im Urteil die für die Überzeugungsbildung des Gerichts maßgeblichen Gründe schriftlich niedergelegt werden. Einer Entscheidung fehlt nur dann die Begründung im Sinne von § 138 Nr. 6 VwGO, wenn die Entscheidungsgründe die ihnen zukommende doppelte Aufgabe – Unterrichtung der Beteiligten über die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Gerichts sowie Ermöglichung der Nachprüfung des Urteils im Rechtsmittelverfahren – nicht mehr erfüllen können. Dies ist nicht erst der Fall, wenn dem Tenor überhaupt keine Gründe beigefügt sind, sondern auch dann, wenn die Begründung nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder in anderer Weise so unbrauchbar ist, dass sie zur Rechtfertigung des Urteilstenors ungeeignet ist. Demgegenüber greift § 138 Nr. 6 VwGO nicht schon deshalb, weil die Entscheidungsgründe lediglich unklar oder unvollständig sind. Sofern die Entscheidung auf einzelne Ansprüche überhaupt nicht eingeht, kommt ein Verfahrensfehler nur in Betracht, wenn die Gründe in sich gänzlich lückenhaft sind, namentlich weil einzelne Streitgegenstände oder selbständige Streitgegenstandsteile vollständig übergangen sind, jedoch nicht bereits dann, wenn lediglich einzelne Tatumstände oder Anspruchselemente unerwähnt geblieben sind oder wenn sich eine hinreichende Begründung aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe erschließen lässt (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 22.2.2018 – 9 B 6.17 – NVwZ-RR 2018, 539 – juris Rn. 11; U.v. 5.4.2017 – 8 C 16.16 – juris Rn. 16; B.v. 20.6.2014 – 2 B 82.13 – juris Rn. 26; B.v. 15.7.2010 – 8 B 94.09 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 16.1.2019 – 13a ZB 18.30191 – juris Rn. 3 und 5).
Daran gemessen kann vorliegend von einem Verfahrensmangel nach § 138 Nr. 6 VwGO keine Rede sein. Es ist schon nicht nachvollziehbar, warum sich der Verweis des Verwaltungsgerichts auf „S. 3 ff.“ des angefochtenen Bescheids (UA S. 11) nur auf die Flüchtlingseigenschaft und nicht auch auf den subsidiären Schutz und die Abschiebungsverbote beziehen soll. Letztlich kommt es hierauf aber nicht an: Der Kläger rügt das Fehlen von Ausführungen zum subsidiären Schutz und zu den Abschiebungsverboten, mithin von Fragen, die im Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfen gewesen wären. Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil vom 30. April 2018 indes tragend allein darauf gestützt, dass die Klage unzulässig ist (UA S. 6 – 11). Die knappen Anmerkungen zur Begründetheit (UA S. 11 f.) waren für das Gericht nicht entscheidungstragend („obiter dictum“). Dies zeigen die Formulierungen im Urteil, die Klage „ist unzulässig“ und „wäre (…) als unbegründet abzuweisen“ (UA S. 6 und S. 11). Ohnehin wäre es bei einem Prozessurteil, mit dem eine Klage als unzulässig abgewiesen wird, verfahrensfehlerhaft, die Klage zusätzlich entscheidungstragend als unbegründet abzuweisen. Die einer Prozessabweisung beigegebene Sachbeurteilung gilt als „nicht geschrieben“ und erwächst auch nicht in Rechtskraft (BVerwG, B.v. 14.12.2018 – 6 B 133.18 – juris Rn. 23 f.). Bei einem Prozessurteil kann sich deshalb aus dem Umstand, dass im Urteil Ausführungen zu allein die Begründetheit der Klage betreffende Fragen fehlen, von vornherein kein Verfahrensmangel nach § 138 Nr. 6 VwGO ergeben.
Ferner hat der Kläger drittens seinen Zulassungsantrag damit begründet, es sei das rechtliche Gehör verletzt worden (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht mache keinerlei Feststellungen dazu, ob er auf soziale oder familiäre Netzwerke zurückgreifen könne und verletzte somit das rechtliche Gehör, da er vorgetragen habe, dass kein Kontakt zur Familie bestehe. Diese Feststellung sei auch entscheidungserheblich, denn die Frage einer möglichen Verletzung von Art. 3 EMRK hänge von der Frage ab, ob auf soziale oder familiäre Netzwerke zurückgegriffen werden könne. Das ergebe sich aus der aktuellen Erkenntnislage.
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409 = NJW 2003, 1924; BayVGH, B.v. 14.3.2018 – 13a ZB 18.30454 – juris Rn. 5). Es gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG, B.v. 21.4.1982 – 2 BvR 810/81 – BVerfGE 60, 305/310). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG scheidet indes von vornherein aus, wenn ein Gericht bestimmtes Vorbringen des Klägers nicht berücksichtigt, das ausgehend von seiner Perspektive nicht entscheidungserheblich ist (BVerfG, B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133/146 = juris Rn. 39; BVerwG, B.v. 16.11.2001 – 1 B 211.01 – InfAuslR 2002, 150/151 = juris; Kraft in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 138 Rn. 37; Marx, AsylG, 9. Aufl. 2017, § 78 Rn. 139 m.w.N.).
Daran gemessen hat der Kläger keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dargelegt:
Er beanstandet, dass das Verwaltungsgericht auf sein Vorbringen, er habe keinen Kontakt zu seiner Familie, im Urteil nicht eingegangen sei, und keinerlei Feststellungen getroffen habe, ob er auf soziale oder familiäre Netze zurückgreifen könne. Mit diesem Vortrag sind wiederum Fragen angesprochen, die allein im Rahmen der Begründetheit der Klage zu prüfen gewesen wären. Diese waren für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich, weil es – wie bereits ausgeführt – sein Urteil tragend allein darauf gestützt hat, dass die Klage unzulässig ist. Auch insoweit würden dem Prozessurteil hinzugefügte entscheidungstragende Ausführungen zur Begründetheit – wie ebenso bereits ausgeführt – ohnehin als „nicht geschrieben“ gelten und nicht in Rechtskraft erwachsen (BVerwG, B.v. 14.12.2018 – 6 B 133.18 – juris Rn. 23 f.). Bei einem Prozessurteil kann sich deshalb aus dem Umstand, dass im Urteil Ausführungen zu allein die Begründetheit der Klage betreffende Fragen fehlen, von vornherein kein Verfahrensmangel nach § 138 Nr. 3 VwGO ergeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag bereits zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife aus den vorstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO). Dies gilt auch hinsichtlich der Grundsatzrüge: Zwar ist die höchstrichterliche Klärung der im Zulassungsantrag aufgeworfenen Frage durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erst nach dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife erfolgt. Indes hatte der Zulassungsantrag bereits zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife auch hinsichtlich der Grundsatzrüge deshalb keine hinreichenden Erfolgsaussichten, weil – wie ausgeführt – insoweit von Anfang an die Darlegungsanforderungen aus § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG verfehlt waren.


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