Verwaltungsrecht

Einreise- und Aufenthaltsverbot wegen erheblicher Überschreitung der Ausreisefrist

Aktenzeichen  B 6 K 18.426

Datum:
29.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24064
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 11 Abs. 6 S. 1

 

Leitsatz

Die Erheblichkeit der Überschreitung der Ausreisefrist ist im Verhältnis zu der im Einzelfall gesetzten Ausreisefrist zu beurteilen. Danach ist die Überschreitung der nach Maßgabe des § 36 Abs. 1 AsylG gesetzten Ausreisefrist von (nur) einer Woche um jedenfalls mehr als die Hälfte dieses Zeitraums im maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes (unabhängig davon, ob man vom Ablauf der Wochenfrist oder von der Zustellung des Beschlusses rechnet) erheblich. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Gemäß § 102 Abs. 2 VwGO konnte trotz Ausbleibens des Klägers auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden. Den Empfang der Ladung vom 19.07.2018 mit dem entsprechenden Hinweis hat der Kläger am 02.08.2018 unterschriftlich bestätigt.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Anordnung eines auf 12 Monate befristeten Einreise- und Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht aufzuheben, weil sie rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist.
Da es bei der Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbotes nach § 11 Abs. 6 AufenthG darum geht, ein in der Vergangenheit liegendes Verhalten – die Überschreitung der Ausreisefrist – zu sanktionieren (vgl. BT-Drs. 18/4097, Seite 37), ist für die Prüfung der Rechtmäßigkeit dieser Anordnung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Behördenentscheidung maßgebend. Es ist daher nicht entscheidungserheblich, ob der Kläger seit dem 27.04.2018 unverschuldet an der Ausreise gehindert war, weil er sich im Klinikum …, …, …, befand. Vielmehr kommt es nur darauf an, ob bei Erlass des Bescheides vom 24.04.2018 der Tatbestand des § 11 Abs. 6 AufenthG erfüllt und die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes ermessensgerecht war.
Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 AufenthG kann gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Gemäß § 11 Abs. 6 Sätze 2 und 3 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit seiner Anordnung nach Maßgabe des § 11 Abs. 2 AufenthG zu befristen, wobei gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und Abs. 6 Satz 4 AufenthG über die Länge der Frist nach Ermessen entschieden wird und bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 6 Satz 1 AufenthG die Frist ein Jahr nicht überschreiten soll. Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 6 AufenthG wird ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a AufenthG vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.
Da die noch anhängige Asylklage infolge der Ablehnung des Asylantrages als offensichtlich unbegründet (§ 30 AsylG) gemäß § 75 Abs. 1 in Verbindung mit § 36 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung hat, ist der Kläger mit Bekanntgabe des Asylbescheides vom 29.03.2018 vollziehbar ausreisepflichtig geworden und hatte das Bundesgebiet bis zum Ablauf der vom Bundesamt nach Maßgabe des § 36 Abs. 1 AsylG gesetzten Ausreisefrist von einer Woche zu verlassen (§ 50 Abs. 1 und 2, § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).
Bis zur Ablehnung seines Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Asylklage mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 16.04.2018 war der Kläger unverschuldet an der Ausreise gehindert (vgl. BT-Drs. 18/4097, Seite 37; vgl. auch § 36 Abs. 3 Satz 8 AsylG, wonach die Abschiebung bei rechtzeitiger Antragstellung nach § 80 Abs. 5 VwGO vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig ist), im maßgeblichen Zeitpunkt der streitgegenständlichen Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes mit Bescheid vom 24.04.2018 jedoch nicht mehr. Auch Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a AufenthG waren bei Erlass der Anordnung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Gegenüber der ZAB machte der Kläger nur geltend, er könne nicht nach Georgien zurückkehren, da ihn dort eine Haftstrafe von acht Jahren erwarte. Dieses Vorbringen ist – ebenso wie die Klagebegründung, er könne nicht nach Georgien zurückkehren, da ihm dort der Tod drohe – Gegenstand allein des Asylverfahrens und rechtfertigt nicht die Annahme eines unverschuldeten Ausreisehindernisses gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 AufenthG oder eines sonstigen Duldungsgrundes gemäß § 11 Abs. 6 Satz 6 in Verbindung mit § 60a AufenthG. Nachdem sein Asylantrag mit den Rechtsfolgen der §§ 36 Abs. 1 und 75 Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, ist der Kläger nicht deshalb unverschuldet an der Ausreise gehindert (§ 11 Abs. 6 Satz 1 AufenthG) bzw. seine Abschiebung nicht aus rechtlichen Gründen unmöglich (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG), weil seine Asylklage noch anhängig und über die von ihm geäußerten Befürchtungen noch nicht rechtskräftig entschieden ist.
Die Erheblichkeit der Überschreitung der Ausreisefrist ist im Verhältnis zu der im Einzelfall gesetzten Ausreisefrist zu beurteilen (BT-Drs. 18/4097, Seite 37). Danach ist die Überschreitung der nach Maßgabe des § 36 Abs. 1 AsylG gesetzten Ausreisefrist von (nur) einer Woche um jedenfalls mehr als die Hälfte dieses Zeitraums im maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes (unabhängig davon, ob man vom Ablauf der Wochenfrist oder von der Zustellung des Beschlusses vom 16.04.2018 rechnet) erheblich.
Die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes wie auch seine Befristung auf 12 Monate ab dem Tag der Ausreise entsprechen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind – insbesondere bewegt sich die Länge der Frist im Rahmen des § 11 Abs. 6 Satz 4 AufenthG – oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). § 11 Abs. 6
AufenthG soll im Einzelfall ermöglichen, die Überschreitung der Ausreisepflicht zu sanktionieren (BT-Drs. 18/4097, Seite 37). Da im maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes tragfähige Gründe für die Nichterfüllung der Ausreisepflicht nicht ansatzweise ersichtlich sind, entspricht es dem Zweck der Ermächtigung, von der Möglichkeit der Sanktionierung Gebrauch zu machen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass Art. 11 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2008/115/EG (Rückführungsrichtlinie) sogar vorsieht, dass Rückkehrentscheidungen zwangsläufig mit einem Einreiseverbot einhergehen, falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde.
Die Klage wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der Kläger als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens trägt, abgewiesen. Die Kostenentscheidung ist gemäß § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 ZPO vorläufig vollstreckbar.


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