Verwaltungsrecht

Einstellung eines Vollstreckungsverfahrens nach gegenseitiger Erledigungserklärung

Aktenzeichen  M 17 V 17.34516

Datum:
7.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 80
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
VwGO VwGO § 113 Abs. 5, § 167 Abs. 2, § 168 Abs. 1 Nr. 1, § 173

 

Leitsatz

Die Kosten des Vollstreckungsverfahrens sind gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen der Vollstreckungsgläubigerin aufzuerlegen, wenn sich der Vollstreckungsantrag aller Voraussicht nach deshalb als unzulässig erwiesen hätte, weil ein Rechtsschutzbedürfnis angesichts einer verfrühten Antragstellung (ca. fünf Wochen nach Eintritt der Rechtskraft) nicht bestanden haben dürfte. (Rn. 8 – 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Vollstreckungsverfahren wird eingestellt.
II. Die Kosten des gerichtskostenfreien Vollstreckungsverfahrens hat der Antragstellerin und Vollstreckungsgläubiger zu tragen.

Gründe

I.
Mit Urteil vom 9. Dezember 2016 verpflichtete das Verwaltungsgericht München (Az.: M 17 K 15.31483) die Antragsgegnerin u. a. festzustellen, dass bei der Antragstellerinin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Jordanien vorliegt. Das Urteil ist seit dem 31. Januar 2017 rechtskräftig.
Die Bevollmächtigte der Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin mit Schriftsätzen vom 27. Januar 2017 und 13. Februar 2017 auf, der Verpflichtung aus dem Urteil nachzukommen und einen entsprechenden Bescheid zu erlassen.
Mit Schriftsatz vom 9. März 2017, am 10. März 2017 beim Verwaltungsgericht München eingegangen, hat die Antragstellerin und Vollstreckungsgläubigerin beantragt,
die Antragsgegnerin unter Fristsetzung und Androhung eines Zwangsgeldes zu verpflichten, dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Dezember 2016 – M 17 K 15.31483 – nachzukommen und den Anerkennungsbescheid sowie die Abschlussmitteilung zu erstellen und zuzustellen.
Mit Bescheid vom 16. März 2017 stellte die Antragsgegnerin fest, dass das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 7 AufenthG bei der Antragstellerin hinsichtlich Jordanien vorliegt.
Die Bevollmächtigte der Antragstellerin erklärte am 31. März 2017 das Vollstreckungsverfahren für erledigt. Die Antragsgegnerin stimmte der Erledigungserklärung mit allgemeiner Prozesserklärung 24. März 2016 zu.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten M 17 K 15.31483 und M 17 V 17.34516 Bezug genommen.
II.
Das Vollstreckungsverfahren ist in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Beteiligten vom 31. März 2017 und 24. März 2016 einzustellen.
Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten der Antragstellerin (Vollstreckungsgläubigerin) aufzuerlegen, da sich der Vollstreckungsantrag aller Voraussicht nach als unzulässig erwiesen hätte.
Ein Rechtsschutzbedürfnis dürfte angesichts einer verfrühten Antragstellung nicht bestanden haben. Zwar trifft § 172 VwGO selbst keine Regelung dazu, wann ein Vollstreckungsgläubiger einen derartigen Antrag anhängig machen kann. Dem Vollstreckungsschuldner ist jedoch eine angemessene Erfüllungsfrist einzuräumen, deren Dauer sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles bemisst. In der Regel kann bei einem Zeitraum von drei Monaten eine Befolgung der in einem Urteil nach § 113 Abs. 5 VwGO auferlegten Verpflichtung erwartet werden (vgl. in diesem Zusammenhang: BVerwG, B.v. 21.12.2001 – 2 AV 3/01 – NVwZ-RR 2002, 314), wobei ausnahmsweise auch ein kürzerer Zeiträumen ausreichen kann. Maßgeblich für den Fristbeginn ist der Eintritt der Rechtskraft (vgl. BVerwG, a.a.O.; VG Freiburg, B.v. 24.4.2014 – A 4 K 807/14 – juris; VG Münster, B.v. 16.12.2015 – 6 M 28/15 – juris; a.A.: (Zeitpunkt der Zustellung) Heckmann in Sodan/Ziekow, a.a.O., § 172 Rn. 58; Pietzner/Möller in Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 172 Rn. 33). Erst diese bewirkt nämlich die Vollstreckbarkeit nach § 168 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, weil eine vorläufige Vollstreckbarkeit bei Verpflichtungsklagen nach § 167 Abs. 2 VwGO nur wegen der Kosten in Betracht kommt (VG Aachen, B.v. 21.3.2016 – 9 M 26/15 – juris). Die Frist ist bis zur Stellung des Vollstreckungsantrages zu bemessen, weil für die Notwendigkeit des Vollstreckungsantrages auf diesen Zeitpunkt abzustellen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.12.1998 – 2 BvR 1516/93 – juris; BVerwG, a.a.O.; VG Freiburg, a.a.O.).
Hier lag zwischen dem Eintritt der Rechtskraft und der Antragstellung ein Zeitraum von ca. fünf Wochen, der indes nicht ausreichend erscheint. Für diese Beurteilung ist in den Blick zu nehmen, dass eine rechtskräftige Verurteilung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots zwar keinen großen Verwaltungsaufwand bei der Vollstreckungsschuldnerin erfordert und auch das Bundesamt zwischenzeitlich eine beträchtliche Anzahl an neuen Mitarbeitern eingestellt hat. Jedoch dürfte die fortwährend hohe Anzahl an zu bearbeitenden Asylverfahren aktuell noch dafür sprechen, von einer mehr als fünfwöchigen Regelbearbeitungsdauer auszugehen (vgl. VG Aachen, B.v. 21.03.2016 – 9 M 26/15 – juris).
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.


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