Verwaltungsrecht

Einstufung der Auskünfte des Auswärtigen Amtes als Beweismittel – Asylantrag einer an HIV erkrankten Person aus Sierra Leone

Aktenzeichen  RN 14 K 18.31735

Datum:
20.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9703
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
VwGO § 86 Abs. 1

 

Leitsatz

Bei den Auskünften des Auswärtigen Amtes handelt es sich um amtliche Auskünfte, die ein geeignetes Beweismittel darstellen und nicht wegen Parteilichkeit als Beweismittel ungeeignet sind. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage war abzuweisen.
Gegen den Gerichtsbescheid wurde gemäß § 84 Abs. 2 Nr. 5 VwGO innerhalb eines Monats nach Zustellung Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Der Gerichtsbescheid gilt daher gemäß § 84 Abs. 3 2. Halbsatz VwGO als nicht ergangen.
Das Gericht nimmt gemäß § 84 Abs. 4 VwGO vollinhaltlich Bezug auf den Gerichtsbescheid vom 7.11.2019. Es wurden keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen, die eine andere Entscheidung des Gerichts rechtfertigen würden. Das Gericht folgt daher der Begründung des Gerichtsbescheids.
Auch der im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 19.2.2020 vorgebrachte Einwand, das Gericht könne sich bei seiner Entscheidung im Hinblick auf die Vorgaben der Asylverfahrensrichtlinie nicht einzig auf eine Auskunft des Auswärtigen Amtes stützen, führt nicht zur Erforderlichkeit einer weiteren Beweiserhebung durch Einholung einer Stellungnahme einer staatlich unabhängigen Organisation.
Entgegen der von der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht handelt es sich bei Auskünften des Auswärtigen Amtes um amtliche Auskünfte, die ein geeignetes Beweismittel darstellen und nicht wegen Parteilichkeit als Beweismittel ungeeignet sind. Die Einholung einer amtlichen Auskunft ist ein anerkanntes Beweismittel im Verwaltungsstreitverfahren (Kopp, VwGO, 23. Auflage, § 98 Rn. 3 m.w.N., BVerwG, B. v. 11.1.1988 – 4 B 254/87 – juris). Daran ändern auch die Vorgaben der Asylverfahrensrichtlinie nichts. Aus Erwägungsgrund 39 folgt nur, dass die Mitgliedstaaten bei der Beurteilung, ob im Herkunftsstaat eines Antragstellers eine Situation der Unsicherheit herrscht, gewährleisten sollten, dass sie genaue und aktuelle Angaben von einschlägigen Quellen wie dem EASO, dem UNHCR, dem Europarat und anderen einschlägigen Organisationen einholen. Dabei handelt es sich nur um eine beispielhafte Aufzählung. Dieser Erwägungsgrund besagt nicht, dass andere Erkenntnisquellen nicht herangezogen werden dürfen. Nach Erwägungsgrund 17 ist es zur Sicherstellung, dass die Prüfung von Anträgen auf internationalen Schutz objektiv und unparteiisch erfolgt notwendig, dass Fachkräfte ihre Tätigkeit unter gebührender Achtung der geltenden berufsethischen Grundsätze ausüben. Hierbei geht es schon nicht um die Tauglichkeit von Beweismitteln, sondern um die notwendige Qualifikation für die Entscheidung über die Asylanträge.
Das Gericht ist aufgrund des sich aus § 86 Abs. 1 VwGO ergebenden Amtsermittlungsgrundsatzes gehalten, sich ein möglichst zuverlässiges Bild von den entscheidungserheblichen Tatsachen zu bilden. Hierzu kommen als Beweismittel alle Erkenntnismittel in Betracht, die nach den Grundsätzen der Logik, nach allgemeiner Erfahrung oder wissenschaftlicher Erkenntnis geeignet sind oder geeignet sein können, die Überzeugung des Gericht vom Vorhandensein entscheidungserheblicher Tatsachen und der Richtigkeit einer Beurteilung oder Wertung von Tatsachen zu begründen.
Das Gericht ist auf der Grundlage der bereits vorhandenen Erkenntnismittel ausreichend sachkundig, um sich die für die Entscheidung erforderliche Überzeugung zu bilden. Es ist nichts dafür ersichtlich, warum die Auskünfte des Auswärtigen Amtes zu den Behandlungsmöglichkeiten von HIV in Sierra Leone vom 26.9.2017, 28.3.2019, 5.6.2019 und 22.8.2019 nicht geeignet sein sollten, um diese Frage zu beantworten. Die Klägervertreterin hat nicht substantiiert dargetan, aufgrund welcher Tatsachen sie Zweifel an der Richtigkeit der gegebenen Auskunft hat oder dass ihr Erkenntnisse dahingehend vorlägen, dass diese Auskünfte in sich fehlerhaft, unstimmig oder unsachlich wären oder sonst nicht als Entscheidungsgrundlage taugten.
Bei dieser Sachlage handelt es sich bei der Anregung, eine weitere Stellungnahme einer staatlich unabhängigen Organisation einzuholen, um eine reine Ausforschung, die lediglich zum Ziel hätte Zugang zu einer bestimmten Informationsquelle zu erlangen, um auf diesem Weg Anhaltspunkte für einen neuen Sachvortrag zu gewinnen. Eine weitere Sachverhaltsaufklärung ist allerdings nicht erforderlich, weil die entscheidungserhebliche Frage bereits mit den vorhandenen Erkenntnismitteln beantwortet werden kann. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, warum eine weitere Stellungnahme einer unabhängigen Organisation eine validere Einschätzung der Behandlungsmöglichkeiten von HIV in Sierra Leone liefern sollte.
Zudem genügt das einzig dem Gericht vorliegende Attest vom 23.6.2017 zu der bei dem Kläger bestehenden HIVInfektion schon nicht den Anforderungen des § 60 a Abs. 2 c AufenthG, um die Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbotes gem. § 60 Abs. 7 AufenthG substantiiert dazulegen. Im Hinblick auf das dem Kläger attestierte Anfangsstadium A II ist bereits nicht hinreichend fachärztlich dargelegt, dass und inwieweit ein Abbruch jeglicher Behandlung des Klägers eine schwerwiegende und alsbaldige Verschlimmerung der Krankheit im Sinne des § 60 Abs, 7 Satz 1 AufenthG nach sich ziehen werde. Angaben individuell bezogen auf den Kläger fehlen in dem Attest völlig. In welcher zeitlichen und qualitativen Weise ein Therapieabbruch das Mortalitätsrisiko des Klägers konkret erhöht, ob die Erkrankung selber zum Tode führen würde oder zu erwartende anderweitige Infektionen etc., ist dem Attest nicht zu entnehmen, aber i.S.v. § 60 a Abs. 2 c AufenthG für eine qualifizierte Bescheinigung erforderlich.
Die Klage war daher ohne weitere Beweiserhebung abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83 b AsylG.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.
Der Gegenstandswert folgt aus § 30 RVG.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben