Verwaltungsrecht

Einstufung der IPOB als “terroristische Gruppe“ in Nigeria

Aktenzeichen  M 21 K 17.44173

Datum:
13.4.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 6626
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3a, § 31 Abs. 3, § 71a
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
StGB § 81
VwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 2

 

Leitsatz

Es ist zwar aus einem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts zu entnehmen, dass das nigerianische Militär auf die zunehmenden Agitationen sezessionistischer Gruppen wie der IPOB, welche durch die Justiz zur “terroristischen Gruppe“ erklärt worden ist, im September 2017 mit großer Härte und zum Teil menschenrechtswidrig reagiert hat. Jedoch kann aus diesem Vorgehen staatlicher Akteure gerade etwa angesichts § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG und der §§ 81 ff. StGB nicht ohne Weiteres auf das Vorliegen staatlicher Verfolgungshandlungen geschlossen werden.  (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten verhandelt und entschieden werden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die nur als Anfechtungsklage zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist nur als Anfechtungsklage statthaft und zulässig, weil die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens bei Folge- und Zweitanträgen, die nach aktueller Rechtslage als Unzulässigkeitsentscheidung gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 5 AsylG ergeht, allein mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Leitsatz 1.). Deswegen ist die Klage in ihrem Verpflichtungsteil unzulässig.
Die Anfechtungsklage ist unbegründet. Das Gericht folgt zunächst der Begründung des Gerichtsbescheids vom 15. Februar 2018 und sieht daher von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 84 Abs. 4 VwGO).
Ergänzend ist nur Folgendes auszuführen.
Es steht insbesondere fest, dass auch zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. nur BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4/16 – juris Rn. 13 unter Verweis auf § 77 Abs. 1 AsylG) die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) nicht vorliegen. Insbesondere hat sich weder die der Erstantragsablehnung zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Klägers geändert (§ 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) noch liegen neue Beweismittel vor, die eine ihm günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG).
Im Kern macht der Kläger im vorliegenden Zusammenhang geltend, Mitglied der Gruppe IPOB zu sein, die (nunmehr) in Nigeria als terroristisch eingestuft sei und durch die dortige Regierung verfolgt werde.
Zur nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage reichen keine bloße Behauptungen, vielmehr ist ein substantiierter Vortrag zu den Veränderungen erforderlich (vgl. nur Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 90 m.w.N.), an dem es fehlt.
Wäre der Kläger wirklich seit „November 2015“ Mitglied der IPOB, läge insoweit jedenfalls schon keine nachträgliche Änderung der Sachlage vor. Diese Sachlage hätte dann schon im Zeitpunkt der Erstantragsablehnung in der Schweiz vorgelegen.
Das Gericht glaubt zudem nicht, dass der Kläger Mitglied der IPOB war und ist. Schon in seiner Bundesamtsanhörung am 7. Dezember 2016 hat der Kläger insoweit vollkommen unsubstantiierte Angaben gemacht. Den eigenen inneren Weg zu dieser Gruppierung hat der Kläger schon damals erst gar nicht dargelegt, sondern nur etwa unvermittelt behauptet, dieser Gruppe seit „November 2015“ anzugehören. Wenn die Armee wirklich wegen der Mitgliedschaft des Klägers in der Gruppierung IPOB nach ihm gesucht hätte, hätte er dazu schon in der Bundesamtsanhörung insbesondere datums- und umstandsgenaue Angaben machen können und müssen. Der auch noch einmal in der mündlichen Verhandlung übergebene, am 8. Juli 2016 gefertigte Farbausdruck des „IPOB-Ausweises“ ist offensichtlich schon für die Bundesamtsanhörung angefertigt worden (Bl. 73 der Bundesamtsakte). Er hat schon dort mit Recht nicht überzeugt. Das Vorbringen des Klägers gegenüber dem Bundesamt war letztlich nur entlang seines geschichtlichen Halbwissens zu IPOB konstruiert. Konstruiert waren auch die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung zu dieser Gruppierung. Nachdem die Klägerbevollmächtigte durch Schriftsatz vom 21. März 2018 unter Bezugnahme auf den aktuellen Lagebericht des Bundesamts (Stand September 2017) insbesondere die Erklärung der IPOB zur „terroristischen Gruppe“ geltend gemacht hat, hat der Kläger erfolglos versucht, diesen Ansatz für sich in der mündlichen Verhandlung insbesondere durch die Übergabe irgendwelcher Farbfotos und den Rekurs auf IPOB-bezogene Geschehnisse im September 2017 weiter nutzbar zu machen.
Abgesehen von dieser Unglaubhaftigkeit des Vorbringens dürfte zudem auch keine nachträgliche Änderung der Sachlage zugunsten des Klägers vorliegen, soweit er sich auf die Einstufung der Gruppe IPOB als terroristisch beruft und eine Verfolgung dieser Gruppe durch die nigerianische Regierung geltend macht.
Zwar ist etwa auch dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amts zu entnehmen, dass das nigerianische Militär auf die zunehmenden Agitationen sezessionistischer Gruppen wie insbesondere der IPOB, welche durch die Justiz zur „terroristischen Gruppe“ erklärt worden ist, im September 2017 mit großer Härte und zum Teil menschenrechtswidrig reagiert hat (vgl. nur Lagebericht, Stand September 2017, S. 5). Aus diesem Vorgehen staatlicher Akteure kann aber gerade etwa angesichts § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG und etwa auch angesichts der §§ 81 ff. StGB nicht im Sinne des Klägers ohne weiteres auf das Vorliegen staatlicher Verfolgungshandlungen geschlossen werden. Etwaiger strafrechtlicher Schutz vor Sezession wäre grundsätzlich ein legitimes staatliches Selbsterhaltungsanliegen Nigerias. Zudem gibt die Auskunftslage keine überzeugende Grundlage für die Annahme her, dass mit dem geschilderten Vorgehen staatlicher Stellen ein asylrechtlich erforderlicher Polit-Malus (vgl. nur BVerfG, B.v. 4.12.2012 – 2 BvR 2954/09 – juris Rn. 24 ff. m.w.N.) verbunden sein könnte. Der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amts hält an späterer Stelle lediglich (resümierend) fest, nach Einstufung von IPOB als terroristische Vereinigung müsse damit gerechnet werden, dass der Sicherheitsapparat nun rigoroser gegen IPOB-Mitglieder vorgehen werde (vgl. nur Lagebericht, Stand September 2017, S. 19). Aus einem solchen rigoroseren Vorgehen ist aber insbesondere nicht zwanglos auf unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung bzw. Bestrafung dieser Mitglieder zu schließen.
Der auch in der mündlichen Verhandlung übergebene, am 8. Juli 2016 gefertigte Farbausdruck des „IPOB-Ausweises“ ist angesichts dieses Herstellungsdatums schon kein im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG neues Beweismittel. Die übrigen in der mündlichen Verhandlung übergebenen Dokumente würden für den Kläger für sich genommen und auch nach den vorstehenden Darlegungen jedenfalls keine günstigere Entscheidung herbeigeführt haben (vgl. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG sowie Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 118 m.w.N.).
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 Sätze 1 und 2 ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben