Verwaltungsrecht

Einstweilige Anordnung, Anspruch auf Zulassung des Vaters als Schulbegleitung, Glaubhaftmachung (verneint)

Aktenzeichen  M 3 E 21.4175

Datum:
6.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 41439
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
VwGO i.V.m. § 123 Abs. 3
ZPO § 920 Abs. 2
ZPO § 294 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500, – € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt ihren Vater als Schulbegleitung vorläufig zuzulassen bis eine externe Pflegekraft als Schulbegleitung zur Verfügung steht.
Die Antragstellerin soll im Schuljahr 2021/22 in die 1. Jahrgangsstufe der Grundschule eingeschult werden.
Mit Schreiben vom … Juli 2021 beantragte die Bevollmächtigte der Antragstellerin, bei der Verbandsgrundschule … … (im Folgenden: Schule), die Antragstellerin zum kommenden Schuljahr 2021/22 in die 1. Klasse aufzunehmen und dabei den Vater der Antragstellerin als Schulbegleitung zuzulassen. Die Antragstellerin erfülle die Voraussetzungen um eingeschult zu werden, sei aber aufgrund einer seltenen Lungenkrankheit auf ständige medizinische Betreuung angewiesen. Diese würde der Vater erfüllen wollen.
Mit Schreiben vom 14. Juli 2021, der Bevollmächtigten zugegangen am 15. Juli 2021, teilte die Schule mit, dass zur Wahrung des Schulfriedens und des ungestörten Schulbetriebs der Grundsatz gelte, dass es sich bei Schulbegleitern und pflegendem Personal, welches in die Schule begleitet, nicht um Eltern und nahe Verwandte handeln solle. Denn die Schulbegleitung durch Eltern stünde der Persönlichkeitsentwicklung, die Teil des allumfassenden, ganzheitlichen Bildungsauftrags der Schule sei, entgegen. Schule solle auch ein Schon- und Freiraum für Kinder abseits des häuslichen Alltags und der Einflussnahme der Eltern sein. Die ständige Anwesenheit von Eltern hemme das Kind in seiner Entwicklung. Auch sei die Anwesenheit anderer Eltern während des Unterrichts ein Nachteil für die Mitschüler. Eine „Überwachung“ durch fremde Eltern sei auch aus Datenschutzgesichtspunkten nicht hinnehmbar. Allenfalls in akuten Notsituationen sei eine kurzzeitige Begleitung durch ein Elternteil denkbar. Es sei nicht erkennbar, warum eine andere qualifizierte Kraft die Aufgabe der Schulbegleitung nicht auch übernehmen könne. Wie bereits mehrfach erklärt, werde Hilfe bei der Suche nach einer geeigneten Pflegekraft angeboten. Es sei auch der Wunsch der Schule die Antragstellerin als Schülerin begrüßen zu können.
Mit Schriftsatz vom … Juli 2021, eingegangen am 6. August 2021, beantragt die Bevollmächtigte der Antragstellerin beim Bayerischen Verwaltungsgericht München im Wege der einstweiligen Anordnung durch Schriftsatz vom … August 2021 präzisiert,
den Antragsgegner zu verpflichten, den Vater der Antragstellerin vorläufig – bis eine geeignete externe Pflegekraft als Schulbegleitung zur Verfügung steht – als Schulbegleitung zuzulassen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die Antragstellerin aufgrund einer seltenen Lungenerkrankung zu 100% schwerbehindert sei und ganztägige (24 Stunden) medizinischer Betreuung bedürfe, durch die eine ausreichende Sauerstoffversorgung der Antragstellerin sicherzustellen sei. Solche Kräfte würden die Klägerin in die Schule begleiten. Allerdings seien die Eltern seit 3 Jahren nicht mehr in der Lage, geeignete Pflegekräfte zu finden. Die Eltern hätten sich bereits erfolglos an die Öffentlichkeit gewandt, um geeignete Pflegekräfte zu finden. Derzeit übernehme der Vater die Pflege der Antragstellerin. Die zuständigen Stellen würden allerdings eine Begleitung der Antragstellerin in die Schule durch den Vater ablehnen. Dadurch würde der Antragstellerin, da sie ohne Pflegekraft den Unterricht nicht besuchen könne, ihr Recht auf Bildung streitig gemacht. Die Antragstellerin würde für eine 24-Stunden-Betreuung 6 Vollzeitkräfte benötigen, es sei aber bereits äußert schwierig nur eine Pflegekraft zu finden. Es sei für die Eltern nachvollziehbar, dass sich ein Kind freier entfalten könne, wenn die Eltern nicht im Unterricht anwesend seien. Allerdings könne die Antragstellerin ohne Begleitung durch den Vater – derzeit – den Unterricht gar nicht besuchen. Deshalb müsse unter diesen besonderen Bedingungen, um überhaupt eine schulische Ausbildung zu ermöglichen, Bedenken gegen die Teilnahme eines Elternteils zurückgestellt werden. Die Ausgestaltung der Begleitung könne die Schule frei regeln, es gehe nur darum, dass der Vater im Notfall zur medizinischen Versorgung eingreifen könne.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führt er im Wesentlichen über den Vortrag der Schule im Schreiben vom … Juli 2021 hinaus an, dass nicht glaubhaft gemacht sei, dass der Antragstellerin der geltend gemachte Antrag zustehe. Aufgrund der Ausführungen der Antragstellerin zur 24-Stunden-Pflege müsse bereits davon ausgegangen werden, dass eine Suche nach (nur) einer Schulbegleitung für den Stundenplan einer 1. Klasse noch nicht oder unter einer falschen Prämisse betrieben worden sei. Für den Schulbesuch genüge nämlich die Begleitung durch eine Fachkraft während dieser Zeit; eine 24-Stunden-Betreuung sei insoweit nicht erforderlich. Auch sei nicht ersichtlich, warum keine qualifizierte Kraft gefunden werden könne, es sei nicht glaubhaft gemacht, dass vonseiten der erziehungsberechtigten Mutter und der Krankenkasse alles Zumutbare unternommen worden sei, um eine solche Kraft zu finden. In einem Gespräch zwischen den Beteiligten am 26. Juli 2021 hätte keine Auskunft über die letzten Bemühungen gegeben werden können, insbesondere einen Kontakt zur Krankenkasse. Unterstützungsangebote seien wiederholt nicht angenommen worden. In vergleichbaren Fällen sei eine Schulbegleitung bewährt, entsprechende Dienste seien der Antragstellerin benannt worden.
Auf Nachfrage des Gerichts erklärt die Bevollmächtigte der Antragstellerin, dass seit längerer Zeit Bemühungen laufen würden eine Schulbegleitung zu finden. Die Antragstellerin benötige Intensivpflege und für eine solche in Frage kommende Pflegedienste würden eine Schulbegleitung nur im Rahmen der häuslichen Pflege anbieten. Deshalb hätten die Eltern der Antragstellerin keine Wahl als nach einer häuslichen Pflege mit Schulbegleitung zu suchen. Eine Suche nach einer Teilzeit-Pflegekraft ausschließlich als Schulbegleitung sei nicht zielführend. Sämtlich genannten Pflegedienste seien bereits bekannt gewesen und seien regelmäßig kontaktiert worden. Am 27. Juli 2021 seien diese Pflegedienste allesamt nochmals per E-Mail kontaktiert worden.
Wegen weiterer Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Eine Behördenakte existiert nach Angaben des Antragsgegners nicht.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn glaubhaft gemacht wird, dass die Regelung nötig erscheint, um den Antragsteller vor bestimmten Nachteilen zu bewahren. Der Antrag ist somit begründet, wenn insbesondere der prozessuale Anspruch auf Sicherung des Hauptsacheanspruchs besteht. Das ist der Fall, wenn der zu sichernde Anspruch des Antragstellers nach den Vorschriften des materiellen Rechts besteht (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO) gemacht wird. Trotzdem gilt auch in Verfahren nach § 123 VwGO der Amtsermittlungsgrundsatz; dieser kann die Anforderungen an die Glaubhaftmachung reduzieren, wenn sich nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen ein Anordnungsanspruch aufdrängt (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 3).
Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes ist grundsätzlich Voraussetzung, dass dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen, ein Abwarten der Hauptsacheentscheidung nicht zumutbar ist (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 80).
Hinsichtlich der Frage des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs hat das Gericht die widerstreitenden privaten und öffentlichen Interessen der Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Für diese Abwägung ist in erster Linie entscheidend, ob die Antragspartei mit einem Erfolg in einem Hauptsacheverfahren rechnen kann. Insbesondere dann, wenn mit einer – sei es auch nur befristeten – Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Hauptsache bereits vorweggenommen würde, muss der Erfolg in der Hauptsache jedoch nicht nur wahrscheinlich sein, sondern bejaht werden können.
Die Antragstellerin hat aufgrund des nahenden Schulbeginns einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Allerdings hat sie keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Das Gericht kann aufgrund der gebotenen summarischen Überprüfung keinen Anspruch auf Zulassung des Vaters als Schulbegleitung erkennen.
Der Schulpflicht (z.B. in Art. 35 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), das zuletzt durch Gesetz vom 23. Juli 2021 (GVBl. S. 432) geändert worden ist) inhärent ist ein Recht auf Schule, d.h. tatsächlich die Schule besuchen zu dürfen. Wenn ein Schulbesuch also grundsätzlich möglich ist, sei es mit Einschränkungen, hat der Staat diesen zu erlauben.
Denn den Schulbesuch jedes Kindes zu gewährleisten, ist ein staatliches Anliegen mit Verfassungsrang (Art. 7 GG). Erforderlichenfalls wird sogar erzwungen, dass jedes Kind am Schulunterricht teilnimmt (s. z.B. § 1666 Abs. 3 Nr. 2 BGB); das Gesetz setzt hier voraus, dass die Vernachlässigung der Schulpflicht das Kindeswohl gefährdet. Zur Teilnahme am Unterricht ist das Kind verpflichtet, und dem entspricht die Pflicht der Eltern, alles Erforderliche zu tun, um die regelmäßige Teilnahme des Kindes am Schulunterricht sicherzustellen. Dies dient nicht allein der Vermittlung von Wissen oder Bildung, sodass ein perfekt organisierter, fachkundiger Heimunterricht die Schule ersetzen könnte. Vielmehr dient der Schulbesuch auch dazu, das Einfügen in eine Gemeinschaft außerhalb der Familie, Durchsetzungsvermögen, Selbstbehauptung, Verantwortungsbewusstsein und Pflichterfüllung zu erlernen und alltäglich zu erleben.
Die allgemeine Schulpflicht ist eine unverzichtbare Bedingung für die Gewährleistung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und zugleich als unerlässliche Voraussetzung für die Sicherung der wirtschaftlichen und sozialen Wohlfahrt der Gesellschaft. Die staatliche Gemeinschaft verlangt von jedem jungen Bürger ein Mindestmaß an schulischer Grundausbildung; mit den Bestimmungen über die Schulpflicht wird sichergestellt, dass sich jeder dieser Grundausbildung unterzieht. Die Grundschule soll über die Erschließung und Förderung von Begabungen hinaus auch zur Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und zu seiner Eingliederung in die Gesellschaft beitragen. Der Vorrang der Schulpflicht vor dem Elternrecht ist vor allem durch das Wohl des Kindes gerechtfertigt, dessen Lebensaussichten ohne Schulausbildung aufs Schwerste gefährdet würden (BayVerfGH, E.v. 13. Dezember 2002 – Vf. 73-VI-01 – juris).
Vorliegend bestreitet deshalb von den Beteiligten niemand das Recht der Antragstellerin der Schulpflicht nachzukommen, vielmehr haben sich beide Seiten ersichtlich bemüht, einen Schulbesuch der Antragstellerin zu ermöglichen. Ein solcher sollte nach dem Vorgetragenen im Falle einer hinreichend qualifizierten Begleitung möglich sein. Streitpunkt ist zum einem, ob es außer dem Vater der Antragstellerin eine solche qualifizierte Begleitung gibt, die auch verfügbar ist (1.), und zum anderem, ob ein Elternteil grundsätzlich von einer dauerhaften Begleitung seines Kindes in die Schule auch als Schulbegleitung, auszuschließen ist (2.).
1. Zunächst ist für das Gericht nicht glaubhaft gemacht i.S.v. §§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. 920 Abs. 2 ZPO, dass es tatsächlich unmöglich ist, eine andere Begleitung der Antragstellerin zu finden als ihren Vater. Die Bevollmächtigte der Antragstellerin und deren Vater, der nicht Erziehungsberechtigter ist, tragen vor, dass eine reine Schulbegleitung nicht möglich sei, sondern eine solche nur im Rahmen einer häuslichen Pflege erfolgen kann. Dies ist nicht glaubhaft gemacht. Eine entsprechende ärztliche Stellungnahme – wie im Übrigen kein einziges ärztliches Attest – liegt nicht vor. Auch andere Nachweise – wie z.B. E-Mail-Korrespondenzen mit Pflegediensten oder ähnliches – sind nicht vorgelegt. Insoweit der Vater in einer eidesstattlichen Versicherung behauptet, dies sei ihm gegenüber immer wieder in Gesprächen betont worden, ist schon nicht klar in Gesprächen mit wem und zu welchem Anlass, geschweige denn, wie es zu einer solchen Aussage gekommen sei. Für das Gericht ist ohne Weiteres einleuchtend, dass ein vorheriges Kennenlernen der Antragstellerin mit ihren gesundheitlichen Problemen Teil einer Begleitung in die Schule sein muss, es ist für das Gericht aber nicht nachvollziehbar, weshalb ein solches Kennenlernen nur im Rahmen einer mindestens 8-stündigen häuslichen Pflege möglich sein soll. Im Übrigen hat der Antragsgegner bereits angeboten, um entsprechenden Bedenken Rechnung zu tragen, dass der Vater gemeinsam mit einer Begleitung die ersten Unterrichtswochen die Betreuung der Antragstellerin übernehmen kann. Inwieweit ein Kennenlernen und Einlernen in mehreren Wochen nicht möglich sein soll, wurde nicht vorgetragen und scheint dem Gericht auch nicht plausibel.
Weiterhin ist nicht glaubhaft gemacht, dass tatsächlich alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden über den Aufwandsträger, hier die Krankenkasse, eine Schulbegleitung zu finden. Insoweit ist lediglich ein Telefonat der Bevollmächtigten geschildert, nach dem sich die Krankenkasse bemühe eine Begleitung zu finden, dies aber bis jetzt nicht von Erfolg gekrönt worden sei. Eine Unmöglichkeit oder ein feststehender künftiger Misserfolg ist nicht vorgetragen. Weiterhin wurde ein diesbezügliches Hilfsangebot des Antragsgegners nicht angenommen. Dies indiziert bereits, dass nicht alle Möglichkeiten der Suche ausgeschöpft werden und wurden.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass zwar die Bemühungen des Vaters der Antragstellerin breit dargestellt werden und durch eine eidesstattliche Versicherung dokumentiert werden, nicht aber der Mutter und Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreterin der Antragstellerin. Der Vater ist nicht der gesetzliche Vertreter der Antragstellerin. Gesetzliche Vertreterin ist die Mutter und als solche hat sie sich um die Begleitung zu bemühen und kann diese Aufgabe nicht vollständig an Dritte – hier den Vater – delegieren. Bemühungen der Mutter sind für das Gericht nicht glaubhaft gemacht.
Zusätzlich ist auch fraglich, aber nicht mehr entscheidungserheblich, ob die eidesstattliche Versicherung des Vaters überhaupt tauglich ist zur Glaubhaftmachung nach § 294 Abs. 1 ZPO.
Unter einer eidesstattlichen Versicherung ist eine mündliche oder schriftliche Erklärung zu verstehen, die sich sowohl auf eigene Handlungen und Wahrnehmungen als auch auf andere Tatsachen beziehen kann. Sie ersetzt den bei der Parteivernehmung möglichen Eid. In inhaltlicher Hinsicht werden hohe Anforderungen an eine eidesstattliche Versicherung gestellt. So ist es nicht ausreichend, wenn die Partei nur auf die anwaltlichen Schriftsätze Bezug nimmt und die Richtigkeit deren Inhalts bestätigt. Bedenken gegen solche Versicherungen ergeben sich daraus, dass sie sich nach dem Gesetzeswortlaut nur auf tatsächliche Behauptungen beziehen können, in den Schriftsätzen jedoch die Übergänge zwischen tatsächlichen Behauptungen und rechtlicher Würdigung regelmäßig fließend sind. Es können deshalb leicht Zweifel an der Reichweite der eidesstattlichen Versicherung entstehen. Deshalb muss die Partei selbst ihre Wahrnehmung oder Handlung beschreiben, also eine eigene Sachdarstellung geben, und deren Richtigkeit an Eides statt versichern (BGH, B.v. 13.1.1988 – IVa ZB 13/87 -juris Rn. 10; Prütting in Münchner Kommentar zum ZPO, 6. Aufl. 2020, § 294 Rn. 18).
Vorliegend bezieht sich die Versicherung darauf, dass der Vater sich ohne Erfolg „mit den ausdrücklich im beiliegenden Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten meiner Tochter genannten Pflegediensten zu den genannten Daten in Verbindung gesetzt“ habe, während sich die entsprechenden Ausführungen der Bevollmächtigten über 3 Seiten des Schriftsatzes vom … August 2021 erstrecken.
Anzumerken ist noch, dass eine Betreuung zumindest teilweise bereits stattfand, woraus sich eine Indizwirkung für die tatsächliche Möglichkeit einer externen Schulbegleitung entfaltet, und eine externe Betreuung – nach dem eigenen Vortrag der Antragsseite – wohl auch an der Familie selbst scheitert. So heißt es im Schriftsatz vom … August 2021: „man [wolle] die Antragstellerin auch nicht aufnehmen, da die Eltern zuvor eine Krankenschwester, die von diesem Pflegedienst zur Verfügung gestellt wurde, [..] angezeigt hätten“. In einem der vorgelegten Presseberichte wird ein Pflegedienstinhaber zitiert, dass eine Betreuung auch wegen der hohen Erwartungshaltung des Vaters scheitere.
Nach all dem ist für das Gericht nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass tatsächlich keine hinreichend qualifizierte Begleitung für die Antragstellerin gefunden werden kann.
2. Nach summarischer Prüfung geht das Gericht weiter davon aus, dass die Ablehnung einer dauerhaften Begleitung einer Schülerin durch ein Elternteil in den Unterricht auch in der Rolle als Schulbegleiter grundsätzlich rechtmäßig ist (a.) und keine Ausnahme hiervon im vorliegenden Fall zuzulassen ist (b.).
a. Eine dauerhafte Anwesenheit von Eltern im Unterricht ihrer Kinder ist – auch als Schulbegleiter – nicht zulässig.
Das Schulrecht ist geprägt vom gleichgeordneten nebeneinander des elterlichen Erziehungsrechtes (Art. 6 Abs. 2 GG) und dem in Art. 7 Abs. 1 GG vorausgesetzten staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag.
Nachdem der Verfassungsgeber nun aber weder dem Elternrecht noch dem Erziehungsanspruch des Staates absoluten Vorrang eingeräumt hat, muss sich der Staat gegebenenfalls mit den Eltern bei der Aufgabe treffen, das einzelne Kind bei der Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen Persönlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zu fördern. Dies entspricht der Erkenntnis, dass es sich bei der Erziehung eines Kindes um einen ganzheitlichen Prozess handelt, der sich nicht in einzelne Kompetenzen zerlegen lässt. Die gemeinsame Erziehungsaufgabe muss somit in einem sinnvoll aufeinander bezogenen Zusammenwirken von Eltern und Schule erfüllt werden (Rux, Schulrecht, 6. Auflage 2018, Rn. 159). Aus dem grundrechtlich gewährleisteten Erziehungsrecht der Eltern folgt neben deren Recht auf Mitbeteiligung an der Schulselbstverwaltung, ein Anspruch auf Information über Vorgänge im Bereich der Schule, deren Verschweigen die ihnen obliegende individuelle Erziehung des Schülers beeinträchtigen könnte. Dazu gehören insbesondere auch Informationen über Leistungen und Verhalten ihres Kindes und im Zusammenhang damit auftretende Schwierigkeiten (Badura in Maunz/Dürig, GG, 94. EL Januar 2021, Art. 7 Rn. 23).
Daraus ergibt sich aber kein Recht der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten an der Anwesenheit im Unterricht. Während einige Länder zwar ein sogenanntes Hospitationsrecht – allerdings beschränkt auf Erziehungsberechtigte – kennen (vgl. z.B: § 61 Abs. 2 Bremisches Schulgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. Juni 2005 (Brem.GBl. S. 260, 388, 398) zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 24. November 2020 (Brem.GBl. S. 1371)), erlauben auch diese Schulordnungen damit nicht die dauerhafte Anwesenheit der Eltern im Unterricht. In Bayern ist ein Besuch des Unterrichts des Kindes durch die Eltern grundsätzlich nicht vorgesehen. Denn aus dem gleichgeordneten Erziehungsrecht der Eltern und dessen Ausprägung in Form des Informationsanspruches ergibt sich kein Recht auf Unterrichtsbesuch. Soweit andere Schulordnungen ein solches vorsehen, handelt es sich um keine grundrechtlich gebotene Regelung.
Schule und Unterricht sind selbstredend und allgemein anerkannt keine öffentlichen Veranstaltungen. Der ganzheitliche Bildungsauftrag der Schule ist auch auf die Persönlichkeitsentwicklung gerichtet (s. bereits o.). Dafür stellt die Schule und der Unterricht einen Schon- und Freiraum für Kinder dar, in dem sie sich unabhängig von der Einflussnahme und Unterstützung der Eltern zeigen, Beziehungen zu anderen aufnehmen und sich in neuen und anderen Situationen als im häuslichen Alltag bewähren können. Zudem können sich durch die Anwesenheit von Eltern im Unterricht Mitschüler verstärkt gehemmt fühlen, insbesondere auch im Vergleich zu der Anwesenheit eines Schulbegleiters in rein beruflicher Funktion.
Aus dem dargestellten ergibt sich, dass ein Elternteil und sei es nur in der Rolle eines Schulbegleiters grundsätzlich kein (verfassungsmäßiges) Recht hat am Unterricht teilzunehmen und – da eine dauerhafte Anwesenheit die Bildungsziele der Schule zumindest gefährdet – eine Ablehnung als Schulbegleitung grundsätzlich auch rechtmäßig ist. Insofern findet sich konsequent z. B. in den überarbeiteten gemeinsamen Empfehlungen des Verbandes der bayerischen Bezirke und des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus der Hinweis, dass nahe Verwandte, als Schulbegleiter grundsätzlich nicht in Frage kommen. Vergleichbar ist hierzu auch der geltende und allgemein anerkannte Grundsatz, dass Lehrkräfte (in ihrer Rolle als Lehrkraft) nicht ihre eigenen Kinder unterrichten.
b. Eine eventuell denkbare Ausnahme ist im vorliegenden Fall nach summarischer Prüfung nicht gegeben.
Vorderhand kann sich eine Ausnahme in der streitgegenständlichen Konstellation nur daraus ergeben, wenn es für die Antragstellerin faktisch unmöglich ist die Schule zu besuchen, ohne dass dem Vater als Schulbegleiter die Teilnahme am Unterricht gestattet wird. In einem solchen Fall würde die Gefahr für die Persönlichkeitsentwicklung der Antragstellerin einen Ausschluss des Vaters nicht rechtfertigen können, da diese Gefahr im Falle eines Heimunterrichts oder ähnlichem auch und tendenziell sogar größer bestünde. Die Beeinträchtigung der Mitschüler wäre in einem solchen Fall aber weiterhin zu berücksichtigen. Da vorliegend aber die faktische Unmöglichkeit schon nicht glaubhaft gemacht wurde (s.o.), ist keine Ausnahme zuzulassen und erübrigt sich eine weitere Abwägung der Interessen.
Etwas Anderes kann sich dementsprechend auch nicht mehr aus Art. 128 BV bzw. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 Abs. 1 GG oder Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ergeben, weil die Grundrechte der Antragstellerin auch nur im Falle einer Glaubhaftmachung die Abwägung für eine Zulassung des Vaters der Antragstellerin beeinflussen könnten.
3. Da ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht wurde, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung hat ihre Rechtsgrundlage in §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Vorschriften des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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