Verwaltungsrecht

Einstweilige Anordnung, Streitwertfestsetzung, Verwaltungsgerichte, Prozeßbevollmächtigter, Antragsgegner, Beschwerdeentscheidung, Einlegung der Beschwerde, Wert des Beschwerdegegenstandes, Antragstellers, Allgemeinverfügung, Kostenentscheidung, Vertretungszwang, Befähigung zum Richteramt, Rechtsmittelbelehrung, Streitwertkatalog, Eltern, Verwaltungsgerichtsbarkeit, Einstweilige Rechtsschutzverfahren, Glaubhaftmachung, Anordnungsanspruch

Aktenzeichen  B 7 E 20.1400

Datum:
9.12.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 35632
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Allgemeinverfügung Isolation
Coronavirus-TestV § 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller – vertreten durch seine Eltern – begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners, unverzüglich einen Corona-Test beim Antragsteller durchzuführen, hilfsweise zu diesem Zweck die Quarantäne auszusetzen, damit der Antragsteller sich selbständig testen lassen kann.
Der Antragsteller ist Schüler einer 5. Klasse des …Gymnasiums … Am 07.12.2020 informierte das Landratsamt … die Eltern des Antragstellers darüber, dass eine Mitschülerin, die zuletzt am 03.12.2020 die Schule besucht hat, positiv auf COVID-19 getestet worden sei. Die gesamte Klasse werde kohortenisoliert und müsse sich umgehend in häusliche Quarantäne begeben. Am 14.12.2020 werde für die Klasse eine Reihentestung stattfinden.
Mit Schreiben vom 07. und 08.12.2020 beantragten die Eltern des Antragstellers beim Landratsamt …, eine Reihentestung spätestens am 09.12.2020 durchzuführen. Mit Fax vom 08.12.2020 lehnte das Landratsamt … dies ab. Es verwies auf Nr. 6.4 der Allgemeinverfügung Isolation als Rechtsgrundlage des behördlichen Vorgehens. Für die Mitschülerin des Antragstellers habe das positive Testergebnis erst am 07.12.2020 vorgelegen. Alternativ zur Reihentestung am 14.12.2020 dürfe der Antragsteller die Wohnung für eine eigenständige Testung ab dem 12.12.2020 verlassen. Für einen vorgezogenen Test bestehe fachlich kein Grund, da ein solcher nur eine Momentaufnahme wäre. Sollte der Antragsteller Krankheitssymptome entwickeln, würde über einen vorgezogenen COVID-19-Test gesondert entschieden.
Am 08.12.2020 beantragten die Eltern des Antragstellers für diesen den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie beantragen,
Der Antragsgegner wird verpflichtet, unverzüglich einen Corona-Test zu Gunsten des Antragstellers anzuordnen,
hilfsweise, dem Antragsteller zu gestatten, zur Durchführung eines Corona-Tests die Quarantäne unverzüglich auszusetzen.
Aufgrund der besonderen Umstände könne es dem Antragsteller nicht verwehrt bleiben, zum Zwecke einer Feststellung des aktuellen Status einen Coronatest durchzuführen. Er habe daran ein berechtigtes Interesse, auch unabhängig von der Frage, ob dadurch die Quarantäne beendet würde. In Anbetracht des Infektionsgeschehens müsse man eine mögliche Infektion zum Schutz der Familie des Antragstellers und weiterer Kontaktpersonen frühzeitig feststellen lassen. Der Antragsteller gehe nach der Schule zur Tagesbetreuung und habe regelmäßig Kontakt zu seinem 75-jährigen Großvater. Seine Eltern seien als Rechtsanwälte systemrelevant und auf Mandantenkontakt angewiesen. Zudem beginne die Fünf-Tages-Frist für die kohortenisolierten Schüler bereits ab der Testabnahme zu laufen. Es sei davon auszugehen, dass dies bereits am 03.12.2020 erfolgt sei.
Am 09.12.2020 beantragt das Landratsamt … für den Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
II.
1. Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus Gründen nötig erscheint. Erforderlich ist für einen Erfolg des Antrags, dass der Antragsteller einen materiellen Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Eilbedürftigkeit) gerade im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Anordnungsgrund) glaubhaft machen kann.
Daran gemessen fehlt es nach summarischer Prüfung jedenfalls an einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch.
a) Der Antragsgegner ist nicht verpflichtet, unverzüglich einen Coronatest beim Antragsteller durchzuführen. Das Vorgehen des Landratsamts … folgt in nicht zu beanstandender Weise der maßgeblichen Rechtsgrundlage. Gem. Nrn. 1.4, 2.1.4 und 6.4 der Allgemeinverfügung Isolation vom 02.12.2020 haben sich kohortenisolierte Schüler nach der Mitteilung des Gesundheitsamts umgehend in häusliche Isolation zu begeben. Diese endet, wenn nach einem frühestens fünf Tage nach Vorlage des positiven Testergebnisses des Mitschülers vorgenommenen PCR-Test ein negatives Ergebnis vorliegt.
Mit dieser Regelung werden u.U. schwierige Einzelfallprüfungen der möglichen Übertragungssituationen im Klassenzimmer zugunsten einer pauschalisierten Regelung vermieden, dafür profitieren die Betroffenen aber von der Privilegierung einer verkürzten Quarantäne mit „Freitestmöglichkeit“. Dass mit dem „Vorliegen“ des Testergebnisses die Mitteilung des Laborergebnisses an das Gesundheitsamt und nicht etwa die Testabnahme gemeint ist, erschließt sich denknotwendig, da bei Testabnahme noch gar kein Ergebnis existiert, das „vorliegen“ könnte. Die Berechnung der Fünf-Tages-Frist ist demnach zutreffend ab dem 07.12.2020 erfolgt, sodass die fünf Tage am 12.12.2020 enden. Da dies ein Samstag ist, ist die Anordnung einer Reihentestung am Montag, den 14.12.2020 unter Einräumung der Möglichkeit, eigenständig bereits am 12.12.2020 einen Test vornehmen zu lassen, in keiner Weise zu beanstanden.
b) Der Antragssteller hat nach den konkreten Umständen des Einzelfalls keinen hilfsweisen Anspruch darauf, die Quarantäne vor Ablauf der Fünf-Tages-Frist zu verlassen, um eigenständig einen Corona-Test vornehmen zu lassen. Ein Anspruch auf Testung besteht schon gem. § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 4 der Verordnung zum Anspruch auf Testung in Bezug auf einen direkten Erregernachweis des Coronavirus SARS-CoV-2 (Coronavirus-Testverordnung vom 30.11.2020 – TestV) nur, wenn die Testung zur Verkürzung der Absonderungszeit erfolgt. Insoweit gilt das oben Gesagte. Für einen darüber hinaus gehenden Anspruch ist vorliegend nichts ersichtlich. Insbesondere verleiht die bayerische Teststrategie (https://www.stmgp.bayern.de/coronavirus/bayerische-teststrategie/) jedenfalls dann keinen Anspruch auf jederzeitige freiwillige Testung, wenn im jeweiligen Einzelfall bereits eine konkrete Vorgehensweise des Gesundheitsamts vorgegeben wurde. Soweit die Eltern des Antragstellers Sorge haben, andere Personen, insbesondere im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit anzustecken, sind sie darauf zu verweisen, sich – ggf. auf ärztliche Anordnung – selbst testen zu lassen. In Bezug auf das Ansteckungsrisiko im häuslichen Umfeld sind die Eltern des Antragstellers auf die bekannten Sicherheitsmaßnahmen (vgl. vor allem Anlage A 2 zum Eilantrag) zu verweisen. Dasselbe gilt für den Großvater des Antragstellers. Zudem hat das Gesundheitsamt klargestellt, dass eine vorgezogene Testung keinesfalls ausgeschlossen wäre, würde der Antragsteller COVID-19-typische Symptome entwickeln. Über den ggf. die Quarantäne beendenden Test hinaus einen weiteren Test bereits während der Quarantäne zu absolvieren, und dafür die Quarantäne kurzzeitig auszusetzen, erscheint daher nicht geboten. Zudem wäre die Zeitersparnis bei einer sofortigen Durchführung eines zusätzlichen Coronatests bestenfalls eine geringe, da bereits am 12.12.2020 der Antragsteller ohnehin die Befugnis hat, für einen Coronatest seine Quarantäne zu verlassen. Es ist dem Antragsteller und seinen Eltern daher zuzumuten, die verbleibenden drei Tage abzuwarten.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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