Aktenzeichen M 8 S 21.4615
VwZVG Art. 31, 36, 37
Leitsatz
Tenor
I. Die Verfahren M 8 S 21.4615 und M 8 S 21.6352 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
III. Die Anträge werden abgelehnt.
IV. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Der Streitwert wird im Verfahren M 8 S 21.4615 auf 225,– EUR und im Verfahren M 8 S 21.6352 auf 337,50 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Juli 2021, mit dem ihr erneute (zweite) Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 900,00 EUR angedroht werden (M 8 S 21.4615) sowie gegen einen weiteren Bescheid vom 9. November 2021, mit dem ihr erneute (dritte) Zwangsgelder in Höhe von insgesamt 1.350,00 EUR angedroht werden (M 8 S 21.6352). Sie begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen (M 8 K 21.4606 und M 8 K 21.6353).
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Anwesens … straße 8, Fl.Nr. …, Gem. … … …
Am 14. Oktober 2020 wurde durch die Berufsfeuerwehr … in dem vorgenannten Anwesen eine Feuerbeschau durchgeführt, bei der Mängel festgestellt wurden.
Mit Bescheid vom 1. März 2021, der Antragstellerin zugestellt per Einschreiben am 24. März 2021, wurde sie aufgefordert, im Durchgang (erweiterter Treppenraum) des Vordergebäudes im Anwesen …str. 8 einen Zeitungsstapel zu entfernen (I.1.), im Treppenraum (Dachgeschoss) des Rückgebäudes drei Elektrokoch-/Backöfen, drei Koffer, drei Kartons, einen Sack Erde, vier gefüllte Plastikbeutel, einen Kunststoffpflanztrog, ein Skateboard und ein Paar Inlineskater zu entfernen (I.2.), die feuerhemmenden Türen im Treppenraum des Vordergebäudes zum Kellergeschoss und zum Dachgeschoss nachzubessern (I.3.) und den Zugang vom erweiterten Treppenraum des Rückgebäudes in den zweiten Hinterhof zur dortigen Notleiter unversperrt zu halten (I.4.). Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung (als Frist wurde eine Woche ab Bestandskraft des Bescheides gesetzt) wurden Zwangsgelder angedroht (I.1.: 50,00 EUR, I.2.: 50,00 EUR je Mangel, I.3.: 100,00 EUR, I.4.: 250,00 EUR).
Bei einer weiteren Nachschau am 10. Mai 2021 wurde festgestellt, dass die Antragstellerin der Aufforderung nicht nachgekommen war.
Mit Schreiben vom 7. Juli 2021 erklärte der Bevollmächtigte der Antragstellerin, dass er in der Sache zuständig sei. Er habe festgestellt, dass ohne örtliche Begleitung die Arbeiten nicht bzw. höchst mangelhaft ausgeführt worden seien. Für Anfang August seien die Aufträge zur Beseitigung aller baulichen Mängel erteilt worden. Aufgrund seiner schweren Erkrankung sei eine frühere Erledigung nicht möglich gewesen. Dem Schreiben war eine ärztliche Bescheinigung von Dr. … vom 21. April 2021 beigefügt, wonach der Bevollmächtigte der Antragstellerin bis Ende Juli 2021 jeden Kontakt vermeiden müsse.
Mit Bescheid vom 27. Juli 2021 drohte die Antragsgegnerin der Antragstellerin für den Fall, dass diese der bestandskräftigen Anordnung vom 1. März 2021 nicht bis zum 31. August 2021 vollständig Folge leiste, erneute (zweite) Zwangsgelder an, nämlich in Bezug auf Nr. I.1. und I.2. jeweils 100,00,- EUR, betreffend Nr. I.3. 200,00 EUR und hinsichtlich Nr. I.4. 500,00 EUR. Die erneute Zwangsgeldandrohung sei erforderlich, um die Antragstellerin zur vollständigen Erfüllung der aufgegebenen Verpflichtung anzuhalten. Hieran vermöge auch die Erkrankung ihres Bevollmächtigten, welchem die Verwaltung des Objektes obliege, grundsätzlich nichts zu ändern. Die Antragstellerin sei als Eigentümerin Zustandsverantwortliche und ebenfalls für die Beseitigung der Mängel verantwortlich. Bei der Fristsetzung seien sowohl der zur Durchführung der Maßnahmen erforderliche Zeitaufwand als auch die Dringlichkeit der Mängelbeseitigung berücksichtigt worden. Die Höhe der angedrohten Zwangsgelder sei in Anbetracht der Gefährdung der Personen und Sachwerte, dem wirtschaftlichen Interesse, das die Antragstellerin aus der Belassung des Zustandes ziehen könne sowie der andauernden Pflichtverletzung angemessen. Dem Bescheid lag eine Zahlungsaufforderung über das mit Bescheid vom 1. März 2021 angedrohte (erste) Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 450,00 EUR bei.
Der Bescheid wurde der Antragstellerin am 30. Juli 2021 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
Mit Schreiben vom 30. August 2021, bei Gericht per Telefax eingegangen am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Namen der Antragstellerin „Klage gegen den Bescheid vom 27. Juli 2021, insgesamt“ und „Feststellungsklage“ (M 8 K 21.4606). Weiterhin beantragte er mit Schreiben vom 30. Oktober 2021, da sämtliche Mängel seit langem behoben seien, die Bescheide und Kostenrechnungen der Antragsgegnerin in dieser Sache als unbegründet und dementsprechend nichtig vollständig zurückzuweisen und aufzuheben. Über die Klage ist noch nicht entschieden. Weiterhin stellte er im Verfahren M 8 S 21.4615 einen
Antrag auf aufschiebende Wirkung.
Die Begründung von Klage und Antrag wurde zum 15. Dezember 2021 angekündigt, erfolgte jedoch nicht.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die Klage mangels Vorlage einer Vollmacht bereits unzulässig sei. Darüber hinaus sei die streitgegenständliche Zwangsgeldandrohung rechtmäßig. Es liegt ein wirksamer Grundverwaltungsakt mit vollstreckungsfähigem Inhalt vor. Da die Antragstellerin ihrer Handlungspflicht aus dem bestandskräftigen Grundverwaltungsakt nicht nachgekommen und die erstmalige Androhung eines Zwangsgeldes erfolglos geblieben sei, habe die Antragsgegnerin eine erneute Zwangsgeldandrohung unter angemessener Fristsetzung erlassen. Die angeordneten Maßnahmen bedürften keiner gesteigerten Fachkunde, die eine besondere Planung bzw. Beauftragung und eine Begleitung bei der Begehung notwendig gemacht hätten. Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds sei rechtmäßig, die Anordnung sei verhältnismäßig.
Am 27. Oktober 2021 führte die Antragsgegnerin eine weitere Feuerbeschau durch. Dabei wurde festgestellt, dass die Antragstellerin der Aufforderung zur Behebung der Mängel noch nicht vollständig nachgekommen war.
Mit weiterem Bescheid vom 9. November 2021 drohte die Antragsgegnerin ein erneutes (drittes) Zwangsgeld in Höhe von 350,00 EUR in Bezug auf Nr. I.3. (mit der Einschränkung, dass nur noch die Tür im Treppenraum des Vordergebäudes zum Dachgeschoss nachzubessern ist) und in Höhe von 1.000,00 EUR in Bezug auf Nr. I. 4. der Anordnung vom 1. März 2021 unter Fristsetzung bis zum 17. Dezember 2021 an (Ziffern 1. a und b). Die erneute Zwangsgeldandrohung sei erforderlich, um die Antragstellerin zur vollständigen Erfüllung der aufgegebenen Verpflichtung anzuhalten. Es bestünde ein öffentliches Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Zustände. Hieran vermöge auch die Erkrankung des Bevollmächtigten der Antragstellerin grundsätzlich nichts zu ändern. Sie sei als Eigentümerin für die Beseitigung der Mängel verantwortlich. Höhe und Frist der angedrohten Zwangsgelder seien angemessen, zumal die Behebung der betrieblichen Mängel mehrfach zugesichert worden sei. Dem Bescheid lag eine Zahlungsaufforderung über einen Teil des mit Bescheid vom 27. Juli 2021 angedrohten (zweite) Zwangsgelds in Höhe von insgesamt 700,00 EUR bei.
Der Bescheid vom 9. November 2021 wurde der Antragstellerin mit Postzustellungsurkunde am 11. November 2021 zugestellt.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 2021, bei Gericht per Telefax eingegangen am selben Tag, erhob der Bevollmächtigte der Antragstellerin im Namen der Antragstellerin „Klage gegen den Bescheid vom 9. November 2021, insgesamt“ wozu auch die Fälligstellung des Zwangsgeldes aus dem Bescheid vom 27. Juli 2021 gehöre und „Feststellungsklage“ (M 8 K 21.6353). Über die Klage ist noch nicht entschieden. Weiterhin stellte er im Verfahren M 8 S 21.3652 einen
Antrag auf aufschiebende Wirkung.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (auch in den Verfahren M 8 K 21.4606 und M 8 K 21.6353) und der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Das Gericht konnte gemäß § 93 VwGO die beiden anhängigen Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz zur gemeinsamen Entscheidung verbinden, da die Vollstreckungsmaßnahmen in Verbindung stehen und der Durchsetzung desselben Grundverwaltungsakts dienen.
1. Der zulässige Antrag im Verfahren M 8 S 21.4615 hat in der Sache keinen Erfolg.
1.1. Der Antrag war – entsprechend seinem eindeutigen Wortlaut – gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage vom 30. August 2021 (M 8 K 21.4606) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Juli 2021 (Androhung des zweiten Zwangsgelds) begehrt wird. Gegenstand der Anfechtungsklage und des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist bei verständiger Würdigung des Rechtsschutzziels die erneute (zweite) Androhung eines Zwangsgeldes (sowie die mit der Androhung verbundene Gebührenfestsetzung als Nebenentscheidung zur Sachentscheidung).
Gegen die Fälligkeitsmitteilung bzw. Zahlungsaufforderung (Schreiben vom 27. Juli 2021, Fälligkeit des ersten Zwangsgelds), welche selbst kein Verwaltungsakt ist, kann nicht mit der Anfechtungsklage, sondern nur mit einer Feststellungsklage (§ 43 VwGO) vorgegangen werden (vgl. VG München, B.v. 30.3.2015 – M 8 S 15.261 – juris). Zwar hat die Antragstellerin ausdrücklich auch Feststellungsklage erhoben. Für vorläufigen Rechtsschutz hinsichtlich dieser Feststellungsklage – mit dem Ziel der einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung – wäre ein Antrag nach § 123 VwGO, wonach das Gericht eine einstweilige Anordnung treffen soll, statthaft. Ein solches Begehr lässt sich dem Schreiben der Antragstellerin vom 30. August 2021 jedoch nicht entnehmen.
1.2. Der so ausgelegte Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist zulässig.
Der Antrag ist statthaft. Die Anfechtungsklage hat nicht bereits gem. § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung, denn die Androhung eines (erneuten) Zwangsgeldes ist eine Maßnahme der Verwaltungsvollstreckung. Derartige Maßnahmen sind gem. Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO). In einem solchen Fall kann die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gem. Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 21a Satz 2 VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO beim Gericht der Hauptsache beantragt werden.
Überdies kann der Ehemann der Antragstellerin diese vor dem Verwaltungsgericht vertreten, § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 1. Alt VwGO. Eine entsprechende, umfassende (General-)Vollmacht wurde mit Schreiben vom 30. Oktober 2021 zu den Gerichtsakten (M 8 K 21.4606) gegeben, § 67 Abs. 6 Sätze 1 und 2 VwGO. Die schriftliche Vollmacht kann grundsätzlich bis zum Erlass eines Prozessurteils bzw. eines den Antrag als unzulässig ablehnenden Beschlusses nachgereicht werden (vgl. Hartung/Schramm in: BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand: 1.10.2021, § 67 Rn. 71).
1.3. Der Antrag ist unbegründet.
1.3.1. Im Rahmen einer Entscheidung über einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO trifft das Gericht ausschließlich eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen (vgl. Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 88). Dabei stehen sich das Suspensivinteresse der Antragstellerin und das Interesse insbesondere der Antragsgegnerin, den Verwaltungsakt sofort vollziehen zu können, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Hoppe, a.a.O., § 80 Rn. 85 ff.). Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten der Antragstellerin aus, erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt also nach summarischer Prüfung ihr gegenüber als rechtswidrig, besteht in der Regel kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Hat dagegen die Anfechtungsklage mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18). Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011, a.a.O.).
Daran gemessen kommt vorliegend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 30. August 2021 (M 8 K 21.4606) nicht in Betracht. Aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der angefochtenen (zweiten) Zwangsgeldandrohung vom 27. Juli 2021 keine rechtlichen Bedenken. Daher überwiegt das gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG kraft Gesetzes bestehende und allein deshalb ein nicht unerhebliches Gewicht aufweisende (vgl. BayVGH, B.v. 6.2.2019 – 15 CS 18.2459 – juris Rn. 27) Interesse an der sofortigen Vollziehung der Zwangsgeldandrohung das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin.
1.3.2. Gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 3 BayVwZVG kann – soweit (wie hier) die (erneute) Androhung des Zwangsmittels nicht mit dem zugrundeliegenden, also dem durchzusetzenden Verwaltungsakt verbunden und dieser unanfechtbar geworden ist – die Androhung der Zwangsmittel nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Eine selbständige Rechtsverletzung durch die erneute (zweite) Zwangsgeldandrohung vom 27. Juli 2021 ist vorliegend bei summarischer Prüfung allerdings nicht erkennbar. Die Zwangsgeldandrohung kann sich vielmehr in rechtmäßiger Weise auf Art. 37 Abs. 1, Art. 36, Art. 31 und Art. 19 VwZVG stützen.
Verwaltungsakte können vollstreckt werden, wenn die allgemeinen und die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen (letztere betreffen das jeweils gewählte Zwangsmittel) gegeben sind und keine Vollstreckungshindernisse vorliegen. Ob der Grundverwaltungsakt, also die Pflicht, die durchgesetzt werden soll, – hier die Beseitigung der bei der Feuerbeschau vom 14. Oktober 2020 festgestellten Mängel (Ziffern I.1 – I.4 des Bescheids vom 1. März 2021) – rechtmäßig ist, also die Erfüllung der Pflicht zu Recht von dem Pflichtigen gefordert werden darf, spielt dagegen im Vollstreckungsverfahren grundsätzlich keine Rolle. Entscheidend ist allein, dass der der Vollstreckung zugrundeliegende Verwaltungsakt wirksam (Art. 43 BayVwVfG) und vollstreckbar ist (Art. 19 Abs. 1 VwZVG).
An der Wirksamkeit des Verwaltungsakts bestehen vorliegend keine Zweifel. Gemäß Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. Der zu vollstreckende Verwaltungsakt (Anordnung vom 1. März 2021) wurde (laut einem sich in den Akten befindlichen Zustellnachweis für Einschreiben) der Antragstellerin am 24. März 2021 zugestellt.
Für eine von der Antragstellerin behauptete Nichtigkeit des Verwaltungsakts (Art. 44 BayVwVfG) fehlen jegliche Anhaltspunkte. Ein Verwaltungsakt wird insbesondere – entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten der Antragstellerin – nicht dadurch nichtig, dass die dem Pflichtigen aufgegebene Anordnung befolgt wird. Er bleibt vielmehr wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist, Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG.
Da gegen die Anordnung vom 1. März 2021, welche am 24. März 2021 zugestellt wurde, keine Klage erhoben wurde, ist diese zwischenzeitlich bestandskräftig bzw. unanfechtbar und damit vollstreckbar geworden (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG).
Gemäß Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Jedoch ist erst dann, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels (hier die erstmalige Androhung eines Zwangsgelds im Bescheid vom 1. März 2021) erfolglos geblieben ist, die Androhung eines weiteren Zwangsgelds zulässig, Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG.
Dies bedeutet aber nicht, dass ein weiteres Zwangsgeld erst dann angedroht werden darf, wenn das vorher festgesetzte Zwangsgeld bezahlt bzw. beigetrieben oder ein Beitreibungsversuch gemacht worden ist. Die Zwangsvollstreckungsbehörde muss vielmehr nur abwarten, dass das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden und die frühere Androhung ohne Erfolg geblieben ist (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2002 – 20 ZB 02.1265 – juris Rn. 7 m.w.N.). Fällig im Sinne von Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG wird ein angedrohtes Zwangsgeld, wenn während der Erfüllungsfrist im Sinne von Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG bzw., sofern es eine solche nicht gibt, bereits bei Erlass der Zwangsgeldandrohung alle Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen und bei Ablauf der Erfüllungsfrist die durch die Grundverfügung auferlegte Pflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt ist (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 VwZVG) (vgl. BayVGH, B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – juris Rn. 14 und 15; B.v. 24.2.2005 – 1 ZB 04.276 – juris Rn. 42). Die Erfüllung der ihm auferlegten Pflicht muss dem Verpflichteten im maßgeblichen Zeitraum objektiv möglich sein (vgl. BayVGH, B.v. 3.4.2014 – 20 CS 14.631 – juris Rn. 23).
Anhaltspunkte dafür, dass das mit Bescheid vom 1. März 2021 angedrohte (erste) Zwangsgeld von insgesamt 450,00 Euro nicht fällig geworden ist, sind bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich. Die Antragstellerin hat die ihr mit Bescheid vom 1. März 2021 auferlegte Pflichten, die bei der Feuerbeschau beanstandeten Mängel (I.1 – I.4. des Bescheids) zu beseitigen, nach summarischer Prüfung innerhalb der ihr gesetzten Frist (innerhalb einer Woche ab Bestandskraft des Bescheids, also bis zum Ablauf des 3. Mai 2021) nicht erfüllt.
Laut den Verfahrensakten der Antragsgegnerin wurde bei einer Nachschau am 10. Mai 2021 festgestellt, dass die Antragstellerin der Aufforderung zur Mängelbeseitigung nicht nachgekommen war (Bl. 33 d.A.). Im Schreiben vom 7. Juli 2021 gab der Bevollmächtigte der Antragstellerin ferner an, dass ohne örtliche Begleitung die Arbeiten nicht bzw. höchst mangelhaft ausgeführt worden waren. Erst bei einer weiteren Feuerbeschau am 27. Oktober 2021 (Bl. 90 d.A.) wurde festgestellt, dass den Anordnungen in Ziffer I.1. (Entfernung Zeitungsstapel) und I.2. (Entfernung von drei Elektrokoch-/Backöfen und weiteren Gegenständen) des Verwaltungsakts vom 1. März 2021 Folge geleistet worden war. Anhaltspunkte dafür, dass diese Mängelbeseitigung vor Erlass der zweiten Zwangsgeldandrohung am 27. Juli 2021 erfolgt war, ergeben sich weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus den vorgelegten Behördenakten.
Die Erfüllung der ihr auferlegten Pflicht war der Antragstellerin innerhalb der gesetzten Frist (bis zum 31. August 2021) auch objektiv möglich. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Erfüllung dem Bevollmächtigten der Antragstellerin im vorgenannten Zeitraum subjektiv möglich war. Die Zustandsverantwortlichkeit ist als öffentlich-rechtliche Pflicht nicht mit befreiender Wirkung auf einen Dritten übertragbar (allgemeiner sicherheitsrechtlicher Grundsatz, vgl. etwa Lindner in: Möstl/Schwabenbauer, BeckOK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand: 1.9.2021, Art. 8 PAG Rn. 25). Es hätte der Antragstellerin vielmehr oblegen, bei Verhinderung ihres Bevollmächtigten in anderer Weise für die Befolgung der ihr auferlegten Pflichten Sorge zu tragen. Insoweit kann sie nicht mit dem Einwand durchdringen, dass ihr Bevollmächtigter innerhalb der Frist erkrankt war. Auf die vorgelegte ärztliche Bescheinigung kann es daher nicht ankommen.
Überdies sind weder die Höhe des Zwangsgeldes noch die gesetzte Frist zu beanstanden. Nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens 15,- EUR und (grundsätzlich, Art. 31 Abs. 2 Satz 3 VwZVG) höchstens 50.000,- EUR. Nach Satz 2 dieser Norm soll das Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen, wobei nach Satz 4 der Vorschrift das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen nach pflichtgemäßem Ermessen zu schätzen ist. Angesichts der betroffenen Rechtsgüter – Leben und Unversehrtheit der Gesundheit der Bewohner des streitgegenständlichen Anwesens – ist das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 900,00 EUR nicht ansatzweise zu beanstanden. Gleiches gilt – insbesondere angesichts des seit der ersten Mängelrüge verstrichenen Zeitraums und des vergleichsweise geringen Aufwands zur Erfüllung des Auferlegten – für die gesetzte Frist bis zum 31. August 2021 (etwa ein Monat) für die Erfüllung der Verpflichtung (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG).
Die Zwangsgeldandrohung wurde auch entsprechend Art. 37 Abs. 2 Satz 1 VwZVG zugestellt.
2. Der zulässige Antrag im Verfahren M 8 S 21.6352 hat in der Sache ebenfalls keinen Erfolg.
2.1. Auch dieser Antrag war – entsprechend seinem eindeutigen Wortlaut und bei verständiger Würdigung des Rechtsschutzziels – gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass hier die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage vom 9. Dezember 2021 (M 8 K 21.6353) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. November 2021 (dritte Androhung eines Zwangsgeldes) begehrt wird. Zwar hat die Antragstellerin auch im Verfahren M 8 K 21.6353 ausdrücklich neben der Anfechtungsklage eine Feststellungsklage erhoben. Dass auch die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 123 VwGO) in Bezug auf die Fälligkeitsmitteilung bzw. Zahlungsaufforderung vom 9. November 2021 (Fälligkeit des zweiten Zwangsgelds) begehrt wird, lässt sich jedoch dem Schreiben der Antragstellerin vom 9. Dezember 2021 nicht entnehmen.
2.2. Der so ausgelegte Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO ist zulässig. Insbesondere liegt im Parallelverfahren (M 8 S 21.4615) eine (General-)Vollmacht vom 28. Januar 2020 vor (s.o.), die dem Bevollmächtigten der Antragstellerin umfassende Vertretungsbefugnis – auch für das streitgegenständliche Verfahren – einräumt, § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 1. Alt VwGO.
2.3. Der Antrag ist unbegründet. Die Anfechtungsklage vom 9. Dezember 2021 (M 8 K 21.6353) gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 9. November 2021 wird voraussichtlich keinen Erfolg haben. Aufgrund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage bestehen in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der (dritten) Zwangsgeldandrohung keine rechtlichen Bedenken. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage kommt daher nicht in Betracht, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO i.V.m. § 113 Abs. 1 VwGO.
2.3.1. Auch die wiederholte (dritte) Zwangsgeldandrohung kann sich in rechtmäßiger Weise auf Art. 37 Abs. 1, Art. 36, Art. 31 und Art. 19 VwZVG stützen. Sie wurde ferner entsprechend Art. 37 Abs. 2 Satz 1 VwZVG zugestellt.
Die vorangegangene Androhung des (zweiten) Zwangsgelds vom 27. Juli 2021 ist hinsichtlich der Befolgung von Nr. I.3. und Nr. I. 4. der bestandskräftigen Grundverfügung vom 1. März 2021 (in Bezug auf Nr. I. 3. mit der Einschränkung, dass nur noch die Tür im Treppenraum des Vordergebäudes zum Dachgeschoss nachzubessern ist) ohne Erfolg geblieben. Die Antragstellerin hat innerhalb der ihr gesetzten Frist – bis zum 31. August 2021 – nicht alle Anordnungen der Grundverfügung umgesetzt. Dies ergibt sich nach summarischer Prüfung aus den vorgelegten Behördenakten (vgl. Niederschrift über die im streitgegenständlichen Anwesen durchgeführte Feuerbeschau vom 27. Oktober 2021, Bl. 90 d.A.). Die Befolgung der Anordnung war der Antragstellerin innerhalb der Frist auch möglich, auf eine etwaige Verhinderung ihres Bevollmächtigten kommt es auch insoweit nicht an (vgl. oben). Anhaltspunkte dafür, dass das mit Bescheid vom 27. Juli 2021 angedrohte (zweite) Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 700,00 Euro nicht fällig geworden ist, sind bei summarischer Prüfung nicht ersichtlich.
Gemessen an den oben dargestellten Grundsätzen sind auch die Höhe des angedrohten Zwangsgelds (insgesamt 1.350,00 EUR) und die gesetzte Frist (bis zum 17. Dezember 2021, also etwa fünf Wochen) nicht im mindesten zu beanstanden.
3. Rein vorsorglich weist das Gericht darauf hin, dass angesichts der bereits erfolgten dritten Zwangsgeldandrohung vom 9. November 2021 eine weitere Zwangsgeldandrohung nicht in Betracht kommen dürfte (vgl. die neuere Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, B.v. 27.8.2020 – 2 CS 20.1199, BayVBl 2020, 776) und die Antragsgegnerin bei Nichterfüllung der auferlegten Pflicht ein anderes Mittel zu deren Durchsetzung heranziehen müsste (etwa Ersatzvornahme, Art. 32 VwZVG).
Weiterhin weist das Gericht rein vorsorglich darauf hin, dass die Anwendung der Zwangsmittel einzustellen ist, sobald der Pflichtige seiner Verpflichtung nachkommt (Art. 37 Abs. 4 Satz 1 VwZVG). Da die Voraussetzungen des Art. 37 Abs. 4 Satz 2 VwZVG (Zuwiderhandlung einer Duldungsoder Unterlassungspflicht) nicht vorliegen, kann ein zwar bereits fällig gewordenes, aber noch nicht beigetriebenes Zwangsgeld in diesem Fall nicht mehr beigetrieben werden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung der Streitwerte beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.