Verwaltungsrecht

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Gewerbeuntersagung

Aktenzeichen  M 16 S 19.3457

Datum:
26.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 25530
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1
KG Art. 1, Art. 5, Art. 6
VwGO § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

Wird die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Festsetzung einer mit einer Sachentscheidung verbundenen Kostenentscheidung begehrt, prüft das Gericht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht inzident auch die Rechtmäßigkeit der Sachentscheidung, sondern beschränkt sich auf rein gebührenrechtliche Fragen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Juni 2019. Darin werden dem Antragsteller die Ausübung seines Gewerbes (Nr. 1 des Bescheidstenors) sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter einer Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person und die Ausübung jeglicher selbständigen gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe untersagt (Nr. 2 des Bescheidstenors; erweiterte Gewerbeuntersagung). Der Antragsteller hat seine Tätigkeit spätestens 10 Tage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen (Nr. 3 des Bescheidstenors). Für den Fall, dass der Antragsteller dieser Verpflichtung nicht nachkommt, wird ihm die Verhinderung der weiteren Ausübung seines Gewerbes durch Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs angedroht (Nr. 4 des Bescheidstenors). Die Verwaltungsgebühr wurde auf 450 Euro festgesetzt, Auslagen wurden in Höhe von 4,98 Euro geltend gemacht (Nr. 5 des Bescheidstenors).
Gegen diesen, ihm am 22. Juni 2019 zugestellten Bescheid hat der Antragsteller am 22. Juli 2019 Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen M 16 K 19.3456 anhängig ist. Gleichzeitig beantragt er im gegenständlichen Verfahren,
die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage gegen den Gewerbeuntersagungsbescheid vom 18. Juni 2019 anzuordnen.
Das Gericht hat bereits mit der Erstzustellung darauf hingewiesen, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht zulässig ist, weil die Klage aufschiebende Wirkung hat. Auch die Antragsgegnerin hat auf diesen Umstand hingewiesen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakte der Antragsgegnerin verwiesen.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung und/oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Gewerbeuntersagungsbescheid der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg.
1. Soweit es die Verfügungen in Nr. 1 und Nr. 2 des angefochtenen Bescheids betrifft, ist der Antrag auf Wiederherstellung und/oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht statthaft.
Nach § 80 Abs. 1 VwGO hat die Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese entfällt nur in den in § 80 Abs. 2 VwGO genannten Fällen, von denen im Hinblick auf die Verfügungen in Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheidstenors keiner vorliegt. Insbesondere hat die Antragsgegnerin nicht die sofortige Vollziehung angeordnet. Aus der Fristsetzung in Nr. 3 des Bescheidstenors ergibt sich nichts anderes, weil diese auf die Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung abstellt. Mangels (sofort) vollziehbaren Verwaltungsakts ist der Antrag des Antragstellers nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Verfügungen in Nr. 1 und Nr. 2 des Bescheidstenors deshalb nicht statthaft.
2. Im Hinblick auf die Androhung des unmittelbaren Zwangs in Nr. 4 des Bescheidstenors fehlt es dem Antragsteller am Rechtsschutzinteresse.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung sind nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG zwar von Gesetz wegen sofort vollziehbar. (Grund-) Verwaltungsakte können aber erst vollstreckt werden, wenn sie vollziehbar sind (vgl. Art. 19 VwZVG). Da aber die Anfechtungsklage des Antragstellers gegen die zu vollstreckenden Untersagungsverfügungen aufschiebende Wirkung hat, fehlt es derzeit an der Vollstreckungsvoraussetzung eines vollziehbaren Grundverwaltungsakts. Es ist deshalb nicht zu besorgen, dass die Antragsgegnerin vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung oder ohne vorherige Anordnung des Sofortvollzugs Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung ergreift.
3. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat auch keinen Erfolg, soweit er die Kostenentscheidung der Antragsgegnerin in Nr. 5 des Bescheidstenors betrifft.
Nach § 80 Abs. 2 Satz Nr. 1 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung u.a. bei der Anforderung von öffentlichen Kosten; hierunter fallen öffentlich-rechtliche Gebühren und Auslagen, die in einem förmlichen Verwaltungsverfahren nach den Vorschriften des Verwaltungskostenrechts (hier: Kostengesetz) auferlegt werden.
a) Es bestehen bereits Zweifel an der Zulässigkeit des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Gewerbeuntersagungsbescheid, soweit er die Kostenentscheidung der Antragsgegnerin in Nr. 5 des Bescheidstenors betrifft. Denn nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat. Dass dies hier der Fall gewesen wäre, ist ebenso wenig ersichtlich wie das Vorliegen einer der Voraussetzungen des § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO.
b) Davon abgesehen hat der Antrag hinsichtlich der Kostenentscheidung auch in der Sache keinen Erfolg.
aa) Ob eine Klage gegen die mit der Sachentscheidung verbundene Kostenentscheidung auch in Bezug auf die Kostenentscheidung aufschiebende Wirkung hat, bedarf keiner Klärung (vgl. zum Meinungsstand Schoch in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Februar 2019, § 80 Rn. 140 ff. m.w.N.). Wird die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Festsetzung einer mit einer Sachentscheidung verbundenen Kostenentscheidung begehrt, wie sie hier vorliegt, prüft das Gericht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren jedenfalls nicht inzident auch die Rechtmäßigkeit der Sachentscheidung, sondern beschränkt sich auf rein gebührenrechtliche Fragen (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage 2018, § 80 Rn. 141a m.w.N.).
Daran gemessen kommt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Kostenentscheidung der Antragsgegnerin nicht in Betracht, weil die Kostenentscheidung der Antragsgegnerin offensichtlich rechtmäßig ist. Insbesondere ist die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 450 Euro anhand des Gebührenrahmens von 50 bis 2.000 Euro vorliegend ermessensgerecht (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und 3, Art 5, Art 6 Abs. 1 und 2 KG i.V.m. Tarif-Nr. 5.III.5/15 KVz).
bb) Von Vorstehendem abgesehen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Hauptsacheentscheidung der Antragsgegnerin, die die Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung sonst in Frage stellen könnten.
Nach Aktenlage wurde der Kläger als Geschäftsführer einer GmbH rechtskräftig strafrechtlich wegen „vorsätzlicher Insolvenzverschleppung in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Bankrott in 2 Fällen“ verurteilt. Diese Straftat steht im Zusammenhang mit einer gewerblichen Betätigung. Zudem war der Kläger nach Aktenlage im Schuldnerverzeichnis mit dem Vermerk, „Gläubigerbefriedigung ausgeschlossen“, eingetragen. Diese Umstände erlauben aller Voraussicht nach die im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des angefochten Bescheids getroffene Prognose der Antragsgegnerin, der Antragsteller werde sein Gewerbe nicht ordnungsgemäß ausüben. Dass die Gewerbeuntersagung auf die in Nr. 2 des Bescheidstenors genannten Tätigkeiten erstreckt wurde, ist aller Voraussicht nach ebenso wenig zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 54.2.1 und Nr. 54.2.2 i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.


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