Verwaltungsrecht

Einstweiliger Rechtsschutz, Vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung, Fälligkeitsmitteilung

Aktenzeichen  M 1 E 21.2100

Datum:
25.11.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 38306
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
VwZVG Art. 23
VwZVG Art. 31

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf EUR 1.000 festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des Eilrechtsschutzes die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung.
Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke FlNrn. 1705 und 1711 Gem. …, die im Ausflugsgebiet … liegen und sowohl im Sommer als auch im Winter hauptsächlich touristisch genutzt werden. Im Zuge einer Baukontrolle vom 8. Februar 2021 stellte das zuständige Landratsamt fest (Bl. 3 d. Behördenakten – BA), dass an der südwestlichen Almzufahrt des Grundstücks FlNr. 1705 eine doppelseitige Schrankenanlage errichtet wird, unter der Schneedecke ein Parkplatz mit ca. 2.000 m² abgeschoben und errichtet wird sowie auf dem Grundstück FlNr. 1711 ebenfalls ein Parkplatz mit ca. 1.600 m² abgeschoben wird.
Daraufhin sprach das Landratsamt dem Antragsteller gegenüber eine mündliche Baueinstellung aus.
Mit Bescheid vom 9. Februar 2021 bestätigte das Landratsamt die mündliche Baueinstellung (Nr. 1 des Bescheids) unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Nr. 5) und Androhung eines Zwangsgelds in Höhe von 2.000 EUR für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnung (Nr. 3) und ordnete an, dass weitere Bauarbeiten eingestellt bleiben. Dagegen erhob der Antragsteller mit am *. März 2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten Klage, die Gegenstand des Verfahrens M 1 K 21.1278 ist und über die noch nicht entschieden ist.
Am 22. Februar 2021 fand erneut eine Baukontrolle durch das Landratsamt statt. Dabei wurde festgestellt (Bl. 15 ff. d. BA), dass die doppelseitige Schrankenanlage auf dem Grundstück FlNr. 1705 mittlerweile montiert, elektrisch angeschlossen und mit einem Ticketautomat versehen worden war. Auf dem Grundstück FlNr. 1711 befanden sich einige Ladungen Teerfräsgut, und ein Parkschild war am nebenliegenden Telefonmast montiert worden.
Mit Schreiben vom 23. Februar 2021 stellte das Landratsamt das im Bescheid vom 9. Februar 2021 angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 2.000 EUR fällig und drohte ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 5.000 EUR an. Zur Begründung wurden die bei der Baukontrolle vom 22. Februar 2021 getroffenen Feststellungen angeführt.
Mit Schreiben vom … März 2021 stellte der Antragsteller dem Antragsgegner in Aussicht, gegen einstweilige Stornierung des festgesetzten Zwangsgelds von 2.000 EUR und Aufhebung des Sofortvollzugs der Nutzungsuntersagung einen Bauantrag einzureichen.
Am … März 2021 ließ der Antragsteller beim Verwaltungsgericht München Klage erheben und beantragt, „den Bescheid des Landratsamts Rosenheim vom 23. Februar 2021 – … – aufzuheben“. Die Klage ist Gegenstand des Verfahrens M 1 K 21.1279; über sie ist noch nicht entschieden.
Mit Schreiben vom 12. April 2021 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass das Bußgeldverfahren nicht eingestellt und das festgesetzte Zwangsgeld in Höhe von 2.000 EUR nicht durch Nullsetzung storniert oder die Betreibung ausgesetzt werde und der Sofortvollzug der Nutzungsuntersagung nicht aufgehoben werde.
Mit Schriftsatz vom … April 2021, eingegangen bei Gericht am 16. April 2021, beantragt der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten,
die Vollstreckung des mit Schreiben/Bescheid vom 23.02.2021 des Landratsamts Rosenheim – … – festgesetzten Zwangsgeldes von 2.000 Euro einstweilen bis zur Entscheidung über die gegen den vorgenannten Bescheid erhobene Klage einzustellen.
Es werde auf die Klagebegründung im Verfahren M 1 K 21.1279 Bezug genommen. Der Antragsteller habe der Baueinstellung nicht zuwidergehandelt. Er habe die Einbetonierung der Schrankenanlage nach Hinweis der anwesenden Baukontrolleure am 8. Februar 2021 unverzüglich unterbrochen und auch später keine Einbetonierung vorgenommen. Der Vorwurf des Antragsgegners, der Antragsteller habe die Schrankenanlage montiert und elektrisch angeschlossen, sei nicht vom Baueinstellungsbescheid umfasst. Der Antragsteller habe durch die Montage der Schrankenanlage auf einem Holzpodest nur die von den Baukontrolleuren angemahnte Verkehrssicherungspflicht erfüllt, da der aus der Erdoberfläche herausragende, scharfkantige Schrankenboden nicht hinnehmbar gewesen sei. Er habe auch auf dem Grundstück FlNr. 1711 keine weiteren Ladungen Teerfräsgut abgelagert; dies sei schon vor der ersten Baukontrolle vom 8. Februar 2021 geschehen. Das aufgefundene Parkschild sei nicht neu angebracht, sondern befinde sich dort seit Jahren. Die Androhung eines weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 5.000 EUR stehe zudem außer Verhältnis. Das Vorgehen des Landratsamts sei unangemessen und nicht erforderlich.
Der Antragsgegner beantragt sinngemäß,
den Antrag abzulehnen.
Bei der Baukontrolle vom 22. Februar 2021 habe sich herausgestellt, dass der Antragsteller die Baueinstellung nicht befolge und darüber hinaus die Nutzung der nicht genehmigten Parkplatzanlage aufgenommen habe. Das Zwangsgeld sei erforderlich und in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens auf den im Bescheid tenorierten Betrag festgesetzt worden. Das Zwangsgeld stehe nicht in einem unangemessenen Verhältnis zu dem verfolgten Zweck.
Wegen der weiteren Einzelheiten und dem übrigen Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten, auch in den Verfahren M 1 K 21.1278 und M 1 K 21.1279 Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der gestellte Antrag ist als Antrag auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung hinsichtlich des festgesetzten Zwangsgeldes in Höhe von 2.000 EUR anzusehen, §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO.
Dem Antrag kann indes nicht entnommen werden, dass auch die Androhung weiteren Zwangsgeldes in Höhe von 5.000 EUR Streitgegenstand sein soll. Hierzu hätte ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom *. März 2021 gegen die Nr. 1 des Bescheides vom 23. Februar 2021 gestellt werden müssen. Der rechtskundige Bevollmächtigte des Antragstellers beschränkte seinen Antrag hingegen darauf, dass die Vollstreckung des festgesetzten Zwangsgelds in Höhe von 2.000 EUR einstweilen eingestellt werde. Dieses Verständnis wird auch von der insoweit heranzuziehenden Antragsbegründung (Rennert in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 88 Rn. 8) gestützt, da der Bevollmächtigte des Antragstellers im Wesentlichen auf den Schriftwechsel mit dem zuständigen Landratsamt verweist, mit dem dieses eine einstweilige Stornierung des bereits fällig gestellten Zwangsgeldes ablehnte. Das Antragsbegehren ist demnach einzig darauf gerichtet, unter Verweis auf den durch das fällig gestellte Zwangsgeld einhergehenden Liquiditätsentzug dessen Beitreibung einzustellen.
2. Der so verstandene Antrag, gerichtet auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO mit dem Ziel der vorläufigen Einstellung der Zwangsvollstreckung, ist statthaft (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 26.6.1978 – 856 VII 77 – juris; BayVGH, B.v. 30.11.2005 – 1 CE 05.153 – juris) und auch im Übrigen zulässig.
Die Fälligkeitsmitteilung vom 12. April 2021 ist mangels Regelungswirkung kein Verwaltungsakt i.S.d. Art. 35 BayVwVfG, der mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden könnte. Nach Art. 31 Abs. 3 Satz 2 VwZVG liegt bereits in der Androhung eines bestimmten Zwangsgeldes ein nach Maßgabe des Art. 23 Abs. 1 VwZVG vollstreckbarer, aber aufschiebend bedingter Leistungsbescheid. Kommt der Verpflichtete der mit der Grundverfügung auferlegten Verpflichtung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nicht bis zum Ablauf der Erfüllungsfrist nach, so tritt die Bedingung ein und das angedrohte Zwangsgeld wird kraft Gesetzes zur Zahlung fällig (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG). Die gesetzliche Folge tritt ohne weiteres ein, insbesondere bedarf es keines weiteren Verwaltungsakts der Behörde. Durch die Fälligkeitsmitteilung wird der Betroffene lediglich auf den Bedingungseintritt und die gesetzliche Rechtsfolge hingewiesen. Statthafter Rechtsbehelf gegen die Fälligkeitsmitteilung in der Hauptsache ist daher die Feststellungsklage nach § 43 VwGO (BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris Rn. 46), sodass ein ansonsten nach § 123 Abs. 5 VwGO vorrangiger Eilantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ausscheidet.
3. Der Antrag ist unbegründet.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach Satz 2 der genannten Vorschrift auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Dabei müssen ein Anordnungsgrund und das Bestehen eines Anordnungsanspruchs geltend und die zur Begründung notwendigen Tatsachen glaubhaft gemacht werden (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO).
a) Der Antragsteller hat keinen Anordnungsanspruch auf Einstellung der Zwangsvollstreckung glaubhaft gemacht, da er nach der im Eilverfahren maßgeblichen summarischen Prüfung der Verpflichtung zur Einstellung der Bauarbeiten auf den Grundstücken FlNrn. 1705 und 1711 Gem. … vom 9. Februar 2021 nicht nachgekommen und das mit Bescheid vom 9. Februar 2021 unter Nr. 3 deswegen angedrohte Zwangsgeld damit fällig geworden ist.
Die Zwangsgeldforderung wird fällig (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG), wenn die durch Grundverwaltungsakt auferlegte Pflicht nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG nicht erfüllt ist (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG). Weiter müssen die allgemeinen (Art. 19 VwZVG) und die besonderen (Art. 29 ff. VwZVG) Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sein, und es darf kein Vollstreckungshindernis nach Art. 22 VwZVG vorliegen (BayVGH, B.v. 4.7.2012 – 22 ZB 12.204 – juris Rn. 12; B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – juris Rn. 14 f.). Die allgemeinen (vgl. unten aa)) und besonderen (bb)) Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor, Vollstreckungshindernisse bestehen keine, und der Antragsteller hat die ihm auferlegte Verpflichtung im Bescheid vom 9. Februar 2021 nicht erfüllt (cc)).
aa) Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen, Art. 19 VwZVG, liegen vor. Die mit Bescheid vom 9. Februar 2021 verfügte Baueinstellung ist ein wirksamer und vollstreckbarer Verwaltungsakt mit vollstreckungsfähigem Inhalt.
(1) Die Verfügung ist vollstreckbar, weil für die unter Nr. 1 des Bescheids vom 9. Februar 2021 verfügte Baueinstellung unter Nr. 3 die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet wurde, Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG.
(2) Diese Verpflichtung ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch inhaltlich hinreichend bestimmt i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
Ein inhaltlich nicht hinreichend bestimmter Verwaltungsakt ist auch bei Unanfechtbarkeit nicht vollstreckungsfähig (Lemke in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 6 VwVG Rn. 33). Wird dem Adressaten durch den Verwaltungsakt ein Handeln, Dulden oder Unterlassen aufgegeben, muss der Inhalt des Verwaltungsakts so klar, vollständig und unzweideutig erkennbar sein, dass er sein Verhalten danach ausrichten kann. Der Adressat muss in der Lage sein zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist; zum anderen folgt daraus, dass der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein kann (BVerwG, U.v. 2.7.2008 – 7 C 38/07 – juris Rn. 11).
Für eine hinreichende Bestimmtheit eines Verwaltungsakts genügt es, wenn im Wege einer an den Grundsätzen des § 133 BGB und des § 157 BGB orientierten Auslegung Klarheit gewonnen werden kann, wobei der objektive Erklärungswert der behördlichen Regelung zu ermitteln ist, wie er sich aus der Sicht des Adressaten verständigerweise ergibt. Abzustellen ist dabei darauf, ob aus dem gesamten Inhalt des Bescheids und aus dem Gesamtzusammenhang, vor allem auch aus der von der Behörde gegebenen Begründung der Regelung sowie aus den den Beteiligten bekannten näheren Umständen des Falls hinreichende Klarheit gewonnen werden kann (BayVGH, B.v. 13.8.2009 – 22 ZB 07.1835 – juris Rn. 7).
Ausgehend davon genügt die Verfügung vom 9. Februar 2021 den Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Gegenstand des Bescheids ist die schriftliche Bestätigung der am 8. Februar 2021 mündlich angeordneten Baueinstellung. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers beschränkt sich die Baueinstellung nicht auf das Unterlassen der Einbetonierung der Schrankenanlage. Der Bescheid lässt keine Zweifel darüber zu, was Gegenstand der Verpflichtung des Antragstellers ist. Der Tenor in Nr. 1 des Bescheids macht dies unmissverständlich deutlich, nämlich: „Die weiteren Bauarbeiten bleiben eingestellt.“ Die zuständige Behörde ist weder dazu verpflichtet noch in der Lage, sämtliche Bauarbeiten, die der Adressat zu unterlassen hat, aufzuzählen. Gemäß der Bescheidsnr. 1 bezieht sich diese Verpflichtung auf die Grundstücke FlNr. 1705 und FlNr. 1711 Gem. …
bb) Die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen (Art. 29 ff. VwZVG) sind ebenfalls gegeben. Das Zwangsgeld ist ein zulässiges Zwangsmittel zur Vollstreckung eines Verwaltungsakts, mit dem eine Handlung oder Unterlassung gefordert wird (Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 VwZVG). Im Bescheid vom 9. Februar 2021 wurde ein bestimmtes Zwangsmittel (Art. 36 Abs. 3 Satz 1 VwZVG) – das Zwangsgeld – in bestimmter Höhe (Art. 36 Abs. 5 VwZVG), hier 2.000 EUR, angedroht. Im Falle einer in Rede stehenden Unterlassungspflicht ist eine Fristsetzung zur Erfüllung (Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG) der Natur der Sache nach nicht erforderlich (Troidl in Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG, 12. Aufl. 2021, § 13 Rn. 3e).
cc) Der Antragsteller hat der ihm auferlegten Unterlassungspflicht, die weiteren Bauarbeiten einzustellen, zuwidergehandelt, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG, sodass das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden ist.
Fällig i.S.d. Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG wird ein wirksam angedrohtes Zwangsgeld, wenn während der Erfüllungsfrist i.S.d. Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG bzw., sofern es – wie hier – eine solche nicht gibt, bereits bei Erlass der Zwangsgeldandrohung alle Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen und bei Ablauf der Erfüllungsfrist die durch die Grundverfügung auferlegte Pflicht nicht oder nicht vollständig erfüllt ist, Art. 31 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 VwZVG (BayVGH, B.v. 11.7.2001 – 1 ZB 01.1255 – juris Rn. 14 und 15; B.v. 24.2.2005 – 1 ZB 04.276 – juris Rn. 42).
Der Antragsteller ist seiner Verpflichtung zur Einstellung der Bauarbeiten auf den Grundstücken FlNrn. 1705 und 1711 Gem. … nicht nachgekommen. Auf Grundlage der im Akt befindlichen Lichtbilder der Baukontrolle vom 22. Februar 2021 und den dort getroffenen Feststellungen steht es außer Frage, dass der Antragsteller nach Erlass der Baueinstellungsverfügung weitere Bauarbeiten vorgenommen hat.
(1) Auf den vom Antragsgegner vorgelegten Fotos der Baukontrolle vom 22. Februar 2021 lässt sich eindeutig erkennen, dass der Antragsteller die Schrankenanlage im Vergleich zu ersten Baukontrolle (Bl. 5 d. BA) fertiggestellt hat, indem sowohl der Fuß einschließlich der Elektronik als auch die Schranken montiert wurden (Bl. 16 d. BA). Dies wird vom Antragsteller auch nicht in Zweifel gezogen.
Dies erfüllt den Tatbestand der Bauarbeiten, die von der Unterlassungsverfügung auf Grundlage von Art. 75 Abs. 1 BayBO erfasst sind. Bei der Schrankenanlage handelt es sich um eine bauliche Anlage i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO und bei der Errichtung derselben um Bauarbeiten.
Bauliche Anlagen sind gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Der Begriff der baulichen Anlage ist weit und umfassend auszulegen (Dirnberger in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 143. EL Juli 2021, Art. 2 Rn. 33a). Eine Anlage ist besonders dann mit dem Erdboden verbunden, wenn sie in ihrer Gesamtheit nach ihrem Nutzungszweck zur Fortbewegung entweder nicht geeignet oder wenigstens nicht dazu bestimmt ist; sie muss nicht im Boden befestigt sein. Entscheidend ist vielmehr, dass sie wegen ihres natürlichen Gewichts unverrückbar auf dem Boden haftet und kraft ihrer eigenen Schwere im unzerlegten Zustand ohne Inanspruchnahme technischer Hilfsmittel nicht fortbewegt werden kann (BayVGH, B.v. 12.8.2004 – 15 ZB 03.1094 – juris Rn. 4), wobei eine mittelbare Verbindung mit dem Erdboden genügt (Dirnberger in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, 142. EL Juli 2021, Art. 2 Rn. 39).
Ausgehend davon ist die Schrankenanlage eine aus Bauprodukten hergestellte und jedenfalls mittelbar über das Holzpodest mit dem Erdboden verbundene Anlage. Die Schrankenanlage ist nach ihrer besonderen Zweckbestimmung – dem Gewähren von Zutritt zu dem Grundstück nach Öffnen der Schranke – nicht zur Fortbewegung bestimmt. Sie soll stattdessen ortsfest befestigt sein, um das Befahren des Grundstücks an nur der vorgesehenen Stelle sicherzustellen.
Das Gericht folgt nicht der Auffassung der Antragstellerpartei, dass die von den Baukontrolleuren angemahnte Einhaltung der Verkehrssicherungspflicht die Montage der Schrankenanlage notwendig machte. Diese Einlassung findet schon keine Stütze in den Behördenakten, etwa dem Protokoll der Baukontrolle. Im Übrigen könnte dies allenfalls die Sicherung durch das Holzpodest rechtfertigen. Inwieweit die darüber hinaus gehende Montage der beiden Schranken der Verkehrssicherungspflicht dienen soll, ist der Kammer nicht ersichtlich.
(2) Auch hinsichtlich des zwischenzeitlich auf dem Grundstück FlNr. 1705 installierten Ticketautomats, dessen Aufstellung vom Antragsteller nicht bestritten wird, handelt es sich um Bauarbeiten an einer baulichen Anlage. Nach den bereits dargelegten Grundsätzen ist auch dieser nach seinem Nutzungszweck nicht zur Fortbewegung geeignet und bestimmt. Zudem sprechen die Fotos in den beigezogenen Behördenakten (Bl. 17 d. BA) dafür, dass der Ticketautomat ein nicht unerhebliches Gewicht aufweist und ohne Inanspruchnahme technischer Hilfsmittel – mithin von Hand – nicht fortbewegt werden kann.
(3) Ob der Antragsteller mit weiteren Maßnahmen auf dem Grundstück, etwa der Errichtung eines Parkschildes oder der Ablagerung von Teerfräsgut auf der FlNr. 1711 gegen die Unterlassungspflicht verstoßen und daher auch durch andere Bauarbeiten die Fälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes ausgelöst hat, bedarf deshalb keiner weiteren Erörterung.
Das mit Bescheid des Antragsgegners vom 9. Februar 2021 angedrohte Zwangsgeld konnte demnach gegen den Antragsteller fällig gestellt werden, sodass ein Anordnungsanspruch ausscheidet.
b) Ferner ist kein Anordnungsgrund erkennbar.
Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass es unter Berücksichtigung seiner Interessen für ihn nicht zumutbar ist, die Entscheidung im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Für eine Dringlichkeit in einem für das einstweilige Verfahren relevanten Sinne reicht es nicht aus, dass die Beitreibung des Zwangsgeldes aufgrund seiner Höhe wirtschaftliche Auswirkungen beim Antragsteller hat (BayVGH, B.v. 8.11.2001 – 2 CE 01.2339 – juris Rn. 9); entscheidend ist, dass die Anordnung notwendig ist, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden (Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Aufl. 2019, § 123 Rn. 23). Der Antragsteller hat nicht dargelegt, dass das Zwangsgeld seine wirtschaftliche Grundlage gefährde. Seine Ausführungen beschränken sich darauf, dass der öffentlichen Hand keine Nachteile entstünden, wenn bis zur Entscheidung in der Hauptsache abgewartet werde. Dass für den Antragsteller durch die sofortige Beitreibung des Zwangsgeldes existenzgefährdende Nachteile entstehen, wurde nicht glaubhaft gemacht. Auch der lediglich pauschale Vortrag, dass ihm voreilig Liquidität entzogen werde, die er in der gegenwärtigen einkunftslosen Zeit dringend brauche, genügt nicht den strengen Anforderungen an die Annahme derart wesentlicher Nachteile durch ein Zuwarten.
c) Der Antrag war daher abzulehnen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
5. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Nrn. 1.5 und 1.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, wonach es das Gericht als angemessen erachtet, die Hälfte des fällig gestellten Zwangsgeldes in Höhe von 2.000 EUR, demnach 1.000 EUR festzusetzen.


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