Verwaltungsrecht

Endgültiges Nichtbestehen der staatlichen Prüfung für Rettungsassistenten

Aktenzeichen  AN 2 K 17.00762

Datum:
27.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 49681
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
RettAssAPrV § 12 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Etwaige Mängel des Prüfungsprotokolls machen das Ergebnis der Prüfung nicht fehlerhaft, sondern können gegebenenfalls nur den Beweis des Prüfungshergangs beeinträchtigen (Rn. 22). (redaktioneller Leitsatz)
2. Etwaige Verstöße gegen die Gebote der Fairness und der Sachlichkeit sind nach allgemeinem Prüfungsrechtsgrundsätzen zeitnah und unverzüglich geltend zu machen und zu rügen (Rn. 23). (redaktioneller Leitsatz)
3. Stimmt die Benotung durch die Fachprüfer im Ergebnis überein, so bleibt dem Vorsitzenden faktisch nichts anderes übrig, als die Prüfungsnote entsprechend der einheitlichen Benotung durch die Fachprüfer („aus den Noten der Fachprüfer“) zu bilden (Rn. 25). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage, mit der der Kläger die Aufhebung der Prüfungsentscheidung vom 23. März 2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides sowie die Zulassung zu einer weiteren Wiederholungsprüfung begehrt, ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Prüfungsentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in § 12 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungsassistentinnen und Rettungsassistenten in der bis 31. Dezember 2014 gültigen Fassung (RettAssAPrV). Zwar wurde die RettAssAPrV ebenso wie das Rettungsassistentengesetz durch das Notfallsanitätergesetz und die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (NotSanAPrV) ab dem 1. Januar 2015 ersetzt. Die bisherigen Vorschriften sind allerdings übergangsweise bei einer bis einschließlich 31. Dezember 2014 begonnenen Ausbildung zum Rettungsassistenten noch anzuwenden (vgl. die Übergangsregelungen in § 32 Abs. 1 Notfallsanitätergesetz und § 25 NotSanAPrV).
Die Prüfung zum Rettungsassistenten ist gemäß § 12 Abs. 1 RettAssAPrV bestanden, wenn jeder der nach § 4 Abs. 1 RettAssAPrV vorgeschriebenen Prüfungsteile mit mindestens „ausreichend“ bewertet wird. Jeder Teil der Prüfung kann einmal wiederholt werden, wenn der Prüfling die Note „mangelhaft“ oder „ungenügend“ erhalten hat (§ 12 Abs. 3 RettAssAPrV). Der Kläger hat im mündlichen Teil der Prüfung wiederholt die Note „mangelhaft“ erzielt und somit die Prüfung endgültig nicht bestanden.
Im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle von Berufszugangsprüfungen verpflichtet die Untersuchungsmaxime das Gericht zur Erforschung des Prüfungsgeschehens, soweit der klägerische Vortrag in konkreter und substantiierter Form Indizien für Verfahrensfehler oder Bewertungsmängel enthält.
Hinsichtlich der verschiedenen Fehlertypen sind unterschiedliche Kontrollmaßstäbe anzuwenden.
Der vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit unterliegen insbesondere formale Aspekte wie z.B. Verfahrensfehler in den Phasen der Leistungsermittlung und -bewertung. Hierzu zählen unter anderem Rügen im Hinblick auf Prüfungsunfähigkeit des Prüflings, Befangenheit eines Prüfers, das Vorliegen äußerer Störungen sowie eine unzureichende Begründung des Prüfungsergebnisses.
Gleiches gilt für die Bewertung der Antworten des Prüflings auf ihre fachliche Richtigkeit, die Zugrundelegung eines unrichtigen Sachverhalts oder die nicht vollständige Kenntnisnahme. der zu beurteilenden Leistung.
Demgegenüber sind prüfungsspezifische Wertungen, die vor allem in der konkreten Benotung der Arbeit ihren Niederschlag finden, dem Beurteilungsspielraum und damit der Letztentscheidungskompetenz der Prüfer überlassen, sofern nicht gegen das Willkürverbot verstoßen wird.
Auch festgestellte Prüfungsfehler führen nur dann zu einer gerichtlichen Korrektur, wenn sie sich auf die Notengebung und damit auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt haben.
Nach diesen Prämissen begegnet die angefochtene Prüfungsentscheidung keinen rechtlichen Bedenken.
Das Gericht folgt der zutreffenden Begründung im Widerspruchsbescheid der Regierung … … vom 16. März 2017 und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist mit Blick auf die erstmals im Klageverfahren vorgetragenen Einwendungen folgendes festzuhalten: Zu Unrecht moniert die Klägerseite Verfahrensfehler, welche sich auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt haben.
Entgegen der klägerseitigen Einlassung ist sowohl auf dem Deckblatt der Niederschrift wie auch auf dem Formular bezüglich der Beurteilungskriterien der mündlichen Prüfung (Fallbeschreibung 15) der Tag der mündlichen Prüfung mit dem Datum 15. März 2016 versehen. Zudem hat die Prüfungsvorsitzende beim mündlichen Teil der Prüfung das Datum auf Seite 2 handschriftlich vermerkt. Ferner enthält die Niederschrift die Unterschriften sämtlicher Prüfer. Auch die abschließende Bewertungsbegründung mit der Notenfestsetzung (5) wurde von allen drei Prüfern unterschrieben. Demgegenüber ist das von Dr. … angefertigte Gedächtnisprotokoll als eine nachträgliche ergänzende Bewertungsbegründung anzusehen, welche nicht eigentlicher Bestandteil des Prüfungsprotokolls ist. Davon abgesehen haben etwaige Mängel des Prüfungsprotokolls keinen selbstständigen Einfluss auf das Prüfungsergebnis, weil die Bewertung der Prüfungsleistungen auf der Grundlage des tatsächlichen Prüfungsgeschehens und nicht anhand des Prüfungsprotokolls erfolgt. Sie machen daher das Ergebnis der Prüfung nicht fehlerhaft, sondern können gegebenenfalls nur den Beweis des Prüfungshergangs beeinträchtigen. Fehler bezüglich des Verlaufs der Prüfung sind jedoch auch nicht ansatzweise zu erkennen. Insbesondere finden sich für die Behauptung, Dr. … sei in der Prüfung dominant aufgetreten und die Rolle der anderen Prüfer sei nicht klar, bzw. sie hätten ihre Prüferaufgabe nur unvollständig wahrgenommen, keine Anhaltspunkte. Sämtliche Prüfer haben diesen Vorwurf in ihren, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens abgegebenen Stellungnahmen entschieden und nachvollziehbar zurückgewiesen und ausdrücklich angegeben, in ihrem Fachbereich geprüft zu haben. Das Gericht sieht keine Veranlassung, diese Angaben in Zweifel zu ziehen. Schließlich vermag auch der Vorwurf, die Prüfungsausschussvorsitzende sei bei der mündlichen Prüfung des Klägers nicht zugegen gewesen, obwohl es sich um eine Wiederholungsprüfung gehandelt habe, nicht durchzugreifen. Frau Dr. … hat in ihrer Stellungnahme vom 5. September 2016 unbestritten darauf hingewiesen, dass am 15. März 2016 ausschließlich Wiederholer an der Prüfung teilgenommen hätten und die Prüfung zum Teil in unterschiedlichen Räumen parallel stattgefunden habe. Zudem habe sie auch noch im Zusammenhang mit schriftlichen Prüfungen Korrektur lesen müssen. Dass somit die Anwesenheit der Prüfungsausschussvorsitzende bei jedem einzelnen Schüler nicht möglich war, versteht sich von selbst. Eine Anwesenheitspflicht sieht die Prüfungsordnung auch nicht vor (vgl. § 8 Abs. 2 RettAssAPrV).
Ohne Erfolg trägt der Kläger vor, Dr. … habe sich ihm gegenüber während der Prüfung sinngemäß geäußert: „Da gibt es noch viel mehr, das muss man doch wissen!“ und damit gegen das Sachlichkeits- und Fairnessgebot verstoßen. Die Gebote der Fairness und der Sachlichkeit werden insbesondere bei berufsbezogenen Prüfungen als verfassungsrechtliche Anforderungen an das Prüfungsverfahren aus dem Grundrechtschutz der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und darüber hinaus auch aus dem Grundsatz der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet. Etwaige Verstöße hiergegen sind nach allgemeinem Prüfungsrechtsgrundsätzen zeitnah und unverzüglich geltend zu machen und zu rügen. Nach Aktenlage hat der Kläger diesen Gesichtspunkt erstmalig über seinen Bevollmächtigten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit Schriftsatz vom 1. September 2016 und damit erheblich verspätet geltend gemacht. Sofern der Kläger sich durch die behauptete Äußerung des Prüfers in der Prüfung entmutigt und in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt gefühlt hat, hätte erwartet werden können, dass er jedenfalls im Anschluss an die Prüfung darauf hingewiesen hätte. Unabhängig davon, dass die Äußerung vom Kläger nur sinngemäß wiedergegeben wird und der Prüfer Dr. … eine entsprechende Formulierung ausdrücklich bestreitet, ist in der Sache auch festzuhalten, dass nach Auffassung des Gerichts damit das Gebot des fairen Prüfungsverfahrens (noch) nicht verletzt wird. Ein Prüfer handelt nicht unsachlich, wenn er dem Prüfling fehlerhafte Leistungen oder Nichtwissen in der Prüfung vorhält, ohne auf diskriminierende oder beleidigende Formulierungen zurückzugreifen. Selbst eine harte Kritik der Leistungen eines Prüflings ist hinzunehmen, wenn sie in sachlicher Form und ohne erhebliche Entgleisungen im Stil vorgenommen wird. Bloße Ungeschicklichkeiten oder beiläufige Äußerungen des Prüfers, die nicht gerade von hohem Einfühlungsvermögen in die besondere psychische Situation des Prüflings zeugen, verletzen nicht auch schon in rechtserheblicher Weise das Gebot der Fairness. Dies gilt auch im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Hinweis des Prüfers auf teilweise fehlende Kenntnisse des Klägers.
In materiell-rechtlicher Hinsicht begegnet die Prüfungsentscheidung keinen rechtlichen Bedenken.
Gemäß § 8 Abs. 2 RettAssAPrV wird die Prüfung von mindestens zwei Fachprüfern abgenommen und benotet. Der Vorsitzende ist berechtigt, sich in allen Gebieten an der Prüfung zu beteiligen; er kann auch selbst prüfen. Aus den Noten der Fachprüfer bildet der Vorsitzende des Prüfungsausschusses im Benehmen mit den Fachprüfern die Prüfungsnote für den mündlichen Teil der Prüfung. Eine fehlerhafte Notenbildung in diesem Sinne kann im vorliegenden Fall gerade nicht festgestellt werden. Sofern der Prüfungsausschussvorsitzende – wie im vorliegenden Fall – nicht selbst prüft, obliegt es ihm nach Absatz 2 Satz 2 der genannten Vorschrift lediglich, im Benehmen mit den Fachprüfern die Prüfungsnote für den mündlichen Teil der Prüfung zu bilden. Quelle der (Prüfungs-)Notenbildung durch ihn sind mithin lediglich die (Einzel-)Noten der Fachprüfer, aus denen die Prüfungsnote zu bilden ist, und – da die Prüfungsnote im Benehmen mit den Fachprüfern gebildet werden muss – die von ihnen dafür abgegebene Begründung. Hingegen ist als Erkenntnisquelle für die Bildung der Prüfungsnote nicht – jedenfalls nicht zwingend – vorgesehen, dass der Prüfungsvorsitzende eine eigene Anschauung von der erbrachten Prüfungsleitung besitzt, auf deren Grundlage er eine eigene fachliche Bewertung abgibt. Die Bildung der Note „im Benehmen“ mit den Fachprüfern bedeutet jedenfalls nicht „Einvernehmen“. Bei verbleibendem Dissens kann sich der Vorsitzende daher der überzeugenderen Begründung eines der beiden Prüfer anschließen oder auch gegebenenfalls einen Mittelwert festsetzen. Verhält es sich hingegen wie im vorliegenden Fall so, dass die Benotung durch die Fachprüfer im Ergebnis übereinstimmt, so bleibt dem Vorsitzenden faktisch nichts anderes übrig, als die Prüfungsnote entsprechend der einheitlichen Benotung durch die Fachprüfer („aus den Noten der Fachprüfer“) zu bilden. Dieses prozedere ist ausweislich der schriftlichen Stellungnahme der Vorsitzenden Dr. … vom 5. September 2016 letztlich auch eingehalten worden. Der Vorwurf des fehlenden Abstimmungsverfahrens bei der Bildung der Endnote kann mithin nicht nachvollzogen werden. Es kann hier auch nicht die Rede davon sein, die Fachprüfer hätten durch die übereinstimmende Festsetzung der Noten in ihrem Fachbereich mit der Bewertung „mangelhaft“ gewissermaßen die Gesamtnote schon abschließend vergeben. Aus dieser, in einer ersten Stufe des Bewertungsvorgangs zu bildenden Prüfungsnote war vielmehr noch die endgültige Festsetzung der Bewertung durch den Vorsitzenden des Prüfungsausschusses zu treffen. Allerdings war dessen Entscheidungsspielraum durch das einhellige Votum der Fachprüfer soweit eingegrenzt, dass eine davon abweichende Bewertung durch den Vorsitzenden faktisch nicht in Frage kam. Die vom Klägervertreter in der Klagebegründung in Bezug genommenen Gerichtsentscheidungen gehen mit dieser Rechtsauffassung konform.
Nach alledem war die Klage mit der auf § 154 Abs. 1 VwGO beruhenden Kostenfolge abzuweisen.


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