Verwaltungsrecht

Entbindung von der Führung der Dienstgeschäfte – vertrauensvolle Zusammenarbeit im Rahmen der Militärseelsorge fehlt

Aktenzeichen  M 21 K 16.1061

Datum:
22.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 144771
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 43 Abs. 1
BBG § 66 S. 1
PFDG.EKD § 79 Abs. 2 S. 2 Nr. 5
PFDG.EKD § 80 Abs. 1  S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig.
Das Gericht geht, da die streitige Maßnahme offensichtlich von einem Träger staatlich-hoheitlicher Gewalt getroffen wurde und auf eine staatlichem Recht entstammende Eingriffsgrundlage gestützt ist, von der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Verwaltungsgerichten aus (§ 40 Abs. 1 VwGO). Bedauerlicherweise hat der Kläger im vorliegenden Fall nicht die Weisheit der Bibel auf sich angewendet, die sich aus 1. Kor. 6,1-6 erschlossen und ihm geboten hätte, in dem zugrunde liegenden Streit „zwischen Bruder und Bruder“ – worum es nämlich in der Sache geht – die Anrufung eines staatlichen Gerichts zu unterlassen und stattdessen den Streit „vor den Heiligen“ – etwa im Wege einer innerkirchlichen Mediation – auszutragen.
Die Klage ist, obwohl das nach § 126 Abs. 2 BBG erforderliche Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt worden ist, nach § 75 Satz 1 VwGO als Untätigkeitsklage zulässig, weil die Beklagte innerhalb der dreimonatigen, am 5. August 2015 abgelaufenen Sperrfrist des § 75 Satz 2 VwGO ohne zureichenden Grund nicht über den von dem Kläger rechtzeitig gegen den Bescheid vom 2. April 2015 eingelegten Widerspruch entschieden hat.
Das für die richtigerweise erhobene Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO zu fordernde berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 2. April 2015 ist trotz gewisser Bedenken zu bejahen. Bei vergangenen Rechtsverhältnissen – hiervon ist vorliegend auszugehen, weil nach § 66 Satz 2 BBG das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte schon vor Klageerhebung erloschen war, nachdem nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden war – setzt das berechtigte Interesse ähnlich wie bei der Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO) die Gefahr der Wiederholung oder die Berechtigung einer Rehabilitierung oder die Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses voraus. Die hier allein in Betracht kommende Rehabilitierung begründet dabei stets ein berechtigtes Interesse an der Feststellungsklage, wenn es das in Art. 19 Abs. 4 GG verankerte Erfordernis der Effektivität des Rechtsschutzes im Sinne eines Anspruchs auf eine wirksame gerichtliche Kontrolle gebietet, in Fällen tiefgreifender, tatsächlich jedoch nicht mehr fortwirkender Grundrechtseingriffe auch dann die Berechtigung des Eingriffs gerichtlich klären zu lassen, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits erledigt hat, also prozessual überholt ist (BVerfG vom 30.04.1997 – 2 BvR 817/90 u.a. – BVerfGE 96, 27 = NJW 1997, 2163). Zwar spricht, wie noch auszuführen sein wird, einiges dafür, dass der hier zu beurteilende Eingriff in das Beamtenverhältnis des Klägers keineswegs „tiefgreifend“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts war, jedoch kann, nachdem außer dem Kläger auch der Ev. Militärbischof in seinem Schreiben vom … März 2015 von einer mit dem streitigen Eingriff verbundenen „schweren Belastung“ des Klägers ausgegangen ist, diesem das für die Feststellungsklage erforderliche berechtigte Interesse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO nicht von vornherein gänzlich abgesprochen werden.
Die Klage ist nicht begründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass der Bescheid vom 2. April 2015, mit dem ihm vom Militärgeneraldekan aus zwingenden dienstlichen Gründen vorübergehend die Führung der Dienstgeschäfte als Leiter des EMilD … mit sofortiger Wirkung untersagt wurde, rechtswidrig gewesen ist, denn dieser war während seiner gesamten Geltungsdauer rechtmäßig und verletzte den Kläger nicht in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für das Dienstausübungsverbot ist § 66 Satz 1 BBG. Nach dieser Vorschrift kann die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einer Beamtin oder einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten. Hierbei handelt es sich um eine materiell-rechtlich vorgesehene, in das nach Art. 33 Abs. 5 GG grundsätzlich bestehende Recht des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung, d.h. auf Übertragung und Ausübung eines seinem statusrechtlichen Amt entsprechenden Aufgabenkreises (Dienstpostens) eingreifende Sofortmaßnahme von nur vorübergehender Dauer, mit der bis zur Entscheidung über die Einleitung eines Verfahrens zur endgültigen Regelung der Angelegenheit eine – der Sache nach einstweilige – Regelung getroffen wird. Das Verbot lässt die grundsätzliche beamtenrechtliche Stellung des Beamten, d.h. das Beamtenverhältnis und das durch Ernennung verliehene Amt im statusrechtlichen Sinne, unberührt. Der Beamte darf lediglich das ihm übertragene konkrete Amt, also seine Dienstgeschäfte, nicht ausüben (zum Ganzen: Plog/Wiedow, BBG, zu § 66, Rn. 2).
Dass der Beamte im Zeitpunkt des Erlasses des Verbots die Dienstgeschäfte tatsächlich wahrnimmt, ist nicht erforderlich. Deshalb kann auch einem Beamten, der sich im Erholungsurlaub – oder wie hier: im Krankenstand – befindet, die Führung seiner Dienstgeschäfte verboten werden. In diesem Fall wirkt sich das Verbot in dem Zeitpunkt aus, in dem der Beamte seinen Dienst wieder anzutreten hätte (ebenda, Rn. 16).
Die Zwangsbeurlaubung darf nur aus zwingenden dienstlichen Gründen ausgesprochen werden. Sie ist am Platze, wo eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Beamten zumindest im Augenblick dienstlich nicht vertretbar ist und eine mildere Möglichkeit, die dienstlichen Nachteile abzuwenden – etwa durch vorläufige Änderung der Geschäftsverteilung, vorläufige Umsetzung oder Abordnung –, nicht besteht. Es müssen schwerwiegende Nachteile oder Gefahren für den Dienstherrn oder Dritte, ggf. auch für den Beamten selbst zu befürchten sein. In diesem Fall muss gemäß § 66 Satz 1 BBG das Individualinteresse des Beamten an der weiteren Ausübung seines Amtes gegenüber den Belangen des Gemeinwohls zurücktreten, sofern die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme gegenüber seinen Interessen gewahrt ist (ebenda, Rn. 18).
Für das Verbot der Dienstausübung kommen, wie sich auch aus der zeitlichen Anknüpfung in § 66 Satz 2 BBG ergibt, in erster Linie Fälle in Betracht, in denen der Dienstherr aus schwerwiegenden Gründen die Einleitung eines Disziplinarverfahrens, die Rücknahme der Ernennung oder eine Beendigung des Beamtenverhältnisses u.a. durch Versetzung in den Ruhestand erwägt, aber noch Zeit zur abschließenden Prüfung der Sache benötigt. In Betracht kommen auch schwerwiegende Mängel der Dienstleistung, die auf eine Dienstunfähigkeit des Beamten wegen körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen hindeuten, aber zur Einleitung des Zurruhesetzungsverfahrens noch näherer Prüfung bedürfen (vgl. auch BVerwG vom 12.04.1978 – I WB 159.76, I WB 5.77 – BVerwGE 63, 32 = DVBl 1978, 402 = DokBer B 1978, 183 = NJW 1978, 1597 = NZWehrr 1978, 144, zum Verbot der Dienstausübung nach der Parallelvorschrift des § 22 SG wegen Vertrauensentzugs im Zusammenhang mit der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand).
Ausnahmsweise kann die Zwangsbeurlaubung auch dann in Betracht kommen, wenn der Beamte, etwa wegen schwerwiegender Fehlleistungen gerade in seinem derzeitigen Arbeitsgebiet oder wegen dort aufgetretener besonders schwerwiegender Spannungen, anderweitig verwendet werden soll, eine solche Verwendung aber nicht sofort möglich ist und die Art der Fehlleistungen oder Spannungen selbst eine befristete Fortführung der bisherigen Dienstgeschäfte ausschließt (Plog/Wiedow, a.a.O., Rn. 19).
Diese beispielhaft aufgeführten Anwendungsfälle der Norm zeigen, dass die Annahme eines Verschuldens des Beamten nicht allgemein Voraussetzung der Zwangsbeurlaubung ist (ebenda, Rn. 20).
Bei der Voraussetzung zwingender dienstlicher Gründe handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Als solcher unterliegt er, wie allgemein, voller gerichtlicher Nachprüfung auf seine zutreffende Auslegung. Indessen haben die Gerichte zu respektieren, dass der Dienstherr im Rahmen seines Organisationsrechts die fachlichen und politischen Ziele und Gewichtungen des Verwaltungshandelns bestimmt und damit die dienstlichen Belange maßgebend prägt; diese fließen als Vorgaben auch in die Würdigung ein, ob es sich bei den Gründen, die den Dienstherrn zur Zwangsbeurlaubung bewogen haben, um zwingende dienstliche Gründe im Sinne der Vorschrift handelt (vgl. im Grundsatz entsprechend BVerwG vom 29.04.2004 – 2 C 21.03 – BVerwGE 120, 382 = DVBl 2004, 1375 = ZBR 2004, 393 = NVwZ-RR 2004, 863 = DokBer 2004, 329 = RiA 2005, 28 = Schütz/Maiwald BeamtR ES/B I 2.4 Nr. 66 = Buchholz 237.95 § 88a SHLBG Nr. 1). Die Setzung dieser Vorgaben berührt grundsätzlich keine Rechte des Beamten, abgesehen von Fällen eines bloßen Vorschiebens oder sonst einer gezielten Manipulation aus unsachlichen Gründen zum Nachteil des Beamten. Ist die gesetzliche Voraussetzung zwingender dienstlicher Gründe gegeben, so entscheidet nach dem Wortlaut der Vorschrift als Kannvorschrift der Dienstherr nach pflichtgemäßem Ermessen über das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte. Im Ergebnis wird jedoch, soweit die Voraussetzung zwingende dienstliche Gründe bejaht worden ist, für eine andere Entscheidung als den Ausspruch des Verbots schwerlich Raum bleiben (zum Ganzen: Plog/Wiedow, a.a.O., Rn. 21); es ist somit von einem intendierten Ermessen auszugehen.
Die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Umstände, aus denen sich die zwingenden dienstlichen Gründe für das Verbot ergeben, trägt der Dienstherr. Dabei ist jedoch zu beachten, dass bei der rechtlichen Nachprüfung ebenso wie schon beim Erlass des Verbotes keine abschließende Klärung des Sachverhalts gefordert werden kann; dies widerspräche gerade dem vorläufigen Charakter des Verbots als materiell-rechtlich vorgesehene Eilmaßnahme. Ob für das Verbot zwingende dienstliche Gründe vorlagen, ist daher nach den dem Dienstherrn im Zeitpunkt des Erlasses des Verbots zugänglichen Erkenntnissen zu beurteilen. Bestanden in diesem Zeitpunkt hinreichende Anhaltspunkte für die vom Dienstherrn angenommenen schwerwiegenden Nachteile oder Gefahren, so genügt dies auch bei der nachträglichen rechtlichen Prüfung (ebenda, Rn. 30; BVerwG vom 17.07.1979 – 1 WB 67.78 – BVerwGE 63, 250 = ZBR 1980, 324).
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall erweist sich die mit dem Bescheid vom 2. April 2015 getroffene Maßnahme als rechtmäßig.
Sie ist, wie sich aus der hier allein maßgeblichen Begründung des angefochtenen Bescheids ergibt, ausschließlich auf die aus dem Schreiben des Ev. Militärbischofs vom 17. März 2015 hergeleitete Besorgnis einer nachhaltigen Störung und schwerwiegenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der kirchlichen Leitung im EMilD … gestützt. Gegen die Person des Klägers gerichtete Vorwürfe oder Vorhaltungen kommen darin nicht vor. Fehlleistungen seinerseits werden ihm nicht vorgehalten. Der Bescheid enthält sich ferner jeder Mutmaßung oder gar Unterstellung, dass die objektiv zu besorgende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der kirchlichen Leitung möglicherweise einen Hintergrund in der gesundheitlichen Verfassung des Klägers haben könnte. Vor dem Hintergrund, dass die streitige Maßnahme jedenfalls nach ihrer schriftlichen Begründung eindeutig und offensichtlich sachbezogen ausfällt, kann das Vorbringen des Klägers im Klageverfahren, in dem an ihn gerichteten, substanzlosen und nicht zu belegenden Vorwurf einer „nachhaltigen Störung und schwerwiegenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der kirchlichen Leitung im Dekanat“ sei, wäre er zutreffend, ein „schwerwiegendes Dienstvergehen“ zu erblicken, nur als abwegig eingestuft werden.
Auch die Auswertung des dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Schreibens des Militärbischofs vom 17. März 2015 lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass in der Person des Klägers liegende Fehlverhaltensweisen, mögen ihm solche im Schreiben des Militärgeneraldekans vom 26. Januar 2015 zuvor auch durchaus vorgehalten worden sein, unmittelbar oder mittelbar zum Anlass der Zwangsbeurlaubungsmaßnahme gemacht worden wären. Im Mittelpunkt dieses Schreibens steht die Feststellung eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses zwischen der Pfarrerschaft und Pfarrhelferschaft im EMilD … und dem Kläger, dem dafür aber nicht einmal im Ansatz eine Haupt- oder Mitverantwortung oder gar Schuld zugewiesen wird. Anhand der Ausführungen des Schreibens vom 17. März 2015 ist offensichtlich, dass der Militärbischof seine Prüfung der Sach- und Rechtslage, seine tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Schlussfolgerungen ausschließlich an den hier einschlägigen kirchenrechtlichen Vorschriften für spannungsbedingte Versetzungen von Pfarrern ausgerichtet und auf diese Vorschriften zugeschnitten hat. Nach § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 des Pfarrdienstgesetzes der EKD (PfDG.EKD) besteht ein besonderes kirchliches Interesse an einer Versetzung von Pfarrern u.a. dann, wenn in ihrer bisherigen Stelle oder ihrem bisherigen Auftrag eine nachhaltige Störung in der Wahrnehmung des Dienstes gemäß § 80 Abs. 1 und 2 PfDG.EKD festgestellt wird. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift liegt eine nachhaltige Störung in der Wahrnehmung des Dienstes im Sinne des § 79 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 PfDG.EKD vor, wenn die Erfüllung der dienstlichen oder der gemeindlichen Aufgaben nicht mehr gewährleistet ist, was insbesondere der Fall ist, wenn das Verhältnis zwischen der Pfarrerin oder dem Pfarrer und nicht unbeträchtlichen Teilen der Gemeinde zerrüttet ist oder das Vertrauensverhältnis zwischen der Pfarrerin oder dem Pfarrer und dem Vertretungsorgan der Gemeinde zerstört ist und nicht erkennbar ist, dass das Vertretungsorgan rechtsmissbräuchlich handelt. Die Gründe für die nachhaltige Störung müssen dabei, wie § 80 Abs. 1 Satz 3 PfDG.EKD insoweit ausdrücklich klarstellt, nicht im Verhalten oder in der Person der Pfarrerin oder des Pfarrers liegen.
Die hier kirchenrechtlich zum Ausdruck kommenden Wertentscheidungen entsprechen exakt der Rechtslage, wie sie sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich der Rechte und Pflichten des Dienstherrn seinen Beamten gegenüber bei Auftreten innerdienstlicher Spannungsverhältnisse darstellt (zuletzt BVerwG vom 26.11.2004 – 2 B 72.04 – Buchholz 235 § 9 BDO Nr. 41; grundlegend BVerwG vom 25.01.1967 – VI C 58.65 – BVerwGE 26, 65 = RiA 1967, 130 = ZBR 1967, 208 = DÖD 1967, 132 = VwRspr 19, 24 = Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 8 = AP Nr. 1 zu § 26 BBG). Danach hat der Dienstherr eine Störung der reibungslosen Zusammenarbeit innerhalb des öffentlichen Dienstes durch innere Spannungen und durch Trübung des Vertrauensverhältnisses regelmäßig als Beeinträchtigung des täglichen Dienstbetriebs zu werten, für deren Abstellung er zu sorgen hat. Wenn dafür nach Lage des Falles die Versetzung eines der Streitbeteiligten geboten erscheint, so ist ein dienstliches Bedürfnis für die Versetzung grundsätzlich bereits aufgrund der objektiven Beteiligung an dem Spannungsverhältnis zu bejahen, also von der Verschuldensfrage unabhängig (BVerwG vom 25.01.1967, a.a.O.). Anerkannt ist weiter, dass es bei mehreren Streitbeteiligten im dienstlichen Interesse liegen kann, denjenigen zu versetzen, dessen Ausscheiden bei der Dienststelle den Dienstbetrieb am wenigsten beeinträchtigt (Plog/Wiedow, BBG, zu § 26, Rn. 23d), das bedeutet, dass es in einer Situation, wo sich eine Mehrzahl von Untergebenen gegen einen Vorgesetzten verschworen hat, ohne Weiteres im dienstlichen Interesse liegen kann, den Vorgesetzten zu versetzen und nicht – unter Inkaufnahme einer Gefährdung des zu erfüllenden Dienstauftrags – die Personenmehrheit der ihm Untergebenen.
Aus alledem folgt, dass es weder der Ev. Militärbischof noch der Generaldekan nötig hatten, ein etwaiges Fehlverhalten oder eine etwaige, zu jenem Zeitpunkt noch nicht festgestellte gesundheitliche Beeinträchtigung des Klägers in ihre Erhebungen und ihr Verwaltungshandeln einzubeziehen. Sie konnten und durften allein aufgrund des zuletzt auf dem Konvent vom … bis … Februar 2015 zutage getretenen Spannungsverhältnisses im EMilD … zu der Feststellung gelangen, dass zwingende dienstliche Gründe für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte des Klägers in Betracht kämen.
Auf dieser Grundlage oblag, wie oben ausgeführt, die Setzung der fachlichen und politischen Ziele und Gewichtungen des Verwaltungshandelns hinsichtlich der Frage des Vorliegens einer nachhaltigen Störung in der Wahrnehmung des Dienstes und damit einer schwerwiegenden Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der kirchlichen Leitung im EMilD … dem verwaltungsgerichtlich zu respektierenden Beurteilungsermessen des Ev. Militärbischofs und des Militärgeneraldekans. Ihnen allein steht die Beurteilung der Frage zu, ab welchem Zeitpunkt es unvermeidlich war, dienstrechtlich einzugreifen, um sowohl die innere Handlungsfähigkeit der Ev. Militärseelsorge sicherzustellen, welche erforderlich ist, dem in diese Institution gesetzten Vertrauen der Truppe und den an sie gerichteten Erwartungen gerecht zu werden, als auch die Entstehung der negativen Außenwirkung abzuwehren, bei der Ev. Militärseelsorge handle es sich um einen innerlich zerstrittenen, mit sich selbst und seinen eigenen Problemen beschäftigten Verein, welcher nicht in der Lage ist, das Evangelium und die Liebe Christi in der Truppe glaubwürdig zu vermitteln.
Daraus folgt, dass das Gericht – unter der sogleich zu prüfenden Voraussetzung, dass dabei keine Schädigungsabsicht und keine missbräuchliche Verschwörung sowie kein bloßes Vorschieben von Gründen oder sonst eine gezielte Manipulation aus unsachlichen Gründen zum Nachteil des Klägers im Spiel war – von der Erfüllung des Voraustatbestandes zwingender dienstlicher Gründe im Sinne des § 66 Satz 1 BBG auszugehen hat.
Dass die Feststellung innerdienstlicher Spannungen und eines Zustands der nachhaltigen, in absehbarer Zeit ohne dienstrechtliche Maßnahmen nicht zu behebenden Zerrüttung vorliegend nicht vorgeschoben oder missbräuchlich war, ist durch das Ergebnis der Beweisaufnahme vom 22. September 2017 erwiesen. Die Zeugin K. sagte insoweit aus, bereits seit Jahren habe es unter den Pfarrern und Pfarrhelfern eine schwelende Auseinandersetzung und Unzufriedenheit mit dem Kläger gegeben. Dies habe sich auf dem Konvent vom … Februar 2015 durch das Zusammentragen der Erfahrungen mit ihm noch weiter zu dem Gesamtbild verdichtet, dass unter seinen Verhaltensweisen viele Kolleginnen und Kollegen gelitten hätten. Seine Amtsführung sei von intensiven Überwachungspraktiken, einer Informationspolitik nach dem Grundsatz „teile und herrsche“ sowie der Erzeugung eines Klimas der Angst und Unterdrückung gekennzeichnet gewesen, welches auf die Zeugin persönlich und seelisch belastend gewirkt habe, weil sie sich ständig beobachtet, überprüft und überwacht gefühlt habe. Im Dialog mit anderen Kollegen sei offenbar geworden, dass dies ein Wesenszug der Amtsführung des Klägers gewesen sei und für die Funktionsfähigkeit der ev. Militärseelsorge nachteilige Folgen nach sich gezogen habe, indem im Konvent eine hohe personelle Fluktuation geherrscht habe und viele Kollegen danach gestrebt hätten, den Dienst in der Militärseelsorge baldmöglichst wieder zu verlassen. Dies treffe auch auf die Zeugin selbst zu. Die Kritik an diesem Verhalten des Klägers sei für alle Beteiligten zum Zeitpunkt des Konvents vom … Februar 2015 keine Neuigkeit mehr gewesen. Bereits bei dem vorangegangenen Konvent im November 2014 seien dem Ev. Militärbischof zahlreiche Beschwerden über den Kläger vorgetragen worden. Dies sei der entscheidende Grund dafür gewesen, dass sich der Militärgeneraldekan entschlossen habe, an dem Konvent vom … Februar 2015 persönlich teilzunehmen. Die Kritik an der Amtsführung habe sich nicht nur auf den Kläger selbst bezogen, sondern auch auf seine Bürosachbearbeiterin Frau B., welche sich für ihre eher der Pfarrhelferschaft zugewandten Arbeitsbereiche derselben Verhaltensweisen bedient habe wie der Kläger. Als die beiden Vertrauenspfarrer der Pfarrerschaft S. und T. sowie die Zeugin in ihrer Eigenschaft als Vertrauenspfarrerin der Pfarrhelferschaft ihre Kritik gegen den Kläger und Frau B. bei einer Gesamtkonferenz der Militärseelsorge in … vom März 2014 dem Kläger erstmals vorgetragen hätten, sei zudem der Eindruck entstanden, dass dieser auf die an ihm geübte Kritik ausweichend und uneinsichtig reagiert habe. Bei dieser Unterredung seien auch der teilweise rüde Ton von Frau B. gegenüber Pfarrern und Pfarrhelfern sowie ihre Eigenschaft zur Sprache gekommen, sich nach Abkanzelungen der genannten Amtsträger selbst dann noch als hartleibig zu zeigen, wenn sich anschließend herausgestellt habe, dass sie in der Sache im Unrecht gewesen sei. Konkrete Folge des so gestörten Verhältnisses zwischen der Zeugin einerseits und dem Kläger sowie seiner Bürosachbearbeiterin andererseits sei u.a. gewesen, dass sie in dienstlichen Angelegenheiten (z.B. Dienstreisegenehmigungen) wiederholt bewusst den Dienst Weg nicht eingehalten und damit eine weitere Verschlechterung des Verhältnisses zu dem Kläger in Kauf genommen habe.
Der als Zeuge vernommene Ev. Militärbischof sagte aus, bereits während des Konvents im November 2014 habe er aufgrund der Vielzahl ihm vorgetragener Beschwerden gegen den Kläger den Eindruck gewonnen, dass zwischen ihm und den ihm unterstellten Pfarrern und Pfarrerhelfern ein massiv gestörtes Vertrauensverhältnis vorliege. Von ihm sei das Bild eines wenig teamfähigen Mannes der einsamen Entschlüsse gemalt worden, der es verstehe, seine Untergebenen gegeneinander auszuspielen. Es sei auch über seine Unzugänglichkeit geklagt worden und dass schriftlich vorgetragene Anliegen von ihm nicht unkommentiert bzw. unverfälscht nach Berlin weitergetragen worden seien. U.a. seien Wünsche geäußert worden, vom Militärseelsorgedienst entbunden zu werden. Aus der Pfarrhelferschaft seien vergleichbare Klagen gekommen. Die Beschwerden hätten sich auch nach dem Konvent noch in Telefonaten fortgesetzt. Bereits dieser erste Befund habe aus seiner Sicht einen unabweisbaren Handlungsbedarf erzeugt. Die damals naheliegende Überlegung, Frau B. an eine andere Stelle zu versetzen, sei von dem Kläger vehement abgelehnt worden. Somit sei beschlossen worden, weitere Feststellungen über den Arbeitsplatzkonflikt zu erheben und hierfür den Konvent von Februar 2015 als Forum zu nutzen. Als der Militärgeneraldekan nach seiner Rückkehr hiervon dem Zeugen darüber Bericht erstattet habe, habe sich herausgestellt, dass die Zerrüttung im EMilD … noch weitaus schlimmer zu beurteilen gewesen sei, als es dem ursprünglichen Eindruck des Zeugen entsprochen habe.
Der Kläger hat den Aussagen der gehörten Zeugen nichts Wesentliches entgegengesetzt. Seine Einwürfe während der Zeugenvernehmung waren von dem Bemühen gekennzeichnet, die gegen ihn erhobenen Vorhaltungen zu relativieren, zu leugnen, dass er vor der Eskalation vom … Februar 2015 wiederholt wegen seiner Amtsführung kritisiert wurde und seinerseits zumindest die gehörte Zeugin K. gegenüber dem Gericht aufgrund deren Verhaltens zu diskreditieren. Dies alles belegt allerdings nur noch ein weiteres Mal den seitens der Vertreter des Dienstherrn festgestellten Zerrüttungsbefund.
Aus der Sicht des Gerichts ist aufgrund der Beweisaufnahme in der Gesamtschau eindeutig und unmissverständlich geklärt, dass nach den dem Dienstherrn im Zeitpunkt des Erlasses des Verbots zugänglichen Erkenntnissen hinreichende Anhaltspunkte für die vom Dienstherrn angenommene nachhaltige Störung in der Wahrnehmung des Dienstes und für schwerwiegende Nachteile oder Gefahren hinsichtlich der Funktionsfähigkeit der kirchlichen Leitung im EMilD … vorlagen, welche – insoweit ist der eigenen Feststellung des Ev. Militärbischofs im Schreiben vom 17. März 2015 uneingeschränkt beizupflichten – nicht auf rechtsmissbräuchlichem Handeln des Konvents beruhte, etwa nach Art eines für Außenstehende nicht nachvollziehbaren Mobbings gegen den Vorgesetzten.
Da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 66 Satz 1 BBG zu bejahen sind, bestehen gegen die Ausübung des der Verwaltung eingeräumten Ermessens in der Weise, dem Kläger die Führung seiner Dienstgeschäfte zu untersagen, keine Bedenken. Einwendungen speziell gegen die Ermessensausübung sind nicht erhoben worden und auch nicht ersichtlich. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt. Die Belastung des Klägers durch den streitgegenständlichen Bescheid, dessen Erlass er durch die rechtzeitige Vorlage einer weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung leicht hätte vermeiden können, dessen Begründung keine auf seine Person bezogenen Vorwürfe enthält und dessen Geltungsdauer von seiner bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung andauernden Krankschreibung ohnehin vollständig überlagert wurde, ist offensichtlich zumutbar.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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