Verwaltungsrecht

Entlassung eines Lehrers aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf

Aktenzeichen  3 ZB 18.508

Datum:
30.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 21179
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BeamtStG § 23 Abs. 4
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
BayVwVfG Art. 28
GG Art. 12 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Das Entlassungsermessen ist bei Beamten auf Widerruf dahingehend eingeschränkt, dass Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen; die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der angestrebten Laufbahn – hier eines Gymnasiallehrers – nicht gerecht wird. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für eine Entlassung ist eine über eine Anhörung hinausgehende Abmahnung dann erforderlich, wenn andernfalls die Entlassung für den Beamten überraschend käme und die Mängel grundsätzlich behebbar erscheinen; eine Abmahnbedürftigkeit kann bei bestimmten vorausgegangenen Ereignissen (hier: Hausverbot, Mensaverbot, Beteiligung der Polizei, Anzeige wegen Beleidigung gegenüber dem Beamten) entfallen.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 5 K 16.2713 2017-12-11 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 8.591,24 Euro festgesetzt.

Gründe

Der Kläger verfolgt mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 17. Mai 2016 weiter, mit dem er mit der Begründung seiner charakterlichen Ungeeignetheit nach § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen worden war.
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsantrag ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Bestimmung bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16) und die Zweifel an der Richtigkeit dieser Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Der 1977 geborene Kläger steht seit dem 16. Februar 2015 als Studienreferendar (Beamter auf Widerruf) im Dienst des Beklagten. Nachdem er seinen ersten Ausbildungsabschnitt am Ma.- und am Li.-Gymnasium absolviert hatte, sollte er nach den Sommerferien 2015 seinen Dienst am Mi.-Gymnasium antreten. Wegen einer Erkrankung erfolgte der Dienstantritt erst zum 7. Januar 2016. Unter Hinweis auf verschiedene schulische Konfliktsituationen, in die der Kläger innerhalb weniger Wochen verwickelt war, verbot ihm der Beklagte mit Bescheid vom 12. Februar 2016 die Führung der Dienstgeschäfte. Wegen der Vorfälle im Einzelnen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen. Ein vom Verwaltungsgericht in Auftrag gegebenes psychiatrisches Sachverständigengutachten (Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren, Gutachten v. 20.6.2017) zur Frage der gesundheitlichen Eignung des Klägers ergab keine auf eine Erkrankung zurückgehenden gesundheitlichen Einschränkungen für seine Tätigkeit als Studienreferendar an einem Gymnasium.
Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 17. Mai 2016 wurde der Kläger zum Ablauf des 30. Juni 2016 wegen charakterlicher Ungeeignetheit aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf entlassen; er könne seiner Vorbildfunktion nicht gerecht werden. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 11. Dezember 2017 abgewiesen, nachdem es in der mündlichen Verhandlung vier Lehrer des Mi.-Gymnasiums als Zeugen vernommen hatte. Diese haben das dem Kläger vorgeworfene Verhalten bestätigt, insbesondere unangemessene Äußerungen und auffälliges Verhalten gegenüber Kollegen aus der Lehrerschaft, Schulbediensteten (Verwaltungsangestellten, Hausmeister), dem Mensapächter sowie gegenüber Schülern und Schülerinnen, durch die der Schulfrieden erheblich gestört worden sei. Die Bewertung des Dienstherrn, der Kläger sei für den Lehramtsberuf nicht geeignet und werde die Ziele des Vorbereitungsdienstes nicht erreichen können, sei beanstandungsfrei. Auf die Begründung des angefochtenen Urteils im Übrigen wird Bezug genommen.
Zur Begründung seines Zulassungsantrags trägt der Kläger vor, das Urteil lasse unberücksichtigt, dass er die maßgeblichen Verhaltensweisen „nur in einem sehr kurzen Zeitraum gezeigt“, ansonsten seinen Dienst ab Beginn der Referendarzeit von Februar 2015 bis Ende dieses Schuljahres an der zunächst zugewiesenen Schule ohne Beanstandungen versehen habe. Auch habe sich die „Voreingenommenheit der Schulleitung“, die insbesondere aus der langfristigen Abwesenheit des Klägers und dem Dienstantritt am Mi.-Gymnasium erst am 7. Januar 2016 resultiere, wesentlich zu den zur Entlassung führenden Vorkommnissen beigetragen. Daher sei das Verhalten in einem milderen Licht zu bewerten. Der Zeitraum Ende Januar/Anfang Februar 2016, in dem der Kläger „unter besonderem Druck“ gestanden habe, reiche für eine zuverlässige Prognose nicht aus. Zudem habe die Staatsanwaltschaft ein wegen der verschiedenen Vorgänge von der Schulleitung eingeleitetes Strafverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Es fehle auch an der zunächst erforderlichen Abmahnung des Klägers. Sie werde nicht dadurch entbehrlich, dass er vom Beklagten angehört worden sei, denn zu diesem Zeitpunkt habe bereits ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte bestanden. Schließlich übersehe das Verwaltungsgericht, dass dem Kläger gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung gegeben werden solle. Eine Entlassung sei danach nur in besonders begründeten Ausnahmefällen möglich. Hierzu führe das Verwaltungsgericht ohne nähere Begründung aus, das Fehlverhalten des Klägers sei so schwerwiegend, dass eine weitere Beschäftigung auch im Rahmen der Ausbildung als Lehramtsreferendar keiner der im Schulbetrieb tätigen Personen zugemutet werden könne. Zwar treffe zu, dass sich der Kläger in einem kurzen Zeitraum „despektierlich gegenüber Kollegen geäußert“ habe; dies sei aber den besonderen Umständen geschuldet, wegen derer sich der Kläger „durch die Schulleitung und teilweise auch durch die Kollegen schlecht behandelt“ gefühlt habe. Es hätte ihm eine weitere Chance zur Beendigung seiner Ausbildung eingeräumt werden müssen, um prüfen zu können, ob er an einer neu zugewiesenen Schule zu den bereits vorher gezeigten normalen Verhaltensweisen zurückkehren werde.
1. Die Richtigkeit des angefochtenen Urteils erweist sich nicht deshalb als ernstlich zweifelhaft, weil das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Regelfalles im Sinn von § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG verneint und dem Kläger daher keine Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes mehr eingeräumt hat.
1.1 Rechtsgrundlage für die Entlassung des Antragstellers ist § 23 Abs. 4 Satz 1 BeamtStG. Danach können Beamte auf Widerruf jederzeit entlassen werden. Der gesetzliche Begriff „jederzeit“ besitzt nicht nur eine zeitliche, sondern auch eine sachliche Komponente. Zur Rechtfertigung der Entlassung genügt jeder sachliche, das heißt nicht willkürliche Grund (BayVGH, B.v. 12.12.2011 – 3 CS 11.2397 – juris Rn. 34; B.v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481 – juris Rn. 12).
Das dem Dienstherrn bei einem Beamtenverhältnis auf Widerruf allgemein eingeräumte weite Entlassungsermessen ist durch § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG dahingehend eingeschränkt, dass Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst Gelegenheit gegeben werden soll, den Vorbereitungsdienst abzuleisten und die Prüfung abzulegen. Diese Vorschrift schränkt die Möglichkeit der Entlassung nicht nur dort ein, wo der Vorbereitungsdienst als allgemeine Ausbildungsstätte im Sinn von Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG zu qualifizieren ist (etwa OVG RhPf, B.v. 30.7.2004 – 2 B 11152/04 – NVwZ-RR 2005, 253 zur Entlassung eines Studienreferendars aus dem Vorbereitungsdienst), sondern auch dort, wo ein Vorbereitungsdienst für eine Beamtenlaufbahn abgeleistet wird, dessen Abschluss nicht den Zugang zu einer Beschäftigung außerhalb des Beamtenverhältnisses ermöglicht (z.B. OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 17f. m.w.N. zur Entlassung eines Kommissaranwärters; BayVGH, B.v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481 – juris Rn. 13). Die Sollvorschrift des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG erlaubt allerdings Ausnahmen im Einzelfall. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entlassungsgründe mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes im Einklang stehen (zu gesundheitlichen Gründen BVerwG, B.v. 26.1.2010 – 2 B 47.09 – juris Rn. 6; Zängl in Weiß/Niedermeier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Bd. I, Stand: Mai 2019, BeamtStG § 23 Rn. 187).
Die Entlassung ist mit dem Sinn und Zweck des Vorbereitungsdienstes vereinbar, wenn der Beamte aufgrund mangelnder Eignung, Befähigung oder fachlicher Leistung den Anforderungen der angestrebten Laufbahn – hier eines Gymnasiallehrers – nicht gerecht wird. Insoweit genügen bereits berechtigte Zweifel der Entlassungsbehörde, ob der Beamte die persönliche oder fachliche Eignung (i.S.v. § 9 BeamtStG) für ein Amt in der angestrebten Laufbahn besitzt (BVerwG, U.v. 9.6.1981 – 2 C 48.78 – juris Rn. 20, 21; BayVGH, B.v. 13.11.2014 – 3 CS 14.1864 – juris Rn. 22; OVG Bremen, B.v. 13.7.2018 – 2 B 174/18 – juris Rn. 9; OVG NW, B.v. 18.2.2019 – 6 B 1551/18 – juris Rn. 20). Die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf ist daher nicht von dem Nachweis eines Dienstvergehens abhängig (vgl. Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, a.a.O. BeamtStG § 23 Rn. 209).
Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist darauf beschränkt, ob der Dienstherr seine Annahme, es lägen Eignungszweifel vor, auf einen zutreffend und vollständig ermittelten Sachverhalt gestützt, er den Rechtsbegriff der Eignung nicht verkannt und bei der von ihm zu treffenden Prognoseentscheidung allgemeingültige Wertmaßstäbe beachtet und auch sonst keine sachwidrigen Erwägungen angestellt hat (OVG NW, B.v. 27.9.2017 – 6 B 977/17 – juris Rn. 4, 5).
1.2 Vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe ist die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts unter Zugrundelegung des Zulassungsvorbringens nicht ernstlich in Frage gestellt.
Zunächst ist festzuhalten, dass der Kläger im Zulassungsverfahren die einzelnen, im Urteil des Verwaltungsgerichts (UA S. 7, 2. bis S. 11, 2. Abs.) aufgeführten unangemessenen Verhaltensweisen, provozierten Konfliktsituationen und sonstigen Auffälligkeiten im Verhalten nicht mehr grundsätzlich bestreitet. Auch der Senat geht davon aus, dass sich die einzelnen für die Entlassung maßgeblichen Geschehnisse so abgespielt haben, wie sie das Verwaltungsgericht nach Einvernahme von vier Zeugen festgestellt hat, und legt sie seiner rechtlichen Betrachtung zu Grunde (vgl. a. Bescheid v. 12.2.2016 – Verbot der Führung der Dienstgeschäfte, S. 2 – 4).
Der Kläger sieht die festgestellten Verhaltensauffälligkeiten jedoch nicht als so schwerwiegend an, dass ihm deshalb die Fortsetzung des Vorbereitungsdienstes durch Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Widerruf verweigert werden dürfe. Der Senat vermag dem damit einhergehenden Hinweis auf die geforderte Betrachtung in einem „milderen Licht“ nicht zu folgen. So trifft zwar zu, dass der Kläger die inkriminierten Äußerungen und Verhaltensweisen nur über einen kurzen Zeitraum von wenigen Wochen an den Tag gelegt hat. Gleichwohl ist festzustellen, dass sich in der Woche ab dem 28. Januar 2016 die Vorfälle erheblich gehäuft und intensiviert haben. So ist es insbesondere zu Beleidigungen in aggressiver Weise und verbalen Attacken gekommen, wobei der Kläger nicht einmal vor den eintreffenden Polizeibeamten Halt gemacht hat.
Eine für ihn günstigere Beurteilung seines Fehlverhaltens scheidet auch deswegen aus, weil er selbst mit zeitlichem Abstand weder Einsicht gezeigt noch entschuldigende Worte – etwa in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht, die in die Sitzungsniederschrift aufgenommen worden wären – gefunden hat. Insbesondere aber hat er nicht einmal im Ansatz eine tragfähige und nachvollziehbare Erklärung für sein Verhalten geliefert. Hierfür reicht die pauschale Behauptung, er habe sich damals unter besonderem Druck befunden, nicht aus. Insoweit fehlt es schon an einem detaillierten und lebensnahen Vortrag. Auch der Hinweis auf die angebliche Voreingenommenheit der Schulleitung, die ihm erfolglos „nahegelegt“ habe, sich nach seiner mehrmonatigen krankheitsbedingten Abwesenheit „weiter krankschreiben zu lassen“, um eine Ersatzkraft zugewiesen zu bekommen, bietet keinen Ansatzpunkt für eine dem Kläger günstigere Betrachtung der Verhältnisse.
Aus dem vom Verwaltungsgericht in Auftrag gegebenen psychiatrischen Gutachten, das von dem Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren unter dem 20. Juni 2017 (Bl. 91-164 d. VG-Akte) erstellt wurde, ergeben sich jedenfalls keine „Hinweise auf das Vorliegen einer manifesten psychiatrischen Grunderkrankung, die die Verhaltensweisen … erklären könnten“ (S. 72). Der Kläger selbst hat sich, soweit ersichtlich, nicht zum Gutachten geäußert. Vor dem Hintergrund der damit ungeklärten Ursache hat das Verwaltungsgericht zu Recht einen begründeten Ausnahmefall von der Regel des § 23 Abs. 4 Satz 2 BeamtStG bejaht und ist davon ausgegangen, dass eine weitere Tätigkeit des Klägers im Rahmen der Ausbildung als Lehramtsreferendar dem betroffenen Umfeld (Lehrer, Schüler, sonstiges Schulpersonal) nicht zumutbar ist. Auch führt der Vortrag, der Kläger habe zu Beginn seiner Tätigkeit als Studienreferendar (Februar bis Sommer 2015) keinerlei auffällige Verhaltensweisen gezeigt, nicht weiter; denn insoweit gilt ebenfalls, dass keine tragfähigen Erklärungsansätze für sein geändertes Verhalten im Dienst nach der mehrmonatigen Erkrankung (vom September 2015 bis 6. Januar 2016) erkennbar sind. Vor diesem Hintergrund kann die Versagung einer weiteren Chance zur Beendigung seiner Ausbildung „an einer neu zugewiesenen Schule“ nicht beanstandet werden, weil keine nachvollziehbaren Gründe dafür vorliegen, dass es nicht zu einem Rückfall in die inkriminierten Verhaltensmuster kommen wird. Damit bestehen weiterhin berechtigte Zweifel an seiner persönlichen Eignung.
2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich auch nicht aus dem Vortrag des Klägers, er hätte vor Ergehen der Entlassungsverfügung wegen des ihm vorgeworfenen Verhaltens zunächst abgemahnt werden müssen.
Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen Urteil nicht mit der Frage beschäftigt hat, ob eine förmliche Abmahnung im konkreten Fall geboten war. Zwar ist – anders als im Arbeitsrecht – vor der Entlassung eines Beamten auf Widerruf stets eine Anhörung (vgl. Art. 28 BayVwVfG) durchzuführen, die hier erfolgt ist. Allerdings wird eine darüberhinausgehende Abmahnung dann für erforderlich erachtet, wenn andernfalls die Entlassung für den Beamten überraschend käme und die Mängel grundsätzlich behebbar erscheinen (vgl. zu charakterlichen Eigenschaften BVerfG, B.v. 15.12.1976 – 2 BvR 841/73 – BVerfGE 45, 154f. = juris Rn. 113; Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl a.a.O.BeamtStG § 23 Rn. 150). Bei Leistungsmängeln sowie dienstlich zu beanstandendem Verhalten sei häufig für den Beamten nicht deutlich erkennbar, welches Gewicht diesen Mängeln vom Dienstherrn beigemessen werde (BayVGH, B.v. 10.9.2009 – 3 ZB 07.2118 – juris Rn. 16).
Im vorliegenden Fall konnte der Dienstherr aufgrund der konkreten Umstände davon ausgehen, dass der Kläger das ihm vorgeworfene Verhalten auch nach einer förmlichen Abmahnung nicht abgestellt hätte. Die festgestellten Beanstandungen basieren letztlich auf charakterlichen Eigenschaften des Klägers, unter anderem seiner Neigung zu verbalen Entgleisungen sowie anlasslos Streit zu provozieren und zu eskalieren. Eine förmliche Abmahnung im Sinne einer Aufforderung, sein Verhalten zu ändern, hätte keinen Sinn gehabt. Denn mit einer Verhaltensänderung war schon deswegen nicht ernsthaft zu rechnen, weil der Kläger in den wenigen Wochen vom 8. Januar bis 4. Februar 2016 (vgl. Schreiben v. OStDin L. v. 8.2.2016) sowie mit zunehmender Häufigkeit das den Schulfrieden störende Verhalten an den Tag gelegt hat. Es war aus Sicht der Schulleitung spätestens seit dem 4. Februar 2016 nicht mehr hinnehmbar, als die Auseinandersetzung zwischen der Schulleiterin und dem Kläger derart eskalierte, dass die Polizei verständigt, Anzeige wegen Beleidigung (u.a.) erstattet und dem Kläger gegenüber ein Hausverbot für die Schule ausgesprochen wurde (Schreiben v. OStDin L. v. 5./ 8.2.2016). Schon am 28. Januar 2016 war ein „Mensaverbot“ gegenüber dem Kläger ausgesprochen worden. Seine – zumindest damals offenbarte – völlige Uneinsichtigkeit im Hinblick auf sein den Schulfrieden erheblich beeinträchtigendes Verhalten war bereits in einigen vorangegangenen Gesprächen oder Gesprächsversuchen zwischen der Schulleitung und ihm zutage getreten. Unter Zugrundelegung der damaligen Verhältnisse war es nach alldem nicht geboten, dem Kläger förmlich eine Möglichkeit zur Verhaltensänderung zu geben.
Darüber hinaus dürfte es – ohne dass es hierauf noch ankommt – auch an dem für die Annahme einer „Abmahnungsbedürftigkeit“ erforderlichen „Überraschungsmoment“ fehlen. Denn der Kläger musste spätestens nach den Vorfällen am 4. Februar 2016, als die Schulleiterin die Polizei zu Hilfe gerufen und ihm schließlich ein Hausverbot erteilt hat, davon ausgehen, dass Maßnahmen zur Beendigung seines Referendardienstes ergriffen werden. Gleichwohl hat er weder nach dem 4. Februar 2016
noch nach Erlass des Bescheids des Beklagten vom 12. Februar 2016, mit dem ihm die Führung der Dienstgeschäfte verboten wurde und er zugleich zur beabsichtigten Entlassung angehört wurde, Anlass gesehen, der Schulleitung gegenüber etwa eine Abkehr von seinem bisherigen Verhalten glaubhaft zu versichern. Im Gegenteil hat er am 16. Februar 2016 telefonisch der Sekretärin der Schulleiterin in einer Weise gedroht, die erneut die Einschaltung der Polizei erforderlich machte (vgl. Behördenakte, Vermerk v. 16.2.2016).
3. Die Richtigkeit des angefochtenen Urteils ist schließlich nicht deshalb ernstlich zweifelhaft, weil das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden ist.
Die berechtigten Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers werden nicht dadurch widerlegt, dass die Vorwürfe im Hinblick auf die den Schulfrieden erheblich störenden Verhaltensweisen des Klägers, soweit sie (teilweise) Gegenstand staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen waren, nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden (vgl a. BayVGH, B.v. 2.5.2019 – 6 CS 19.481 – juris Rn. 17). Einer Verwertung im vorliegenden (verwaltungsrechtlichen) Entlassungsverfahren steht dies nicht entgegen, denn die inkriminierten Aussagen des Klägers und seine unangemessenen Verhaltensweisen stehen – ungeachtet ihrer fehlenden strafrechtlichen Relevanz – nach Einvernahme von vier Zeugen durch das Verwaltungsgericht fest. Das angefochtene Urteil hat die Aussagen der umfänglich vernommenen Zeugen in überzeugender Weise gewürdigt. Mit der strafrechtlichen Unschuldsvermutung korrespondiert keine beamtenrechtliche Vermutung der charakterlichen Eignung (VGH BW, B.v. 10.3.2017 – 4 S 124/17 – juris Rn. 8f.; OVG Berlin-Bbg, B.v. 29.9.2017 – OVG 4 S 32.17 – juris Rn. 6).
4. Der Senat hat auch die weiteren nachrangigen Argumente des Klägers, die dieser in der Zulassungsbegründung vom 22. März 2018 vorgebracht hat, erwogen. Er hat sie jedoch ebenfalls nicht für geeignet gehalten, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung aufzuzeigen, ohne dass es insoweit einer ausdrücklichen Auseinandersetzung im vorliegenden Beschluss bedurft hätte.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1, Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 bis 3 GKG und folgt derjenigen des Erstgerichts (vgl. Beschluss vom 11.12.2017).
Mit diesem gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbaren Beschluss wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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