Verwaltungsrecht

Entlassung eines Soldaten auf Zeit wegen des Einbringens rechtsextremistischer Musik in die Kaserne

Aktenzeichen  RN 1 K 16.1581

Datum:
28.6.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
SG SG § 7, § 8, § 11, § 17 Abs. 2, § 47 Abs. 2, § 55 Abs. 5, Abs. 6
SBG § 24 Abs. 1 Nr. 6
StGB StGB § 129 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Ein Soldat auf Zeit, der die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr durch das Einbringen rechtsextremistischer Musik in eine Kaserne ernstlich gefährdet, kann während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden. (Rn. 33 – 57) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Ermessen der Behörde, beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG vom Ausspruch der fristlosen Entlassung absehen zu können, ist trotz des Wortlauts im Sinne einer sog. “intendierten Entscheidung” auf besondere Ausnahmefälle zu beschränken.  (Rn. 59 – 61) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Entlassungsbescheid vom 13.05.2016 in der Gestalt des Beschwerdebescheids vom 12.09.2016 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtsgrundlage der Entlassungsverfügung ist § 55 Abs. 5 des Soldatengesetzes (SG). Danach kann ein Soldat auf Zeit während der ersten vier Dienstjahre fristlos entlassen werden, wenn er seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat und sein Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde. Der Entlassungsbehörde steht dabei kein der gerichtlichen Nachprüfung entzogener Beurteilungsspielraum zu (BVerwG, U.v. 26.09.1963 – VIII C 123.63 – BVerwGE 17, 5-10). Das Verwaltungsgericht kann umfänglich überprüfen, ob das Verbleiben des Soldaten in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde (OVG NW, B.v. 01.03.2006 – 1 B 1843/05 – juris).
1. In formeller Hinsicht begegnet der Entlassungsbescheid keinen Bedenken. Der Kläger wurde vor seiner Entlassung gemäß §§ 55 Abs. 6 i.V.m. 47 Abs. 2 SG angehört (Bl. 11 d. Beschwerdeakte). Die Beteiligung der Vertrauensperson nach § 24 Abs. 1 Nr. 6 des Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetzes (SBG) wurde seitens des Klägers abgelehnt (Bl. 16 d. Beschwerdeakte).
2. Die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 55 Abs. 5 SG sind erfüllt.
2.1. Die fristlose Entlassung des Klägers wurde unstreitig noch innerhalb der Vier-Jahres-Frist des § 55 Abs. 5 SG ausgesprochen.
2.2. Durch das Einbringen rechtsextremistischer Musikstücke in den Unterkunftsbereich einer militärischen Liegenschaft hat der Kläger schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt.
2.2.1. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob der Kläger bereits gegen die Generalklausel des § 7 SG verstoßen hat. Danach obliegt dem Soldaten die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen.
Nach früherer Rechtsprechung des BVerwG war ein Verstoß gegen die in den §§ 8 ff. SG geregelten Pflichten des Soldaten zugleich als Verstoß gegen die Treuepflicht nach § 7 SG zu werten (vgl. hierzu m.w.N. Eichen in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl. 2016, § 7, Rn. 19). Inzwischen wird weitgehend vertreten, dass § 7 SG durch die besonderen Pflichten der §§ 8 ff. SG ausgeschlossen wird, die Grundpflicht somit lediglich eine Auffangfunktion i.S. einer Generalklausel besitzt (BVerwG, U.v. 20.05.1981 – 2 WD 9/80 – juris Rn. 79; Eichen in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl. 2016, § 7, Rn. 19). In der Sache spricht vorliegend, ohne dass es letztlich streitentscheidend darauf ankäme, jedoch einiges dafür, dass der Kläger diese Pflicht verletzt hat. Aus der Pflicht zum treuen Dienen ergibt sich vor allem die Pflicht zur Loyalität gegenüber dem Staat, seinen Organen und seiner Rechtsordnung (BVerwG, U.v. 07.11.2000 – 2 WD 18.00 – juris; VG Saarlouis, U.v. 13.01.2015 – 2 K 763/13 – juris für den Fall der Verwendung nationalsozialistischer Gesten).
Insoweit ergeben sich beim Kläger mindestens Zweifel, ob er seine Pflicht aus § 7 SG erfüllt hat. Bei ihm wurde eine erhebliche Menge an rechtsextremistischen Musiktiteln aufgefunden, die er in die Kaserne mitgebracht hat. Es spricht viel dafür, dass er dadurch dem Selbstverständnis der Bundeswehr als Organ des der Freiheit und Menschenwürde verpflichteten demokratischen Rechtsstaats der Bundesrepublik Deutschland Schaden zugefügt hat. Sein Verhalten brachte zumindest die Gefahr mit sich, andere Soldaten in ihrer Loyalität gegenüber dem Dienstherrn zu verunsichern, sie in Konflikte zu stürzen und dadurch im Ergebnis die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr zu beeinträchtigen (vgl. BVerwG, U.v. 07.11.2000 – 2 WD 18.00 – juris Rn. 3).
2.2.2. Jedenfalls hat der Kläger durch das Einbringen rechtsextremistischer Musik in eine Liegenschaft der Bundeswehr seine Pflichten aus § 17 Abs. 2 SG (Verhalten im und außer Dienst) und die politische Treuepflicht gemäß § 8 SG verletzt.
Nach § 17 Abs. 2 SG muss das Verhalten eines Soldaten dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert. Außer Dienst hat sich der Soldat außerhalb der dienstlichen Unterkünfte und Anlagen so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 07.11.2000 – 2 WD 18/00 – juris) kommt es für die Feststellung einer Pflichtverletzung nach § 17 Abs. 2 SG nicht darauf an, ob eine Beeinträchtigung tatsächlich eingetreten ist, sondern es genügt, wenn das Verhalten dazu geeignet war. Allein entscheidend ist, ob ein vernünftiger, objektiv wertender Dritter, wenn er von diesem Verhalten Kenntnis erhielte, darin eine Beeinträchtigung des Ansehens der Bundeswehr oder der Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit des Soldaten sehen würde.
Das Einbringen rechtsextremistischer Musikdateien in eine Liegenschaft der Bundeswehr ist ohne weiteres objektiv geeignet, bei einem außen stehenden Dritten Zweifel an der persönlichen Integrität und der charakterlichen Eignung eines Soldaten zu begründen und damit dessen Achtungs- und Vertrauenswürdigkeit zu beeinträchtigen.
Die politische Treuepflicht (§ 8 SG) erfordert es, dass Soldaten die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anerkennen und durch ihr gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung eintreten. Diese Kernpflicht (BVerwG, U.v. 07.11.2000 – 2 WD 18/00 – juris Rn. 4) des Soldaten gebietet es, sich mit der Idee der freiheitlich-demokratischen, rechts- und sozialstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, der ein Soldat dienen soll, zu identifizieren. Identifizieren bedeutet dabei nicht nur, die Grundordnung dieses Staates anzuerkennen, sondern verlangt ein Mehr an staatsbürgerlicher Verpflichtung, das dem Soldaten wie auch dem Richter und Beamten auferlegt ist (BVerwG, U.v. 07.11.2000 – 2 WD 18/00 – juris). Die Bundesrepublik Deutschland ist eine Demokratie, die von ihren Bürgern die Verteidigung der freiheitlichen Ordnung erwartet. Das Prinzip der streitbaren Demokratie gilt auch für die innere Ordnung der Bundeswehr. Dementsprechend verlangt die politische Treuepflicht von jedem Soldaten die Bereitschaft, sich zu der Idee des Staates, dem er dient, zu bekennen und aktiv für ihn einzutreten. Daher gehört die Verletzung der politischen Treuepflicht zu den schwersten denkbaren Pflichtwidrigkeiten (BVerwG, B.v. 18.11.2003 – 2 WDB 2/03 – juris Rn. 31). Ein solcher Verstoß liegt nicht nur dann vor, wenn sich ein Soldat für Ziele einsetzt, die geeignet sind, die freiheitliche demokratische Grundordnung auszuhöhlen, sondern bereits dann, wenn er sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (BVerwG, U.v. 07.11.2000 – 2 WD 18/00 – juris Rn. 4; OVG SH, B.v. 18.08.2014 – 12 B 14/14 – juris Rn. 32; VG Saarlouis, U.v. 13.01.2015 – 2 K 763/13 – juris; VG Bremen, B.v. 05.08.2013 – 6 V 745/13 – juris). Ein Soldat wird deshalb nur dann seinen Verpflichtungen aus § 8 SG (und § 17 Abs. 1 und 2 SG) gerecht, wenn er sämtliche Verhaltensweisen unterlässt, die objektiv geeignet sind, bei der Öffentlichkeit Zweifel an seiner Verfassungstreue zu erwecken und ihn in die Nähe (rechts-)extremistischer Gruppierungen zu rücken (BVerfG, B.v. 22.05.1975 – 2 BvL 13/73 – juris zur allgemeinen Verfassungstreuepflicht im Berufsbeamtentum; OVG RhPf, Urt. v. 25.08.1995 – 10 A 12774/94 – NVwZ-RR 1996, 401; VG Bremen, U.v. 05.08.2013 – 6 V 745/13 – juris Rn. 23).
Das Verhalten des Klägers war objektiv ohne weiteres geeignet, Zweifel an seiner Verfassungstreue zu wecken und ihn in die Nähe rechtsextremistischer Gruppierungen zu rücken. Auf dem Smartphone des Klägers war in erheblichem Umfang Musik gespeichert, die der rechtsextremen Szene zuzuordnen ist. Es handelte sich insbesondere um Musikstücke der Gruppen „Landser“, „Kommando Freisler“ und „Die Lunikoff Verschwörung“. Bei der Musikgruppe „Landser“ handelt es sich um eine kriminelle Vereinigung im Sinne von § 129 Abs. 1 StGB (BGH, U.v. 10.03.2015 – 3 StR 233/04 – juris). Der BGH hat in dieser Entscheidung keine durchgreifenden Rechtsfehler bei der Einstufung der Band „Landser“ als kriminelle Vereinigung durch das Berliner Kammergericht erkannt. Im Vordergrund der Aktivitäten der Gruppe hätte die Begehung von Straftaten gestanden, nämlich die Verbreitung zu Gewalttaten auffordernder, volksverhetzender, die demokratische Verfassung der Bundesrepublik verunglimpfender und den Nationalsozialismus wiederbelebender Botschaften (BGH, U.v. 10.03.2015 – 3 StR 233/04 – juris Rn. 18). Die öffentliche Sicherheit sei hierdurch erheblich gefährdet gewesen, so dass die Band sämtliche Voraussetzungen einer kriminellen Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB erfüllt habe (BGH, U.v. 10.03.2015 – 3 StR 233/04 – Rn. 18). Die Band produzierte bis zur Verhaftung ihrer Mitglieder im Jahre 2001 CDs mit Liedern überwiegend rechtsradikalen und nationalsozialistischen, insbesondere auch antisemitischen und ausländerfeindlichen Inhalts, die anschließend konspirativ in der rechten Szene vertrieben wurden (BGH, U.v. 10.03.2015 – 3 StR 233/04 – juris Rn. 3; VG Bremen, U.v. 05.08.2013 – 6 V 745/13 – juris Rn. 23). Der Sänger und Bandleader der Gruppe „Landser“, Michael Regener, veröffentlichte noch während des laufenden Verfahrens mehrere Tonträger unter der Bezeichnung „Die Lunikoff Verschwörung“ (VG NeustadtWein Straße, U.v. 22.10.2013 – 5 K 185/13.NW – juris Rn. 23; Bundesamt für Verfassungsschutz, Rechtsextremistische Musik, Stand: Juli 2007, S. 13 f. abrufbar im Internet unter: https://www.verfassungsschutz.de/de/download-manager/_broschuere-2007-07-rechtsex-tremistische-musik.pdf). In Liedern der CD „Geheime Reichssache“ der Gruppe „Kommando Freisler“ finden sich Textpassagen mit eindeutig antisemitischen und den Nationalsozialismus verherrlichenden Inhalten, die unter anderem zum Mord an Menschen jüdischen Glaubens aufrufen (vgl. Bundesamt für Verfassungsschutz a.a.O, S. 11; Sachsen-Anhalt – Ministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 2009, S. 16). Die CD wurde durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien im Jahr 2004 indiziert (Bundesamt für Verfassungsschutz a.a.O, S. 11).
Für den Kläger hätte es offensichtlich sein müssen, dass es sich bei der auf seinem Telefon gespeicherten Musik um Inhalte handelte, die mit seiner Pflicht aus § 8 SG zum Schutz der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar waren. Insbesondere nach den Erfahrungen mit dem menschenverachtenden, rassistischen und die Unterwerfung fremder Völker zum Programm erklärenden Unrechtsstaat des „Dritten Reichs“ muss die Bundeswehr besonderen Anforderungen an ihre Integrität und Rechtsstaatlichkeit gerecht werden. Sie ist besonders störanfällig gegenüber dem Auftreten eines Soldaten, das Zweifel an der unbedingten Respektierung des sittlichen Wertes der Menschenwürde nährt (OVG RhPf, Urt. v. 25.08.1995 – 10 A 12774/94 – NVwZ-RR 1996, 401, 402).
Selbst wenn der Kläger die Musikstücke – wie vorgetragen – nicht selbst angehört bzw. aufgespielt hat, wäre er verpflichtet gewesen, die Lieder von seinem Telefon zu löschen. Das hat er aber nicht getan. Nachweislich hatte er jedenfalls bis 03.09.2015 die o.g. Dateien auf seinem Telefon abgespeichert. An der Bewertung einer (schuldhaften) Dienstpflichtverletzung, die an das Einbringen der Dateien in Liegenschaften der Bundeswehr anknüpft, ändert sein Vortrag im Ergebnis nichts (VG Bremen, U.v. 05.08.2013 – 6 V 745/13 – juris Rn. 23). Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Gerichts- und Behördenakten hat sich der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2017 in dieser Weise eingelassen. In der Stellungnahme zur beabsichtigten Entlassung (Bl. 11 d. Beschwerdeakte) traf der Kläger keine Aussage dazu, wie und wann die fraglichen Dateien auf das Smartphone gekommen sind. In der Beschwerde vom 27.05.2016 (Bl. 22 d. Beschwerdeakte) ließ der Kläger durch seinen Verfahrensbevollmächtigten lediglich vortragen, dass die auf dem Smartphone vorhandenen rechtsextremistische Musikdateien vor August 2014 geladen worden seien. Die Klagebegründung vom 31.01.17 führte aus, die Musik sei vor August 2014 aufgespielt, jedoch nie abgespielt worden. Weder habe der Kläger diese Musik gehört, noch habe er dies Dritten ermöglicht. Dass der Kläger die Musik nicht selbst aufgespielt hat, wurde in keiner der bisherigen Einlassungen behauptet. In der Sache hält das Gericht die Bewertung des MAD, dass der Kläger diese Musik auch konsumiert und die Texte gelesen haben muss für nachvollziehbar und schlüssig (Bl. 54 d. Akte). Die Einlassung, die Musik nicht angehört zu haben, ist aus Sicht der Kammer, jedenfalls für die Zeit vor Dienstantritt, wiederlegt durch die Tatsache, dass der Kläger gezielt Textpassagen der Gruppe „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat. Die Behauptung, die Dateien seien (später) vergessen worden ist aus Sicht des Gerichts nicht nachvollziehbar, da es sich bei modernen Smartphones um Geräte handelt, die in der Regel täglich vielfach in Gebrauch sind. Es liegt nahe, nicht benötigte Medieninhalte, die bei Durchsicht der Musikanwendungen oder des Gerätespeichers ins Auge fallen müssen, auch zu löschen. Zudem ergibt sich eine fortbestehende Affinität des Klägers zur rechtsextremistischen Musikszene aufgrund des Besitzes eines Bandshirts der Gruppe „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ (Bl 52 d. Akte). Außerdem verwendete der Kläger nach den Feststellungen des MAD eine sog. schwarze Sonne als Hintergrundbild auf seinem Telefon. Dabei handelt es sich um ein für die Neonazi-Szene identitätsstiftendes Symbol (vgl. Ministerium für Inneres und Sport Mecklenburg-Vorpommern – Abteilung Verfassungsschutz, Rituale und Symbole der rechtsextremistischen Szene, Stand: Juli 2015, S. 18 abrufbar im Internet unter: http://www.verfassungsschutz-mv.de/cms2/Verfassungsschutz_prod/Verfassungsschutz/content_downloads/Broschueren/Rituale_und_Symbole_der_rechtsextremistischen_Szene_2016.pdf).
Ein solches Verhalten ist mit der Verpflichtung des Klägers zur Verfassungstreue und zur Ansehenswahrung nicht vereinbar.
2.2.3. Ob der Kläger sich darüber hinaus einen Verstoß gegen die Gehorsamspflicht (§ 11 SG) hat zuschulden kommen lassen, ist zweifelhaft. Im Ergebnis kann dies aber dahinstehen.
§ 11 Abs. 1 Satz 1 SG verpflichtet den Soldaten zum Gehorsam gegenüber seinen Vorgesetzten. Gehorsam heißt Vollziehung eines Gebotes oder Beachtung eines Verbotes und beschränkt sich somit auf Befehle. Gemeint sein dürften nur echte Befehle eines Vorgesetzten (vgl. OVG SH, B.v. 18.08.2014 – 12 B 14/14 – juris Rn. 34). Einen solchen an den Kläger gerichteten Befehl im engeren Sinne gab es vorliegend nicht. Vielmehr hat der Kläger gegen spezielle im Soldatengesetz festgelegte Dienstpflichten verstoßen, die der allgemeinen Gehorsamspflicht vorgehen, namentlich Nr. 311 der Zentralen Dienstvorschrift (ZDv) 10/5. Danach ist es untersagt, unter anderem Tonträger (z.B. CD), Bildträger (z.B. Bilder, Fotos, Filme, Video, CD), Datenträger (z.B. Disketten, CD), Schriften, Abzeichen oder ähnliche Gegenstände „in den Unterkunftsbereich bzw. den Bereich der militärischen Dienststelle auch nur vorübergehend einzubringen“, die sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten oder Kennzeichen oder Propagandamittel verfassungswidriger Organisationen darstellen oder enthalten. Dies war bei o.g. Musikstücken unzweifelhaft der Fall. Mangels entsprechenden Befehls im o.g. Sinne, entfällt in Bezug auf § 11 Abs. 1 SG indes der Pflichtenverstoß.
2.3. Die Pflichtverletzung in Bezug auf § 8 Abs. 1 und § 17 Abs. 2 SG hat der Kläger auch schuldhaft, zumindest fahrlässig begangen. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2.2.2. Bezug genommen.
2.4. Der Verbleib des Klägers in seinem Dienstverhältnis würde sowohl die militärische Ordnung (2.4.1.) als auch das Ansehen der Bundeswehr (2.4.2.) ernstlich gefährden, § 55 Abs. 5 SG. Der Sinn und Zweck der Norm besteht darin, die personelle und materielle Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu gewährleisten (BVerwG, B.v. 28.01.2013 – 2 B 114/11 – juris, Rn. 8). Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich, dass die Gefahr gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen muss. Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, haben die Verwaltungsgerichte im Rahmen einer „objektiv nachträglichen Prognose“ nachzuvollziehen (BVerwG, B.v. 28.01.2013 – 2 B 114/11 – juris, Rn. 8; OVG NW, B.v. 01.03.2006 – 1 B 1843/05 – juris).
2.4.1. Unter militärischer Ordnung ist der Inbegriff der Elemente zu verstehen, die die Verteidigungsbereitschaft der Bundeswehr nach den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen erhalten. Schutzgut der militärischen Ordnung ist die innerbetriebliche Funktionsfähigkeit der Streitkräfte in dem Umfang, wie dies zur Aufrechterhaltung der personellen und materiellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr erforderlich ist (OVG SH, B.v. 18.08.2014 – 12 B 14/14 – juris Rn. 37; VG Saarlouis, U.v. 13.01.2015 – 2 K 763/13 – juris Rn. 43; Sohm in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl. 2016, § 55, Rn. 70). Die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Truppe muss gerade als Auswirkung einer Dienstpflichtverletzung des Soldaten drohen. Dies ist von den Verwaltungsgerichten aufgrund einer nachträglichen Prognose zu beurteilen. Mit dem Erfordernis, dass die Gefährdung der militärischen Ordnung ernstlich sein muss, entscheidet das Gesetz selbst die Frage der Angemessenheit der fristlosen Entlassung im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck und konkretisiert so den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerwG, B.v. 16.08.2010 – 2 B 33/10 – juris Rn. 7).
Zwar können Dienstpflichtverletzungen auch dann eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung herbeiführen, wenn es sich um ein leichteres Fehlverhalten handelt oder mildernde Umstände hinzutreten. Jedoch ist im Rahmen der Gefährdungsprüfung zu berücksichtigen, ob die Gefahr für die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr durch eine Disziplinarmaßnahme abgewendet werden kann. Auf dieser Grundlage haben sich in der Rechtsprechung Fallgruppen herausgebildet, bei denen eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung im Sinne des § 55 Abs. 5 SG regelmäßig anzunehmen ist (BVerwG, B.v. 28.01.2013 – 2 B 114/11 – juris):
Bei Dienstpflichtverletzungen im militärischen Kernbereich, die unmittelbar die Einsatzbereitschaft beeinträchtigen, ist eine Gefährdung der militärischen Ordnung regelmäßig anzunehmen (BVerwG, B.v. 28.01.2013 – 2 B 114/11 – juris). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallen nur schwere innerdienstliche Dienstpflichtverletzungen bzw. ein außerdienstliches Verhalten, das unmittelbar hierauf gerichtet ist in den militärischen Kernbereich (BVerwG, B.v. 28.01.2013 – 2 B 114/11 – juris). Dafür kann ein Verhalten eines Soldaten ausreichend sein, das geeignet ist, so nachhaltige Zweifel an seiner dienstlichen Zuverlässigkeit zu begründen, dass das Vertrauen in seine soldatische Integrität unheilbar zerstört wird.
Bei Dienstpflichtverletzungen außerhalb dieses Bereichs kann regelmäßig auf eine ernstliche Gefährdung geschlossen werden, wenn es sich entweder um Straftaten von erheblichem Gewicht handelt, wenn die begründete Befürchtung besteht, der Soldat werde weitere Dienstpflichtverletzungen begehen (Wiederholungsgefahr) oder es sich bei dem Fehlverhalten um eine Disziplinlosigkeit handelt, die in der Truppe als allgemeine Erscheinung auftritt oder um sich zu greifen droht (Nachahmungsgefahr) (BVerwG, B.v. 28.01.2013 – 2 B 114/11 – juris; Sohm in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl. 2016, § 55, Rn. 74 f.). Die beiden letztgenannten Fallgruppen erfordern eine einzelfallbezogene Würdigung der konkreten Dienstpflichtverletzung, um die Auswirkungen für die Einsatzbereitschaft oder das Ansehen der Bundeswehr beurteilen zu können (BVerwG, B.v. 16.08.2010 – 2 B 33.10 – juris; B.v. 28.01.2013 – 2 B 114.11 – juris). Die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte hat daher eine ernstliche Gefährdung der militärischen Ordnung angenommen, wenn ein Soldat durch das Abspielen rechtsradikaler Musik, das Tragen von Kleidungsstücken mit rechtsextremistischen Aufdrucken, durch rassistische Äußerungen oder den wiederholten Besuch rechtsextremistischer Veranstaltungen seine eigene rechtsgerichtete Gesinnung zum Ausdruck gebracht hat (VG Bremen, B.v. 05.08.2013 – 6 V 745/13 – juris Rn. 30 m.w.N.; Sohm in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl. 2016, § 55, Rn. 78 m.w.N.). Das setzt in tatsächlicher Hinsicht jedoch voraus, dass das Dienstvergehen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls tatsächlich geeignet war, das Achtungs- und Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu seinem Soldaten unheilbar zu zerstören (VG Bremen, B.v. 05.08.2013 – 6 V 745/13 – juris Rn. 30).
Ausgehend von o.g. Grundsätzen liegt vorliegend eine Gefährdung der militärischen Ordnung durch die schuldhafte Dienstpflichtverletzung des Klägers vor. Aus Sicht des Gerichts bedarf es keiner Entscheidung, ob das Verhalten des Klägers bereits eine Pflichtverletzung im militärischen Kernbereich darstellt. Eine unmittelbar die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr beeinträchtigende Pflichtverletzung ist jedenfalls nicht ohne weiteres erkennbar (vgl. OVG SH, B.v. 18.08.2014 – 12 B 14/14 – juris Rn. 38).
Die Pflichtverletzung des Klägers stellt aber ein Fehlverhalten dar, dass die Gefahr der Nachahmung mit sich bringt. Es handelt sich um eine Disziplinlosigkeit, die andere Soldaten zu einem entsprechenden Verhalten veranlassen könnte. Dadurch würde einer allgemeinen Disziplinlosigkeit und einer damit einhergehenden Gefährdung der militärischen Ordnung Vorschub geleistet. Die fristlose Entlassung des Antragstellers ist damit geeignet, andere Soldaten von einem ähnlichen Verhalten abzuhalten (vgl. OVG SH, B.v. 18.08.2014 – 12 B 14/14 – juris Rn. 38; VG Saarlouis, U.v. 13.01.2015 – 2 K 763/13 – juris). Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung (Bl. 35 d. Akte) ausgeführt, dass es sich bei Dienstvergehen mit rassistischem oder rechtsextremistischem Bezug um ein vom Einzelfall losgelöstes allgemeines Problem handelt, welches – um eine ansonsten drohende Festsetzung dieses Problems in den Streitkräften zu verhindern – schon im Anfangsstadium mit der gebotenen Härte bekämpft werden muss. Die Schlussfolgerung der Beklagten, dass es sich bei dem Besitz rechtsextremistischer Musik um eine derart allgemeines Problem handelt ist nachvollziehbar und seitens des Gerichts nicht zu beanstanden (vgl. OVG SH, B.v. 19.10.2015 – 2 LB 25/14 – juris Rn. 41; OVG NW, B.v. 17.09.2008 – 1 B 670/08 – juris Rn. 49). Dies schließt es ein, bereits dem durch objektive Tatsachen begründeten Anschein des Fortbestehens einer derartigen Gesinnung und inneren Einstellung wirksam entgegenzutreten (OVG SH, a.a.O. Rn. 41).
Eine Ausnahmesituation in Gestalt bloßen Besitzes rechtsextremistischer Musik ohne entsprechend einhergehende Gesinnung lässt sich vorliegend nicht feststellen (anders die Fallgestaltung, die der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung des VG Bremen vom 05.08.2013 zugrunde liegt, a.a.O.. Das Gericht hatte dort – wie übereinstimmend die Parteien – festgestellt, dass eine rechtsextremistische Gesinnung nicht vorlag). Das Gericht teilt im vorliegenden Falle des Klägers die Einschätzung des MAD, dass eine Affinität zum Rechtsextremismus vorhanden ist und er als Sympathisant der rechtsextremistischen Szene bewertet werden muss. Zu der Tatsache, dass der Kläger szenetypische Musik konsumiert (hat) kommt hinzu, dass er jedenfalls bis zur Befragung durch den MAD szenetypische Bekleidung getragen hat. Soweit eingewandt wird, dass hinsichtlich der Alpha- und der Harringtonjacke keine eindeutige Zuordnung zur rechten Szene getroffen werden könne, verfängt dieser Einwand spätestens bei dem T-Shirt der Band „Gigi und die braunen Stadtmusikanten“ nicht mehr. Überdies liegt die polizeiliche Feststellung vor, dass der Kläger jedenfalls bis August 2014 einer losen Gruppe Jugendlicher angehörte, die rechtsextremistische Tendenzen aufwies (Bl. 7 d. Akte). Nach den Feststellungen des MAD bestand ein persönlicher Kontakt noch bis in das Jahr 2015. Außerdem hat der Kläger nachweislich mit der schwarzen Sonne ein für die Neonazi-Szene identitätsstiftendes Symbol als Hintergrundbild auf seinem Smartphone verwendet.
2.4.2. Darüber hinaus wäre durch ein Verbleiben des Klägers im Soldatenverhältnis auch das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährdet. Unter dem Ansehen der Bundeswehr ist allgemein der gute Ruf der Streitkräfte oder einzelner Truppenteile bei außenstehenden Personen, namentlich in der Öffentlichkeit, und zwar aus der Sicht eines den jeweiligen Lebensverhältnissen gegenüber aufgeschlossenen, objektiv wertenden Betrachters zu verstehen. Eine ernstliche Gefährdung des Ansehens der Bundeswehr ist anzunehmen, wenn das Verhalten des Soldaten mit den berechtigten Erwartungen der Bevölkerung an die Integrität der Bundeswehr unvereinbar, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtsstaatlichkeit der Streitkräfte bei Bekanntwerden erschüttert wäre (OVG SH, B.v. 19.10.2015 – 2 LB 25/14 – juris Rn. 35; OVG RhPf, Urt. v. 25.08.1995 – 10 A 12774/94 – NVwZ-RR 1996, 401).
Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen handelt es sich bei dem Besitz von als verfassungsfeindlich einzustufenden Musikdateien durch einen Soldaten der Bundeswehr nicht um eine „Bagatelle“, sondern um ein Verhalten, das von einer sensibilisierten Öffentlichkeit registriert und keinesfalls toleriert würde. Das Verhalten des Klägers ist in besonderer Weise geeignet, zu einem erheblichen Ansehensverlust der Bundeswehr zu führen (OVG NW, B.v. 01.03.2006 – 1 B 1843/05 – juris). Es ist unabdingbar, dass Angehörige der Bundeswehr keinen Zweifel darüber aufkommen lassen, dass sie auf dem Boden der freiheitlichen Ordnung stehen und bereit sind, für sie jederzeit einzutreten (BVerfG, B.v. 18.02.1970 – 2 BvR 531/68 – juris Rn. 51). Es kommt insoweit auch nicht entscheidend darauf an, ob die Prognose gerechtfertigt ist, dass gerade von dem Kläger auch künftig weitere einschlägige Dienstpflichtverletzungen zu erwarten gewesen wären. Insoweit bedarf es keiner Klärung, ob sich der der Kläger von rechtsextremistischem Gedankengut oder persönlichem Umfeld distanziert hat. Mit Blick auf die deutsche Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus ist das Ansehen der Bundeswehr in besonderem Maße störanfällig gegenüber Militärangehörigen, die Zweifel an der unbedingten Respektierung des sittlichen Wertes der Menschenwürde aufkommen lassen (OVG SH, B.v. 19.10.2015 – 2 LB 25/14 – juris Rn. 36; OVG NW, B.v. 01.03.2006 – 1 B 1843/05 – juris; OVG RhPf, U.v. 25.08.1995 – 10 A 12774/94 – NVwZ-RR 1996, 401, 402). Es spielt zudem keine Rolle, ob das Verhalten des Klägers tatsächlich „öffentlich“ geworden ist. Das Ansehen der Bundeswehr kann durch eine Dienstpflichtverletzung bereits dann ernstlich gefährdet werden, wenn die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Verfehlung öffentlich bekannt wird (OVG SH, B.v. 19.10.2015 – 2 LB 25/14 – juris Rn. 39).
2.5. Die Beklagte hat auch ermessensfehlerfrei darüber befunden, dass die Dienstpflichtverletzung nicht genauso wirksam mit einer Disziplinarmaßnahme geahndet werden konnte.
§ 55 Abs. 5 SG räumt der Behörde kein „umfassendes“ Ermessen dergestalt ein, dass die Entlassungsbehörde gewissermaßen – ähnlich wie in einem Disziplinarverfahren – alle für und gegen den Verbleib des Zeitsoldaten im Dienst sprechenden Gesichtspunkte im Rahmen einer Gesamtwürdigung zusammentragen, gewichten und gegeneinander abwägen müsste (OVG NW, B.v. 01.03.2006 – 1 B 1843/05 – juris Rn. 29). Dem steht die besondere Zielrichtung bzw. Zweckbestimmung der streitentscheidenden Vorschrift (§ 55 Abs. 5 SG) entgegen. Alleiniger Zweck der fristlosen Entlassung gemäß § 55 Abs. 5 SG ist es, eine drohende Gefahr für die Bundeswehr abzuwenden (OVG NW, B.v. 01.03.2006 – 1 B 1843/05 – juris Rn. 30; OVG SH, B.v. 19.10.2015 – 2 LB 25/14 – juris Rn. 43) . Die fristlose Entlassung soll künftigen Schaden verhindern und dient in diesem Zusammenhang ausschließlich dem Schutz der Bundeswehr. Es handelt sich gerade nicht um eine Disziplinarmaßnahme (bzw. eine vergleichbare Maßnahme) (Sohm in: Walz/Eichen/Sohm, Soldatengesetz, 3. Aufl. 2016, § 55, Rn. 50 m.w.N.). Somit finden auf sie auch nicht die für Disziplinarmaßnahmen geltenden Grundsätze Anwendung. Auch im Übrigen ist im Rahmen von § 55 Abs. 5 SG kein Raum für Erwägungen darüber, ob die Sanktion der dienstlichen Verfehlung angemessen ist und ob der Soldat im Hinblick auf die Art und Schwere der Dienstpflichtverletzung noch tragbar oder untragbar ist. Die Frage der Angemessenheit des Eingriffs im Verhältnis zu dem erstrebten Zweck ist hier in einer Vorabbewertung durch den Gesetzgeber jedenfalls im Wesentlichen bereits durch die Vorschrift selbst – und zwar auf der Tatbestandsebene – konkretisiert worden (OVG SH, B.v. 19.10.2015 – 2 LB 25/14 – juris Rn. 43). So setzt § 55 Abs. 5 SG mit der Begrenzung der Rechtsfolge auf Fälle einer „ernstlichen“ Gefährdung einen besonderen Gefährdungsgrad voraus; außerdem grenzt er in zeitlicher Hinsicht die Entlassungsmöglichkeit auf die ersten vier Dienstjahre ein. Für zusätzliche Erwägungen zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist somit nach der Gesetzeskonzeption im Rahmen des § 55 Abs. 5 SG (grundsätzlich) kein Raum (BVerwG, U.v. 31.01.1980 – 2 C 16.78 – BVerwGE 59, 361).
Dies zugrunde gelegt, ist das Ermessen der zuständigen Behörde, beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 55 Abs. 5 SG vom Ausspruch der fristlosen Entlassung absehen zu können, trotz des Wortlauts „kann“ (und nicht „soll“) im Sinne einer sog. „intendierten Entscheidung“ auf besondere (Ausnahme-)Fälle zu beschränken (OVG NW, B.v. 20.01.2005 – 1 B 2009/04 – juris; OVG NW, U.v. 26.08.1999 – 12 A 2849/96 – juris; BayVGH, U.v. 25.07.2001 – 3 B 96.1876 – juris) und zwar solche, die der Gesetzgeber in seine vorweggenommene Verhältnismäßigkeitsabwägung nicht schon einbezogen hat bzw. einbeziehen konnte, weil sie beispielsweise gerade den jeweils in Rede stehenden Fall völlig „atypisch“ prägen. In Konsequenz dessen gibt es auch keine generelle Verpflichtung der Behörde, in jedem einzelnen Falle im Rahmen der Begründung der Entlassungsverfügung bzw. des Beschwerdebescheides (zusätzliche) Ermessenserwägungen ausdrücklich anzustellen.
Es reicht somit aus, dass sich die Behörde den Umständen nach des in atypischen Fällen gesetzlich eingeräumten Ermessens bewusst gewesen ist und sie etwa bestehende Besonderheiten (im obigen Sinne) – an denen es hier im Übrigen fehlt – zutreffend geprüft und verneint hat. Es trifft gerade nicht zu, dass dem Kläger – im Sinne einer atypischen Fallgestaltung – keine rechtsextremistische Gesinnung nachgewiesen werden kann. Der Bericht des MAD legt das Gegenteil, nämlich eine Bewertung als Verdachtsperson in Bezug auf Rechtsextremismus, an den Tag.
Insoweit sind keine durchgreifenden (erheblichen) Mängel der in Rede stehenden Entlassungsverfügung in der Gestalt des Beschwerdebescheids zu erkennen.
3. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg zu stellen (Hausanschrift: Haidplatz 1, 93047 Regensburg; Postfachanschrift: Postfach 110165, 93014 Regensburg).
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof einzureichen (Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 340148, 80098 München).
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, 4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder 5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Allen Schriftsätzen sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.
Hinweis auf Vertretungszwang: Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich alle Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt bereits für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird, die aber noch beim Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder die anderen in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich auch durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen; Einzelheiten ergeben sich aus § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO.
Beschluss:
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) auf € 12.789,75 festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- EUR übersteigt, oder wenn die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg einzulegen (Hausanschrift: Haidplatz 1, 93047 Regensburg; Postfachanschrift: Postfach 110165, 93014 Regensburg). Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Allen Schriftsätzen sollen jeweils 4 Abschriften beigefügt werden.


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