Verwaltungsrecht

Entwässerungseinrichtung, Verwaltungsgerichte, Antragsgegner, Unterlassungsverfügung, Entwässerungssatzung, Zwangsgeldandrohung, Befähigung zum Richteramt, Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, Androhung eines Zwangsgeldes, Zwangsgeldfestsetzung, Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Anordnung des Sofortvollzugs, Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit, Aufschiebende Wirkung, Summarische Prüfung, Antragstellers, Anordnung der sofortigen Vollziehung, Bußgeldbescheid, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Prozeßkostenhilfeverfahren

Aktenzeichen  W 2 S 20.2079

Datum:
13.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 646
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
VwGO § 80 Abs. 1 Nr. 4
Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Stadt Aub vom 17. September 2013 (Entwässerungssatzung)

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die Verpflichtung, das Einleiten von festen Stoffen in die Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin zu unterlassen.
Die Antragstellerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), betreibt im Stadtgebiet der Antragsgegnerin einen Schlachthof. Sie leitet entsprechend der Satzung für die öffentliche Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin (Entwässerungssatzung – EWS) – vom 17. September 2013 Abwasser aus ihrem Betrieb in die Entwässerungsanlage der Beklagten ein, die diese als öffentliche Einrichtung betreibt.
Die Beteiligten schlossen am 24. Januar 2018 eine „Sondervereinbarung zur Einleitung von Abwässern in die Kläranlage“. Darin wurden die Pflichten der Antragstellerin nach der Entwässerungssatzung konkretisiert und hinsichtlich der Abwasservorbehandlungsanlage (Flotationsanlage) der Antragstellerin Dokumentations- und Überwachungspflichten festgelegt.
In den Akten der Antragsgegnerin finden sich zahlreiche Fotos, die Störungen und Verschmutzungen in der Abwasserleitung der Antragstellerin in insgesamt 24 Fällen im Zeitraum vom 2. April 2019 bis zum 18. November 2020 dokumentieren. Auf diesen Fotos sind unter anderem Tierhaare, Pansenstücke, Seile und Ohrmarken zu erkennen. Nach dem Akteninhalt verursachten diese Stoffe Beeinträchtigungen der Pumpe der Abwasseranlage, so dass diese mehrmals durch Mitarbeiter der Antragsgegnerin gereinigt und wiedereingesetzt werden musste. Die Antragstellerin wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass diese festen Stoffe in die Kanalisation gelangt seien.
Mit Schreiben vom 5. November 2020 meldete die Antragsgegnerin der Antragstellerin, dass am 14. Oktober 2020 erneut die Einleitung von verbotenen festen Stoffen festgestellt worden sei. Es wurde der Erlass eines Bescheids mit Zwangsgeldandrohung angekündigt und dazu die Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 15. November 2020 gegeben. Die Antragstellerin äußerte sich mit Schreiben vom 13. November 2020. Die vorgelegten Fotos wiesen vornehmlich sog. „Zöpfe“ auf, die sich durch verschiedenste Abwasserinhaltsstoffe bilden könnten. Feststoffansammlungen in Abwasserleitungen ergäben sich im Laufe der Zeit. Die Verantwortung für die Betriebsprobleme liege beim Betreiber der Abwasserbeseitigungsanlage, da dieser eine viel zu kleine Tauchmotorpumpe im Pufferbecken betreibe. Auf den Inhalt dieses Schreibens wird im Übrigen verwiesen.
Mit Bescheid vom 19. November 2020, der Antragstellerin am 20. November 2020 mittels Amtsboten zugestellt, verpflichtete die Antragsgegnerin die Antragstellerin,
das Einleiten von festen Stoffen wie Ohrmarken, Pansenstücke, Tierhaare etc. in die Kläranlage Aub zu unterlassen (Ziffer 1) und ordnete die sofortige Vollziehung der vorstehenden Ziffer 1 an (Ziffer 2).
Für den Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 dieses Bescheids wurde bestimmt, dass ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR zur Zahlung fällig wird (Ziffer 3).
Der Antragstellerin wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt. Es wurde für diesen Bescheid eine Gebühr von 100,00 EUR festgesetzt (Ziffer 4).
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 19. November 2020 Bezug genommen.
Dagegen ließ die Antragstellerin mit Schreiben vom 14. Dezember 2020, eigegangen am 15. Dezember 2020, Klage (W 2 K 20.2080) zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erheben und gleichzeitig im vorliegenden Verfahren beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 19. November 2020 wiederherzustellen.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Ein Rechtsschutzbedürfnis sei gegeben, da die Antragstellerin bei jeder Entdeckung von Feststoffen in der öffentlichen Kläranlage – unabhängig von ihrer Verantwortlichkeit hierfür – befürchten müsse, mit einem Zwangsgeld von 1.000,00 EUR belastet zu werden. Diese unsichere Zahlungsverpflichtung bedeute einen erheblichen Eingriff in die Gewerbefreiheit und erkläre die Dringlichkeit des Rechtsbehelfs.
In der Hauptsache habe die Klage Aussicht auf Erfolg, weil die Antragstellerin tatsächlich keine festen Stoffe in die städtische Kläranlage einleite. Dies ergebe sich aus der Sondervereinbarung, wonach das Abwasser der Antragstellerin vor der Zuleitung in das öffentliche Abwassersystem vor einem Treibgutrechen (sog. Flotationsanlage) gesammelt werde. Dem angesammelten Wasser würde eine Substanz zugesetzt, die feste Stoffe aus Tierresten auflöse und die nicht zersetzbaren Stoffe an die Wasseroberfläche trage, wo diese dann abgetragen würden. Letztlich müsse das Abwasser einen Feinsieb durchlaufen, der regelmäßig und ordnungsgemäß gereinigt werde, so dass das Einleiten von Feststoffen nahezu ausgeschlossen sei. Außerdem passiere die Abwasserleitung der Antragstellerin auf dem Weg in die städtische Kläranlage vier weitere Zuleitungen bzw. Straßeneinläufe, die zwar am dem privaten Grund der Antragstellerin lägen ober öffentlich zugängliche seien, so dass die Verantwortlichkeit der Antragstellerin nicht nachgewiesen sei.
Die Ursachen der Feststoffbildung seien in der zu kleinen und leistungsschwachen Pumpe und in dem mit drei Zentimetern zu geringen Durchmesser der Leitungsrohre zu finden.
Die Anordnung des sofortigen Vollzuges sei nicht ausreichend begründet. An ihr bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse. Eine Dringlichkeit sei nicht geboten. Im Jahr 2019 seien lediglich vier Ohrmarken in der Kläranlage gefunden worden und nur an zehn Tagen seien Funktionsstörungen eingetreten. Eine unmittelbare Zwangsgeldfestsetzung für ein Unterlassen, das wegen der anderen Zulaufmöglichkeiten nicht ausschließlich im Entscheidungsbereich der Antragstellerin liege, sei nicht zulässig. Die Antragsgegnerin hätte mildere Mittel, z.B. die Anordnung weiterer Feinsiebe oder das Abdecken der Straßeneinläufe, in Betracht ziehen müssen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig, da der zugrundeliegende Bescheid vom 19. November 2020 bestandskräftig geworden sei. Der Antragsgegnerin sei bis zur Fertigung der Antragserwiderung keine Klage zugestellt worden.
Im Übrigen habe die Anfechtungsklage keine Aussicht auf Erfolg. Nach § 15 Abs. 1 EWS dürften feste Stoffe, die den Betrieb der Entwässerungseinrichtung erschweren, behindern oder beeinträchtigen (insbesondere Schlachtabfälle, § 15 Abs. 2 Nr. 7 EWS) nicht in die Entwässerungseinrichtung eingebracht werden. Gegen dieses Verbot habe die Antragstellerin nachweislich seit 2019 immer wieder verstoßen, was die Fotoaufnahmen, die sich in den Akten befänden, belegten. Zuletzt seien am 9. und am 18. November 2020 Tierhaare und Ohrmarken im Abwasser des Schlachthofs gefunden worden. Dazu werde auf die Emails der zuständigen Mitarbeiter vom 18. November und vom 1. Dezember 2020 verwiesen. Die vorgefundenen Feststoffe fielen typischerweise in einem Schlachtbetrieb an, so dass die Angabe der Antragstellerin, dass diese nicht von der Antragstellerin herrühren könnten, nicht der Lebenserfahrung entspreche.
Der Antragsgegnerin habe kein milderes Mittel zur Verfügung gestanden, da zahlreiche Gespräche, Hinweise und ein entsprechender Bußgeldbescheid vom 15. September 2020 erfolglos blieben. Auch in der Stellungnahme vom 13. November 2020 habe die Antragstellerin nicht zu erkennen gegeben, dass sie bereit sei, Abhilfe zu schaffen.
Um die Funktionstüchtigkeit der Kläranlage auch künftig aufrecht erhalten zu können, könnten keine weiteren rechtswidrigen Einleitungen hingenommen werden. Es bestünde die Gefahr, dass ungereinigtes Abwasser in die „Gollach“ gelange, so dass im Interesse der Allgemeinheit das verbotswidrige Einleiten von Abfällen aus dem Schlachthof umgehend unterbunden werden müsse. Bis zur Ausschöpfung des Rechtswegs könne nicht abgewartet werden.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 7. Januar 2021 verwiesen.
Im Übrigen wird auf den Parteivortrag und die Gerichtsakten im Verfahren der Hauptsache (W 2 K 20.2080) sowie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes und auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
1. Der Antrag ist statthaft und zulässig.
Bei sachgerechter Auslegung des Antrags (§§ 122, 88 VwGO) begehrt die Antragstellerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen Ziffer 1 sowie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieses Rechtsbehelfs gegen Ziffer 3 des angegriffenen Bescheids vom 19. November 2020. Der in der Weise verstandene Antrag ist zulässig, insbesondere ist er nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2, Abs. 2 Nr. 4 VwGO und § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1, Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG statthaft.
Insbesondere steht der Zulässigkeit dieses Antrags nicht die Bestandskraft des Bescheids vom 19. November 2020 entgegen, da gegen diesen Bescheid rechtzeitig vor Ablauf der Klagefrist Klage erhoben wurde.
Der Bescheid vom 19. November 2020 wurde am 20. November 2020 zugestellt, so dass die einmonatige Klagefrist mit Ablauf des 21. Dezember 2020 endete, weil der 20. Dezember 2020 ein Sonntag war, § 74 Abs. 1 Satz 2, § 173 Satz 1 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 BGB. Die Klage der Antragstellerin im Verfahren W 2 K 20.2080 ging am 15. Dezember 2020 schriftlich beim Verwaltungsgericht Würzburg ein. Damit wurde die Klage wirksam (§ 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und innerhalb der Klagefrist erhoben. Auf den Zeitpunkt der Zustellung der Klage an den Beklagten kommt es – anders als nach § 253 Abs. 1 ZPO – nicht an (vgl. Kopp, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 74 Rn. 10). Dass die Zustellung der Klage an die Antragsgegnerin wohl aufgrund eines Fehlers des vom Verwaltungsgericht beauftragten Zustellers misslang, hat damit auf die Zulässigkeit des Antrags keine Auswirkung.
2. Der Antrag ist unbegründet.
Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage bzw. des Widerspruchs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit sich diese bereits übersehen lassen (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 89 m.w.N.).
2.1. Es bestehen keine Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs.
Insbesondere hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Danach ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich gesondert zu begründen. Es reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen. Es müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt auszuschließen (vgl. Eyermann/Hoppe, a.a.O., Rn. 55 m.w.N.).
Die Antragsgegnerin legt im Bescheid vom 19. November 2020 dar, dass die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse im Rahmen einer Abwägung angeordnet wurde. Sie führt auf Seite 4 des Bescheids aus, dass durch die Einleitung von Feststoffen eine Gefahr für die Umwelt entsteht, indem diese Stoffe in das natürliche Gewässer „Gollach“ gelangen und es verschmutzen könnten, so dass das Interesse der Antragstellerin an einer Klärung der Rechtmäßigkeit der Unterlassungsverfügung bis zur letzten Instanz gegenüber dem öffentlichen Interesse zurücktreten muss. Damit begründet sie knapp, aber – nichtsdestotrotz – konkret ihre Entscheidung, den sofortigen Vollzug anzuordnen. Weitere Angaben zur konkreten Gefahr oder zu bereits eingetretenen oder zu besorgenden Beeinträchtigung der Entwässerungseinrichtung oder am natürlichen Gewässer „Gollach“ mögen zwar wünschenswert sein, sind jedoch insoweit nicht erforderlich, als jedenfalls erkennbar ist, dass sich die Antragsgegnerin des Ausnahmecharakters der Anordnung des Sofortvollzug einerseits bewusst war, sich andererseits bewusst dafür entschieden hat.
Einer getrennten Anhörung vor Anordnung des sofortigen Vollzuges bedurfte es grundsätzlich nicht (vgl. Eyermann/Hoppe, a.a.O., Rn. 53).
2.2. Auch materiell-rechtlich hält die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung stand, denn die Klage in der Hauptsache, also die Anfechtung der Unterlassungsverfügung in Ziffer 1 des Bescheids vom 19. November 2020 hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
2.2.1.
Formale Fehler der Unterlassungsverfügung in der Ziffer 1 des Bescheids vom 19. November 2020 hinsichtlich Zuständigkeit, Anhörung oder Erlass sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
2.2.2.
Auch in materieller Hinsicht wird sich die in Ziffer 1 angeordnete Unterlassungsverfügung voraussichtlich als rechtmäßig erweisen.
2.2.2.1 Als Rechtsgrundlage kann sich diese Anordnung auf §§ 22 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 7 EWS stützen.
Hinsichtlich dieser Entwässerungssatzung sind weder formelle noch materielle Fehler vorgetragen oder ersichtlich.
Nach § 22 Abs. 1 EWS kann die Antragsgegnerin zur Erfüllung der nach dieser Satzung bestehenden Verpflichtungen Anordnungen für den Einzelfall erlassen. Nach § 15 Abs. 1 EWS dürfen in die Entwässerungseinrichtung keine Stoffe eingeleitet werden, die die dort beschäftigten Personen oder deren Gesundheit beeinträchtigen, die Entwässerungseinrichtung oder die angeschlossenen Grundstücke gefährden oder beschädigen, den Betrieb der Entwässerungseinrichtung erschweren, behindern oder beeinträchtigen oder sich sonst schädlich auf die Umwelt, insbesondere die Gewässer, auswirken. Insbesondere gilt dieses Verbot nach § 15 Abs. 2 Ziffer 7 EWS für feste Stoffe auch in zerkleinerter Form, wie z.B. Schlachtabfälle.
Die vielen Fotos, die dem Gericht in der Akte der Antragsgegnerin vorgelegt wurden (S. 2 bis 41), belegen hinreichend deutlich, dass schon mehrmals Schlachtabfälle, wie z.B. Tierhaare, Pansenstücke oder Ohrmarken in die Entwässerungseinrichtung gelangt sind und dort zu Störungen des Betriebsablaufs geführt haben. Insbesondere die Pumpe musste mehrmals ausgebaut und gereinigt werden, weil sie aufgrund dieser Feststoffe nicht mehr funktionsfähig war. Dadurch wurde der Betrieb der Entwässerungseinrichtung erheblich beeinträchtigt.
2.2.2.2
Die Antragstellerin kann nicht damit gehört werden, dass die – ihrer Meinung nach – zu klein dimensionierte Pumpe oder die zu engen Abwasserrohre für die Beeinträchtigungen des Betriebs der Entwässerungseinrichtung verantwortlich seien. Unabhängig davon, ob diese Behauptung tatsächlich zutrifft, ist festzustellen, dass es zunächst allein Sache des Anschlussnehmers ist, sicherzustellen, dass die in die Kanalisation gelangenden Abwässer den maßgeblichen Satzungsbestimmungen entsprechen und keinen Schaden an der öffentlichen Entwässerungsanlage der Gemeinde verursachen. Die Gemeinden bzw. die Betreiber der Entwässerungseinrichtung sind – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – auch nicht gehalten, im Hinblick auf eine mögliche unzulässige Inanspruchnahme ihrer Einrichtung bei deren Bau kostspieligere Materialen oder Ausführungsmodalitäten zu verwenden, als bei ordnungsgemäßem Gebrauch erforderlich wären (vgl. BayVGH, B.v. 23.09.2010 – 4 ZB 09.1190 – juris; vorgehend: VG Würzburg, U.v. 22.3.2009, W 2 K 09.22 – juris; VG Würzburg, U.v. 6.12.2017 – W 2 17.1191 – juris). Ein solch zusätzlicher Aufwand würde alle Beitragszahler ungebührend belasten.
Die Prüfung, ob die bestehende Entwässerungseinrichtung mit ihren Ausstattungselementen tatsächlich den einschlägigen Bestimmungen entspricht, würde den summarischen Prüfungsrahmen beim einstweiligen Rechtsschutz überschreiten und muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
2.2.2.3
Im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes alleine möglichen, aber auch nur gebotenen summarischen Prüfung erscheint auch die Auswahl des Adressaten der Unterlassungsverfügung nicht ermessensfehlerhaft.
Es bestehen nach Ansicht des Gerichts keine vernünftigen Zweifel daran, dass die auf den genannten Fotos dokumentierten Schlachtabfälle aus dem Schlachtbetrieb der Antragstellerin stammen. Es wurde weder vorgetragen noch sind sonst irgendwelche Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass in der näheren Umgebung eine andere Person regelmäßig und dauerhaft Vieh schlachtet. Dass es sich um Schlachtabfälle handelt, ist offensichtlich und wird zudem durch die Ohrmarken belegt. Auf welchem Weg diese Abfälle in die Kanalisation gelangt sind, ist dabei zweitrangig.
2.2.2.4
Das Gericht hat bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage auch keine Bedenken hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Unterlassungsverfügung. Das Ermessen wurde ordnungsgemäß ausgeübt.
Die Verpflichtung der Antragstellerin, keine schädlichen feste Stoffe in das Entwässerungssystem einzuleiten, ergibt sich schon aus der Entwässerungssatzung selbst. Zudem wurden die Pflichten der Antragstellerin in der Sondervereinbarung vom 24. Januar 2018 näher konkretisiert und festgelegt. Diese Unterlassungsverfügung wiederholt bzw. konkretisiert diese Verpflichtung nur und macht sie im verwaltungsrechtlichen Sinn vollziehbar. Das Gericht kann dadurch keinen eigenständigen Eingriff das Recht der Antragstellerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb erkennen.
Es ist kein milderes Mittel zur Erreichung der Unterlassung ersichtlich. Mündliche und schriftliche Hinweise und Aufforderungen wurden nicht befolgt. Auch der Bußgeldbescheid blieb erfolglos. Dem Vortrag des Antragstellers, dass auch Anordnungen zur Verbesserung der Flotationsanlage ausreichend und erfolgversprechend gewesen wären, kann nicht gefolgt werden. In welcher Art und Weise die Antragsgegnerin erreicht, dass keine Schlachtabfälle mehr in die Entwässerungseinrichtung gelangen, kann ihr überlassen bleiben. Außerdem würden diese Anordnungen nicht weniger gravierend in die Rechte der Antragstellerin eingreifen, da sie ein konkretes Handeln vorgeben würden. Auch die Wirkung wäre nicht gleichwertig, da die Schlachtabfälle auch auf anderen Wegen als über die Flotationsanlage in die Abwässer gelangen könnten.
Insoweit war der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer 1 des verfahrensgegenständlichen Bescheides abzulehnen.
2.3. Auch der Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des Bescheids vom 19. November 2020 bleibt erfolglos.
Diese Zwangsgeldandrohung begegnet bei summarischer Prüfung ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
2.3.1.
Die Androhung eines bestimmten Zwangsgeldes (Art. 36 Abs. 3 VwZVG) stellt einen aufschiebend bedingten Leistungsbescheid i.S.d. Art. 23 Abs. 1 VwZVG dar, der seine Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 1, 2 Nr. 1, Art. 31, Art. 36 Abs. 1 und 5 VwZVG findet. Die Zuständigkeit der Antragsgegnerin folgt aus Art. 20 Nr. 1 VwZVG.
Die Androhung ist gem. Art. 36 Abs. 1 VwZVG – wie hier geschehen – schriftlich zu erlassen. Auch dem Zustellungserfordernis des Art. 36 Abs. 7 Satz 1 VwZVG wurde entsprochen. Eine Anhörung war nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 5 BayVwVfG nicht erforderlich.
2.3.2.
Aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ziffer 1 des in der Hauptsache verfahrensgegenständlichen Bescheides sind die Grundverwaltungsakte gem. Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG schon vor Eintritt der Bestandskraft tauglicher Gegenstand eines Vollstreckungsverfahrens.
Die Androhung eines Zwangsgelds ist eindeutig auf eine Verpflichtung im Bescheid zu beziehen; anderenfalls verstößt sie gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (vgl. VG Würzburg, B.v. 11.5.2016 – 4 E 16.463 – BeckRS 2016, 53712). Auch diese Voraussetzung ist erfüllt. Denn es steht zur Überzeugung des Gerichts hinreichend sicher fest, unter welchen Voraussetzungen das angedrohte Zwangsgeld zur Anwendung kommt, nämlich dann, wenn wieder feste Stoffe in Form von Schlachtabfällen vom Betrieb der Antragstellerin in die Entwässerungseinrichtung gelangen. Die Begriff „Feste Stoffe“ ist durch die beispielhafte Aufzählung von „Ohrmarken, Pansenstücke, Tierhaare“ dahingehend konkretisiert, dass Rückstände aus dem Schlachtvorgang gemeint sind.
2.3.3.
Auch gegen die gewählte Höhe des angedrohten Zwangsgelds von 1.000,00 EUR bestehen im Hinblick auf die in Rede stehenden Rechtsgüter der Allgemeinheit keine Bedenken.
Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass die Antragstellerin nach der Aktenlage der Antragsgegnerin mindestens seit April 2019 wiederholt gegen das Verbot der Einleitung von Schlachtabfällen in die Entwässerungsanlage verstoßen hat. Es ist allein eine Obliegenheit der Antragstellerin dafür zu sorgen, dass ihre technischen Vorkehrungen zur Rückhaltung der festen Abfallstoffe ordnungsgemäß funktionieren. Etliche Hinweise, Schreiben und Gespräche der Antragsgegnerin konnten die Antragstellerin nicht veranlassen, ihr verbotswidriges Verhalten aufzugeben und rechtmäßige Zustände zu schaffen. Auch ein Bußgeldbescheid blieb erfolglos.
Bei Nichtbefolgung der mit Zwangsgeld bewehrten Unterlassungsverfügung drohen konkrete Gefahren für die Funktionstüchtigkeit der Entwässerungseinrichtung und damit für naheliegenden Gewässer. Damit wird die öffentliche Daseinsfürsorge und die Umwelt bedroht, die hohe Schutzgüter darstellen. Es liegt auf der Hand, dass im Vergleich dazu das Interesse der Antragstellerin weiterhin verbotswidrig die Schlachtabfälle nicht von der Abwasserleitung entfernt zu halten beziehungsweise bei einem Verstoß nicht mit einem Zwangsgeld belastet zu werden, zurücktreten muss.
Damit war der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz auch insoweit abzulehnen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 52 Abs. 1 u. Abs. 2, GKG (Auffangstreitwert).
Der danach für das Hauptsacheverfahren zugrunde zu legende Streitwert von 5.000,00 EUR war im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Hälfte auf 2.500,00 EUR zu reduzieren (Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs).


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