Verwaltungsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Konsums von Amphetamin

Aktenzeichen  M 26 K 15.4682

Datum:
21.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVG StVG § 3 Abs. 1
FeV FeV § 11 Abs. 1, Abs. 7, § 46 Abs. 1, Abs. 3,
Anlage 4 zur FeV Nr. 9.1

 

Leitsatz

Es besteht im Fahrerlaubnisrecht kein allgemeiner, von der gesetzlichen Normierung unabhängiger Rechtsgrundsatz, demzufolge Äußerungen eines Betroffenen in einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren nur verwertet werden dürfen, wenn er zuvor auf sein Schweigerecht hingewiesen wurde (vgl. VGH München BeckRS 2016, 43625). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung (Nr. II des Urteils) ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht vorher die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Die Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO.
1.1 Die in Nr. 1 des Bescheides vom 3. September 2015 ausgesprochene Entziehung der Fahrerlaubnis ist rechtmäßig. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 2 Abs. 4 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 1 und 3, § 11 Abs. 1, 7 FeV i. V. m. Nr. 9.1 der Anlage 4 zur FeV war dem Kläger die Fahrerlaubnis durch die Beklagte zu entziehen, weil er Betäubungsmittel (Amphetamin) i. S. v. des Betäubungsmittelgesetzes – BtMG – konsumiert hat und somit seine Fahrungeeignetheit feststeht.
Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist dabei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, vorliegend also der Erlass bzw. die Zustellung des Entziehungsbescheides vom 21. September 2015 durch die Beklagte.
Insbesondere steht fest, dass der Kläger zumindest einmal Amphetamin und damit ein Betäubungsmittel i. S. v. § 1 Abs. 1 BtMG i. V. m. der Anlage III zum BtMG konsumiert hat.
1.1.1 Der Konsum von Amphetamin ergibt sich schon aus dem beim Kläger durchgeführten Urin-Schnelltest. Dem polizeilichen Bericht vom … März 2015 ist zu entnehmen, dass dieser Drogenvortest ordnungsgemäß durchgeführt wurde und positiv auf Amphetamin ausfiel. Das negative Ergebnis der gutachterlich durchgeführten Blutuntersuchung vom … Juni 2015 erklärt sich ohne weiteres aus der unterschiedlichen Nachweisdauer von Amphetamin im Blut gegenüber der im Urin und mindert so nicht den Beweiswert des Urin-Drogenvortests (vgl. dazu ausführlich und m. w. N. BayVGH, B. v. 23.2.2016, Az. 11 CS 16.38 – juris, zum vorgehenden Beschluss des VG München (in dieser Sache) vom 16.12.2015, Az. M 6b S 15.4402).
1.1.2 Zudem steht der Konsum von Betäubungsmitteln auch durch die vom Kläger während der polizeilichen Kontrolle getätigte Einlassung, dass er zwei Wochen zuvor Amphetamin konsumiert hat, fest. Daran muss sich der Kläger festhalten lassen. Es ist nicht ersichtlich, weshalb er gegenüber der Polizei eine solche Aussage gemacht haben sollte, wenn es nicht tatsächlich zu irgendeinem Zeitpunkt vor der Verkehrskontrolle zu einem solchen Konsum gekommen wäre. Andernfalls wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger sich das Ergebnis des Urin-Vortests nicht hätte erklären können und dies auch gegenüber der Polizei zum Ausdruck gebracht hätte. Auch sind keine Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit des Polizeiprotokolls ersichtlich. Der Kläger hat dieses Protokoll unterzeichnet. Bei der Einlassung des Klägers, dass ihn die Polizei bzgl. seiner Äußerung falsch verstanden habe, handelt es sich im Ergebnis um eine Schutzbehauptung. Für Letzteres spricht auch, dass der Kläger konkret erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 21. November 2016 ein solches Missverständnis vorgetragen hat. Wenn es aber zu so einem Missverständnis gekommen wäre, hätte dies der Kläger doch schon im Rahmen der Unterzeichnung des polizeilichen Berichts, spätestens aber im Verwaltungsverfahren zur Fahrerlaubnisentziehung richtig gestellt. Beispielsweise im Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom … September 2015 wird die entsprechende Aussage des Klägers aber nicht explizit bestritten oder richtiggestellt, vielmehr wird nur die Verwertbarkeit dieser Aussage als Basis für einen Fahrerlaubnisentzug in Abrede gestellt. Auch im Rahmen der Klagebegründung wird zunächst nur pauschal bestritten, dass der Kläger eine solche Aussage (Konsum vor zwei Wochen) getätigt hat.
Die diesbezüglichen Angaben des Klägers sind auch verwertbar bzw. unterliegen keinem Verwertungsverbot. Denn im Fahrerlaubnisrecht besteht kein allgemeiner, von der gesetzlichen Normierung unabhängiger Rechtsgrundsatz, demzufolge Äußerungen eines Betroffenen in einem behördlichen oder gerichtlichen Verfahren nur verwertet werden dürfen, wenn er zuvor auf sein Schweigerecht hingewiesen wurde (vgl. dazu m. w. N. BayVGH, B. v. 23.2.2016, Az. 11 CS 16.38 a. a. O.).
Nichts anderes ergibt sich schließlich aus dem vom Klägerbevollmächtigten zitierten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. März 2005 (Az. 11 CS 04.2334 – juris). Dem Verwaltungsgerichtshof folgend rechtfertigt ein Urin-Drogenvortest mit positivem Resultat jedenfalls dann den Schluss, dass der Betroffene die nachgewiesenen Substanzen konsumiert hat, wenn dieser Befund durch weitere Umstände erhärtet wird und keine konkreten Tatsachen vorgetragen werden, deretwegen das durch eine solche Beprobung gewonnene Untersuchungsergebnis unrichtig sein soll. So verhält es sich vorliegend. Neben dem positiven Drogenschnelltest erhärtet v.a. die polizeilich dokumentierte Einlassung des Klägers auf einen vorherigen Konsum dieses Ergebnis (s.o.). Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner näheren Erläuterung, ob zudem auch die für einen Drogenkonsum charakteristischen, körperlich auftretenden Merkmale wie eine verlangsamte Pupillenreaktion das Ergebnis eines Konsums erhärten.
1.2 Die in Nr. 2 des Bescheides vom 21. September 2015 enthaltene Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins sowie die in Nr. 3 ausgesprochene Zwangsgeldandrohung sind – wie von der Beklagten zutreffend im Bescheid erläutert – vor diesem Hintergrund ebenfalls rechtmäßig. Auch die Kostenerhebung in den Nrn. 5 und 6 des Bescheides begegnet keinen Bedenken.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung – ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


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