Verwaltungsrecht

Erfolglose Anhörungsrüge gegen Nichtzulassung der Berufung

Aktenzeichen  4 ZB 18.1277

Datum:
5.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 17148
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 152a
GG Art. 103 Abs. 1

 

Leitsatz

Es ist verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile eines Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich mit den Argumenten des Beteiligten nicht befasst.  (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

4 ZB 17.1801 2018-05-29 Bes VGHMUENCHEN VGH München

Tenor

I. Die Anhörungsrüge wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Anhörungsrügeverfahrens.

Gründe

1. Die zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet. Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG wird durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Mai 2018 (Az. 4 ZB 17.1801), zugestellt am 4. Juni 2018, nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
a) Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet den Verfahrensbeteiligten das Recht‚ sich zu dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt und zur Rechtslage zu äußern (BVerfG‚ B.v. 19.5.1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 Rn. 35). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht‚ die Ausführungen der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (BVerfG a.a.O. Rn. 39), nicht aber dazu, den Vorstellungen eines Beteiligten zu folgen (BVerwG, B.v. 1.8.2011 – 6 C 15/11 – juris Rn. 1; BayVGH‚ B.v. 13.11.2013 – 10 C 13.2207 – juris Rn. 2). Voraussetzung für einen Erfolg der Anhörungsrüge ist weiter, dass der Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt worden ist (vgl. § 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
b) Zur Begründung der Anhörungsrüge trägt der Kläger vor, der Senat verkenne den dargestellten Sachverhalt und die Rechtsposition des Klägers. Sein Vortrag sei nicht hinreichend berücksichtigt und nur in Auszügen in die Entscheidung eingestellt worden. Der Kläger habe vorgetragen, seine in Nürnberg genutzte Wohnung diene ausschließlich beruflichen Zwecken. Obwohl die Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten keine Ausnahmevorschrift enthalte, habe der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass eine einschränkende Auslegung der Zweitwohnungsteuersatzung der Beklagten zulässig und die Zweitwohnungssteuerpflicht nur ausgeschlossen sei, wenn deren Grundlage letztlich eine melderechtliche Zwangslage sei. Diese Auffassung widerspreche der vom Kläger im Gerichtsverfahren zitierten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 31. Oktober 2016, in dem gerade nicht mehr auf eine melderechtliche Zwangslage abgestellt werde. Der Wille des Satzungsgebers gebe nichts dafür her, dass unter Berufspendlern nur solche Personen zu erfassen seien, die die Wohnung überwiegend nutzen. Entsprechende Ausführungen seien im Verfahren vom Kläger unter Verweis auf die vorgenannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemacht worden. Es sei daher davon auszugehen, dass das Gericht durch fehlende Kenntnisnahme dieser wesentlichen Ausführungen das rechtliche Gehör des Klägers verletzt habe. Das Gericht nehme zwar auf den entsprechenden Vortrag des Klägers Bezug, äußere sich aber zu der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht. Weiterhin verstoße die Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs hinsichtlich des Beginns der Festsetzungsfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 1 KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO gegen das vom Kläger im Verfahren unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geltend gemachte Gebot der Rechtsklarheit, das ein unbegrenztes Hinausschieben des Entstehungszeitpunkts der Abgabe verbiete. Während Steuerhinterzieher nach zehn Jahren nicht mehr mit einer Steuererhebung rechnen müssten, könne derjenige, der seine Steuererklärung nach Erkennen der Sachlage noch abgibt, weit über diese zehn Jahre hinaus noch veranlagt werden. Obwohl der Kläger zu diesen Differenzierungen umfänglich ausgeführt habe, sei dieser Vortrag nicht berücksichtigt worden. Die vorbezeichneten Verstöße seien auch entscheidungserheblich. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht bei angenommener überwiegend beruflicher Nutzung und insbesondere bei beruflicher Veranlassung der Zweitwohnung die Berufung zugelassen hätte. In diesem Fall hätte der Kläger weitere Ausführungen zu den zitierten Entscheidungen der Bundesgerichte und der Frage der Notwendigkeit einer melderechtlichen Zwangslage machen können.
c) Mit diesen Ausführungen wird ein Gehörsverstoß nicht dargetan. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs keine Verpflichtung ergibt, auf jedes Vorbringen eines Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich einzugehen. Das Gericht darf sich vielmehr auf die Gründe beschränken, die für seine Entscheidung leitend gewesen sind (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 4 BN 15/16 – juris Rn. 5). Es ist daher verfehlt, aus der Nichterwähnung einzelner Begründungsteile eines Vorbringens in den gerichtlichen Entscheidungsgründen zu schließen, das Gericht habe sich mit den Argumenten des Beteiligten nicht befasst (BVerfG, B.v. 15.4.1980 – 1 BvR 1365/78 – BVerfGE 54, 43/46 m.w.N.).
Die Annahme, der Senat habe sich mit den im Zulassungsverfahren angeführten Argumenten bezüglich der Unzulässigkeit einer verfassungskonformen, einschränkenden Auslegung der Zweitwohnungssteuersatzung der Beklagten im Hinblick auf die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht inhaltlich auseinandergesetzt, wird durch die Gründe des Beschlusses vom 29. Mai 2018 widerlegt. Die Einwände des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil wurden in Rn. 10 der Entscheidung ausführlich dargestellt. In den nachfolgenden Absätzen wurde die gegenteilige Rechtsauffassung des Senats jeweils mit Blick auf das klägerische Vorbringen und die vom Kläger angeführte Rechtsprechung, insbesondere den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 31. Oktober 2016 (BVerfG, B.v. 31.10.2016 – 1 BvR 871/13 – NVwZ 2017, 617 = juris), erläutert und dargelegt, dass im vorliegenden Fall dem Schutzzweck des Art. 6 Abs. 1 GG durch eine verfassungskonforme Reduktion des Steuertatbestands sowohl durch die Beklagte selbst als auch durch das Verwaltungsgericht in zulässiger Weise Rechnung getragen wurde. In der vom Kläger zitierten Entscheidung hatte der Satzungsgeber beruflich veranlasste Zweitwohnungen verheirateter, nicht dauernd getrennt lebender Personen mit Hauptwohnung außerhalb der betroffenen Gemeinde ausnahmslos von der Zweitwohnungssteuerpflicht ausgenommen. Eine Einschränkung dieser Steuerbegünstigungsvorschrift durch die Rechtsprechung lediglich auf überwiegend beruflich genutzte Wohnungen hatte das Bundesverfassungsgericht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung für unzulässig erklärt. Im vorliegenden Fall verhält es sich jedoch gerade umgekehrt. Da die Satzung der Beklagten selbst keine Ausnahmevorschrift für beruflich bedingte Zweitwohnungen verheirateter Partner enthielt, war sie im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einschränkend verfassungskonform auszulegen. Der vom Kläger zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass der Schutzzweck des Art. 6 Abs. 1 GG bei beruflich genutzten Zweitwohnungen eine ausnahmslose Befreiung von verheirateten, nicht dauernd getrennt lebenden Personen gebietet.
Der Senat ist im angegriffenen Beschluss (Rn. 15 f.) auch auf das Vorbringen des Klägers bezüglich der aus seiner Sicht erforderlichen einschränkenden Auslegung der Vorschriften zur Festsetzungsfrist nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b Doppelbuchst. cc Spiegelstrich 1 KAG i.V.m. § 170 Abs. 1 AO eingegangen und hat unter Rn. 16 des Beschlusses ausführlich dargelegt, dass die vom Kläger zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, B.v. 5.3.2013 – 1 BvR 2457/08) zur Festsetzungsverjährung von Beitragsforderungen bei rückwirkend in Kraft getretenen Beitragssatzungen die von ihm geforderte einschränkende Auslegung nicht gebietet, weil der dem Beschluss des Bundesverfassungsgericht zugrunde liegende Sachverhalt auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sei.
Die in der Anhörungsrüge vorgetragenen Ausführungen beschränken sich auf die Wiederholung der Rechtsmeinungen, die der Kläger schon im Zulassungsverfahren vorgetragen hat. Der Umstand, dass sich der Senat der Rechtsauffassung des Klägers nicht angeschlossen hat, bedeutet nicht, dass er seinen Sachvortrag nicht zur Kenntnis genommen hat. Er hat ihn nur nicht in der vom Kläger für richtig gehaltenen Weise rechtlich gewürdigt. Das gesamte Vorbringen der Anhörungsrüge ist von dem Bestreben getragen, nachzuweisen, dass der Kläger die Entscheidung des Senats inhaltlich für unzutreffend hält.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht‚ weil für das Verfahren über die Anhörungsrüge nach Nr. 5400 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG) eine Festgebühr von 60‚- Euro anfällt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152a Abs. 4 Satz 3 VwGO).


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