Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines äthiopischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  B 7 K 17.30457

Datum:
28.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 13485
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 28
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1

 

Leitsatz

1 Angehörigen der Volksgruppe der Oromo droht in Äthiopien keine Gruppenverfolgung.  (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2 Nicht jede Form der Betätigung für eine exilpolitische Gruppe im Ausland führt bei einer Rückkehr nach Äthiopien zu einer beachtlichen Verfolgungsgefahr. Maßgeblich ist, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen etwa als terroristisch eingestuft wird und insbesondere in welcher Art und in welchem Umfang der Betreffende sich im Einzelfall exilpolitisch tatsächlich und wahrnehmbar betätigt hat. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der angegriffene Bescheid vom 08.02.2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dieser hat keinen Anspruch auf Zuerkennung internationalen Schutzes. Rechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Verneinung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Auch die weiteren Entscheidungen im angefochtenen Bescheid erweisen sich als rechtmäßig.
In der Sache selbst schließt sich das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen zunächst den Gründen des angefochtenen Bescheides an und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Ergänzend ist zur Sache sowie zur Klage das Folgende auszuführen:
1. Das Gericht konnte sich nicht die erforderliche Überzeugung verschaffen, dass der Kläger sein Heimatland aus asyl- bzw. flüchtlingsrechtlich relevanten Gründen verlassen hätte.
a) Dem Kläger droht wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Oromo in Äthiopien keine Gruppenverfolgung im Rechtssinne, wobei nach § 77 Abs. 1 AsylG auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist. Grundsätzlich kann sich die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer zwar nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmales verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden Gruppen gerichteten Verfolgung setzt dabei voraus, dass eine bestimmte Verfolgungsdichte vorliegt, die die Vermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr einer Betroffenheit besteht. Zudem gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, wenn also auch keine in zumutbarer Weise erreichbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht (vgl. VG Augsburg, U.v. 7.11.2016 – Au 5 K 16.31853 – juris m.w.N.).
Dies zugrunde gelegt, droht dem Kläger wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Oromo nicht die Gefahr einer landesweiten Verfolgung. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass es durchaus immer wieder zu unterdrückenden und diskriminierenden Handlungen wie auch zur Verletzung von Menschenrechten von Volkszugehörigen der Oromo kommt. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Bevölkerungsgruppe der Oromo einen ganz wesentlichen Anteil der Gesamtbevölkerung Äthiopiens ausmacht. Bezieht man dies mit ein, so wird die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche kritische landesweite Verfolgungsdichte von oromischen Volkszugehörigen klar nicht erreicht (vgl. VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411 – juris; s.a. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 06.03.2017 – Gz. 508-516.80/3 – ETH). Den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel ist u.a. auch zu entnehmen, dass die immer wieder aufflammende Gewalt keineswegs stets einseitig von den äthiopischen Sicherheitskräften ausgeht, sondern es wird von Demonstranten berichtet, die Hotels, Restaurants und Geschäfte in Brand setzen sowie Steine auf Sicherheitskräfte werfen, die dann ihrerseits mit Waffengewalt reagieren (vgl. Briefing Notes vom 22.01.2018). Auch der aktuell wieder in Kraft gesetzte „Ausnahmezustand“ nach Rücktritt des Ministerpräsidenten ändert nichts daran, dass die Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung der Oromo im Rechtssinne nicht vorliegen.
b) Aus dem individuellen Vortrag des Klägers ergibt sich nicht, dass ihm ein Anspruch auf Zuerkennung einer der geltend gemachten Rechtspositionen zustehen würde.
Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid rechtlich tragfähig darauf abgestellt, dass der Kläger nach seiner (letzten) Inhaftierung im Jahr 2013 aus dem Gefängnis entlassen worden sei und sich danach noch mehrere Monate in Äthiopien aufgehaltene habe, ohne dass es zu nennenswerten Vorfällen gekommen wäre. Er sei demnach nicht vorverfolgt im Sinne des Asyl- und Flüchtlingsrechts ausgereist. Auch unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung besteht im Ergebnis kein Anlass für eine andere Einschätzung der Situation. Als letzten Gefängnisaufenthalt hat der Kläger wiederum denjenigen im Jahr 2002/2003 nach dem äthiopischen Kalender benannt; er sei damals verhaftet worden, weil sie Flugblätter verteilt hätten (S. 2/3 der Anhörungsniederschrift). Soweit der Kläger als Grund für seine letztmalige Verhaftung in der mündlichen Verhandlung maßgeblich die Unterstützung der OLF benannt und in diesem Zusammenhang erstmals auf Waffengeschäfte hingewiesen hat, stellt sich dieser Vortrag gegenüber der beim Bundesamt angebrachten Version seiner Geschichte einerseits als Steigerung dar, andererseits hat er auf konkrete Nachfrage nach seinem Aufgabenbereich selbst lediglich allgemein von einer „Teilnahme“ gesprochen sowie davon, dass er z.B. Flugblätter verteilt habe. Dies braucht jedoch nicht weiter vertieft zu werden. Denn jedenfalls nach der Entlassung (nach diesem letzten Gefängnisaufenthalt) ist nichts dafür ersichtlich, warum äthiopische Behörden überhaupt ein neues oder fortbestehendes Interesse gehabt hätten sollen, den Kläger festzunehmen, länger zu inhaftieren oder ihm sonst Schaden zuzufügen. Der Kläger möchte nach seinen Angaben nach der Haftentlassung zuerst nach Ziway und dann nach Addis Abeba gegangen sein. Am Ende habe er entschieden, dass er so nicht weiterleben könne und sein Land verlassen werde (S. 5 der Anhörungsniederschrift). Ausgehend von seiner Schilderung beim Bundesamt ist auch nicht erkennbar, dass der Kläger in Addis Abeba einer wie auch immer gearteten konkreten Gefahrensituation ausgesetzt gewesen wäre. Der allgemeine Hinweis, dass er (wie grundsätzlich jeder andere äthiopische Staatsangehörige) verhaftet werden könne, genügt in diesem Kontext keinesfalls, zumal keinerlei Anknüpfungstatsachen für eine etwaige in Addis Abeba (oder Ziway) bestehende kritische Situation geschildert wurden. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zunächst allgemein auf die Situation der Oromo hingewiesen und dann individuell ergänzt, die Regierung habe Angst, dass der Kläger Leute in seiner Umgebung motiviere, dass sie gegen die Regierung protestierten. Deshalb sei er auch im Gefängnis gewesen (S. 4 der Niederschrift). Im weiteren Gang der mündlichen Verhandlung hat der Kläger auf ganz konkrete Frage seines Bevollmächtigten den Aspekt nachgeschoben, dass ihm die Regierung vorgeworfen habe, dass es einen Grund gegeben haben soll, ihn wieder ins Gefängnis zu bringen. Auf Nachfrage des Gerichts gab der Kläger an, er habe die Vorwürfe nicht gekannt. Man habe ihm nur gesagt, dass es einen anderen Grund für eine weitere Inhaftierung gebe, er selbst kenne den Grund aber nicht (S. 5 der Niederschrift). Das Gericht glaubt dem Kläger nicht, dass er zu der Zeit seiner Aufenthalte in Ziway und/oder Addis Abeba erfahren oder sonst mitbekommen haben möchte, dass er erneut in Haft kommen solle. Dies erscheint auch nicht schlüssig, denn wenn der äthiopische Staat tatsächlich Bedenken hinsichtlich des Klägers gehegt haben sollte oder gar Grund für eine Fortdauer der Haft gehabt haben sollte, so wäre der Kläger nicht gleichsam regulär entlassen worden.
Diese Einschätzung wird dadurch erhärtet, dass der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, sein Bruder habe nach der Entlassung des Klägers und nachdem sich der Kläger bei dem Bruder versteckt habe, ein Fahndungsbild in der Stadt (Ziway) gesehen; es solle sich um ein Foto des Klägers gehandelt haben, das im Gefängnis aufgenommen worden sei. Bei Ziway handelt es sich aber um eine größere Stadt mit mehreren zehntausend Einwohnern. Hätten demnach wirklich die äthiopischen Sicherheitskräfte nach der Entlassung des Klägers aus dem Gefängnis sogleich wiederum die Absicht gehabt, den Kläger zu verhaften – sei es aus gutem Grund oder eben ohne nachvollziehbare Erklärung – und hätten die Behörden den Kläger gleichsam öffentlich mit einem Foto in der Stadt Ziway zur Fahndung ausgeschrieben und hätte dies der Kläger wirklich mitgekommen, entweder dass er das Foto selbst gesehen hätte oder dass es ihm von Dritten erzählt worden wäre, dann hätte der Kläger diese eingängigen Sachverhalt sogleich beim Bundesamt geschildert. Es macht eben einen erheblichen Unterschied, ob jemand nur allgemein angibt, er könne ohne nähere Begründung (wieder) verhaftet werden bzw. wenn man lange bleibe, könnten sie einen entdecken (S. 8 der Anhörungsniederschrift) oder ob der Betreffende von einer öffentlichen Fahndungsaktion Kenntnis erlangt und sich vor diesem Hintergrund zur Ausreise entscheidet. Insofern liegt zugleich eine erhebliche Steigerung im Vortrag des Klägers in einem wichtigen Punkt vor, die seine Ausführungen bezüglich einer angeblichen Vorverfolgung in Äthiopien als insgesamt nicht glaubhaft erscheinen lassen.
Es kommt damit nicht mehr entscheidend darauf an, ob und ggf. wie oft der Kläger in Wahrheit im Heimatland inhaftiert war (vgl. insoweit einerseits insbesondere S. 5 der Anhörungsniederschrift und andererseits S. 2, 3 und 4/5 der Niederschrift).
2. Auch auf den Nachfluchtgrund der exilpolitischen Betätigung kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen. Zwar ermöglicht § 28 AsylG die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft auch dann, wenn die begründete Furcht vor Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG auf Ereignissen beruht, die eingetreten sind, nachdem der Ausländer sein Herkunftsland verlassen hat. Nach Überzeugung des Gerichts ist es aber auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger bei seiner Rückkehr nach Äthiopien eine Verfolgung wegen seiner exilpolitischen Betätigung in der Bundesrepublik Deutschland droht.
In der äthiopischen exilpolitischen Szene gibt es zahlreiche Gruppierungen. Den verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen ist zu entnehmen, dass die äthiopische Regierung die Aktivitäten der äthiopischen Exilorganisationen genau beobachtet bzw. durch die Auslandsvertretungen beobachten lässt. Aufgrund der Auskunftslage, die auch die Entwicklungen während der Massenproteste 2015/2016, den Ausnahmezustand 2016 und die aktuellen politischen Entwicklungen Anfang 2018 berücksichtigt, geht das Gericht jedoch weiterhin nicht davon aus, dass jede wie auch immer geartete Form der Betätigung für eine der zahlreichen exilpolitischen Gruppen in der äthiopischen exilpolitischen Szene im Ausland bei einer Rückkehr nach Äthiopien zu einer beachtlichen Verfolgungsgefahr führt. Vielmehr kommt es – auch nach der aktuellen Lage – für die Feststellung des relevanten Gefährdungsgrades grundsätzlich darauf an, ob eine Organisation von den äthiopischen Stellen etwa als terroristisch eingestuft wird und insbesondere in welcher Art und in welchem Umfang der Betreffende sich im Einzelfall exilpolitisch tatsächlich und wahrnehmbar betätigt hat (vgl. VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 – AN 3 K 16.31836; VG Bayreuth, U.v. 20.11.2017 – B 2 K 16.31139; s. auch VG Kassel, U.v. 5.9.2017 – 1 K 2320/17.KS.A; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 – 6 K 4787/15.GI.A; a.A. VG Würzburg, U.v. 15.9.2017 – W 3 K 17.31180; zum Maßstab vgl. VGH BW, U.v. 30.5.2017 – A 9 S 991/15 – alle juris).
Dem Auswärtigen Amt liegen auch nach dem aktuellen Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Äthiopien vom 06.03.2017 keine Erkenntnisse darüber vor, dass allein die Betätigung für eine oppositionelle Partei im Ausland bei Rückkehr nach Äthiopien zu staatlichen Repressionen führt. Maßgeblich ist danach vielmehr der konkrete Einzelfall, also beispielsweise, ob eine Organisation von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation angesehen wird oder um welche politische Tätigkeit es sich handelt (z.B. nachweisliche Mitgliedschaft, führende Position, Organisation gewaltsamer Aktionen). Von Bedeutung ist auch, ob und wie sich die zurückgeführte Person anschließend in Äthiopien politisch betätigt. Die bloße Asylantragstellung im Ausland bleibt – soweit bekannt – ohne Konsequenzen.
G. Sch. geht in seiner Stellungnahme vom 15.02.2017 an das VG Gießen in der dortigen Streitsache Az. 6 K 4787/15.GI.A davon aus, dass eine Verfolgungsprognose anhand bestimmter Merkmale nicht abgegeben werden könne, weil das Handeln der äthiopischen Sicherheits- und Justizbehörden gegenüber allen wirklichen und putativen Gegnern von einem hohen Maß an Willkürlichkeit geprägt sei. Unter diesem Gesichtspunkt sei generell die Unterscheidung zwischen unbedeutender und exponierter Stellung in einer Oppositionsorganisation als nicht relevant für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr anzusehen. Dies gelte in besonderem Maß seit dem Erlass der Anti-Terrorismusgesetze und gerade auch unter dem Ausnahmezustand. Weiter führt er aus, dass mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ eine längere Inhaftierung – verbunden mit intensiver Befragung – auch unter dem jetzigen Ausnahmezustand als Minimum anzunehmen sei. Es bleibt jedoch offen, wie Sch. trotz der Prognoseunsicherheit zu dieser Annahme kommt. So belegt er diese Annahme nicht mit konkreten Beispielen für ein Einschreiten äthiopischer Stellen gegen Rückkehrer, obwohl er angibt, dass diese häufig verhaftet würden (Rn. 214 der Stellungnahme vom 15.02.2017). Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass kaum Abschiebungen nach Äthiopien stattfinden, was die Grundlage dieser Aussage allerdings fraglich erscheinen lässt. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es seit Mitte 2015 im Zusammenhang mit dem „Masterplan“ der Regierung vor allem in der Provinz Oromia zu Massenprotesten kam und es im Zusammenhang mit diesen Protesten und dem Einschreiten der Sicherheitskräfte zu Todesfällen und Verhaftungen gekommen ist. So sollen nach dem Gutachten von G. Sch. im Rahmen der Unruhen 2016 unter Geltung des Ausnahmezustandes über 11.000 Menschen verhaftet worden sein. Diese Verhaftungen fanden jedoch im Zusammenhang mit – zumindest teilweise – gewaltsamen Protesten in Äthiopien statt. Sie sind kein Beleg dafür, dass auch Rückkehrer alleine wegen ihrer exilpolitischen Betätigung nun einem beachtlichen Verfolgungsrisiko ausgesetzt sind. Dies belegen auch die Ausführungen in der Stellungnahme Sch. nicht hinreichend. Dieser führt zwar nachvollziehbar aus, dass im Zusammenhang mit den Unruhen in Äthiopien selbst die äthiopische Diaspora – auch im Hinblick auf eine Strafbarkeit nach dem äthiopischen Anti-Terrorismusgesetz von 2009 – verstärkt überwacht wird (Rn. 134 der Stellungnahme vom 15.02.2017). Ein konkretes Beispiel für eine Verfolgung allein auf Grund einer exilpolitischen Tätigkeit unterbleibt jedoch. Auffällig ist hierbei auch, dass Sch. zum einen zwar deutliche Aussagen trifft (Bestrafung jedes Mitglieds/Unterstützers einer exilpolitischen Gruppe, die mit einer als terroristisch eingestuften Gruppe zusammenarbeitet [Rn. 232 der Stellungnahme vom 15.02.2017]; häufige Verhaftungen [Rn. 214 der Stellungnahme vom 15.02.2017]; längere Inhaftierung verbunden mit intensiver Befragung und mit hoher Wahrscheinlichkeit inhumaner Haftbedingungen [Rn. 237 der Stellungnahme vom 15.02.2017]), gleichzeitig aber äußert, dass sich angesichts der Willkürlichkeit die konkreten Verfolgungshandlungen im Einzelnen schwer vorhersagen ließen und er an anderer Stelle (Rn. 226 der Stellungnahme vom 15.02.2017) angibt, dass im heutigen Äthiopien die eine staatliche Verfolgung auslösenden Momente in der Regel vielschichtig seien und sich nur selten auf ein bestimmtes Merkmal reduzieren ließen (vgl. ausführlich VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411; VG Gießen, U.v. 11.7.2017 – 6 K 4787/15.GI.A – beide juris).
Bei einer Gesamtwürdigung der vorliegenden Auskunftslage nimmt das Gericht daher auch weiterhin nicht an, dass äthiopische Asylbewerber, sofern sie sich zu einer Exilorganisation (hier: TBOJ/UOSG), die einer vom äthiopischen Staat als terroristisch eingestuften Vereinigung nahesteht, bekennen und sie für diese Exilorganisation nur ein Mindestmaß an Aktivität vorweisen, für den Fall der Rückkehr nach Äthiopien bereits mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG erwartet. Vielmehr müssen nach Überzeugung des Gerichts bei einer Rückkehr nach Äthiopien nur solche Personen mit politisch motivierten Verfolgungsmaßnahmen rechnen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland derart exponiert politisch betätigt haben, dass die äthiopischen Behörden sie als ernsthafte Oppositionsangehörige einstufen (vgl. VG Regensburg, U.v. 24.1.2018 – RO 2 K 16.32411; VG Ansbach, U.v. 14.2.2018 – AN 3 K 16.31836; vgl. auch BayVGH, B.v. 14.7.2015 – 21 ZB 15.30119 m.w.N. – alle juris). Erforderlich für einen beachtlichen Nachfluchtgrund aufgrund exilpolitischer Betätigung ist nämlich eine „beachtliche Wahrscheinlichkeit“ der Verfolgung im Falle einer Rückkehr. Nicht ausreichend ist hingegen, dass eine solche möglich ist oder nicht ausgeschlossen werden kann. Eine solche beachtliche Wahrscheinlichkeit im Falle einer nicht exponierten Stellung kann – wie bereits ausgeführt – auch den oben genannten aktuellen Stellungnahmen nicht entnommen werden. Gerade wegen der intensiven Beobachtung exilpolitischer Auslandsaktivitäten durch äthiopische Stellen muss davon ausgegangen werden, dass auch diesen nicht verborgen geblieben sein kann, dass bei einer Vielzahl von äthiopischen Asylbewerbern weniger politische Interessen maßgeblich sind als vielmehr das Bemühen, sich im Asylverfahren eine günstigere Ausgangsposition zu verschaffen. Im Hinblick darauf ist es nicht beachtlich wahrscheinlich, dass die äthiopischen Behörden derartige Personen als „gefährlich“ erachten und gegen diese im Falle ihrer Rückkehr in einer Art und Weise vorgehen, dass die für eine Schutzgewährung anzulegende Schwelle (vgl. z.B. § 3a Abs. 1 AsylG, § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG) erreicht wird.
Bei Anlegung dieser Maßstäbe gehört der Kläger nicht zu dem gefährdeten Personenkreis, der im Falle seiner Rückkehr oder Abschiebung wegen seiner exilpolitischen Tätigkeit im Ausland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, von äthiopischen Behörden in asylrechtlich relevanter Weise belangt zu werden. Der Kläger hat glaubhaft gemacht, ein (einfaches) Mitglied des TBOJ/UOSG zu sein. Nach der bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bestätigung habe er im Jahr 2016 sieben im Einzelnen bezeichnete Veranstaltungen besucht bzw. „aktiv“ daran teilgenommen. In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben, im Jahr 2017 an zwei Veranstaltungen teilgenommen zu haben (vgl. S. 6/7 der Niederschrift). Genauere Angaben zur TBOJ/UOSG, insbesondere zur Gliederung bzw. den verschiedenen Komitees, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht machen können. Angegeben hat er dagegen die Namen dreier Funktionäre sowie die ungefähre Mitgliederzahl. Damit handelt es sich bei dem Kläger um einen „Mitläufer“ dieser exilpolitischen Vereinigung. Sein Engagement ist in keiner Weise herausgehoben, sondern bewegt sich in einem Rahmen, der – wie dem Gericht aufgrund einer Vielzahl von Verfahren bekannt ist – für die breite Masse der Mitglieder von exilpolitischen Vereinigungen kennzeichnend ist. Die exilpolitischen Aktivitäten des Klägers führen daher nach Überzeugung des Gerichts nicht dazu, dass er von den äthiopischen Behörden als „gefährlicher Oppositioneller“ angesehen wird, weshalb es nicht beachtlich wahrscheinlich ist, dass er allein aufgrund seiner Betätigung mit Verfolgungsmaßnahmen zu rechnen hat.
3. Nach allem ist die Klage insgesamt mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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