Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines afghanischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  AN 18 K 17.30240

Datum:
27.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 7679
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3e, § 4
AufenthG § 11 Abs. 1, § 59, § 60 Abs. 7 S. 2, § 60a Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif sind für arbeitsfähige, junge Männer zumutbare inländische Fluchtalternativen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können auch beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. (Rn. 69) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Über die Klage konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 27. Februar 2020 entschieden werden, obwohl für die Beklagte niemand zum Termin erschienen ist. Auf die Möglichkeit, auch in Abwesenheit von Beteiligten entscheiden zu können, wurde in der Ladung hingewiesen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
Die innerhalb der zweiwöchigen Frist, § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG, erhobene Klage ist zuläs-sig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Dem Kläger steht nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) weder ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (dazu 1.), noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (dazu 2.), noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten zu (dazu 3.). Zudem erweisen sich sowohl die Ausreiseaufforderung samt Abschiebungsandrohung (dazu 4.) als auch das Einreise- und Aufenthaltsverbot (dazu 5.) als rechtmäßig.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 4 Alt. 1 AsylG.
Flüchtling gem. § 3 Abs. 1 AsylG ist, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Erforderlich ist, dass die Verfolgung mit einem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23.12 – juris Rn. 32 und B.v. 15.8.2017 – 1 B 120.17 – juris Rn. 8).
Als Verfolgung gelten gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Eine Verletzung von Grundrechten stellt demgemäß nur dann eine Verfolgung dar, wenn sie von einer bestimmten Schwere ist (EuGH, U.v. 7.11.2013 – C-199/12 bis C-201/12 – juris Rn. 53).
Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich – als wahr unterstellt – ergibt, dass bei verständiger Würdigung die geschilderte Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Von dem Asylsuchenden kann verlangt werden, dass er zu den in seine eigene Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405.89 – juris Rn. 8). Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag aufgrund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel die Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen (vgl. auch VG Augsburg, U.v. 2.10.2017 – Au 5 K 17.31438 – juris Rn. 23).
In Bezug auf den klägerischen Vortrag ist schon fraglich, ob ein Verfolgungsgrund im Sinne des §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG und eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG gegeben ist. Ebenso zweifelhaft bleibt, ob der geschilderte Sachverhalt an einen Verfolgungsgrund im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG anknüpft, vgl. zum Erfordernis § 3a Abs. 3 AsylG.
Im Rahmen der Anhörung vom 1. Dezember 2016 gab der Kläger zu seinem Verfolgungsschicksal an, dass er einmal durch die Taliban wegen seiner Arbeit mit ISAF (International Security Assistance Force) bedroht worden sei. In der mündlichen Verhandlung erläutert der Kläger ergänzend, dass sich der Vorfall im Juni 2014 ereignet haben soll. Er sei mit fünf Personen in einem Fahrzeug gewesen und kurz vor dem Landstrich … von Taliban aufgehalten worden. Der Kläger sei namentlich von den Taliban angesprochen und zu seiner Arbeit für ISAF gefragt worden. Dem Kläger sei von einem Taliban eine Kalaschnikow an seine Stirn gehalten worden und ihm sei gedroht worden. Der Kläger soll ca. eineinhalb Jahre für ISAF gearbeitet haben. Er sei für das Auf- und Abladen der Güter bei Versorgungslastwagen zuständig gewesen und habe auch auf die Güter, insbesondere die Siegel, aufgepasst. Auch in der mündlichen Verhandlung schildert der Kläger diese Tätigkeit. Aufgrund der umfangreichen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung, ist das Gericht der Überzeugung, dass der Kläger tatsächlich dieser Tätigkeit nachgegangen ist. So konnte der Kläger überzeugend schildern, wie er an diese Arbeit gekommen ist, in welchem Alter er begonnen hat dort zu arbeiten und er konnte auch Details zu der Arbeit wiedergeben. Fraglich ist aber, ob diese Tätigkeit tatsächlich für ISAF erfolgte. So konnte der Kläger nicht genau angeben, welche Güter insgesamt transportiert wurden und ob diese immer für ISAF waren. Er nehme dies nur an. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass im Rahmen einer vorgelegten Bestätigung des Fahrers … … (bzw. …) … …, mit welchem der Kläger gearbeitet hat, die Rede davon ist, dass die Güter meist zu NATO-Kräften gehörten, unter den Container waren ISAF und Watil Container. Hieraus lässt sich schließen, dass auch andere Güter transportiert wurden und nicht eine Arbeit allein für ISAF vorlag. Hinzu kommt, dass der Kläger keinen direkten Kontakt zu der Firma hatte, für die er gearbeitet hat. Vielmehr war der Fahrer des Lastwagens der Ansprechpartner des Klägers. Von diesem hat der Kläger auch sein Geld erhalten. Auch aus den vorgelegten Lieferscheinen ist der Kläger nicht erkennbar, sondern nur der oben genannte Fahrer. Aus dem vorgelegten Foto des Klägers, welches diesen neben einem LKW von ISAF zeigen soll, lassen sich keine weiteren Schlüsse ziehen, da das Gericht den Kläger -selbst nach Inaugenscheinnahme des Originalfotos in der mündlichen Verhandlungauf diesem Foto nicht eindeutig erkennen konnte. Der Beweiswert der vorgelegten Bestätigung des Fahrers ist fraglich. Selbst bei Wahrunterstellung einer Arbeit für ISAF und des Vorfalls mit den Taliban ist fraglicht, ob sich daraus eine flüchtlingsrelevante Verfolgung ergibt. Auch ist fraglich, ob der einmalige Vorfall mit den Taliban -bei Wahrunterstellungeine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG darstellt. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Fahrer … keinesfalls den Vorfall mit den Taliban bestätigen kann, da dieser überhaupt nicht vor Ort war. In der vorgelegten Bestätigung werden lediglich die Schilderungen der Familie des Klägers wiedergegeben.
Hierauf kommt es im Rahmen der Entscheidung letztlich allerdings nicht an. Der Kläger ist jedenfalls auf internen Schutz, § 3e Abs. 1 AsylG, zu verweisen.
Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.
Das Gericht ist der Überzeugung, dass dem Kläger in einer Großstadt wie beispielsweise Kabul, Herat oder Mazar-e-Sharif jedenfalls keine Verfolgung droht. Von einer landesweiten gezielten Verfolgung des Klägers ist das Gericht nicht überzeugt. Eine innerstaatliche Fluchtalternative ist in Bezug auf den Kläger auch geeignet und diesem zumutbar, sodass erwartet werden kann, dass er sich dort vernünftigerweise niederlässt. Insbesondere ist es dem Kläger, als arbeitsfähigem und jungen Mann zumindest durch die Übernahme von Hilfstätigkeiten und Gelegenheitsarbeiten möglich, sich sein Existenzminimum zu sichern (vgl. BVerwG, U.v. 29.5.2008 – 10 C 11.07 – juris Rn. 32).
Dem Kläger wird in oben genannten Großstädten -selbst bei Wahrunterstellung der Arbeit für ISAF, des Vorfalls mit den Taliban und einer persönlichen Anrede durch diese – keine Verfolgung drohen. Es bestehen zwar Netzwerke der Taliban, diese sind aber aufgrund personell begrenzter Möglichkeiten beschränkt auf prominente Personen wie Parlamentsmitglieder, Regierungsmitglieder und höherrangige Angehörige der Streitkräfte. Beobachter für EASO schätzen die Zahl derer, die von den Taliban in größeren Städten Afghanistans gezielt gesucht und verfolgt würden, auf wenige Dutzend, höchstens 100 Personen (vgl. insgesamt EASO, Afghanistan, Individuals targeted by armed actors in the conflict, Dezember 2017, S. 63 f.). Es trifft zwar zu, dass afghanische Zivilisten, die für internationale Streitkräfte als Dolmetscher oder in anderen zivilen Funktionen gearbeitet haben, Berichten zufolge wiederholt angegriffen und bedroht wurden. Dies gilt auch für andere Zivilisten, die als Unterstützter der afghanischen Regierung oder der internationalen Gemeinschaft wahrgenommen werden. Aber nicht jede Zivilperson, auf die diese Kriterien zutreffen, weist unmittelbar eine begründete Furcht vor Verfolgung auf bzw. ist der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens ausgesetzt. Jedenfalls bei denjenigen, die nicht als Dolmetscher und in unmittelbar sicherheitsrelevanten Bereichen tätig gewesen sind, sind die Umstände des Einzelfalls wie die Bedeutung der Tätigkeit und ihre Erkennbarkeit für die regierungsfeindlichen Kräfte sowie die Region, in der die Tätigkeit ausgeübt worden ist, in den Blick zu nehmen (vgl. VGH BW, U.v. 12.12.2018 – A 11 S 1923/17 – juris Rn. 43 ff.; so auch BayVGH, U.v. 20.1.2012 – 13a B 11.30394 – juris Rn. 18, vgl. zuletzt BayVGH, B.v.17.1.2020 – 13a ZB 20.30107 – juris Rn. 11). Bezogen auf diesen Einzelfall kann nicht angenommen werden, dass der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit – selbst bei Wahrunterstellung, dass diese für ISAF erfolgt ist – einer gezielten Verfolgung durch die Taliban auch in den Großstädten Afghanistans ausgesetzt ist. Der Kläger hatte im Rahmen der von ihm geschilderten Tätigkeit keine herausragende Position inne, sondern vielmehr eine Position von untergeordneter Bedeutung. Der Kläger hatte keinen direkten Kontakt zu der Firma, für die er gearbeitet hat. Lediglich der Fahrer des Lastwagens war der Ansprechpartner des Klägers. Von diesem hat der Kläger auch sein Geld erhalten und über diesen ist der Kläger ursprünglich an die Arbeit gekommen. Hinzu kommt, dass die Firma, für die der Kläger gearbeitet hat, nach seinen Angaben … hieß. Dieser Firma soll das Fahrzeug gehört haben, auch wenn die transportierten Güter anderen Firmen gehörten. Es bestehen Zweifel, ob sich aus diesem Firmennamen ein direkter Zusammenhang zu ISAF herstellen lässt. Auch lässt sich aus den Angaben des Klägers und aus der Bestätigung des Fahrers schließen, dass auch andere Güter transportiert wurden und nicht eine Arbeit allein für ISAF vorlag. Aus den vorgelegten Lieferscheinen ist der Kläger nicht erkennbar, sondern nur der Fahrer, was wiederum für eine untergeordnete Bedeutung der Tätigkeit spricht. Eine Tätigkeit in einem unmittelbar sicherheitsrelevanten Bereich der internationalen Streitkräfte liegt jedenfalls offensichtlich nicht vor. Darüber hinaus war die Tätigkeit für ISAF nicht ohne weiteres zu erkennen, da der Kläger aus Unterlagen offenbar nicht hervorgeht. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass er zuletzt vor ca. einem Jahr Kontakt zu dem Fahrer des LKW hatte. Zu diesem Zeitpunkt war dieser noch in Afghanistan und auch noch als Fahrer tätig. Daraus lässt sich schließen, dass der Fahrer jedenfalls weitere vier Jahre nach der Ausreise des Klägers in Afghanistan geblieben ist und als Fahrer – wohl unbehelligt von den Taliban – tätig gewesen ist und das, obwohl dieser eine bedeutendere Stellung als der Kläger hatte. Dieser ist immerhin aus den vorgelegten Lieferscheinen in Erscheinung getreten. Von Bedrohungen gegenüber dem Fahrer hat der Kläger nichts geschildert. Zudem befindet sich der Kläger seit mehr als fünf Jahren in Deutschland. Es gab eine einmalige Bedrohung durch die Taliban. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Taliban den Kläger nach all dieser Zeit und unter der begründeten Annahme einer untergeordneten Arbeit für ISAF weiterhin gezielt in Großstädten nach diesem suchen werden. Auch die Angabe des Klägers, dass immer mal wieder Personen aus dem Dorf nach ihm fragen würden, ändert an oben vorgenommener Wertung nichts. Zum einen hat der Kläger zwar wöchentlich Kontakt zu seinen Eltern, diese haben aber zuletzt vor acht Monaten etwas Derartiges geschildert. Zum anderen ist nicht ersichtlich, warum Nachfragen von Personen aus dem Dorf ein Hinweis auf eine gezielte Verfolgung durch die Taliban sein sollten. Auch der Hinweis, dass der Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan seine Tazkira vorlegen müsse, überzeugt nicht, da der Kläger in der Anhörung angegeben hat, nie Personalpapiere besessen zu haben, weil er diese nie gebraucht habe. Zu berücksichtigen ist auch, dass in Afghanistan kein funktionierendes Meldewesen existiert, insbesondere kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig „gelbe Seiten” oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen. Das Personenstands- und Urkundenwesen in Afghanistan ist kaum entwickelt (vgl. Österreich / Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 351 f.). Der Kläger wird daher in der Anonymität einer der genannten Großstädte ohne Verfolgung leben können.
Die als inländische Fluchtalternative in Frage kommenden Städte Kabul in der Provinz Kabul, Herat in der Provinz Herat und Mazar-e-Sharif in der Provinz Balkh sind im Hinblick auf die allgemeine Sicherheitslage als inländische Fluchtalternative geeignet. Das Risiko, dort durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, liegt weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Zur Feststellung, ob eine solche Bedrohung gegeben ist, ist zum einen eine quantitative Ermittlung der verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl erforderlich. Darüber hinaus ist neben dieser quantitativen Ermittlung auch eine wertende Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung erforderlich. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22, 23). In diesem Zusammenhang geht die Rechtsprechung allerdings davon aus, dass – bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres – ein Risiko, verletzt oder getötet zu werden von 1:800 (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.) bzw. 1:1.000 (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 11.10 – juris Rn. 20 f.) so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass sich eine im Übrigen unterbliebene wertende Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht mehr auszuwirken vermag. Bei einer Einwohnerzahl von geschätzt 4.679.648 und 1.831 zivilen Opfern (479 Tote und 1.352 Verletzte) im gesamten Jahr 2017 in der Provinz Kabul, einer geschätzten Einwohnerzahl von 1.967.180 und 495 zivilen Opfern (238 Tote und 257 Verletzte) im Jahr 2017 in der Provinz Herat und einer Einwohnerzahl von geschätzt 1.382.155 und 129 zivilen Opfern (52 Tote und 77 Verletzte) in der Provinz Balkh, lag die Wahrscheinlichkeit, in den genannten Provinzen in diesem Zeitraum ein ziviles Opfer willkürlicher Gewalt zu werden, bei 0,039% (Kabul), 0,025% (Herat) und 0,009% (Balkh) (vgl. zu den Opfer- und Bevölkerungszahlen Österreich / Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 90 ff., S. 145 ff., S. 108 ff.). Damit liegt in diesen Provinzen eine Gefahrendichte vor, die ganz erheblich unter dem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als indiziell für die Annahme der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer erheblichen individuellen Gefährdung anerkannten statistischen Auslösewertes des Tötungs- und Verletzungsrisikos liegt. Zieht man Vergleichszahlen aus UNAMA, Afghanistan – Protection of Civilians in an Armed Conflict, Annual Report 2018, Februar 2019, S. 67 heran, wurden dort für das Jahr 2018 in der Provinz Kabul 1.866 (596 Tote und 1270 Verletzte; Anstieg im Vergleich zu 2017 um 2%), in der Provinz Herat 259 (95 Tote und 164 Verletzte; Rückgang im Vergleich zu 2017 um 48%) und in der Provinz Balkh 227 (85 Tote und 142 Verletzte; Anstieg im Vergleich zu 2017 um 76%) zivile Opfer verzeichnet. Auch wenn für die Provinz Balkh ein Anstieg von 76% zu verzeichnen war, liegt die Opferzahl in Relation zu der geschätzten Einwohnerzahl noch weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden. Berücksichtigt man die aktuellsten Zahlen aus UNAMA, Afghanistan – Protection of Civilians in an Armed Conflict, Annual Report 2019, Februar 2020, S. 94, wurden dort für die Provinz Kabul 1.563 zivile Opfer (261 Tote und 1.302 Verletzte) und damit ein Rückgang im Vergleich zu 2018 um 16% verzeichnet. Selbst wenn für die Provinz Herat ein Anstieg im Vergleich zu 2018 um 54% bei 400 zivilen Opfern (144 Tote und 256 Verletzte) vorlag, liegt die Opferzahl noch unterhalb der Opferzahl von 2017, weshalb auch hier keine beachtliche Wahrscheinlichkeit vorliegt. Auch in der Provinz Balkh ist ein Anstieg von 22% im Vergleich zu 2018 zu verzeichnen (277 zivile Opfer bei 108 Toten und 169 Verletzten). Gemessen an einer geschätzten Einwohnerzahl von 1.442.847 in 2018/19 (vgl. hierzu EASO, Afghanistan Security Situation, Juni 2019, S. 96) liegt ein Opferrisiko von 0,019% vor und damit ein Risiko, welches weiterhin erheblich unterhalb des Risikobereichs von 1:800 (0,125%) bzw. 1:1.000 (0,1%) liegt, der nach der Rechtsprechung derart weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt liegt. Insoweit ist in der Rechtsprechung auch geklärt, dass eine annäherungsweise Ermittlung der entsprechenden, zueinander ins Verhältnis gesetzten Zahlen ausreichend ist (BayVGH, B.v. 17.1.2017 – 13a ZB 16.30182 – juris Rn. 6). Zudem ist auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Dunkelziffer bzw. Untererfassung der zivilen Opfer noch nicht die Annahme einer Situation außergewöhnlicher allgemeiner Gewalt gegeben (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.2019 – 13a B 19.33359 – juris Rn. 29; HessVGH, U.v. 27.9.2019 – 7 A 1923/14.A – juris Rn. 117 m.w.N.; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris Rn. 63). Individuelle, gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers, aufgrund derer hier eine andere Einschätzung geboten wäre, sind jedenfalls bei einem Leben in einer Großstadt nicht ersichtlich (vgl. oben).
Der Kläger kann darüber hinaus auch sicher und legal in oben genannte Provinzen reisen. Zum einen enden Abschiebungen in der Regel in Kabul, wo es einen internationalen Flughafen gibt. Aber auch Mazar-e-Sharif und Herat verfügen über einen internationalen Flughafen und können daher legal und sicher vom Kläger, jedenfalls von Kabul aus, erreicht werden (vgl. Österreich / Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 265 f.).
Vom Kläger kann unter Berücksichtigung seiner individuellen Verhältnisse auch vernünftiger-weise erwartet werden, dass er sich in den Provinzen insbesondere in den Provinzhauptstädten niederlässt. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass Afghanistan zu den ärmsten Ländern der Welt zählt und im Jahr 2018 Platz 168 von 189 beim Index der menschlichen Entwicklung belegte (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts, 2.9.2019, S. 27). Der Bevölkerungsanteil derjenigen Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, stieg im Vergleich zu den Jahren 2011/2012 von 38,3% auf etwa 55% in den Jahren 2016/2017 an (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, S. 20). Die Arbeitslosenquote wird in den verschiedenen Quellen unterschiedlich eingestuft (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts, 2.9.2019, S. 28: 11,2% im Jahr 2017; UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, S. 20: 24% in den Jahren 2016/2017; Österreich / Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 358: über 40% erwerbslos oder unterbeschäftigt). Besonders Kabul ist durch eine große Anzahl von Binnenflüchtlingen (diese beliefen sich laut IOM im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2018 auf 9.037 Personen, vgl. ACCORD, Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mezar-e Sharif und Kabul, 7.12.2018, S. 15) und Rückkehrern (diese beliefen sich laut IOM im Zeitraum vom 1. Januar 2018 bis zum 30. Juni 2018 auf 9.912 Personen, vgl. ACCORD, Entwicklung der wirtschaftlichen Situation, der Versorgungs- und Sicherheitslage in Herat, Mezar-e Sharif und Kabul, 7.12.2018, S. 22) überlaufen.
Trotz oben genannter Umstände ist das Gericht nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls der Überzeugung, dass es dem jungen, arbeitsfähigen und ledigen Kläger bei einer Rückkehr insbesondere in den Städten Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif gelingen wird, zumindest durch Hilfstätigkeiten und Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zunächst hat der Kläger in Afghanistan fast sieben Jahre eine Schule besucht und ist eineinhalb Jahre einer Tätigkeit nachgegangen. In Deutschland hat der Kläger dreieinhalb Monate einen Deutschkurs besucht und hat anschließend acht bis neun Monate bei der Firma … in … gearbeitet. Dort hat er eine Ausbildung zum KFZ-Mechatroniker begonnen, ist aktuell im vierten Lehrjahr und hat vor ein paar Monaten seine Gesellenprüfung abgelegt. Aufgrund dieser schulischen und beruflichen Erfahrungen und erlangten Qualifizierungen ist das Gericht der Überzeugung, dass sich der Kläger gegenüber anderen Bewerbern auf dem Arbeitsmarkt in Afghanistan durchsetzen kann. Auch hat der Kläger durch seine eigenständige Flucht als junger Mann und sein eigenständiges Leben in Deutschland bewiesen, dass er über ein großes Maß an Selbstständigkeit verfügt. Zudem lebt die Familie des Klägers nach wie vor in Afghanistan in … Der Kläger hat zu diesen auch regelmäßig Kontakt. Der Kläger kann also auch auf Unterstützung seiner Familie zurückgreifen.
Darüber hinaus kann der Kläger eine finanziell eventuell schwierige Anfangszeit zusätzlich auch dadurch verbessern, dass er Start- und Reintegrationshilfen in Anspruch nimmt, was ihm zumindest helfen wird, anfängliche Schwierigkeiten zu überwinden. Es liegt an ihm, insoweit eine anfängliche Unterstützung durch eine freiwillige Rückkehr unter Inanspruchnahme von Start- und Reintegrationshilfen (z. B. im Rahmen des REAG/GARP- und des ERRIN-Programms) und damit einen vorübergehenden Ausgleich zu erhalten (vgl. REAG/GARP-Programm, Stand Januar 2019; ERRIN-Programmflyer 06/2018-05/2020 zu Afghanistan, Stand Mai 2019). Das „REAG/GARP-Programm 2019“ umfasst für einen alleinstehenden Mann neben der Übernahme der Beförderungskosten, eine Reisebeihilfe in Höhe von 200 EUR sowie eine Starthilfe in Höhe von 1.000 EUR. Hinzu kommen die kumulativ zur Verfügung stehenden Leistungen nach dem Europäischen Reintegrationsprogramm „ERRIN“. Diese beinhalten z.B. Services bei der Ankunft, Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und karitativen Einrichtungen, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Unterstützung bei der Wohnungs- und Arbeitsplatzsuche sowie Hilfestellungen bei der Existenzgründung. Die Unterstützung wird über eine vor Ort tätige Partnerorganisation in Form von Sachleistungen gewährt und kann bei einer freiwilligen Rückkehr Leistungen im Wert von bis zu 2.000 EUR umfassen. Weiter haben Deutschland und Afghanistan am 2. Oktober 2016 eine Gemeinsame Erklärung über die Zusammenarbeit in Fragen der Migration abgegeben. Die Abkommen sehen u.a. die Übernahme von Reisekosten, Wiedereingliederungshilfe und Unterstützungsmaßnahmen für besonders bedürftige Flüchtlinge vor. Rückkehrer aus Deutschland werden außerdem über das BMZ-Rückkehrerprogramm „Perspektive Heimat“ bei der Reintegration vor Ort unterstützt, insbesondere bei der Existenzgründung, Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 2.9.2019, S. 28 f. mit weiteren Einzelheiten). Aufgrund dieser Rückkehr- und Starthilfen und unter Berücksichtigung der Arbeitsfähigkeit des Klägers steht es zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich der Kläger in den genannten Provinzen ein Existenzminimum sichern wird.
Das Gericht folgt auch nicht der Einschätzung, wonach die Annahme, dass alleinstehende junge gesunde Männer und kinderlose Paare ihr Überleben aus eigener Kraft sichern könnten, durch die derzeitige humanitäre Lage inzwischen grundlegend infrage gestellt bzw. überholt sei (so insbesondere Friederike Stahlmann, Asylmagazin 3/2017, 73 ff.). Auch unter Berücksichtigung der vorliegenden neuesten Erkenntnismittel hält das Gericht weiterhin an der obergerichtlichen, ständigen Rechtsprechung fest, dass für alleinstehende, erwerbsfähige und gesunde junge Männer im Fall der Rückkehr nach Afghanistan keine beachtliche Wahrscheinlichkeit für eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung besteht, auch wenn diese weder über ein soziales Netzwerk in Afghanistan noch über eine abgeschlossene Berufsausbildung oder nennenswertes Vermögen verfügen (aus neuerer Zeit etwa: BayVGH, U.v. 14.11.2019 – 13a B 19.33359 – juris; B.v. 23.10.2019 – 13a ZB 19.32670 – juris Rn. 6; B.v. 3.9.2019 – 13a ZB 19.33043 – juris Rn. 6; B.v. 25.2.2019 – 13a ZB 18.32487 – juris Rn. 5; B.v. 21.12.2018 – 13a ZB 17.31203 – juris Rn. 6; U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 34; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris Rn. 55; OVG NRW, B.v. 17.9.2018 – 13 A 2914/18.A – juris Rn. 23; VGH BW, U.v. 11.4.2018 – A 11 S 924/17 – juris Rn. 336 ff.; SächsOVG, B.v. 21.10.2015- 1 A 144/15.A – juris) und schließt sich insbesondere dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 12. Oktober 2018 – A 11 S 316/17 an. Dieser hat sich auch unter Bezugnahme auf verschiedene Einschätzungen der Gutachterin Stahlmann (so z.B. im Asylmagazin 3/2017 und insbesondere im schriftlichen Gutachten an das Verwaltungsgericht Wiesbaden vom 28. März 2018) mit der wirtschaftlichen Situation in Afghanistan auseinander gesetzt und kam – wie bereits die oben genannten Gerichte – zu dem Schluss, dass sich aus den Erkenntnismitteln zu Afghanistan derzeit nicht ergebe, dass es insbesondere leistungsfähigen, erwachsenen Männern – soweit nicht besondere, individuell erschwerende Umstände festgestellt werden können – selbst ohne bestehendes familiäres oder soziales Netzwerk unmöglich sei, bei der Rückkehr aus dem westlichen Ausland ihr Existenzminimum zu sichern (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris).
Auch der Bewertung von Frau Stahlmann, die ausgehend von einer erst kürzlich durchgeführten Studie zum Verbleib und den Erfahrungen abgeschobener Afghanen vertritt, dass es Rückkehrern aus Europa in Afghanistan per se nicht möglich sei, ein menschenwürdiges Leben zu führen, da ihnen dort eine unmenschliche Behandlung infolge von Gewalt, Arbeits- oder Wohnungslosigkeit drohe (vgl. Friederike Stahlmann, Asylmagazin 8-9/2019, 276 ff.), folgt das Gericht nicht. Hier ist insbesondere zu berücksichtigen, dass von den laut Frau Stahlmann 547 Männern, die zwischen Dezember 2016 und April 2019 aus Deutschland abgeschoben wurden, mit Stand Juli 2019 lediglich Informationen zu 55 Betroffenen dokumentiert werden konnten (Friederike Stahlmann, Asylmagazin 8-9/2019, 276/277), was gerade einmal ca. 10% ausmacht. Es kann gerade nicht darauf geschlossen werden, dass die nicht in die Untersuchung eingebundenen restlichen Rückkehrer vergleichbar schlechte Erfahrungen gemacht haben wie die interviewten Rückkehrer. Soweit dies in der Studie behauptet wird, beruht dies auf bloßen Mutmaßungen und eigenen Bewertungen ohne valide Tatsachengrundlage. Überdies handelt es sich hierbei um eine allein dem erkennenden Gericht vorbehaltene rechtliche Würdigung.
Auch aus der Zugehörigkeit des Klägers zu der Volksgruppe der Hazara ergibt sich keine flüchtlingsrelevante Verfolgung in oben genanntem Sinne.
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer solchen Gruppenverfolgung setzt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung grundsätzlich eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Regelvermutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich da-bei nicht mehr um nur vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzel-ner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass dar-aus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 21.4.2009 – 10 C 11.08 – juris Rn. 13; U.v. 1.2.2007 – 1 C 24.06 – juris Rn. 7).
Für die Volksgruppe der Hazara, welcher der Kläger angehört, besteht derzeit keine solche Gruppenverfolgung, da insbesondere nicht von einer Verfolgung der gesamten Volksgruppe ausgegangen werden kann. In Afghanistan stellen die Hazara mit einem Anteil von etwa 10% der Gesamtbevölkerung eine Minderheit mit zumeist schiitischem Glauben dar (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 321). Zwar wird weiterhin von gesellschaftlicher Diskriminierung der Hazara durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, körperliche Misshandlung und Inhaftierung berichtet (vgl. UNHCR, Richtlinien zur Feststellung des internationa-len Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender, 30.8.2018, S. 106). Es fehlt aber an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen kritischen Verfolgungsdichte (vgl. VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 68, 76 ff.). Seit dem Ende der Taliban-Herrschaft hat sich die Lage der Hazara grundsätzlich verbessert (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts, 2.9.2019, S. 10). So sind diese zwischenzeitlich in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft grundsätzlich etabliert (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 322). Auch bekleiden Hazara zwischenzeitlich mitunter prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, obgleich sie in der öffentlichen Verwaltung nach wie vor unterrepräsentiert sind (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts, 2.9.2019, S. 10). Im Durchschnitt sind die Hazara beispielsweise mit etwa 10% in der afghanischen Armee und der afghanischen Polizei repräsentiert (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 323). Schließlich verfügen sie grundsätzlich über gleichwertigen Zugang zum afghanischen Arbeitsmarkt (vgl. Republik Österreich, Länderinformationsblatt Afghanistan, Gesamtaktualisierung 29.6.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 322). Zwar sind immer wieder Anschläge auf schiitische Einrichtungen zu verzeichnen, so etwa am 15. August 2018 auf eine hauptsächlich von Schiiten genutzte Bildungseinrichtung in Kabul sowie am 18. August 2018 auf eine schiitische Moschee in der Provinz Paktia (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amts, 2.9.2019, S. 10). Selbst vor diesem Hintergrund kann jedoch keine über eine nur latente oder potenziell bestehende Gefährdungslage hinaus-gehende Bedrohung angenommen werden, die die Feststellung zuließe, dass grundsätzlich die gesamte Volksgruppe der Hazara mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von Anschlägen getroffen würde. Zu berücksichtigen ist auch, dass in vielen Fällen nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich teilweise schlicht um kriminelles Unrecht handelt, welches sich letztlich zufällig (auch) zum Nachteil von Hazara auswirkt oder diese aufgrund erhöhter Reisetätigkeit bzw. des überwiegenden Wohnens in den Stadtzentren betroffen sind (ebenso OVG NRW, U.v. 18.6.2019 – 13 A 3741/18.A – juris Rn. 167; VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 139). Eine vorwiegend ethnische Anknüpfung ist nicht belegt.
Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass die Frage der Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan bereits mehrfach obergerichtlich entschieden und verneint wurde (aus neuerer Zeit etwa: NdsOVG, U.v. 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris Rn. 83 ff.; VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 77 ff.; U.v. 5.12.2017 – A 11 S 1144/17 – juris Rn. 86 ff.; BayVGH, B.v. 14.8.2017 – 13a ZB 17.30807 – juris Rn. 17 ff.; B.v 20.1.2017 – 13a ZB 16.30996 – juris Rn. 11 f.; B.v. 4.1.2017 – 13a ZB 16.30600 – juris Rn. 6). Dieser obergerichtlichen Rechtsprechung schließt sich auch das erkennende Gericht an, zumal sich auch unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnismittel keine andere rechtliche Bewertung ergibt. Hinzu kommt auch, dass der Kläger hierzu ohnehin nichts vorgetragen hat und insbesondere sein Verfolgungsschicksal rein auf die behauptete Arbeit für ISAF und die behauptete dadurch erfolgte Bedrohung durch die Taliban stützt.
2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG.
2.1 Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dem Kläger ein ernsthafter Schaden durch die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe drohen würde, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG.
2.2 Auch droht dem Kläger kein ernsthafter Schaden durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
Eine Behandlung wird als „unmenschlich“ angesehen, wenn sie vorsätzlich und ohne Unterbrechung über Stunden zugefügt wurde und entweder körperliche Verletzungen oder intensives physisches oder psychisches Leid verursacht hat. „Erniedrigend“ ist eine Behandlung, wenn sie eine Person demütigt oder erniedrigt, es an Achtung für ihre Menschenwürde fehlen lässt oder sie herabsetzt oder in ihr Gefühle der Angst, Beklemmung oder Unterlegenheit erweckt, die ge-eignet sind, den moralischen oder körperlichen Widerstand zu brechen (EGMR (Große Kammer), U.v. 21.1.2011 − 30696/0 – NVwZ 2011, 413/414, Rn. 220). Entscheidend ist auch hier der Wahrscheinlichkeitsmaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 22). Aufgrund des in § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG enthaltenen Verweises auf § 3c AsylG muss die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung außerdem von einem der dort genannten Akteure ausgehen (BVerwG, B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 6; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 29).
Es ist fraglich, ob für die Person des Klägers eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu erfahren, begründet ist. Der Kläger befindet sich seit Dezember 2014 in Deutschland. Vor seiner Ausreise gab es – bei Wahrunterstellung – einen einmaligen Vorfall mit Taliban im Zusammenhang mit einer behaupteten Tätigkeit für ISAF. Diese Frage kann jedoch dahinstehen, da sich der Kläger jedenfalls auch hier auf die interne Fluchtalternative verweisen lassen muss, § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG (vgl. ausführlich oben).
Auch aus der Zugehörigkeit zu der Volksgruppe der Hazara – wie bereits ausführlich vom Gericht gewürdigt – folgt keine Gefahr einer landesweiten (Gruppen-)Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Daher kann aus diesem Grund auch kein ernsthafter Schaden durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohen.
Eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt der schlechten humanitären Situation in Afghanistan in Betracht. Selbst wenn eine solche anzunehmen wäre, könnte dies dennoch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes vermitteln, da es insoweit an einem erforderlichen Akteur i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c AsylG fehlen würde, von dem die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung des Klägers ausgehen müsste (vgl. hierzu oben). Die humanitären Verhältnisse in Afghanistan beruhen gerade auf einer Vielzahl von Faktoren, zu denen die allgemeine wirtschaftliche Lage, Umweltbedingungen wie Klima und Naturkatastrophen ebenso wie die Sicherheitslage gehören. Es ist jedenfalls nicht feststellbar, dass der afghanische Staat, die in Afghanistan aktiven internationalen Streitkräfte oder ein sonstiger (nichtstaatlicher) Akteur die maßgebliche Verantwortung tragen. Insbesondere ist nicht feststellbar, dass die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung gezielt vorenthalten würde (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 176; OVG NRW, U.v. 18.6.2019 – 13 A 3741/18.A – juris Rn. 71).
2.3 Auch die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus in Folge einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts kommt nicht in Betracht, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG.
Eine ernsthafte individuelle Bedrohung liegt vor, wenn im Rahmen eines Konflikts der Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder gegebenenfalls in die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit im Gebiet dieses Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Dabei wird der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, umso geringer sein, je mehr der Kläger darlegen kann, dass er aufgrund von seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, U.v. 30.1.2014 – C-285/12 – juris Rn. 30, 31; U.v. 17.2.2009 – C-465/07 – juris Rn. 35, 43; VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 193). Solche Umstände können sich beispielsweise aus dem Beruf des Schutzsuchenden – etwa als Arzt oder Journalist – sowie aus dessen religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 193).
Das Gericht geht nicht davon aus, dass in der Person des Klägers derartige gefahrerhöhende Umstände vorliegen. Zwar trägt der Kläger vor, für ISAF gearbeitet zu haben und infolgedessen von Taliban bedroht worden zu sein. Wie das Gericht bereits dargestellt hat, bestehen Zweifel, ob der Kläger tatsächlich für ISAF gearbeitet hat. Aber selbst bei Wahrunterstellung dieser Tätigkeit für ISAF kann das Gericht nur von einer untergeordneten Tätigkeit ausgehen, welche nicht zu einer gezielten Verfolgung führt (vgl. ausführlich oben). Hinzu kommt, dass der Kläger bereits im Juni 2014 aus Afghanistan ausgereist ist, weshalb auch aufgrund dieses langen Zeitraums besondere gefahrerhöhende Umstände nicht angenommen werden können. Auch die Zugehörigkeit zu der Volksgruppe der Hazara begründet keinen gefahrerhöhenden Umstand (vgl. oben).
Liegen – wie hier – keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich, welches mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit („real risk“) gegeben sein muss. So kann die notwendige Individualisierung ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 19, 20; U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33). Zur Feststellung, ob das erforderliche hohe Niveau vorliegt, ist zum einen eine quantitative Ermittlung der verletzten und getöteten Zivilpersonen im Verhältnis zur Einwohnerzahl erforderlich. Darüber hinaus ist neben dieser quantitativen Ermittlung auch eine wertende Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung erforderlich. Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jeden-falls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22, 23). In diesem Zusammenhang geht die Rechtsprechung allerdings davon aus, dass – bezogen auf die Zahl der Opfer von willkürlicher Gewalt eines Jahres – ein Risiko, verletzt oder getötet zu werden von 1:800 (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.) bzw. 1:1.000 (BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 11.10 – juris Rn. 20 f.) so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass sich eine im Übrigen unterbliebene wertende Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht mehr auszuwirken vermag. Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist dabei der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 13). Denn für die Frage, welche Region als Zielort der Rückkehr eines Ausländers anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt (VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris Rn. 100; U.v 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 202). Entscheidend ist danach auf die Provinz Ghazni abzustellen, wo der Kläger bis zu seiner Ausreise gewohnt hat und wo -wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung angegeben hatseine Familie immer noch lebt.
Für die Provinz Ghazni besteht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass dem Kläger dort eine ernsthafte individuelle Bedrohung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG widerfährt. Nach Zahlen aus UNAMA, Afghanistan – Protection of Civilians in an Armed Conflict, Annual Report 2018, Februar 2019, S. 67, wurden für diese Provinz für das Jahr 2018 653 zivile Opfer (253 Tote und 400 Verletzte) verzeichnet. Bei einer geschätzten Einwohnerzahl von 1.315.041 in 2018/19 (vgl. EASO, Afghanistan Security Situation, Juni 2019, S. 128) ergibt sich ein Opferrisiko von 0,049% und damit ein Risiko, welches erheblich unterhalb des Risikobereichs von 1:800 (0,125%) bzw. 1:1.000 (0,1%) liegt, der nach der Rechtsprechung derart weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt liegt, dass selbst bei einer übrigen unterbliebenen wertungsmäßigen Gesamtbetrachtung nicht mehr von einer individuellen Bedrohungslage im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgegangen werden kann. Berücksichtigt man die aktuellsten Zahlen aus UNAMA, Afghanistan – Protection of Civilians in an Armed Conflict, Annual Report 2019, Februar 2020, S. 94, ist dort für die Provinz Ghazni lediglich ein geringer Anstieg der zivilen Opfer um 3% im Vergleich zu 2018 zu verzeichnen (673 zivile Opfer (213 Tote und 460 Verletzte)), weshalb immer noch ein Opferrisiko vorliegt, welches nach der Rechtsprechung derart weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt liegt. Darauf, dass eine annäherungsweise Ermittlung der Zahlen ausreichend ist, wurde bereits oben hingewiesen. Zudem weist insbesondere der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 14. November 2019 – 13a B 19.33359 – darauf hin, dass auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Dunkelziffer bzw. Untererfassung der zivilen Opfer bei einem sich in diesem Bereich bewegenden Gefahrengrad (dort 1:2.354 = 0,042%) noch nicht die Annahme einer Situation außergewöhnlicher allgemeiner Gewalt gegeben ist (vgl. auch HessVGH, U.v. 27.9.2019 – 7 A 1923/14.A – juris Rn. 117 m.w.N.; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris Rn. 63).
Im Ergebnis schließt sich das Gericht vollumfänglich der obergerichtlichen Rechtsprechung an, wobei insbesondere der Bayerische Verwaltungsgerichtshof weiterhin davon ausgeht, dass für keine Region Afghanistans die Voraussetzungen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vorliegen (vgl. zuletzt B. v. 17.1.2020 – 13a ZB 20.30107 – juris Rn. 15, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 43 ff.; B. v. 25.2.2019 – 13a ZB 18.32203; B. v. 20.2.2018 – 13a ZB 17.31970 – juris Rn. 6; B. v. 3.11.2017 – 13a ZB 17.31228 – juris Rn. 9; B. v. 11.4.2017 – 13a ZB 17.30294 – juris Rn. 5 mit weiteren Nachweisen).
Im Übrigen geht auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte davon aus, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan nicht derart ist, dass jede Überstellung dorthin not-wendig Art. 3 EMRK verletze (vgl. z.B. EGMR, U.v. 11.7.2017 – S.M.A./Netherlands, Nr. 46051/13 – Rn. 53). Auch aus dem dem Gericht vorliegenden zusätzlichen Erkenntnismaterial mit neuerem Datum lässt sich nichts dafür entnehmen, dass hier zwischenzeitlich eine andere Einschätzung zur Sicherheitslage geboten wäre.
3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes und zwar weder auf Grundlage von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK (dazu 3.1) noch auf Grundlage von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (dazu 3.2).
3.1 Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG wegen Verletzung der EMRK besteht weder mit Blick auf die Sicherheitslage in Afghanistan – hierzu wird vollumfänglich auf obige Ausführungen verwiesen – noch aufgrund der dortigen schlechten humanitären Bedingungen.
Die humanitäre Lage und die Lebensbedingungen, die der Kläger in Afghanistan insgesamt bzw. in den Provinzen Kabul, Herat, Balkh oder auch in seiner Herkunftsprovinz Ghazni zu erwarten hat, sind nicht derart schlecht, dass davon ausgegangen werden müsste, dass ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde. Zwar können auch schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat grundsätzlich eine unmenschliche Behandlung des Klägers im Sinne des Art. 3 EMRK begründen. Hierfür ist aber ein außergewöhnlicher Fall notwendig, in dem die gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechenden humanitären Gründe zwingend sind. Dafür reicht es noch nicht aus, wenn im Fall einer Ausweisung die Lage des Betroffenen einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde (EGMR, U.v. 27.5.2008 – 26565/05 – NVwZ 2008, 1334 Rn. 42; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23). Ein solcher Ausnahmefall kann allenfalls dann vorliegen, wenn zu solchen schlechten humanitären Bedingungen ganz außerordentliche individuelle Gründe hinzutreten und humanitäre Gründe zwingend gegen eine Abschiebung sprechen (siehe BVerwG, B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 10 unter Verweis insbesondere auf EGMR, U.v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 und 11449/07 – Rn. 278). Auch hier gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – juris Rn. 22; B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 6). Für die Prüfung der humanitären Verhältnisse ist dabei grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen, wobei zunächst die Umstände an dem Ort maßgeblich sind, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 26).
Ein solcher Ausnahmefall besteht vorliegend nicht. Auch diesbezüglich kann auf die vorstehen-den Ausführungen verwiesen werden. Es ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten hätte. Insbesondere ist das Gericht auch nach dem Eindruck des Klägers in der mündlichen Verhandlung der Überzeugung, dass es dem Kläger als arbeitsfähigen, jungen Mann, der in Deutschland eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker aktuell im vierten Lehrjahr absolviert und der bereits seine Gesellenprüfung abgelegt hat und daher berufliche Erfahrungen und Qualifikationen besitzt und auch bereits in Afghanistan eineinhalb Jahre einer Tätigkeit nachgegangen ist, zumindest durch die Übernahme von Hilfstätigkeiten und Gelegenheitsarbeiten möglich sein wird, sich sein Existenzminimum zu sichern. Die hohen Anforderungen aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK sind daher nicht erfüllt.
3.2 Auch ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegt in Bezug auf den Kläger nicht vor und zwar weder aufgrund des Gesundheitszustands des Klägers (3.2.1) noch wegen der allgemein vorherrschenden Lebensbedingungen in Afghanistan (3.2.2).
Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei gelten § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 AufenthG entsprechend (§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG). Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen wird nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, angenommen (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Dabei ist es nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist (§ 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG). Erhebliche konkrete Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (§ 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG).
Diese Voraussetzungen sind bei dem Kläger nicht erfüllt.
3.2.1 Es ergibt sich kein Abschiebungsverbot aus dem Gesundheitszustand des Klägers.
Erforderlich wäre eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde. Dies kann beispielsweise auch dann angenommen werden, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat verschlimmert‚ weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind oder trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung, wenn sonstige Umstände im Zielstaat vorliegen‚ die dazu führen‚ dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann‚ wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht‚ dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. Dabei sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände‚ die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können, zu berücksichtigen (BVerwG‚ U.v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 – juris Rn. 19 ff.). Für die Annahme einer konkreten Gefahr genügt jedoch nicht die bloße theoretische Möglichkeit‚ Opfer von Eingriffen in Leib‚ Leben oder Freiheit zu werden. Es gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit‚ wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr für diesen Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation statuiert (BVerwG‚ U.v. 17.10.1995 – 9 C 9.95 – juris Rn. 16). Erforderlich ist damit in Krankheitsfällen, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, das heißt dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 1 C 3.11 – juris Rn. 34; B.v. 17.8.2011 – 10 B 13.11 – juris Rn. 3), vgl. zum Ganzen BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 13a B 16.30007 – juris Rn. 15.
Nach § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft gemacht werden.
Der psychologisch-diagnostische Befund und Therapieplan vom 17. November 2016 der Psychotherapeutischen Hochschulambulanz, … Universität …, Lehrstuhl Psychologie I, Klinische und Biologische Psychologie, welcher eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, ist nicht geeignet diese Erkrankung glaubhaft zu machen, da dieser jedenfalls nicht mehr aktuell ist. Dieser war zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) mehr als drei Jahre alt. Darüber hinaus waren die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben und der Schweregrad der Erkrankung nicht angegeben. Auch die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, und die Methode der Tatsachenerhebung sind fraglich. Insgesamt kann daher nicht von einer zu berücksichtigenden qualifizierten ärztlichen Bescheinigung ausgegangen werden. Zudem wurde damals lediglich angegeben, dass der Kläger in größeren zeitlichen Abständen dort angebunden sein soll. In der Anhörung vom 1. Dezember 2016 hat der Kläger auch angegeben, dass er keine Medikamente einnimmt. Somit kann ohnehin nicht von einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung ausgegangen werden. Zudem wird mit einem Befundbericht vom 20. Februar 2020 nunmehr lediglich eine depressive Störung diagnostiziert. Die Diagnose einer Posttraumatischen Belastungsstörung kann daher nicht mehr aufrechterhalten werden.
Auch das mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 übersandte Rezept erfüllt offensichtlich nicht die Voraussetzungen des § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG.
Aber auch der mit Schriftsatz vom 24. Februar 2020 übersandte psychologisch-diagnostische Befundbericht vom 20. Februar 2020, welcher eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, diagnostiziert, ist nicht ausreichend, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu begründen.
Hier ist ebenfalls zweifelhaft, ob eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung im Sinne des § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG vorliegt, da der Befundbericht nicht von einem Facharzt erstellt wurde, sondern von einer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin.
Jedenfalls liegt selbst bei der Annahme einer qualifizierten ärztlichen Bescheinigung bei der Krankheit, wie sie speziell und individuell bei dem Kläger vorliegt, keine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde und zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben des Klägers führen würde. Bei dem Kläger ist nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls nicht von einer derartigen extremen Gefahrenlage auszugehen. In diesem Befundbericht ist in der Prognose keine beachtliche Wahrscheinlichkeit ersichtlich, dass sich eine vorhandene Erkrankung des Klägers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmern würde, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für dessen Leib oder Leben führen würde. Im ersten Absatz der Prognose wird nur allgemein geschildert, welche möglichen Folgen eine depressive Episode haben kann. Diese Ausführungen sind aber nicht auf den Kläger und der bei ihm vorliegenden Erkrankung bezogen. Zudem wurde diese Prognose für den Fall einer unbehandelten depressiven Episode bzw. bei Ausbleiben adäquater Behandlungsmaßnahmen angestellt. Im zweiten Absatz ist in Bezug auf den Kläger von einer Destabilisierung und einer nicht auszuschließenden Retraumatisierung die Rede. Eine Verschlimmerung, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben des Klägers alsbald nach seiner Rückkehr führt, ist damit aber nicht ersichtlich. Auffällig sind auch die vorhandenen Behandlungslücken. Es ist nichts zu einer durchgehenden Behandlung des Klägers seit seiner Einreise im Dezember 2014 vorgetragen. So ist aus dem Befund und Therapieplan vom 17. November 2016 ersichtlich, dass sich der Kläger am 13. Oktober 2015 in Behandlung begeben hat. Im Befundbericht vom 20. Februar 2020 wird angegeben, dass der Kläger zwischen dem 18. Februar 2016 und 5. Juli 2016 in Behandlung war. Sodann erfolgten offenbar eine Pause von fast zweieinhalb Jahren und eine erneute Behandlung seit dem 13. Dezember 2018. Zu dem Behandlungsverlauf gefragt, gibt der Kläger zu der Behandlungspause an, dass er eine Zeit lang versucht habe, ohne ärztliche Behandlung auszukommen. Dass dem Kläger dies für einen beachtlichen Zeitraum von fast zweieinhalb Jahren gelungen ist, spricht gerade für eine nicht lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung. Dies bestätigt sich auch durch die Antwort auf die Frage, wie der Kläger gemerkt habe, dass er wieder einen Arzt aufsuchen müsse. Hierzu gab der Kläger an, dass er keine Geduld mehr hatte und es ihm auf der Arbeit sehr schlecht ging. Zudem habe er nicht mehr schlafen können. Diese Schilderungen stellen keine lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Umstände dar. Hinzu kommt, dass der Kläger, seitdem er in Deutschland ist, gearbeitet hat und bisher erfolgreich eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker durchläuft. So befindet sich der Kläger aktuell im vierten Lehrjahr und hat bereits seine Gesellenprüfung abgelegt. Daraus wird ersichtlich, dass der Kläger arbeits- und leistungsfähig ist, was wiederum gegen eine lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankung spricht.
Darüber hinaus ist das Gericht der Überzeugung, dass der Kläger seine Erkrankung in der bei ihm vorliegenden Form in Afghanistan ausreichend behandeln kann. Nach Mitteilung des Bundesamtes vom 21. Februar 2020 ist das Medikament Venlafaxin in Afghanistan verfügbar. Hiervon nimmt der Kläger morgens eine Tablette. Das Gericht ist der Überzeugung, dass sich der arbeitsfähige Kläger zumindest durch Gelegenheitsarbeiten oder durch Unterstützung seiner in Afghanistan lebenden Familie dieses Medikament besorgen kann. Zudem nimmt der Kläger eine Tablette Tradozon als Bedarfsmedikation. Dieses Medikament ist zwar nach Mitteilung des Bundesamtes aktuell in Afghanistan nicht verfügbar. Tradozon wurde aber nur bei Bedarf verordnet, was auch der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Da es sich nicht um ein zwingend einzunehmendes Medikament handelt, ist das Gericht der Überzeugung, dass sich der Kläger bei Bedarf in Afghanistan ein Alternativpräparat besorgen kann. Es ist insbesondere nicht vorgetragen, dass der Kläger nur diese beiden Medikamente verträgt und dass nur diese beiden Präparate die erforderliche Wirkung für den Kläger haben. Das Bundesamt hat in seiner Mitteilung vom 21. Februar 2020 aus der Gruppe der Antidepressiva alternative Medikamente angegeben, die in Afghanistan verfügbar sind. Zwar erhält der Kläger laut Befundbericht vom 20. Februar 2020 seit 20. März 2019 eine 14-tägige Sitzung in kognitiver Verhaltenstherapie. Auch dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Aus der Anmerkung des Klägers, dass er es nicht jede Woche zu der Therapie schaffe, ist erneut jedoch ersichtlich, dass der Leidensdruck des Klägers nicht allzu hoch ist. Darüber hinaus ist aus dem Befundbericht nicht ersichtlich, dass der Kläger zwingend auf diese Therapie angewiesen ist. Es wird lediglich geschildert, dass laut Leitlinien bei vorliegender Diagnose eine Kombinationsbehandlung angezeigt ist. Eine auch individuell für den Kläger bestehende zwingend erforderliche Therapiebedürftigkeit kommt darin nicht zum Ausdruck. Zudem ist in Afghanistan in Mazar-e-Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus. In Kabul befindet sich eine weitere psychiatrische Klinik. Landesweit bieten alle Provinzkrankenhäuser kostenfreie psychologische Beratungen an, die in einigen Fällen sogar online zur Verfügung stehen. Mental erkrankte Personen können auch beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden (vgl. Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018, letzte Kurzinformation v. 4.6.2019, S. 364). Daher könnte der Kläger bei Bedarf auch in Afghanistan Behandlung erhalten. Dabei ist es nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in Deutschland gleichwertig ist, § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist, § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG. Dies wäre für den Kläger der Fall.
Nach Abwägung all dieser individuellen Umständen geht das Gericht im Falle des Klägers nicht von einer erheblichen konkreten Gefahr aus gesundheitlichen Gründen aus, da nach Überzeugung des Gerichts die Krankheit im Einzelfall des Klägers nicht lebensbedrohlich oder schwerwiegend ist und sich diese durch die Abschiebung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände auch nicht wesentlich verschlechtern würde. Derartige Umstände können aus dem vorgelegten Befundbericht, dem Behandlungsverlauf und dem Eindruck des Klägers in der mündlichen Verhandlung nicht angenommen werden. Darüber hinaus würde die Möglichkeit der Versorgung mit Medikamenten und bei Bedarf auch mit Therapie in Afghanistan bestehen. Eine durch die Abschiebung entstehende erhebliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Klägers aufgrund seiner Erkrankung ist nach Überzeugung des Gerichts nicht gegeben, da der arbeits- und leistungsfähige Kläger jedenfalls überlebensfähig ist und sich auch sein Existenzminimum sichern kann. Hilfsweise könnte der Kläger auch auf die Unterstützung seiner in Afghanistan lebenden Familie zurückgreifen.
3.2.2 Auch aus allgemein vorherrschenden schlechten Lebensbedingungen in Afghanistan lässt sich ein Abschiebungsverbot nicht begründen.
Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die gesamte Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG grundsätzlich nur bei Anordnungen zur vorübergehenden Aussetzung von Abschiebungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten – insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage – kann Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beansprucht werden, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser im Abschiebungszielstaat herrschenden Lebensbedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Wann die vorherrschenden allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der eine Abschiebung des Ausländers in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Dazu müssen diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr drohen. Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 14.11.2019 – 13a B 19.33359 – juris Rn. 47; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 23.10 – juris Rn. 21 f.; B.v. 14.11.2007 – 10 B 47.07 u.a. – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918 – juris Rn. 40 m.w.N; VGH BW, U.v. 26.6.2019 – A 11 S 2108/18 – juris Rn. 131 ff.; OVG NW, U.v. 18.6.2019 – 13 A 3930/18 – juris Rn. 313 ff.; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 – 9 LB 93/18 – juris Rn. 188 ff.)
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist ein Abschiebungsverbot im Fall des Klägers nicht gegeben. Es sind keine Umstände ersichtlich, dass der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr nach Afghanistan einer solchen extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Insbesondere würde der Kläger nicht mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden. Das Gericht ist der Überzeugung, dass sich der Kläger sein Existenzminimum sichern wird (vgl. oben). Eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit ist nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit zu befürchten.
4. Gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatsbestimmung (Ziffer 5 des Bescheides) bestehen keine Bedenken, vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG. Nach § 38 Abs. 1 AsylG war dem Kläger eine Ausreisefrist von 30 Tagen zu setzen.
5. Auch das auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 6 des Bescheides) ist rechtmäßig. Auch unter Berücksichtigung des nunmehr geltenden § 11 Abs. 1 AufenthG, wonach das Einreise- und Aufenthaltsverbot nicht mehr aufgrund einer gesetzgeberischen Entscheidung eintritt, sondern es hierfür vielmehr einer behördlichen Entscheidung bedarf (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 71), bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Ziffer 6 des Bescheides. Die nunmehr geforderte Einzelfallentscheidung über die Verhängung eines Einreise- und Aufenthaltsverbot von bestimmter Dauer wird in unionsrechtskonformer Auslegung regelmäßig in einer behördlichen Befristungsentscheidung gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG gesehen (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.2017 – 1 VR 3.17 – juris Rn. 72). Eine solche hat die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid wirksam getroffen und in Ausübung des ihr nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eingeräumten Ermessens eine Befristung auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung vorgesehen. Ermessensfehler, auf deren Überprüfung das Gericht gemäß § 114 Satz 1 VwGO beschränkt ist, sind nicht ersichtlich.
6. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben.


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