Verwaltungsrecht

Erfolglose Asylklage eines Mitglieds der BNP

Aktenzeichen  M 17 K 14.31223

Datum:
9.5.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1
StPO StPO § 244 Abs. 4
EMRK EMRK Art. 3
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7

 

Leitsatz

1 Vermag der Kläger Widersprüche und Ungereimtheiten in der mündlichen Verhandlung nicht auszuräumen und ergeben Auskünfte des Auswärtigen Amtes, dass die vorgelegten Dokumente Fälschungen sind, ist die Glaubwürdigkeit des Asylsuchenden erschüttert. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Einholung weiterer Gutachten kommt nur dann in Betracht, wenn die eingeholten Auskünfte ungeeignet wären, von unzutreffenden Voraussetzungen ausgehen würden, wenn bessere Forschungsmittel verfügbar wären, sich die Bedeutung der zu klärenden Fragen verändert hätte oder Zweifel an der Sachkunde und Unparteilichkeit des Gutachters bestehen würden. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Mitgliedschaft in der BNP ist in Bangladesh nicht strafbar und führt nicht per se zu Verfolgung durch die Regierung. Die BNP ist politisch aktiv und tritt zu Wahlen an. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4 Mittelschwere depressive Störungen sind in Bangladesh behandelbar, entsprechende Medikamente sind gegen Entgelt verfügbar. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Eine Entscheidung konnte ohne weitere mündliche Verhandlung ergehen, weil sich die Beteiligten hiermit mit allgemeiner Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 bzw. in der mündlichen Verhandlung vom 4. August 2016 einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der streitgegenständliche Bescheid vom 29. Oktober 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Das Gericht folgt insoweit der zutreffenden Begründung der Beklagten im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylG).
1. Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Flüchtling (§ 3 AsylG) rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag des Klägers nicht erkennbar.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich ein Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftsland befindet. Die einzelnen Verfolgungshandlungen werden in § 3a AsylG näher umschrieben, die einzelnen Verfolgungsgründe werden in § 3b AsylG einer näheren Begriffsbestimmung zugeführt.
Eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG kann nach § 3c AsylG ausgehen vom Staat (Nr. 1), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern der Staat oder die ihn beherrschenden Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (Nr. 3).
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die oben genannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich drohen. Hinsichtlich des Prognosemaßstabs ist bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft (ebenso wie bei der des subsidiären Schutzes, s.u.) in Orientierung an der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK („real risk“) der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen, wie er vormals auch in Art. 2 Buchst. c) RL 2004/83/EG enthalten war und nunmehr in Art. 2 Buchst. d) RL 2011/95/EU in der Umschreibung „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ zu Grunde liegt (vgl. BVerwG, U.v. 01.03.2012 – 10 C 7.11 – juris; VG Regensburg, U.v. 20.03.2013 – RN 8 K …30176 – juris; zum neuen Recht: VG Aachen, U.v. 09. …2013 – 1 K 2546/ …A – juris). Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht aller Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (BVerwG, U.v. 20.02.2013 – 10 C 23.12 – juris; BVerwG, U.v. 05.11.1991 – 9 C 118.90 – juris; VG Ansbach, U.v. 30.10.2013 – AN 1 K 13.30400 – juris).
1.1. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger erst 20 Jahre alt ist, sind seine Angaben in Gesamtschau und unter Berücksichtigung der als unecht befundenen vorgelegten Unterlagen derart vage und unsubstantiiert, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der Kläger in … tatsächlich politische Verfolgung befürchten muss.
Das Gericht muss – für einen Erfolg des Anerkennungsbegehrens – die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Herkunftsstaat befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu. Demgemäß setzt ein Asylanspruch bzw. die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumen von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen. Auf die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person kommt es entscheidend an. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist dabei gesteigerte Bedeutung beizumessen. Der Asylbewerber muss die persönlichen Umstände seiner Verfolgung und Furcht vor einer Rückkehr hinreichend substantiiert, detailliert und widerspruchsfrei vortragen, er muss kohärente und plausible wirklichkeitsnahe Angaben machen.
In Anwendung dieser Grundsätze sind bei dem Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht festzustellen.
Das Gericht ist der Auffassung, dass der Kläger keine in sich stimmige Sachverhaltsschilderung unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumen von Widersprüchen und Unstimmigkeiten abgegeben hat, die geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen, sondern sich vielmehr in Widersprüche verwickelt hat. Während der Kläger beispielsweise bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt angab, sich eineinhalb Monate nach der Demonstration am … März 2012 bei seiner Tante aufgehalten und erst im Mai 2012 … verlassen zu haben, erklärte er in der mündlichen Verhandlung am 4. August 2016, lediglich zwei bis drei Wochen bei seiner Tante verbracht zu haben und Ende März 2012 aus … geflohen zu sein. Unstimmig erscheint zudem die Schilderung vor dem Bundesamt, er sei nach dem Aufenthalt bei seiner Tante in der Nacht nach … gekommen und am nächsten Tag ausgereist, während er in der mündlichen Verhandlung schilderte, er habe sich zwei Tage in … vor seiner Ausreise aufgehalten. Das Bundesamt moniert zudem zu Recht in seinem Bescheid vom 29. Oktober 2014, dass es der Kläger versäumt habe, detailliert und anschaulich sein Verfolgungsschicksal darzustellen. Dass allein das Verteilen von Flugblättern und das Anbringen von Plakaten zu derart intensiven Nachstellungen der …ischen Sicherheitskräfte lediglich beim Elternhaus des Klägers, offensichtlich jedoch nicht bei weiteren Personen aus seinem familiären Umfeld, geführt haben soll, erscheint zweifelhaft. Entgegen den Darstellungen des Klägers, wonach hochrangige politische Funktionäre aufgrund der Korrumpierbarkeit der …ischen Sicherheitskräfte unbelästigt hätten bleiben können, ist nicht plausibel, warum man gerade ihn, der von sich in Anspruch nimmt, sich der politischen Auseinandersetzung zunächst entzogen zu haben und lediglich am Vortag des … März 2012 auf Druck seiner Freunde Flugblätter der BNP geklebt zu haben, ein derart gesteigertes Interesse seitens der …ischen Sicherheitskräfte entgegenbringen sollte.
Seine Glaubwürdigkeit wird im Wesentlichen zudem durch die vorgelegten, nach Auskunft des Auswärtigen Amtes mit hoher Wahrscheinlichkeit gefälschten Dokumente erschüttert.
Hinsichtlich der Überprüfung der Bescheinigung der … … … … … vom … Mai 2012 teilte das Auswärtige Amt mit Schriftsatz vom 10. Juni 2016 mit, dass der zwischenzeitlich neu eingesetzte Schulleiter festgestellt habe, dass die auf der Urkunde angebrachte Unterschrift des ehemaligen Schulleiters … … gefälscht sei. Die weitere Prüfung habe ergeben, dass in den Archivakten der Schule als Geburtsdatum des Klägers der … Oktober 1994 (im Gegensatz zu der vom Kläger vorgelegten Schulbescheinigung „His dated of birth – …“) angegeben sei. Die Schulbescheinigung sei daher nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes mit hoher Wahrscheinlichkeit gefälscht. Widersprüchliche Ausführungen hinsichtlich der Schulbescheinigung tätigte der Kläger auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 4. August 2016. Dort führte er ausweislich der Niederschrift vom 4. August 2016 aus, dass er noch in der ersten Märzwoche 2012 in die 9. Klasse gegangen sei. Auch im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am … Oktober 2014 erklärte der Kläger, in der 9. Klasse … verlassen zu haben. Dem widerspricht allerdings die Schulbescheinigung, wonach der Kläger im Jahr 2010 die 9. Klasse absolviert habe („This ist to certify that *d. …, Fathers Name – …”). Diesen Widerspruch vermochte der Kläger weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung auszuräumen.
Soweit die Klagepartei mit Schreiben vom 30. Juni 2016 vortrug, dass es keinen Sinn ergebe, aus welchen Gründen der Kläger die Unterschrift gefälscht haben soll, wenn er tatsächlich auf die Schule gegangen sei, ist dem nicht zu folgen. Ein mögliches Motiv könnte bereits darin liegen, im Rahmen des Asylverfahrens über sein Alter zu täuschen, um sich als unbegleiteter Minderjähriger auszugeben.
Es bestehen von Seiten der Gerichts auch keine Zweifel daran, dass der jetzige Schulleiter in der Lage ist zu beurteilen, ob eine schulische Bestätigung durch Abgleich der Unterschriften gefälscht wurde oder nicht. Der persönliche Kontakt des Auswärtigen Amtes über die Botschaft in … mit dem Schulleiter ist ausreichend, um die Echtheit der vorgelegten Schulbescheinigung zu überprüfen. Eine Pflicht zur Kontaktaufnahme mit dem Klassenlehrer besteht nicht, zumal sich auf der Schulbescheinigung kein Anhaltspunkt darüber finden lässt, dass die zweite Unterschrift auf dem Schuldokument tatsächlich von dem damaligen Klassenlehrer des Klägers stammt.
Auch auf Nachfrage teilte das Auswärtige Amt mit Schreiben vom 21. Dezember 2016 mit, dass eine Überprüfung vor Ort stattgefunden habe und diese selbstverständlich beim Schulleiter und nicht bei einem nachgeordneten Lehrer durchgeführt worden sei. Die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes gebe lediglich die anlässlich der Überprüfung gewonnenen Erkenntnisse wieder. Das Auswärtige Amt sehe keinen Grund, warum der Schulleiter nicht in der Lage sein sollte, die Qualität der Unterschrift seines Vorgängers zu beurteilen. Um Vorteile bei der Einstellung bei staatlichen Stellen zu erlangen, sei es in … nicht unüblich, das Geburtsdatum so zu verfälschen, dass der Betroffene jünger erscheine.
Auch die vom Kläger vorgelegte Geburtsurkunde sei nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes mit hoher Wahrscheinlichkeit gefälscht (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2016, Gz.: … Die Echtheit von Geburtsurkunden könne über eine Website der … Verwaltung online geprüft werden. Die Überprüfung durch das Auswärtige Amt hat ergeben, dass zu der vorgelegten Geburtsurkunde zum Zeitpunkt der Überprüfung kein Registereintrag bestand. Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Dezember 2016 (Gz. …*) treffe es zwar zu, dass die Daten des Klägers nunmehr im Register online eingetragen seien, dies sei aber erst nach der ersten Überprüfung durch das Auswärtige Amt geschehen. Davon abgesehen bestünden mindestens Zweifel an der örtlichen Zuständigkeit der ausstellenden Behörde, da aus der Geburtsurkunde nicht erkennbar sei, dass der Kläger tatsächlich im Amtsbezirk der Registerbehörde lebe. Auch an der inhaltlichen Wahrheit der Urkunde bestünden im Hinblick auf die Erkenntnisse, die in der Schule gewonnen wurden, ohnehin Zweifel. Darüber hinaus fällt auf, dass die vorgelegte Geburtsurkunde erst wenige Tage vor der besagten Demonstration am … März 2012, als der Kläger bereits fünfzehn Jahre alt war, ausgestellt wurde („Date of Registration: … Auch ist als Wohnadresse („Permanent Adress“) das … angegeben, obwohl der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt angab, seit seinem 2. Lebensjahr in … gelebt zu haben.
Soweit der Kläger im Wesentlichen angab, durch Haftbefehl gesucht zu werden und ihm bei Rückkehr nach … die Todesstrafe drohe, ist dies ebenso unglaubhaft und begründet damit keine politische Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG. Die im Zusammenhang mit dem angeblichen Haftbefehl vorgelegten Dokumente sind nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2016 und vom 21. Dezember 2016 mit hoher Wahrscheinlichkeit gefälscht (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 10.6.2016, Gz.: …; Auskunft vom 21. …2016, Gz. …*). Das Auswärtige Amt teilte mit Schriftsatz vom 10. Juni 2016 mit, dass es gelungen sei, in der Polizeistation von … Kopien der Archivakten zum Aktenzeichen … zu beschaffen. Ein Abgleich der vom Kläger vorgelegten Urkunden mit den bei der Polizei beschafften Dokumenten habe ergeben, dass die Fälle nicht identisch seien, da in den Polizeiakten ein „…“ als Beschuldigter genannt sei. Kopien der beschafften Dokumente wurden als Anlage dem Gericht übersandt sowie in deutscher Sprache übersetzt.
Entgegen den Darstellungen der Klägerbevollmächtigten besteht nach Ansicht des Gerichts kein Anlass, diese Ausführungen in Zweifel zu ziehen. Die von Klägerseite vorgelegten Unterlagen betreffen eine Straftat, deren Anzeige unter dem Aktenzeichen … beim Polizeirevier … aufgenommen wurde (vgl. deutsche Übersetzung der als … vorgelegten Unterlagen: „Erster Information Bericht – Nr. 18“ (…); „Aktenzeichen: … Polizeirevier Prozess Nr. 18(3)12 Datum – …03.2012“ (…)). Nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes handelt es sich demnach um den 18. Fall des Monats März 20* … Nach Ansicht des Gerichts bestehen keine Zweifel an den Angaben des Auswärtigen Amtes, dass die als „… vorgelegten Unterlagen die Archivakten des Polizeireviers in … zum Aktenzeichen … sind. Denn aus der deutschen Übersetzung der als „… … vorgelegten Unterlagen wird deutlich, dass es sich bei dem angezeigten Fall „… um den 18. Fall des Monats März 2012 handelt. So ist nicht nur auf Seite 1 der deutschen Übersetzung die Nummer „…“ enthalten, sondern auch auf Seite 3 die „…“ und auf Seite 7 „… angegeben. Auch auf Nachfrage des Gerichts unter Darlegung der klägerseits vorgebrachten Bedenken bestätigte das Auswärtige Amt mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2016, dass das in Rede stehende Aktenzeichen “…“ auf den bei der Polizei in … beschaffenen Dokumenten („A…“) zu finden sei. Das Aktenzeichen sei in ortsüblicher Weise auf dem Dokument angebracht und wurde von Seiten des Auswärtigen Amtes in grüner Farbe markiert. Demnach betreffen die vom Kläger vorgelegten Dokumente und die durch das Auswärtige Amt beschaffenen Archivakten zwar ein- und dasselbe Aktenzeichen, jedoch unterschiedliche Verfahren mit anderen Straftaten und Beteiligten.
Soweit die Klägerbevollmächtigte vortrug, dass es auch vorstellbar sei, dass die …ischen Behörden sich hier offenbar nicht „in die Karten schauen“ lassen wollen, wenn es um politisch motivierte Verfolgung gehe, wofür der Umstand spreche, dass die Polizeistation in … offenbar nicht bereit gewesen sei, die Unstimmigkeiten bezüglich der Aktenzeichen aufzuklären und dem Auswärtigen Amt die tatsächlich angefragten Akten über den Kläger herauszugeben, kann dem schon deshalb nicht gefolgt werden, weil sich somit erst recht nicht erklären ließe, dass der Vater des Klägers – anscheinend ohne weitere Schwierigkeiten in der Lage war – für das streitgegenständliche Asylverfahren behördliche und gerichtliche Dokumente und sogar Haftbefehle in Kopien und Abschriften auf Nachfrage zu erhalten und Sie seinem Sohn zu übermitteln.
Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 21. Dezember 2016 bestehen zudem hinsichtlich des mit Schriftsatz der Klagepartei vom 6. September 2016 übersandten weiteren Haftbefehls vom … Juli 2015 gegen den Kläger (K7 bzw. K9), Zweifel hinsichtlich dessen Authentizität. So sei der Haftbefehl nicht im Registerbuch der zuständigen Polizeistation von … vermerkt. Zudem trage der Haftbefehl das Aktenzeichen … der Polizei …, es handele sich somit um den 75. Fall des Monats März 2015. Nach Auskunft der Polizei … seien im März 2015 jedoch nur 43 Fälle zur Anzeige gekommen, das letzte vergebene Aktenzeichen laute also „…“. Ungeachtet der Behauptung des in der Polizeistation … angetroffenen Polizeibeamten Herrn … …, mit der Verhaftung des Klägers beauftragt zu sein, rückte das Auswärtige Amt nicht von seiner Auffassung ab, dass begründete Zweifel an Authentizität des als … vorgelegten Haftbefehls bestehen. Denn der Polizeibeamte habe sich geweigert, die beschriebenen Unstimmigkeiten in Bezug auf die Aktenzeichenvergabe zu kommentieren.
Nach Würdigung der beiden Auskünfte des Auswärtigen Amtes steht somit zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) fest, dass die vorgelegten Dokumente unecht sind und der Kläger sein Herkunftsland nicht wegen begründeter Furcht vor Verfolgung verlassen hat. Der Aussagewert beider Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes steht nicht in Zweifel. Wie dargestellt bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Auskünfte inhaltlich unrichtig oder unvollständig seien. Die Einholung weiterer Gutachten bzw. die in der mündlichen Verhandlung geäußerte Kritik am vorgelegten Gutachten wäre analog § 244 Abs. 4 Satz 2 Hs. 2 StPO nur dann in Betracht zu ziehen, wenn das Gutachten vollkommen ungeeignet wäre, von unzutreffenden sachlichen Voraussetzungen ausgehen würde, bessere Forschungsmittel verfügbar wären, sich die Bedeutung der zu klärenden Fragen verändert hat oder Zweifel an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters sprechen würden (vgl. nur Vierhaus, Beweisrecht im Verwaltungsprozess, Rn. 204). Davon kann keine Rede sein.
Im Übrigen ist nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2016 eine bloße oder auch nur vermeintliche Mitgliedschaft in der BNP in … nicht strafrechtlich bewährt und führt nicht zur Verfolgung. Die BNP ist in … weiter politisch aktiv und tritt zu Wahlen an (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 10.6.2016, Gz …). Dies entspricht den Erkenntnissen aus dem Bericht über die Asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik … – Stand Januar 2016 – 14. Januar 2016, wonach trotz der Verhaftung vieler Oppositionspolitiker und Aktivisten seit dem Wahlboykott Anfang 2014 durch die Regierung die Mitgliedschaft in oder die Unterstützung einer Oppositionspartei nicht per se zu einer Verfolgung durch die Regierung führt (S. 11).
2. Darüber hinaus besteht auch kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Dabei gilt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG als ernsthafter Schaden die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Dass dem Kläger in … die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe droht, ist nach den Darstellungen unter 1. nicht ersichtlich. Ferner hat der Kläger auch nicht glaubhaft vorgetragen, dass er mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit befürchten muss, dass ihm bei einer Rückkehr nach … von staatlichen bzw. nichtstaatlichen Stellen eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dem Kläger droht kein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG insoweit identischen Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu fallen. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (vgl. Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Aufl. 2013, § 60 AufenthG Rn. 35 zur Vorgängerregelung des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.). Dies gilt gemäß §§ 4 Abs. 3 i.V.m. 3c, 3d AsylG. auch dann, wenn die Gefahr von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht und kein ausreichender staatlicher oder quasi-staatlicher Schutz zur Verfügung steht. Es müssen konkrete Anhaltspunkte oder stichhaltige Gründe dafür glaubhaft gemacht werden, dass der Ausländer im Fall seiner Abschiebung einem echten Risiko oder einer ernsthaften Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 1.11.2012, § 60 AufenthG Rn. 124 zur Vorgängerregelung des § 60 Abs. 2 AufenthG a.F.).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Das Vorbringen hinsichtlich einer drohenden Verhaftung aufgrund einer zugeschriebenen politisch motivierten Straftat ist nicht glaubhaft (s.o. 1.).
Aber auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten Konflikts im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG kann nicht bejaht werden, da eine solche nicht ersichtlich ist. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamtes Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylG).
3. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegen nicht vor.
Bei den national begründeten Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und dem nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG handelt es sich um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand (BVerwG, U.v. 8.9.2011 – 10 C 14.10 – BVerwGE 140, 319 Rn. 16f.).
3.1. § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK steht einer Abschiebung entgegen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene tat-sächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden. Maßgeblich sind die Gesamtumstände des jeweiligen Falls und Prognosemaßstab ist die beachtliche Wahrscheinlichkeit. Ein Abschiebungsverbot infolge der allgemeinen Situation der Gewalt im Herkunftsland kommt nur in Fällen ganz extremer Gewalt in Betracht und auch schlechte humanitäre Bedingungen können nur in begründeten Ausnahmefällen ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK begründen (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris Rn. 23 – BVerwGE 146, 12-31; EGMR, U.v. 21.1.2011 – Nr. 30696/09, M.S.S. – NVwZ 2011, 413; v. 28.6.2011 – Nr. 8319/07, Sufi und Elmi – NVwZ 2012, 681 und v. 13.10.2011 – Nr. 10611/09, Husseini – NJOZ 2012, 952).
Für das Vorliegen eines Abschiebeverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG wurde nichts vorgetragen und ist auch in Bezug auf den Kläger als arbeitsfähigen, gesunden jungen Mann unter den in … derzeit herrschenden Rahmenbedingungen im Allgemeinen nichts ersichtlich. Er verfügt nach eigenen Angaben über eine Schulbildung bis zur neunten Klasse. Zudem leben seinen Angaben zufolge in seinem Heimatland noch dessen Eltern und zahlreiche weitere Verwandte. Dass er bei einer Rückkehr dorthin nicht auf die Unterstützung aus diesem Personenkreis vertrauen kann, hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Aufgrund der dargestellten familiären und persönlichen Situation des Klägers bestehen hier keine Anhaltspunkte dafür, dass er nicht im Stande sein wird, sich bei einer Rückkehr nach … dort eine Existenzgrundlage zu schaffen. Gegenteiliges ist seitens des Klägers weder glaubhaft gemacht worden, noch liegen etwaige Erkenntnisse vor, die eine gegenteilige Annahme begründen können.
3.2. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG liegt nicht vor.
Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Diese Regelung erfasst zwar nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solcher ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können. Ein zielstaatbezogenes Abschiebungshindernis kann aber gegeben sein, wenn die Gefahr besteht, dass sich eine vorhandene Erkrankung aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich die Krankheit im Heimatstaat aufgrund unzureichender Behandlungsmöglichkeiten verschlimmert oder wenn der betroffene Ausländer die medizinische Versorgung aus sonstigen Umständen tatsächlich nicht erlangen kann (BVerwG, B.v. 17.8.2011 – 10 B 13/11 u.a – juris; BayVGH, U.v. 3.7.2012 – 13a B 11.30064 – juris Rn. 34). Eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustands ist dabei nicht schon bei jeder befürchteten ungünstigen Entwicklung anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden (OVG NW, B.v. 30. …2004 – 13 A 1250/04.A – juris Rn. 56). Diese Rechtsprechung hat nunmehr auch in § 60 Abs. 7 Satz 2 bis 4 AufenthG seinen Niederschlag gefunden, wonach eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vorliegt bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist.
Demnach kann hier von einem zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis nicht ausgegangen werden:
Das Attest vom 11. März 2014 ist mittlerweile über drei Jahre alt und kann daher nicht mehr zur Beurteilung des Gesundheitszustands des Klägers und eines darauf gestützten Abschiebungsverbots herangezogen werden. Inwieweit der Kläger nach dem dreimaligen Besuch der Sprechstunde des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie weitere Therapiemöglichkeiten in Anspruch nahm, ist nicht ersichtlich und wurde auch von der Klagepartei weder in der mündlichen Verhandlung noch schriftsätzlich vorgetragen.
Abgesehen davon, dass keine aktuellen Atteste vorgelegt wurden, ist nach Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 10. Juni 2016 (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 10.6.2016, Gz.: …*), eine mittelschwere depressive Störung in … behandelbar. Pro ärztlicher Konsultation ist mit Kosten in Höhe von BDT 500,– bis BDT 1.000,– zu rechnen. Mirtazapin sei verfügbar, eine Tablette koste BDT 10,– (derzeitiger Wechselkurs: 1 EUR = 87,3030 BDT). Diese Stellungnahme deckt sich auch mit der Auskunft der Internationalen Organisation für Migration (IOM, Az.: ZC37/18.03.2014), wonach dort das Medikament gegen Entgelt verfügbar sei. Sofern der Kläger selbst nicht im Stande sein sollte, die erforderlichen Geldmittel aufzubringen, ist er auch diesbezüglich auf die Unterstützung seiner in … lebenden Angehörigen zu verweisen.
Somit kann von einer erheblichen konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht ausgegangen werden.
4. Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 38 Abs. 1 AsylG.
5. Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83 b AsylG). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. ZPO.


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