Verwaltungsrecht

Erfolglose Berufungszulassung mangels substantiierter Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung

Aktenzeichen  20 ZB 17.31887

Datum:
18.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 139210
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4 Abs. 1, § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4
AufenthG § 60 Abs. 5
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. Die alleinige Verweisung auf die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes, des Österreichischen Außenministeriums und des Schweizer Departements für auswärtige Angelegenheiten und der Hinweis auf den von der Al-Shabaab ausgehenden Terror in Somalia genügt nicht zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Frage (§ 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4 AsylG), ob Somaliern wie dem Kläger als jungem Mann bei einer Rückkehr nach Somalia grundsätzlich ein ernsthafter Schaden iSd § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AsylG droht. (Rn. 3 – 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ebenso genügt es nicht zur Darlegung der als grundsätzlich klärungsbedürftig erachteten Frage iSd § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4 AsylG, ob Somalier wie der Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia grundsätzlich ein menschenwürdiges Existenzminimum erwirtschaften können, oder ob in solchen Fällen die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG iVm Art. 3 EMRK vorliegen, pauschal auf die Ausrufung des nationalen Notstands durch den Präsidenten Somalias im März 2017 zu verweisen. (Rn. 6 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Sind bereits die Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung iSd § 78 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 4 AsylG nicht erfüllt, ist nicht mehr entscheidungserheblich, ob die sehr allgemein formulierten Fragen überhaupt so, wie sie gestellt wurden, klärungsfähig sind. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

Au 2 K 17.31072 2017-11-10 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird verworfen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unzulässig, da der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht in einer § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechenden Weise dargelegt wurde.
Zur Darlegung des auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrags muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und darlegen, weshalb der Frage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Orientierungspunkt dieser Erfordernisse ist die Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (BVerfG, B.v. 2.3.2006 – 2 BVR 767/02 – NVwZ 2006, 683). Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die verdeutlicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird (Happ a.a.O. Rn. 72, m.w.N.).
Der Kläger hält einerseits für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob Somaliern wie dem Kläger als jungem Mann bei einer Rückkehr nach Somalia grundsätzlich ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG droht.
Die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage wird in der Begründung des Zulassungsantrags aber nicht in der dargestellten Weise dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat insoweit im Urteil (insbesondere S. 16 bis 18) ausführlich dargelegt, wie sich die Sicherheitslage in Somalia derzeit darstellt. Es hat auf dieser Grundlage unter Verweis auf die Entscheidungen des Senats vom 28. Juli 2016 (20 ZB 16.30137 – juris Rn. 7) und vom 7. April 2016 (20 B 14.30101 – juris Rn. 19 bis 21) ausgeführt, dass der Konflikt in Somalia eine regional unterschiedliche Intensität habe. Der Kläger sei im vorliegenden Einzelfall bei einer Rückkehr nach Süd- und Zentralsomalia – insbesondere in die Hauptstadt Mogadischu – keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung in Folge willkürlicher Gewalt ausgesetzt (u.V.a. VG Augsburg, B.v. 9.12.2016 – Au 2 K 16.32629 – Rn. 5 bis 8 des Entscheidungsumdrucks; U.v. 21.4.2016 – Au 2 K 16.30021 – juris Rn. 26). Gefahrerhöhende persönliche Umstände lägen in der Person des Klägers nicht vor. Schließlich hat das Gericht auf der Grundlage einer Bewertung der Gefahrendichte festgestellt, dass die allgemeine Lage in Mogadischu nicht so gefährlich sei, dass sie sich unabhängig von persönlichen Merkmalen auf jede Zivilperson individualisiere. Zwar sei die Sicherheits- und Versorgungslage in Süd- und Zentralsomalia nach wie vor fragil, dennoch zeichne sich nach den vorliegenden Erkenntnisquellen eine Entwicklung ab, die eine Verbesserung der generellen Sicherheitssituation für die Bevölkerung mit sich gebracht habe, auch wenn dies nicht landesweit gelte. Mit diesen detaillierten und hier nur verkürzt wiedergegebenen Ausführungen des Verwaltungsgerichts setzt sich die Begründung des Zulassungsantrags nicht auseinander. Vielmehr wird, ohne dass dies in Bezug zur Begründung des Verwaltungsgerichts gestellt wird, allein auf die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes, des Österreichischen Außenministeriums und des Schweizer Departements für auswärtige Angelegenheiten verwiesen. Daneben wird noch auf den von der Al-Shabaab ausgehenden Terror in Somalia hingewiesen. Die zur Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung notwendige Darlegung und insbesondere Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung findet aber nicht statt.
Gleiches gilt im Ergebnis für die vom Kläger als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtete Frage,
ob Somalier wie der Kläger bei einer Rückkehr nach Somalia grundsätzlich ein menschenwürdiges Existenzminimum erwirtschaften können, oder ob in solchen Fällen die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vorliegen.
Das Verwaltungsgericht hat in seinem Urteil (S. 21 bis 26) ausführlich dargestellt, dass nach Einschätzung des Auswärtigen Amtes in Süd- und Zentralsomalia die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln nach wie vor nicht gewährleistet sei. In Mogadischu stelle sich jedoch im Vergleich zu anderen Regionen Somalias die wirtschaftliche Situation günstiger dar. Der ökonomische Wiederaufbau verlange sowohl nach erfahrenen, ausgebildeten Arbeitskräften als auch nach jungen Menschen ohne Bildung und Arbeitserfahrung, insbesondere im Baugewerbe. Im Falle des Klägers sei daher nicht ersichtlich, dass er bei einer Rückkehr nach Mogadischu mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage bzw. unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung ausgesetzt wäre. Er sei ein junger, hinreichend gesunder und erwerbsfähiger Mann, der nach eigener Aussage über eine neunjährige Schulbildung und Berufserfahrung als Friseur verfüge. Auch wenn man die nicht hinreichend belegte Zugehörigkeit des Klägers zum Minderheiten-Clan der Madhiban unterstelle, sei zu bedenken, dass der Kläger in Mogadischu geboren sei und dort bis zu seiner Ausreise gelebt habe. Er sei somit mit den örtlichen Verhältnissen vertraut und könne auf örtliche Kontakte zurückgreifen. Daran ändere auch die derzeitige Dürre in Teilen Somalias nichts. Denn nach den aktuellen Erkenntnismitteln sei eine massive Hilfsoperation in Somalia angelaufen, die im Laufe der ersten Jahreshälfte 2017 beachtliche Erfolge habe erzielen können. Dass die grundsätzlich positive Entwicklung für Mogadischu und der daraus folgende Ausschluss eines Abschiebungsverbots für den Kläger aufgrund der Dürre grundsätzlich in Frage gestellt würde, lasse sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht ableiten. Vielmehr gelte, dass der Kläger von der derzeitigen Dürrekatastrophe in ländlichen Gebieten Somalias in Mogadischu allenfalls mittelbar betroffen sei. So ergebe sich aus dem Dokument „Somalia: Humanitarian Snapshot“ des UNO Büros für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten – OCHA – vom 7. November 2017, dass Mogadischu zu den Bereichen gehöre, in denen zwar eine krisenartige Lebensmittelversorgungsunsicherheit der Phase 3, jedoch keine Notfallsituation bestehe. Auch mit diesen detaillierten Ausführungen setzt sich der Zulassungsantrag nicht substantiiert auseinander. Vielmehr wird lediglich pauschal auf die Ausrufung des nationalen Notstands durch den Präsidenten Somalias im März 2017 verwiesen. Damit sind aber auch insoweit die Darlegungsanforderungen nicht erfüllt.
Soweit als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet wird,
ob somalischen Staatsbürgern wie dem Kläger als jungen Mann bei einer Rückkehr nach Somalia grundsätzlich eine konkrete Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG droht,
sind ebenfalls die Anforderungen an die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht erfüllt. Das Verwaltungsgericht hat insoweit über die bereits dargestellten Ausführungen zu einem Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK hinausgehend ausgeführt, dass dem Kläger auch kein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot zustehe. Denn aus dem fachärztlichen Attest vom 26. Januar 2017 ergebe sich nicht das Vorliegen einer erheblichen konkreten Gefahr aus gesundheitlichen Gründen. Es sei nicht dargelegt, dass beim Kläger lebensbedrohliche oder schwerwiegende Erkrankungen vorlägen, die sich im Heimatland bei fehlender fachgerechter Behandlung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit alsbald wesentlich verschlechtern würden. Der Facharzt stelle selbst zur chronischen Gastritis klar, dass eine Tumorentstehung nur eine Möglichkeit bei ausbleibenden Kontrollen sei und überdies nur im Verlauf von Jahren in Betracht komme. Zur psychischen Problematik berichte das Attest nur über einen etwa zweiwöchigen stationären Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus im Frühjahr 2016 sowie einen Suizidversuch. Zur derzeitigen psychischen Gesundheit des Klägers äußere sich das Attest nicht. Hierzu habe der Kläger vielmehr beim Bundesamt selbst angegeben, dass eine im März 2016 erfolgte Psychotherapie abgeschlossen sei. Zur latenten Tuberkulose führe der Facharzt aus, dass diese derzeit nicht aktiv sei. Überdies habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung seinen Gesundheitszustand nicht thematisiert, so dass davon auszugehen sei, dass auch aus seiner Sicht aktuell keine abschiebungsrelevanten Beschwerden bestünden (S. 26 bis 27 des Urteils). Auch zu diesen Gründen des Verwaltungsgerichts wird nichts substantiiert vorgetragen sondern vielmehr nur pauschal auf die schlechte Versorgungslage in Somalia verwiesen. Dies genügt für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung (konkret der Klärungsbedürftigkeit) der Frage aber nicht.
Da bereits die Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht erfüllt sind, war die ebenfalls zweifelhafte Frage, ob die sehr allgemein formulierten Fragen überhaupt so, wie sie gestellt wurden, klärungsfähig sind (hierzu Berlit in GK-AsylG, § 78 Rn. 593 m.w.N.) nicht mehr entscheidungserheblich.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 83b AsylG, 154 Abs. 2 VwGO.
Mit der Verwerfung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG.


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