Verwaltungsrecht

Erfolglose Berufungszulassung mangels Vorliegens eines Zulassungsgrundes

Aktenzeichen  7 ZB 16.1919

Datum:
8.12.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 136994
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Eine nicht zwingende Auslegung unklarer Satzungsvorschriften einer Universität mit der Rechtsfolge einer Exmatrikulierung wegen endgültigem Nichtbestehen kann angesichts der fehlenden Eindeutigkeit nicht zu Lasten des betroffenen Studenten gehen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 3 K 14.5575 2016-07-19 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Beklagte zu 1 trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 12.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Kläger, der seit dem Wintersemester 2012/2013 bei der Beklagten zu 1 im Bachelorstudiengang Umweltwesen eingeschrieben ist, wendet sich gegen deren Bescheid vom 27. November 2014 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 15. Dezember 2014, mit dem ihm die Beklagte zu 1 sein endgültiges Nichtbestehen und seine Exmatrikulation mitgeteilt hat.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat seiner dagegen gerichteten Klage stattgegeben, die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zu 1 verpflichtet, den genehmigten Rücktritt von der Modulprüfung im Fach „Projektabwicklungsformen, Produktions- und Kostenplanung“ am 29. August 2014 als triftigen Grund für das Unterschreiten der in § 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Allgemeinen Prüfungs- und Studienordnung für Bachelor- und Masterstudiengänge an der Technischen Universität M … (vom 18. März 2011 i.d.F. der Änderungssatzung vom 29.10.2012 – APSO) geforderten Punktesumme anzuerkennen. Zur Begründung hat das Gericht sinngemäß ausgeführt, der Kläger, der bis zum 4. Fachsemester 59 von erforderlichen 60 Credits erreicht habe, hätte in der im 4. Fachsemester krankheitsbedingt versäumten Modulprüfung tatsächlich fünf weitere Credits erwerben können. Für die geringfügige Unterschreitung der geforderten Punktsumme stehe ihm deshalb ein triftiger Grund zur Seite; von einem endgültigen Nichtbestehen sei nicht auszugehen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte zu 1 mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung. Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass § 10 APSO zwei voneinander zu unterscheidende Tatbestände regle: Den – im Fall des Klägers erfolgten – Rücktritt von einer Prüfung einerseits und eine allgemeine Kontrolle des jeweiligen Studienfortschritts andererseits. Ersteres sei hier zwar aufgrund des vorgelegten ärztlichen Attests entschuldigt und genehmigt, letzteres dagegen gleichwohl zu Lasten des Klägers, der im Durchschnitt der absolvierten vier Fachsemester zu wenige Credits erreicht habe, zu berücksichtigen.
Der Beklagte zu 2 hat sich im Verfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Beklagten zu 1 geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen weder ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch hat die aufgeworfene Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Das Verwaltungsgericht ist zu Recht von der Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide ausgegangen und hat die Beklagte zu 1 verpflichtet, den genehmigten Rücktritt von der Modulprüfung als triftigen Grund für ein Unterschreiten der grundsätzlich geforderten Punktesumme anzuerkennen. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt darauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen:
Die – im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholende – Auffassung der Beklagten zu 1, der Kläger habe auch vor dem Hintergrund, dass er unstreitig noch das Recht hat, eine mit fünf Credits bewertete Modulprüfung zu wiederholen, aufgrund mangelnden Studienfortschritts im Studiengang Umweltwesen nicht bestanden, überzeugt nicht. Sie beruht auf einer keineswegs zwingenden Auslegung unklarer Satzungsvorschriften der Beklagten zu 1, deren fehlende Eindeutigkeit indes nicht zu Lasten des Klägers gehen kann. Abgesehen davon, dass weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass der Kläger vor Erlass der streitgegenständlichen Bescheide – wie in § 10 Abs. 1 Satz 7 f. APSO vorgesehen – entsprechend „verwarnt“ oder zu einem eventuellen Beratungsgespräch eingeladen wurde, verwirren die in § 10 APSO getroffenen Regelungen bereits im Hinblick auf die zu erreichende Zahl erforderlicher Credits: In Betracht kommen insoweit 30 Credits pro Semester zur Einhaltung der Regelstudienzeit (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 2 APSO), 22 Credits pro Semester, um die in Satz 5 der Vorschrift formulierte „Erwartung“ zu erfüllen oder aber insgesamt 60 Credits bis zum Ende des 4. Fachsemesters (§ 10 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 APSO).
Jedenfalls aber erschließt sich die von der Beklagten zu 1 vertretene Rechtsansicht, § 10 regle zwei voneinander zu unterscheidende Tatbestände mit jeweils verschiedenen Rechtsfolgen, insbesondere nicht aus den für einen eventuellen Rücktritt oder ein Prüfungsversäumnis grundlegenden Regelungen in Absätzen 5 und 7 des § 10 APSO – deren Kenntnis und Verständnis allerdings von an der beklagten technischen Universität eingeschriebenen, in der Regel nicht eingehend juristisch geschulten Studierenden verlangt wird.
Die Beklagte zu 1 räumt in diesem Zusammenhang selbst ein, zuzugeben sei, „dass die Vermischung dieser unterschiedlichen Regelungsabsichten in § 10 Abs. 7 APSO womöglich nicht voll umfänglich klar gelungen ist“, was sich zum Teil aus der Genese der Regelung erkläre, da die Vorschrift zum Prüfungsrücktritt bereits vor Einführung der Studienfortschrittskontrolle in den Diplomstudiengängen existiert habe. § 10 Abs. 7 Sätze 2 bis 7 APSO träfen „im Interesse einer Straffung des Normtextes und der Vermeidung von redundanten Formulierungen Regelungen, die teilweise sowohl für die Fristversäumnis, als auch für den Rücktritt relevant sind, teilweise jedoch auch nur einem Tatbestand eindeutig zugeordnet werden können.“. Das bedeutet allerdings, dass die Vorschrift offensichtlich auch nach Auffassung der Beklagten zu 1 unverständlich (geworden) ist – diese Meinung teilt auch der erkennende Senat.
Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt – abgesehen davon, dass mit dem Zulassungsantrag keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wurde – ebenfalls nicht vor.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1 i.V.m. Nr. 36.1 und Nr. 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der im Jahr 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014).
Die vorliegende Entscheidung ist unanfechtbar.


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