Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage, Ausweisung, Nigerianischer Staatsangehöriger, Verurteilung wegen leichtfertiger Geldwäsche in 22 Fällen, 11 Monate Freiheitsstrafe, 3 Jahre Bewährung, 2 Kinder (jeweils 2 Jahre alt) von unterschiedlichen Müttern mit nigerianischer Staatsangehörigkeit im Bundesgebiet

Aktenzeichen  M 24 K 20.4771

Datum:
22.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 36678
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Über die Klage konnte ohne weitere mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entschieden werden, weil beide Beteiligte hierzu unmissverständlich und uneingeschränkt ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO). Zur Entscheidung zuständig ist nach dem Kammerbeschluss vom 10. Mai 2021 vorliegend der Berichterstatter als Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 VwGO).
2. Die Klage ist zulässig.
2.1. Die Klage ist zunächst im Hauptantrag zu 1) statthaft als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) gegen den streitgegenständlichen Bescheid vom 27. August 2020. Sie ist insoweit auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingereicht worden (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Regelmäßig ist zudem in der gegen die Ausweisung gerichteten Anfechtungsklage als Minus hilfsweise ein Verpflichtungsantrag auf Verkürzung der Befristung der Wirkungen der Ausweisung (§ 11 AufenthG) enthalten, wenn die Ausweisung Bestand hat (vgl. BVerwG, U.v. 14.2.2012 – 1 C 7.11). Diesen Hilfsantrag hat der Kläger vorliegend auch ausdrücklich gestellt mit dem Ziel einer Verkürzung der Befristung der Wirkungen der Ausweisung auf 6 Monate.
2.2. In ihrem auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichteten Hauptantrag zu 2) ist die Klage zulässig als Untätigkeitsklage erhoben worden (§ 75 VwGO). Denn der Beklagte hat über den vom Kläger durch Vorlage der Unterlagen nachgewiesenen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 11. Dezember 2019 innerhalb angemessener Frist sachlich nicht entschieden (§ 75 Satz 1 VwGO). Ein zureichender Grund hierfür ist nicht erkennbar. Die Frist von 3 Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts (§ 75 Satz 2 VwGO) ist abgelaufen.
3. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 27. August 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Herabsetzung der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 113 Abs. 5, § 114 Satz 1 VwGO). Schließlich besteht auch kein Anspruch auf die Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
3.1. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Ausländerbehörde des Landratsamts R … war für den Erlass des Bescheides nach § 71 Abs. 1 AufenthG, § 1 Nr. 1, § 2, § 7 Abs. 1 Satz 1 Zuständigkeitsverordnung Ausländerrecht (ZustVAuslR) vom 27. August 2018 (GVBl. S. 714, 738, BayRS 26-1-1-I), die zuletzt durch Verordnung vom 2. November 2020 (GVBl. S. 625) geändert worden ist, sachlich und örtlich zuständig. Dem Kläger wurde vor Erlass des Bescheides Gelegenheit gegeben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG).
3.2. Die in Nr. 1 des Bescheides verfügte Ausweisung des Klägers ist rechtmäßig.
Das Gesetz sieht die Ausweisung ausnahmslos als gebundene Entscheidung vor, bei der die Behörde keine Ermessenserwägungen treffen darf und die daher der vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegt (Bergmann/Dienelt/Bauer, 13. Aufl. 2020, AufenthG § 53 Rn. 9).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (BVerwG, U.v. 15.11.2007 – 1 C 45/06 – juris Rn. 12; U.v. 22.3.2012 – 1 C 3/11 – juris Rn. 13; BayVGH, U.v. 21.11.2017 – 10 B 17.818 – juris Rn. 24 m. w. N.).
3.2.1. Die Ausweisung findet vorliegend ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 1, Abs. 2, § 54 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 9 AufenthG. Nach der Grundsatznorm des § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausweisung mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Im Vordergrund steht bei § 53 Abs. 1 AufenthG die Ausweisung aus Gründen der Gefahrenabwehr, insbesondere zur Verhinderung künftiger Straftaten durch den auszuweisenden Ausländer (spezialpräventive Ausweisung) oder durch sonstige Ausländer (generalpräventive Ausweisung). Die Ausweisung besitzt ordnungsrechtlichen Charakter; es handelt sich nicht um eine strafrechtliche Sanktion. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in § 53 Absatz 1 AufenthG entspricht daher dem des allgemeinen Polizeirechts (BeckOK AuslR/Fleuß, 29. Ed. 1.4.2021, AufenthG § 53 Rn. 11).
3.2.2. Vom Kläger geht eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Durch seine Verurteilung durch das Amtsgericht R … vom 24. Juni 2020 zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung hat der Kläger das typisierte schwerwiegende Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG verwirklicht. Dieses greift, wenn ein Ausländer wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens 6 Monaten verurteilt wurde. Zudem hat der Kläger durch seine weiteren strafrechtlichen Verurteilungen, u.a. durch die Strafbefehle des Amtsgerichts M … vom … Januar 2020 und des Amtsgerichts L … im … vom … Februar 2020 auch das schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG erfüllt, denn der Kläger hat durch die dabei abgeurteilten Straftaten einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen. Die abgeurteilten Rechtsverstöße waren nicht vereinzelt und auch nicht geringfügig. Damit ist die vom Kläger ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung indiziert. Ein spezialpräventives Ausweisungsinteresse liegt vor.
3.2.3. Diese Gefahr ist auch noch gegenwärtig. Vom Kläger geht zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die erforderliche Wiederholungsgefahr aus.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (st. Rspr.; BayVGH, B.v. 03.03.2016 – 10 ZB 14.844 – juris Rn 11; B.v. 16.03.2016 – 10 ZB 15.2109 – juris Rn. 18; BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18).
Gemessen an diesem Maßstab geht zur Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) vom Kläger vorliegend weiterhin eine erhebliche, die Ausweisung tragende Wiederholungsgefahr für die Begehung weiterer Straftaten aus.
Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass die Straftaten, die der Ausweisung zu Grunde liegen, zwar, abgesehen von den am 24. Juni 2020 abgeurteilten Geldwäschehandlungen, von eher geringem oder mittlerem Gewicht sind. Die Wiederholungsgefahr ist jedoch jedenfalls als hoch einzuschätzen. Der Kläger ist innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums inzwischen fünfmal strafrechtlich verurteilt worden, hat sich aber dies nicht zur Warnung dienen lassen und sein Verhalten fortgesetzt. Die Rückfallgeschwindigkeit ist sehr hoch. Auch die Geburt seiner beiden Kinder hat ihn nicht von weiteren Straftaten abgehalten. Die Geldwäschehandlungen des Klägers sind zudem als zumindest leichtfertig unterstützender Teil organisierter Kriminalität zu werten. Dies zeigt bereits die Summe der den Geldwäschehandlungen zu Grunde liegenden Mittel von über 50.000 EUR. Mit den dahinterstehenden „Love Scamming“-Handlungen wird eine Vielzahl von Menschen teilweise erheblich geschädigt. Nur durch die Hilfe von unterstützenden Personen wie dem Kläger ist dies möglich. Aufgrund der damit verbundenen Gefährdung wichtiger Rechtsgüter und der Höhe des möglichen finanziellen Schadens sind an die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Schadenseintritte durch Straftaten des Klägers keine überzogenen Anforderungen zu stellen. Diese Anforderungen für die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten sind vorliegend in dem die Ausweisung tragenden Maße erfüllt. Das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit mit einer großen Zahl von Straftaten in kurzem Zeitraum legt eine hohe Rückfallgefahr nahe. Dies wird zudem bestätigt dadurch, dass der Kläger inzwischen durch mehrfachen Verstoß gegen die von der Ausländerbehörde angeordnete räumliche Beschränkung zumindest tatbestandlich den Straftatbestand des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG verwirklicht hat (vgl. Zusammenstellung auf Bl. 113 des dritten Teils der vorgelegten Behördenakte – BA III). Zu einer Verurteilung ist es bislang nicht gekommen. Die vom Amtsgericht R … am 24. Juni 2020 ausgesprochene Bewährung hat sich der Kläger aber offensichtlich nicht zur Warnung dienen lassen, keine weiteren Straftaten zu begehen.
Das Gericht sieht schließlich auch mit Blick auf die vom Amtsgericht R … im Urteil vom 24. Juni 2020 verfügte Strafaussetzung zur Bewährung keinen Grund, von der Einschätzung einer erheblichen Wiederholungsgefahr abzuweichen. Bei der Prognose über die Wiederholungsgefahr sind Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte nicht an die Entscheidung der Strafgerichte über die Strafaussetzung auf Bewährung gebunden (BeckOK AuslR/Fleuß, 29. Ed. 1.4.2021, AufenthG § 53 Rn. 27). Diese stellt zwar ein gewichtiges Indiz für die künftige Rechtstreue des Ausländers dar. Allerdings hat das Amtsgericht die Aussetzung der Strafe zur Bewährung auch deshalb beschlossen, weil es davon ausging, dass der Kläger in Kürze eine Stelle antreten würde. Die Aufnahme einer Beschäftigung aber war aus ausländerrechtlichen Gründen infolge der fehlenden Mitwirkung des Klägers bei der Passbeschaffung nicht möglich. Insofern ist die vom Strafgericht angestellte Prognose für die vorliegend erforderliche aufenthaltsrechtliche Wertung bereits durchgreifend in Frage gestellt. Denn Hintergrund der Straftaten des Klägers war jeweils das Ziel, sich eine Einkommensquelle zu verschaffen oder Kosten zu vermeiden. Ohne die vom Strafgericht zu Grunde gelegte Erwerbstätigkeit wird diese Motivation beim Kläger auch in Zukunft weiterhin bestehen, zumal der Kläger nichts im Hinblick auf die Erlangung und Vorlage von Pass- bzw. Passersatzpapieren unternimmt, um eine Beschäftigungserlaubnis von der Ausländerbehörde zu erlangen. Nur so wäre er künftig aber in der Lage, seinen Lebensunterhalt einschließlich des Unterhalts für seine beiden Kinder ohne die Begehung von Straftaten zu finanzieren. Das erkennende Gericht teilt zusammenfassend die Prognose des Amtsgerichts R … zur Gefahr der künftigen Begehung von Straftaten bereits aus diesem Grund nicht.
3.2.4. Neben diesen spezialpräventiven Erwägungen kann die Ausweisung auch auf generalpräventive Zwecke gestützt werden, da der Kläger nicht zu den in § 53 Abs. 3 AufenthG genannten Personengruppen gehört (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16/17 Rn. 16; VG München, U.v. 1.2.2017 – M 9 K 16.1028 – juris Rn. 25).
Eine Ausweisung ist auch nach der Änderung des Ausweisungsrechts ab dem 1. Januar 2016 nicht nur aus spezialpräventiven Gründen, sondern auch aus generalpräventiven Gründen möglich. Aus generalpräventiven Gründen stellt der weitere Aufenthalt des Klägers eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar. Mit der Ausweisung soll auf das Verhalten anderer Ausländer eingewirkt werden und sie zur Einhaltung der Rechtsordnung bewogen werden. Delikten wie den hier abgeurteilten kann mit Ausweisungen im gewissen Maße entgegengewirkt werden. Von derartigen Straftaten, wie insbesondere der die Internetkriminalität stützenden Geldwäsche, die hier im Kontext organisierter Kriminalität zu sehen ist, geht eine hohe Gefahr für Staat und Gesellschaft aus. Die Ausweisung scheint geeignet, andere Ausländer von der Begehung von Verstößen gegen die Rechtsordnung abzuhalten.
Eine generalpräventiv gestützte Ausweisung kann dabei nur an ein Ausweisungsinteresse anknüpfen, das noch aktuell, also zum Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung noch vorhanden ist; denn jedes generalpräventive Ausweisungsinteresse verliert mit zunehmendem Zeitabstand an Bedeutung und kann ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr herangezogen werden. Für die Verwertbarkeit der strafrechtlichen Verurteilung können die Verjährungsfristen aus §§ 78 ff. des Strafgesetzbuchs (StGB) sowie die Tilgungsfristen des § 46 des Bundeszentralregistergesetzes (BZRG), nach deren Ablauf die Tat nicht mehr verfolgt bzw. die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr gemäß § 51 BZRG nicht mehr vorgehalten werden darf, herangezogen werden (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21/18 – juris Rn. 18 ff.). Dies zu Grunde gelegt können die Straftaten vorliegend dem Kläger auch aktuell noch vorgeworfen werden. Die Tilgungsfrist für die Eintragung im Bundeszentralregister beträgt bei der vorliegenden Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, gemäß § 46 Abs. 1 Nr. 2 b BZRG zehn Jahre. Für die übrigen Straftaten gilt ebenfalls eine Zehnjahresfrist (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 2 a BZRG). Die Verjährungsfrist für die Strafverfolgung betrüge für die vom Kläger begangenen und abgeurteilten Straftaten 3 Jahre für die Verurteilung wegen Erschleichens von Leistungen nach § 265a StGB (vgl. § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB), bzw. 5 Jahre im Übrigen (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Diese Fristen sind im vorliegenden Fall hinsichtlich der Straftaten des Klägers sämtlich noch nicht abgelaufen, sodass kein Zweifel an der Aktualität des Ausweisungsinteresses besteht.
3.2.5. Bei der Abwägung der staatlichen Ausweisungsinteressen und der Bleibeinteressen des Klägers überwiegen die Ausweisungsinteressen.
Bei der Abwägung zwischen dem Ausweisungsinteresse und dem Bleibeinteresse sind nach den Umständen des Einzelfalles insbesondere die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat, die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen (§ 53 Abs. 2 AufenthG). In diesem Zusammenhang sind auch die in der Rechtsprechung des EGMR entwickelten Kriterien zu beachten (vgl. EGMR, U.v. 2.8.2001 – 54273/00, Boultif/Schweiz – InfAuslR 2001,476; U.v. 18.10.2006 – 46410/99, Üner/Niederlande – NVwZ 2007,1279 und U.v. 12.01.2010 – 47486/06 – Khan/Vereinigtes Königreich, InfAuslR 2010, 369371). Dazu gehören die Art und Schwere der vom Ausländer begangenen Straftat; die Dauer seines Aufenthalts im Land, aus dem er ausgewiesen werden soll; die seit Begehen der Straftat vergangene Zeit und das Verhalten des Ausländers seit der Tat; die Staatsangehörigkeit aller Beteiligten; die familiäre Situation des Ausländers und gegebenenfalls die Dauer seiner Ehe sowie andere Umstände, die auf ein tatsächliches Familienleben eines Paares hinweisen; ob der Partner bei Begründung der familiären Beziehung Kenntnis von der Straftat hatte; ob der Verbindung Kinder entstammen, und in diesem Fall deren Alter; den Grund für die Schwierigkeiten, die der Partner in dem Land haben kann, in das der Ausländer ausgewiesen werden soll.
3.2.5.1. Gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 9 AufenthG wiegen die Ausweisungsinteressen vorliegend schwer. Der Kläger hat durch seine fünfmalige Verurteilung innerhalb kurzer Zeit sowohl den Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 1 AufenthG, als auch zusätzlich – ohne dass eine Straftat unzulässig doppelt gewertet würde – den Tatbestand des § 54 Abs. 2 Nr. 9 AufenthG verwirklicht. Das sich aus den Straftaten ergebende staatliche Interesse an der Ausreise des Klägers ist auch noch aktuell, seit der Begehung der Straftaten ist erst kurze Zeit vergangen.
3.2.5.2. Umgekehrt sind bei der Abwägung die in der Person des Klägers vorliegenden Bleibeinteressen zu berücksichtigen.
Auch diese Bleibeinteressen des Klägers wiegen vorliegend gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG schwer. Dies gilt zum einen mit Blick auf das in L … lebende Kind E …, für das der Kläger nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung das Sorgerecht besitzt und ausübt und das im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, zum anderen in Bezug auf das in R … lebende Kind M …, das sich rechtmäßig mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält und mit dem der Kläger sein Umgangsrecht regelmäßig ausübt.
Bei der Beurteilung der familiären Beziehung zwischen einem Elternteil und seinem minderjährigen Kind verbietet sich jede schematische Betrachtung und Differenzierung zwischen einer geschützten „Lebensgemeinschaft“ und einer bloßen „Begegnungsgemeinschaft“. Maßgeblich ist vielmehr alleine die tatsächliche Verbundenheit zwischen dem Kind und dem Elternteil, die nicht nur durch (zeitlich) quantifizierbare Betreuungsbeiträge, sondern auch durch die geistige und emotionale Auseinandersetzung zwischen dem Elternteil und dem Kind geprägt ist. Dies zu Grunde gelegt führt der Kläger nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung mit beiden Kindern eine grundrechtlich geschützte Beziehung. Es handelt sich jeweils um eine tatsächlich gelebte Nähebeziehung und nicht um ein lediglich formelles Band.
3.2.5.3. Auch bei Berücksichtigung dieses aus der Beziehung zu seinen Kindern abgeleiteten schwerwiegenden Bleibeinteresses des Klägers stehen jedoch vorliegend die Wertungen des Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG der Ausweisung des Klägers nicht entgegen. Bei der Abwägung des Ausweisungsinteresses mit den Bleibeinteressen überwiegt das staatliche Ausweisungsinteresse und die Ausweisung ist verhältnismäßig.
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass im Rahmen der nach § 53 Abs. 1, Abs. 2 AufenthG vorzunehmenden Gesamtabwägung den von Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Bindungen des Klägers zu seinen Kindern und umgekehrt der Bindung der Kinder an ihren Vater ein besonderes Gewicht zukommt. Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm gebietet es, bei Entscheidungen über aufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiären Bindungen an im Bundesgebiet lebende Personen und die sich für Familienangehörige ergebenden Folgen einer Aufenthaltsbeendigung angemessen zu berücksichtigen. Im Hinblick auf § 55 AufenthG hängt die Intensität des Schutzes der Eltern-Kind-Beziehung in erster Linie von der tatsächlichen Ausgestaltung der Beziehung ab, wobei es maßgeblich auch auf die Sicht des Kindes ankommt. Zu untersuchen ist, ob im Einzelfall eine persönliche Verbundenheit besteht, auf deren Aufrechterhaltung das Kind zu seinem Wohl angewiesen ist (st. RSpr. vgl. BVerfG NVwZ 2006, Seite 682; BayVGH, Beschluss vom 10.04.2019 – 19 ZB 17.1535; BVerfG, B.v. 8.12.2005 – 2 BvR 1001/04 – juris Rn. 17, 25; U.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris Rn. 16, 18). Art. 6 GG gewährt aber für sich gesehen kein Aufenthaltsrecht und steht auch einer Ausweisung nicht von vorneherein zwingend entgegen.
Das Gewicht der Bindungen des Klägers an seine Kinder und umgekehrt und das aus Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK abgeleitete Bleibeinteresse des Klägers werden gleichwohl von dem erheblichen staatlichen Ausweisungsinteresse überwogen. Hierfür sind folgende Gesichtspunkte maßgeblich:
Der Kläger hält sich nach Aktenlage erst gut fünf Jahre – mit Unterbrechung – in der Bundesrepublik Deutschland auf. Der Kläger hat vorher den Großteil seines Lebens in seiner Heimat Nigeria verbracht. Er ist weder wirtschaftlich noch sozial in nennenswertem Maße integriert. Seit 2018 ist er vollziehbar ausreisepflichtig. Beide Kinder, von denen der Kläger seine Bleibeinteressen ableitet, wurden somit geboren, als der Kläger bereits vollziehbar ausreisepflichtig war. Der Kläger hat zudem allenfalls kurzzeitig in frühester Kindheit kurz nach der Geburt mit seinem Kind M … zusammengewohnt, im Übrigen beschränkt sich die Beziehung zu beiden Kindern auf Besuche, öfter im örtlichen Nahbereich in R …, schon aus finanziellen Gründen seltener in L …, zumal die Besuche dort jeweils mit einem Verstoß gegen die für den Kläger bestandskräftig angeordnete räumliche Beschränkung erfolgen. Mögen beide Kinder auch die Beziehung zu ihrem Vater sehr schätzen, sind sie somit doch die meiste Zeit gewohnt, ohne ihn zurecht zu kommen. Zur Überzeugung des Gerichts werden sie für eine vorübergehende Zeit auch ohne die Anwesenheit des Klägers auskommen können. Insoweit besteht auch die Möglichkeit der Nutzung von modernen Fernkommunikationsmitteln, auch wenn diese die Anwesenheit des Vaters nicht ersetzen können.
Die Schutzwürdigkeit der Beziehung des Klägers zu seinen Kindern wird weiter dadurch relativiert, dass er für diese zu keinem Zeitpunkt über ein bloßes anlassbezogenes Einkaufen von Lebensmitteln und gegebenenfalls Kleidung hinaus Unterhalt geleistet hat. Für sein Kind in L … wurden und werden UVG-Leistungen erbracht. Der Kläger erklärt hierzu, dass er kaum Sozialleistungen erhalte und nicht arbeiten dürfe und daher keine Mittel zur Erbringung des Unterhalts habe. Zugleich hat er zur Aufhebung des Beschäftigungsverbots nichts beigetragen, etwa indem er sich um die Vorlage eines Nationalpasses bemüht hätte. Dem Kläger ist daher entgegenzuhalten, dass er sich offenbar trotz der geringfügigen ihm zur Verfügung stehenden Mittel nicht gehalten sah, bestmöglich für seine beiden kleinen Kinder zu sorgen, und dass er nicht alles ihm dahingehend Mögliche unternommen hat. Er hat nach den strafrechtlichen Ermittlungen überdies zwischenzeitlich erhebliche Geldbeträge auf dem Konto gehabt. Der Kläger hat auch seine Straffälligkeit trotz der Geburt seiner Kinder noch weiter fortgesetzt, wie unabhängig von den aktuellen strafrechtlichen Ermittlungen schon die Strafbefehle des Amtsgerichts M … vom … Januar 2020 und des Amtsgerichts L … im … vom … Februar 2020 zeigen. Die Beziehung zu seinen neu geborenen Kindern konnte ihn demnach nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten. Eine Zäsur in seiner Straffälligkeit ist nicht feststellbar, obwohl dem Kläger klar sein musste, dass die Begehung von Straftaten auf die ein oder andere Weise zu einer länger andauernden Trennung von seinen Kindern führen kann. Gleichwohl hat ihn diese Möglichkeit nicht dazu bewogen, die Begehung von Straftaten einzustellen. Dies zeugt nicht von umfassend fürsorglichen Empfindungen für die Kinder.
Ergänzend ist auch zu berücksichtigen, dass beide Kinder wie auch die jeweiligen Kindsmütter die nigerianische Staatsangehörigkeit besitzen. Beiden wäre es daher grundsätzlich zuzumuten, den Kläger gegebenenfalls vorübergehend nach Nigeria zu begleiten, um die Vater-Kind-Beziehung weiter aufrechtzuerhalten. Umstände, die auch mit Blick auf die Kindsmütter dem entgegenstehen würden sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich. Die Beziehung zu den Kindern kann somit zumutbar auch außerhalb des Bundesgebiets gelebt werden. Das Kind M … ist noch im laufenden Asylverfahren. Das Kind E … besitzt zwar eine Aufenthaltserlaubnis, der Hintergrund des vom Kläger vorgetragenen unbefristeten Aufenthaltsrechts der Kindsmutter ist jedoch der Ausländerbehörde und dem Gericht unbekannt. Es ist insoweit Sache des Klägers, Umstände vorzutragen und zu belegen, die sich zu seinen Gunsten auswirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 HS 2 VwGO, § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG).
Sonstige, d. h. nicht katalogisierte Bleibeinteressen von relevantem Gewicht sind nicht vorgetragen oder ersichtlich. Insbesondere kann sich der Kläger nicht auf den Status eines sogenannten faktischen Inländers (Art. 8 EMRK, Art. 2 GG) berufen, da aufgrund der noch nicht sehr langen Aufenthaltsdauer von gut fünfeinhalb Jahren und der geringen sozialen, insbesondere der völlig fehlenden beruflichen Integration, keine relevante Verwurzelung im Bundesgebiet stattgefunden hat. Auch kann der Kläger keine grundrechtlich aus Art. 6 Abs. 1 GG begründeten Bleibeinteressen aus den Beziehungen zu den Kindsmüttern ableiten. Mit beiden ist er jeweils nicht verheiratet.
Die so skizzierten und bewerteten Bleibeinteressen vermögen sich gegen die erheblichen staatlichen Ausweisungsinteressen nicht durchzusetzen. Dabei ist zunächst die vom Kläger selbst ausgehende hohe Wiederholungsgefahr zu sehen, der innerhalb kurzer Zeit trotz der Vorverurteilungen und trotz der Geburt seiner Kinder immer wieder in rascher Abfolge straffällig wurde. Weiter ist besonders zu berücksichtigen, dass die Verurteilung vom 24. Juni 2020 wegen leichtfertiger Geldwäsche als Unterstützungshandlung zur organisierten Kriminalität einzustufen ist, ohne die die konkrete Form des massenhaften Betrugs in Form des „Love Scamming“ nicht möglich wäre. Unabhängig von der konkret ausgeurteilten Strafe stellt die Bekämpfung solcher organisierten Kriminalität als überragend wichtiges staatliches Anliegen dar. Dieser gewichtige Gesichtspunkt führt zum Überwiegen der staatlichen spezialpräventiven und generalpräventiven Ausweisungsinteressen über die privaten Bleibeinteressen des Klägers. Die Ausweisung erweist sich schließlich auch als geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel zur Erreichung des mit ihr verfolgten Zwecks der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und Bekämpfung der vom Kläger persönlich für diese ausgehenden Gefahren.
3.3. Auch die im Hilfsantrag zulässig erhobene Verpflichtungsklage auf Verkürzung der Befristung der gesetzlichen Wirkungen der Ausweisung nach § 11 AufenthG bleibt ohne Erfolg (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung über das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot (§ 113 Abs. 5 Satz 2, § 114 VwGO).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist auch insoweit der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung.
3.3.1. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer nach Satz 2 der Vorschrift weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist nach Satz 4 der Vorschrift mit der Ausreise beginnt. Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden, das vom Gericht nur eingeschränkt nach Maßgabe des § 114 VwGO überprüfbar ist (BayVGH, U.v. 12.7.2016 – 10 BV 14.1818 – juris Rn. 63); sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten (§ 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Nach § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG soll die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht.
Bei der Bestimmung der Länge der Frist sind das Gewicht des Ausweisungsgrundes 67 und der mit der Ausweisung verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Es bedarf in einem ersten Schritt der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen, das der zu spezialpräventiven Zwecken verfügten Ausweisung zugrunde liegt, das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrfrist muss sich dann in einem zweiten Schritt an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Gerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen (BVerwG, U.v. 10.7.2012 – 1 C 19.11 – juris Rn. 42; BayVGH, U.v. 22.1.2013 – 10 B 12.2008 – juris Rn. 64; BayVGH U.v. 25.8. 2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56).
3.3.2. Die von dem Beklagten im Rahmen der – in der mündlichen Verhandlung ergänzten – Ermessensentscheidung getroffenen Erwägungen sind nach dem Maßstab des § 114 VwGO rechtlich nicht zu beanstanden. Die Länge der von dem Beklagten auf 3 Jahre festgesetzten Befristung der Wirkungen der Ausweisung erweist sich als verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei.
Der Kläger hat keine Belange vorgetragen, die eine Verkürzung der festgesetzten Sperrfrist gebieten würden. Insbesondere ist bei der Bemessung der verfügten Sperrfrist von dem Beklagten zutreffend die hohe Wiederholungsgefahr für die Begehung weiterer Straftaten gesehen worden, die bei der Festlegung der Dauer der Wirkungen der Ausweisung nach wie vor prognostisch das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr trägt.
Die Beklagte hat in ihrer Ermessensentscheidung auch die persönlichen Belange des Klägers zutreffend gewichtet. Die nach der Gefahr für die öffentliche Ordnung ermittelte Frist muss sich an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (Art. 2, Art. 6 GG) sowie den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen lassen. Hierbei hat die Beklagte insbesondere die familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet zu seinen beiden Kindern berücksichtigt. Dem normativen Korrektiv aus Art. 2, Art. 6 GG und Art. 8 EMRK hat der Beklagte zudem durch die Herabsetzung der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots ausreichend Rechnung getragen. Die Frist erweist sich unter Ansatz des vom Verhalten des Klägers getragenen Ausweisungsinteresses und unter Berücksichtigung der Bleibeinteressen des Klägers als verhältnismäßig.
4. Bleibt somit die Klage gegen die streitgegenständliche Ausweisung und in Bezug auf die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ohne Erfolg, so ist auch die zulässig erhobene Untätigkeitsklage hinsichtlich der vom Kläger begehrten Aufenthaltserlaubnis nicht begründet.
Denn ungeachtet der insoweit lückenhaften Behördenakte, die der Kläger zurecht moniert, steht dem hier mit der Untätigkeitsklage ausdrücklich geltend gemachten Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis die Titelerteilungssperre des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegen. Danach darf dem Kläger selbst im Falle eines Rechtsanspruchs kein Aufenthaltstitel erteilt werden. Dies gilt unabhängig von der möglichen Rechtsgrundlage für die begehrte Aufenthaltserlaubnis, sei es aus familiären Gründen oder auf humanitärer Grundlage.
Die auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis gerichtete Klage ist spruchreif (§ 75 Satz 1, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) und der Klageantrag abzuweisen. Ein Verbescheidungsurteil (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) kommt insoweit nicht in Betracht.
5. Die Klage war daher insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
6. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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