Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage eines homosexuellen ivorischen Staatsangehörigen

Aktenzeichen  W 2 K 18.30950

Datum:
24.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36334
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3, § 3a, § 3b Abs. 1 Nr. 4, § 3c, § 3d, § 3e, § 4 Abs. 1  S. 2, Abs. 3 S. 1, § 34 Abs. 1, § 38 Abs. 1, § 77 Abs. 1, Abs. 2, § 83b
AufenthG § 11 Abs. 1, § 59, § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3
VwGO § 102 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1, § 154 Abs. 1

 

Leitsatz

1. In der Elfenbeinküste besteht mangels der erforderlichen Verfolgungsdichte keine Gruppenverfolgung für Homosexuelle. (Rn. 21 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Homosexuelle ivorische Staatsangehörige haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG. (Rn. 25 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit eines Beteiligten verhandelt werden konnte, ist unbegründet.
1. Der Bundesamtsbescheid vom 11. Mai 2018 ist insgesamt rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG noch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG.
Es liegen in seiner Person auch keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung in die Elfenbeinküste und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtmäßig.
1.1 Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG liegen nicht vor.
Gemäß § 3 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 AsylG besteht ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, wenn sich der Ausländer aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will und er keine Ausschlusstatbestände erfüllt. Gem. § 3a AsylG gelten dabei Handlungen als Verfolgung, die gem. Nr. 1 auf Grund ihrer Art oder Wiederholungsgefahr so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK) keine Abweichungen zulässig ist, oder die gem. Nr. 2 in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen. Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat der Kläger eine flüchtlingsrechtlich relevante Vorverfolgung in der Elfenbeinküste nicht glaubhaft gemacht. Dabei kann – trotz der neuerlichen Vaterschaft des Klägers und der bereits im Bundesamtsbescheid vom 11. Mai 2018 thematisierten Widersprüchen bei seinen Angaben zu seinen bisherigen homosexuellen Erfahrungen – unterstellt werden, dass der Kläger – jedenfalls auch – homosexuelle Neigungen hat und diese auch Teil seiner sexuellen Identität sind.
Diese auch homosexuelle Identität stellt gemäß § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG zwar ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal dar. Jedoch ist das Gericht – auch unter Berücksichtigung der klägerischen Einlassungen in der mündlichen Verhandlung – nicht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger aufgrund seiner homosexuellen Neigungen in der Elfenbeinküste tatsächlich Verfolgung erlitten hat. So sind die Angaben des Klägers zu der behaupteten Erkrankung seines Sexualpartners, die zur Entdeckung der Homosexualität des Klägers geführt haben soll, nicht plausibel. Bei seinem Bildungs- und Kenntnisstand wäre es ohne weiteres zu erwarten gewesen, dass er die „Krankheit“ benennen bzw. die Symptome, die eine Behandlung im Krankenhaus notwendig gemacht haben sollen, näher beschreiben kann. Diesen bereits im Bundesamtbescheid vom 11. Mai 2018 angesprochenen Widerspruch vermochte der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht auszuräumen. Dort gab er einerseits an, dass die Krankheit des Freundes auf die Homosexualität zurückzuführen gewesen sei. Anderseits zog er sich auf Nachfrage des Gerichtes pauschal darauf zurück, es habe sich um Probleme bzw. eine Verletzung im Analbereich gehandelt, ohne zu begründen, in welchem Zusammenhang dies zu dem behaupteten Geschlechtsverkehr mit dem Kläger stehe, wieso der Freund seiner Familie deshalb ihre homosexuellen Kontakte habe offenbaren müssen und welche nur in einem Krankenhaus angebotene Behandlung erforderlich gewesen sei. Ebenfalls nicht überzeugend ist die Behauptung, die Familie und Nachbarn, die ihn wegen seiner sexuellen Kontakte mit dem Freund hätten zur Rechenschaft ziehen wollen, seien – nachdem sie den Kläger nicht in seiner Wohnung angetroffen hätten – deshalb nicht zu seinem Kiosk gekommen, weil sich dieser in einem anderen Stadtviertel befunden habe und den Nachbarn nicht bekannt gewesen sei, wo der Kläger gearbeitet habe. Dies widerspricht der Einlassung beim Bundesamt, er habe seinen Freund, einen Studenten aus seinem Stadtviertel, bereits 2013 kennen gelernt. Der Freund habe ihn gefragt, ob er bei ihm in Kiosk in den Ferien helfen und so Geld verdienen könne. Mithin liegt es nahe, dass es im Stadtviertel allgemein bekannt gewesen ist, wo der Kläger gearbeitet habe. Jedenfalls aber widerspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Familie des Freundes dies nicht gewusst haben soll, obwohl dieser seit 2013 regelmäßig als Ferienjob im Kiosk des Klägers gearbeitet habe. Dies ist umso weniger glaubwürdig, als der Nachbar, der den Kläger telefonisch im Kiosk gewarnt haben soll, offensichtlich mit den Lebens- und Arbeitsumständen des Kläger vertraut gewesen sei und über seien Telefonnummer verfügt habe. Insgesamt ist es für das Gericht wenig überzeugend, dass die aufgebrachte Meute, den Kläger ausschließlich zu Hause und nicht im Kiosk gesucht haben soll. Insgesamt blieben die Schilderungen des Klägers zur behaupteten fluchtauslösenden Situation auch in der mündlichen Verhandlung oberflächlich, wenig detailliert und widersprüchlich.
So ist beispielsweise nicht plausibel, dass trotz der durch die Entdeckung seiner Homosexualität vermeintlich verursachten Aufruhr in der Nachbarschaft, seine ebenfalls in Abidjan lebenden Verwandten bis heute nichts von seiner Homosexualität erfahren haben sollen. Hätte die Familie des erkrankten Freundes bzw. die Nachbarschaft den Kläger tatsächlich aufspüren wollen, wäre es nahegelegen, entsprechende Nachforschungen bei seinen Angehörigen anzustellen. Nicht schlüssig ist zudem, dass der Kläger die Ersparnisse, die ihm die Mutter seines in der Elfenbeinküste befindlichen Kindes nach seiner Ausreise überwiesen haben soll, bei seiner Tante – und nicht in seiner eigenen Wohnung – aufbewahrt haben will. Eine solche Verwahrung erscheint lediglich vor dem Hintergrund einer geplanten – nicht überraschend erzwungenen – Ausreise schlüssig. Im Rahmen einer Gesamtabwägung ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger bereits vorverfolgt ausgereist ist, so dass für ihn nicht die Vermutung einer Wiederholungsgefahr streitet.
Auch von einer flüchtlingsschutzrechtlich relevanten Verfolgung – ohne Vorverfolgung – ist nicht auszugehen. Zur Begründung wird gem. § 77 Abs. 2 AsylG auf die Begründung des Bundesamtsbescheides Bezuggenommen. Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
Zur Überzeugung des Gerichts besteht in der Elfenbeinküste keine Gruppenverfolgung für Homosexuelle. Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus (vgl. BVerwG, U.v. 5. Juli 1994 – 9 C 158/94 -, juris Rn. 18). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht (vgl. BVerwG, U.v. 18. Juli 2006 – 1 C 15/05 -, juris Rn. 20). Dabei stellen nicht alle Rechtsgutsverletzungen, die die Gruppenmitglieder zu erleiden haben, Verfolgungshandlungen dar. Nicht dazu zählen Rechtsgutsverletzungen, denen es an der asylerheblichen Intensität mangelt. Die asylerhebliche Intensität liegt bei Eingriffen in die Schutzgüter des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit und der physischen Freiheit – sofern der Eingriff nicht ganz unerheblich ist – generell vor, bei Eingriffen in andere Schutzgüter jedoch nur, wenn diese nach Intensität und Schwere die Menschenwürde verletzen (vgl. BVerwG, U.v. 25. Oktober 1988 – 9 C 37/88 -, juris Rn. 9). Welches Verhältnis insoweit notwendig ist, um eine relevante Verfolgungsdichte zu begründen, hängt daneben maßgebend von der Qualität der festgestellten Verfolgungshandlungen ab. Bei der Ermittlung der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte ist schließlich zu berücksichtigen, dass nur solche Verfolgungsmaßnahmen als Referenzfälle heranzuziehen sind, die die Mitglieder der Gruppe gerade wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit getroffen haben (vgl. BVerwG, U.v. 5. Juli 1994, a.a.O., Rn. 21).
Ausgehend von diesen Grundsätzen droht Homosexuellen in der Elfenbeinküste nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Gruppenverfolgung. Soweit der Kläger sich – wie vorgetragen – aus Scham vor der Missbilligung seiner Familie, gesellschaftlicher Ächtung oder wegen des Drängens der Mutter zu einer Heirat mit einer Frau außer Landes begeben hat, mag dies menschlich nachvollziehbar sein, rechtlich lässt sich darauf jedoch keine Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft stützen. Denn eine Gesamtschau der in das Verfahren einbezogenen Erkenntnismittel, die sich in weiten Teilen mit den Einlassungen des Klägers zur allgemeinen Lage von Homosexuellen in der Elfenbeinküste decken, lässt zwar erkennen, dass Homosexuelle gesellschaftlichen Vorurteilen, Anfeindungen und vereinzelt auch tatsächlichen Übergriffen ausgesetzt sind, dies jedoch in der Verfolgungsdichte und im Schweregrad nicht die hohen Anforderungen an eine Gruppenverfolgung erreicht. Anders als in anderen afrikanischen Ländern, stehen in der Elfenbeinküste homosexuelle Handlungen grundsätzlich nicht unter Strafe. Nach Art. 360 des dortigen Strafgesetzbuchs wirkt es sich lediglich beim Straftatbestand der Erregung öffentlichen Ärgernisses strafverschärfend aus, wenn der Verstoß gegen die öffentliche Schicklichkeit durch sexuelle Handlungen (in der Öffentlichkeit) von gleichgeschlechtlichen Partnern bewirkt wurde (vgl. engl. Übersetzung des Gesetzestextes bei UNHCR, Côte d’Ivoire COI Compilation, August 2017, S. 114). Da es zu diesem Straftatbestand laut UNHCR unter Bezugnahme auf einen Bericht des Immigration and Refugee Board Canada (IRB) von Dezember°2014 kaum Rechtsprechung gibt (UNHCR, a.a.O.)., ist auszuschließen, dass die ivorischen Strafverfolgungsbehörden und die Justiz die Vorschrift als Einfallstor zur generellen strafrechtlichen Ahndung homosexueller Handlungen missbrauchen. Im Hinblick auf die rechtstatsächliche Anwendung der Vorschrift bezieht sich der UNHCR lediglich auf einen einzelnen Fall im November 2016, bei dem – laut Berichterstattung von Human Rights Watch – zwei Männer auf der Grundlage des Art. 360 Strafgesetzbuch zu einer dreimonatigen Gefängnisstrafe verurteilt worden seien. Der Hinweis des österreichischen Bundesamtes, dass in der Rechtsprechung die Vorschriften zur Strafbarkeit der Prostitution gelegentlich auf Homosexualität ausgeweitet werde (vgl. Republik Österreich, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt – Elfenbeinküste [Stand: 28. Oktober 2015], S. 16) findet in aktuelleren Quellen keine weitere Bestätigung und erreicht auch bei Wahrunterstellung nicht die Verfolgungsdichte einer Gruppenverfolgung.
Auch wenn die Elfenbeinküste in der Region von Westafrika als vergleichsweise sicherer Hafen für Homosexuelle gilt, bestehen Einschränkungen hinsichtlich der Teilnahme am gesellschaftlichen Leben (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht v. 15. Januar 2018 [Stand: September 2017]. S. 7). Die bestehende Antidiskriminierungsgesetzgebung bezieht sich nicht auf die sexuelle Orientierung, so dass Betroffenen nicht gerichtlich gegen eine Benachteiligung beim Abschluss von Arbeits- oder Mietverträgen vorgehen können (vgl. dazu US State Department, Country Report on Human Rights Practices 2016, S. 28f., 35). Weitere Arten der Diskriminierung erfolgen laut Auswärtigem Amt (a.a.O., S. 8) durch schlechteren Zugang zum Gesundheitswesen, insbesondere zu HIV-Behandlungen, zu rechtlichem Beistand oder zu polizeilichem Schutz. Betroffene würden berichten, dass häufig Polizisten diejenigen seien, die sie angreifen würden. Tatsächlich wird Homosexualität von weiten Teilen der Bevölkerung stark abgelehnt (österr. Bundesamt, a.a.O.). Die Sicherheitsbehörden reagierten nur langsam und nicht effektiv auf gewaltsame Übergriffe gegen Homosexuelle. Im Juni 2016 seien zwei Homosexuelle tätlich angegriffen worden, nachdem in den sozialen Medien ein Foto veröffentlicht worden sei, auf dem sie sich in ein Kondolenzbuch für die Opfer eines Anschlags auf einen von Homosexuellen bevorzugten Nachtclub in Florida, U.S.A., eingetragen hätten (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 115f.). Im Anschluss daran hätten viele der auf dem Foto abgebildeten Personen ihre Häuser aus Furcht verlassen (vgl. US State Department, a.a.O., S. 29). Im Januar 2015 sei das Büro der „Alternative Elfenbeinküste“, einer Organisation, die sich für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transsexuellen, Transgender und Intersexuellen (LGBTTI) mit HIV einsetzt, von einem Mob geplündert, mit homophoben Slogans beschmiert und Mitarbeiter verprügelt worden, ohne dass die Polizei eingegriffen hätte oder Ermittlungen aufgenommen habe. Auch das Haus des Vorsitzenden der Organisation sei später angegriffen worden. Einige Mitarbeiter seien daraufhin untergetaucht (vgl. dazu Amnesty International, Elfenbeinküste Report 2014/2015, S. 3). Nach jüngster Auskunft des Auswärtigen Amtes gibt es jedoch in Abidjan, der größten Stadt des Landes, inzwischen ein gutes Netzwerk von nationalen wie internationalen LGBTTI Organisationen, die Angehörige dieser Gruppe unterstützen und stärken. Heartland Alliance International, eine international agierende Nichtregierungsorganisation, arbeite beispielsweise mit dem ivorischen Gesundheitsministerium zusammen und sei vorsichtig optimistisch, dass man dort tatsächlich gewillt sei, zur Verbesserung der Situation der LGBTTI Gemeinschaft beizutragen. Ferner gebe es ein Netzwerk von speziellen Ansprechpartnern in Polizeirevieren im ganzen Land, wo Opfer von Übergriffen sich melden könnten (vgl. AA, a.a.O., S. 7). Auch das US State Department bestätigt, dass die wenigen existierenden LGBTI Organisationen im Land frei, aber mit Vorsicht agieren könnten (US State Departement, a.a.O., S. 29). Eine Gruppenverfolgung Homosexueller in der Elfenbeinküste ist damit mangels Eingriffsdichte anhand der in das Verfahren einbezogenen Erkenntnismittel nicht festzustellen. Auch der Kläger lebte seine homosexuellen Neigungen nach eigenen Angaben im Zeitraum 2010 bis Dezember 2016 aus, ohne deswegen Verfolgung zu erleiden.
Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu.
1.3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Nach Auskunft des Auswärtigen Amtes wurde die Todesstrafe seit der Unabhängigkeit der Elfenbeinküste 1960 kein einziges Mal vollstreckt. Im März 2015 habe das Parlament einstimmig zwei Entwürfe zur Änderung des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordnung genehmigt, um die Todesstrafe auszuschließen, die bereits mit der Verfassung von 2000 abgeschafft worden sei. Auch die neue Verfassung von 2017 bestätige dies nochmals explizit. Mithin ist – entgegen des ursprünglichen Vortrags des Klägers beim Bundesamt – die Gefahr der Vollstreckung oder Verhängung der Todesstrafe ebenso auszuschließen wie die individuelle Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit des Klägers infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts.
Auch besteht keine rechtlich relevanten Bedrohung durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Auf die Ausführungen zur Situation von Homosexuellen in der Elfenbeinküste wird verwiesen.
1.4. Es liegen auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm im Zielstaat unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24. Mai 2000 – 9 C 34/99 -, juris Rn. 11).
Dabei können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, sondern bedingt durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Antragstellers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 27. Mai 2008 – 26565/05, U.v. 28. Juni 2011 – 8319/07). Solche Umstände sind vom Kläger weder vorgetragen, noch ersichtlich. Selbst unter Berücksichtigung der Homosexuellen gegenüber bestehenden Ressentiments ist angesichts seines überdurchschnittlichen Bildungsgrades und seiner Berufserfahrung davon auszugehen, dass er sein Existenzminimum wird erwirtschaften können, ohne dass er dabei zwingend auf das Netzwerk des erweiterten Familienkreises angewiesen wäre. Es bedarf deshalb keiner Erwägung dazu, ob er auch im Fall eines offenen Bekenntnisses zu seiner homosexuellen Veranlagung auf die Solidarität seines Familienverbandes zurückgreifen könnte. Dies gilt selbst dann, wenn man etwaige Unterhaltspflichten gegenüber seinen in der Elfenbeinküste und in Deutschland befindlichen Kindern berücksichtigen würde.
Soweit sich der Kläger zur Begründung eines Aufenthaltsrechts auf den Umgang mit seiner in Deutschland geborenen Tochter beruft, mit der er in einer Lebens- und Beistandsgemeinschaft zusammenlebt, sind diese Belange nicht im Rahmen des Asylverfahrens, sondern allenfalls nachgelagert ausländerrechtlich zu berücksichtigen.
Gesundheitsbedingte Einschränkungen im für § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevanten Schweregrad wurden weder anhand ärztlicher Atteste substantiiert vorgetragen, noch sind solche offensichtlich. Auftreten und Erscheinungsbild des Klägers in der mündlichen Verhandlung gaben keinen Anlass an seiner Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu zweifeln, so dass auch ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht in Betracht kommt.
1.5. Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG, deren Voraussetzungen hier gegeben sind.
1.6. Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 10 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind auch im Hinblick auf die in Deutschland geborene Tochter keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Somit hatte die Klage insgesamt keinen Erfolg.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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