Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage eines Nicht-Adressaten gegen tierschutzrechtliches Haltungsverbot

Aktenzeichen  W 8 S 20.312

Datum:
4.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 4061
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 2 Abs. 2, Art. 20a
VwGO § 42 Abs. 3, § 80 Abs. 5
TierSchG § 16a

 

Leitsatz

1. Wer nicht Adressat eines tierschutzrechtlichen Haltungsverbotes ist, ist auch als Eigentümer des Tiers mangels dinglicher Wirkung des Haltungsverbots nicht antrags- und klagebefugt. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es besteht ein schwerwiegendes öffentliches Interesse daran, dass in Obhut von Menschen gehaltene Tiere ausreichend gepflegt, versorgt und geschützt werden. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Frau A… F…, … … … … … und Herr J… K… … … … … … werden zum Verfahren beigeladen.
II. Der Antrag wird abgelehnt.
III. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf ein in einem gegenüber seiner Ehefrau, Frau A.F., erlassenen Bescheid des Antragsgegners (vertreten durch das Landratsamt Rhön-Grabfeld) verfügtes tierschutzrechtliches Haltungsverbot und die Aufhebung der sofortigen Vollziehung des Bescheids in Bezug auf eine Fortnahme- und Unterbringungsverfügung.
1. Der Antragsgegner untersagte – unter anderem bezogen auf die streitgegenständlichen Katzen – der Ehefrau des Antragstellers als Halterin mit Bescheid vom 18. Dezember 2019 das Halten und Betreuen von Tieren, auch für diese durch eine andere Person, und ordnete die sofortige Wegnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung sowie die Vermittlung des Tierbestands nach Erlass einer Veräußerungsanordnung, die einem oder mehreren gesonderten Bescheiden vorbehalten bleibt, an. Am 19. Dezember 2019 wurden sämtliche Tiere weggenommen und anderweitig pfleglich untergebracht. Ein dagegen angestrengtes Sofortverfahren seitens der Ehefrau des Antragstellers blieb erfolglos (siehe VG Würzburg, B.v. 6.2.2020 – W 8 S 19.1689). Über die Klage im Verfahren W 8 K 19.1688 wurde noch nicht entschieden.
2. Mit Schriftsatz vom 17. Januar 2020, bei Gericht eingegangen am 23. Januar 2020, ließ der Antragsteller den Erlass einer Sicherungsanordnung beantragen und mit Schriftsatz vom 17. Januar 2020, eingegangen bei Gericht am 20. Januar 2020, Klage auf Herausgabe bestimmter Tieren erheben. Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 ließ er zuletzt Folgendes beantragen,
1.Die aufschiebende Wirkung in Bezug auf den Bescheid des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019, Az. … wird hinsichtlich Ziffer 1. Satz 2) des Bescheides angeordnet;
2.die Aufhebung der Vollziehung des Bescheides vom 18. Dezember 2019, Az.: … hinsichtlich Ziffer 2.) des Bescheides wird angeordnet, soweit die im Neubau gehaltene Haltungseinheit Katzen mit dem hier gehaltenen Bestand betroffen ist.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen: Der Antragsteller sei Eigentümer der im Antrag Ziffer 1.) a) bezeichneten Katzen. Mit Schriftsatz vom 29. September 2016 sei dem Antragsgegner die Übertragung der Katzen an den Antragsteller angezeigt worden. Er habe die Räumlichkeiten im Anwesen K. … in S. im Neubau Erdgeschoss und 1. Stock angemietet. Die regelmäßige Betreuung und Pflege der im Neubau befindlichen Katzen werde durch seine Ehefrau, Frau A. F., deren Partner, Herr J. K., und den Mieter Herrn A. S. und bei Bedarf durch weitere Hilfspersonen sichergestellt. Der Antragsteller habe die Tiere in der angemieteten Haltungseinheit regelmäßig besucht und sich einen Überblick über die ordnungsgemäße Versorgung und Haltung der Tiere verschafft. Gegenüber dem Antragsteller als Eigentümer und Halter der oben genannten Tiere sei im Verwaltungsrechtsweg keine wirksame Anordnung ergangen. Der Antragsgegner sei aufgefordert worden, die im Eigentum und Besitz des Antragstellers stehenden Tiere an diesen herauszugeben und zurückzuführen bis spätestens zum 31. Dezember 2019. Vorliegend sei das Vorgehen des Antragsgegners zivilrechtlich als Besitzstörung und verbotene Eigenmacht zu werten. Gegenüber dem Antragsteller liege kein wirksamer Wegnahmeakt vor. Tierschutzrechtliche Beschränkungen seien dem Antragsteller gegenüber nicht ausgesprochen worden. Im Juli 2019 sei aufgrund einer Beschwerde aus der Bevölkerung eine Kontrolle erfolgt. In Bezug auf die Katzenhaltung im Alt- und Neubau seien anlässlich der unangekündigten Kontrolle vom 2. Juli 2019 keine Beanstandungen erfolgt. Das Veterinäramt habe in Kenntnis der Anzahl der Katzen im Anwesen K. … (Alt- und Neubau) über lange Zeit hinweg keinerlei Handlungsbedarf gesehen, so dass das rechtliche Vorgehen im Rahmen des Bescheids vom 18. Dezember 2019 insbesondere in Bezug auf die Katzenhaltung im Rahmen der zwei Haltungseinrichtungen erkennbar konstruiert sei. Die alten und teilweise chronisch kranken Tiere würden dringend ihre gewohnte Umgebung benötigen. Effektiver Rechtsschutz könne nur durch Herausgabe der Tiere erreicht werden. Der Antragsteller habe inzwischen für die Adresse K. … in S. seinen Zweitwohnsitz angemeldet. Erst auf der Grundlage eines Stimmungswechsels durch den öffentlichen Druck aus der Nachbarschaft und über die Behörden, die die zahlreichen Beschwerden entgegengenommen hätten, sei es zu einem durch den öffentlichen Druck motivierten Umschwenken der Antragsgegnerin gekommen. Das zwingend notwendige Sicherstellungsverzeichnis sei weder dem Antragsteller noch Frau A. F. ausgehändigt worden, so dass ihnen rein faktisch die Möglichkeit genommen werde, den aktenkundigen amtstierärztlichen Stellungnahmen unter Berücksichtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehör entgegentreten zu können. Vor diesem Hintergrund seien die tierärztlichen Bestätigungen und amtstierärztlichen Stellungnahmen in Bezug auf einzelne Katzen nicht verwertbar, da gegen das rechtliche Gehör und gegen das Gebot der Waffengleichheit und damit auch gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen werde. Am Tag der Wegnahme 19. Dezember 2019 seien die Informationen von Frau A. F., die in der Akte nur rudimentär erkennbar seien, nicht an die Tierheime weitergegeben worden. Die überwiegende Anzahl der Lichtbildaufnahmen habe keinen Informationsgehalt. Ziel des Vorgehens der Amtstierärzte sei es gewesen, auf dieser Grundlage eine Vernachlässigung der Tiere im Rahmen der folgenden Stellungnahmen zu zeichnen. Der pauschale Vorwurf wiederholter und grober bzw. gravierender Verstöße sei erkennbar konstruiert. Zudem hätte es zahlreichere mildere Mittel gegeben, um hier einzuschreiten.
Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 20. Februar 2020, den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Zur Begründung der Antragserwiderung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei unzulässig. Der Antragsteller sei in der Verwaltungsstreitsache W 8 S 19.1689 beigeladen, in dem der Antrag von Frau A. F. nach § 80 Abs. 5 VwGO mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 6. Februar 2020 abgelehnt worden sei. Für den nunmehr gestellten Antrag fehle damit das Rechtsschutzbedürfnis. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Antragsgegners die Ausführungen des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers keine Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts in Bezug auf die sofortige Vollziehbarkeit des Bescheids des Landratsamtes Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019, Az.: … rechtfertigten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Verfahren W 8 K 20.146, W 8 E 20.153, W 8 K 19.1688 und W 8 S 19.1689) und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
1. Die Beiladung unter Nr. I des Beschlusses beruht auf § 65 VwGO.
2. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat keinen Erfolg.
2.1 Hinsichtlich des Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Bezug auf Nr. 1 Satz 2 des Bescheids des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019 fehlt es mangels Antragsbefugnis des Antragstellers schon an der Zulässigkeit.
Das Landratsamt Rhön-Grabfeld hat die sofortige Vollziehung der Nr. 1 seines Bescheides vom 18. Dezember 2019 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet (Nr. 4 des Bescheids vom 18. Dezember 2019). Direkte Adressatin der Anordnung ist jedoch Frau A. F. als alleinige Adressatin des Bescheids. Mit der Anordnung wird unmittelbar lediglich die Rechtsbeziehung zwischen Frau A. F. und dem Antragsgegner geregelt. Für den Antragsteller ergibt sich hierdurch mangels dinglicher Wirkung für sich keine unmittelbare rechtliche Betroffenheit (vgl. OVG Bremen, B.v. 29.10.2018 – 1 B 230/18 – juris).
Daneben fehlt es an der Einlegung eines entsprechenden Rechtsbehelfs in der Hauptsache durch den Antragsteller in Bezug auf die Nr. 1 Satz 2 des Bescheids des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019. Die Klage des Antragstellers vom 20. Januar 2020 (W 8 K 20.146) ist lediglich auf die Herausgabe der streitgegenständlichen Tiere gerichtet. Dem Antragsteller, der Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO begehrt, ist auch zuzumuten, den Hauptsacherechtsbehelf einzulegen (Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 81 m. w. N.; a.A. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 80 Rn. 139).
Der Antrag ist zudem unbegründet.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind und trifft im Übrigen eine eigene Abwägungsentscheidung. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
Hinsichtlich der ausreichenden schriftlichen Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO im Bescheid des Landratsamts Rhön-Grabfeld vom 18. Dezember 2019 wird auf den Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 6. Februar 2020 im Verfahren W 8 K 19.1689 (S. 14 f.) Bezug genommen, zu dem der Antragsteller beigeladen wurde.
Eine summarische Prüfung, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO geboten, aber auch ausreichend ist, ergibt, dass ein Rechtsbehelf des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die getroffene Regelung ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog). Unabhängig davon ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung zu erkennen. Das Vorbringen des Antragstellers führt zu keiner anderen Beurteilung.
Gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 TierSchG trifft die zuständige Behörde die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie kann insbesondere im Einzelfall die zur Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erforderlichen Maßnahmen anordnen (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TierSchG). Sie kann demjenigen, der den Vorschriften des § 2 TierSchG, einer Anordnung nach Nr. 1 oder einer Rechtsverordnung nach § 2a TierSchG wiederholt oder grob zuwiderhandelt und dadurch den von ihm gehaltenen und betreuten Tieren erheblich oder länger anhaltenden Schmerzen oder Leiden oder erhebliche Schäden zugefügt hat, das Halten und/oder Betreuen von Tieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen (§ 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TierSchG).
Die vorgenannten Rechtsgrundlagen decken neben der generellen Untersagung des Haltens und Betreuens von Tieren auch die Untersagung der Haltung von Tieren für Frau A. F. durch eine andere Person auf ihrem Anwesen. Auf die Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 6. Februar 2020 im Verfahren W 8 S 19.1689, S. 17 ff. wird insoweit Bezug genommen.
Die Haltungsuntersagung von Tieren für Frau A. F. durch eine andere Person auf dem v.g. Anwesen dient der Vermeidung der Tierhaltung über ein Strohmannverhältnis, wofür vorliegend angesichts der Übertragung des Tierbestandes von Frau A.F. an den Antragsteller (s. Anlage A 2 der Antragsschrift vom 17.1.2020) trotz des gleichwohl bestehenden und oben bereits dargestellten Interesses von Frau A. F. an allen Tieren ausreichend Anhaltspunkte bestehen. Zudem dient die Maßnahme dazu, die bestehenden tierschutzwidrigen Zustände zu beseitigen und künftige Verstöße zu vermeiden. Denn haben sich im Verantwortungsbereich bereits Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorgaben ereignet, kann mangels gegenteiliger Anhaltspunkte von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden. Die Voraussetzungen für ein Eingreifen sind gegeben, sobald eines der durch § 2 TierSchG geschützten Verhaltensbedürfnisse erheblich zurückgedrängt wird bzw. objektive Anhaltspunkte einen entsprechenden Verdacht begründen. Es genügt, wenn – wie hier – einzelne Gebote aus § 2 TierSchG für einen längeren Zeitraum und/oder in besonders intensiver Form verletzt worden sind. Die Gefahr von Schmerzen, Leiden oder Schäden reicht aus. Bei zahlreichen oder schwerwiegenden tierschutzrechtlichen Verstößen kann ein Haltens- oder Betreuungsverbot auch dann ausgesprochen werden, wenn den Tieren nur deshalb keine oder weniger Schmerzen, Leiden oder Schäden entstanden sind, weil das Veterinäramt mit der Vergangenheit durch entsprechende Anordnungen teilweise rechtzeitig entgegenwirken konnte, diese Maßnahmen aber gleichwohl zu keiner nachhaltigen Verbesserung der Tierhaltung geführt haben. Die Tierschutzbehörde muss nicht sehenden Auges warten, bis den Tieren, nachdem weniger belastende Einzelanordnungen keine nachhaltige Besserung der Pferdehaltung erbracht haben, weiter erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt werden (vgl. Hirt/Maisak/Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2018, § 16a Rn. 2, 13 f., 21. f., 45 ff. mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung).
Die Maßnahme ist auch konkret in Bezug auf den Antragsteller rechtmäßig.
Der Antragsteller als Eigentümer der streitgegenständlichen Katzen hat trotz regelmäßiger Besuche der Haltungseinheit nichts Durchgreifendes unternommen, um die tierschutzwidrigen Zustände und die tierschutzwidrige Behandlung zu unterbinden. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die in den verschiedenen Verfahren geäußerte Meinung des Antragstellers, die Tiere seien ordnungsgemäß gehalten worden, nicht geeignet ist, die fachlich kompetente Beurteilung der Tierhaltung durch die Amtstierärzte in Frage zu stellen. Ebenso wenig ist das Vorbringen, die tierärztlichen Stellungnahmen seien wegen Verstoßes gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens teilweise nicht verwertbar und der pauschale Vorwurf wiederholter und grober bzw. gravierender Verstöße sei erkennbar konstruiert und durch den öffentlichen Druck aus der Nachbarschaft bedingt, geeignet, begründete Zweifel an der vorrangigen Beurteilungskompetenz der beamteten Tierärzte hervorzurufen. In diesem Zusammenhang wird auf die Ausführungen des Gerichts in seinem Beschluss vom 6. Februar 2020 im Verfahren der von Frau A.F. W 8 S 19.1689 Bezug genommen. Das Einschreiten der Behörde beruht auf ihren eigenen tragenden Feststellungen und ist nach den obigen Ausführungen rechtmäßig.
Entsprechendes gilt im Zusammenhang mit der von der Antragstellerseite geltend gemachten Unvollständigkeit des Akteninhalts. Die sich aus § 99 Abs. 1 VwGO für die Behörde grundsätzlich ergebende Pflicht zur Aktenvorlage kann durch das um Information nachsuchende Gericht nicht erzwungen werden. Eine unberechtigte Weigerung der Behörde wäre bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen (Kopp/Schenke, VwGO, 25. Auflage 2019, § 99 Rn. 7), wofür hier jedoch angesichts der grundsätzlich erfolgten Aktenübermittlung durch den Antragsgegner und der obigen Ausführungen kein Anlass bestand. Ebenso wenig bestand hierdurch Anlass, an der vorrangigen Beurteilungskompetenz der beamteten Tierärzte zu zweifeln.
Die getroffene Maßnahme ist auch ermessensfehlerfrei und verhältnismäßig. Es ist kein geeignetes milderes Mittel ersichtlich, als die Tierhaltung für die Antragstellerin durch eine andere Person auf ihrem Anwesen generell auf Dauer zu untersagen, um tierschutzwidrige Zustände zu beseitigen und in Zukunft zu vermeiden. Insbesondere ist hier zu berücksichtigen, dass der Antragsteller auf dem streitgegenständlichen Anwesen nur seinen Zweitwohnsitz hat und kein generelles Haltungsverbot gegenüber dem Antragsteller ausgesprochen wurde, sondern nur in Bezug auf die Haltung von Tieren für Frau A.F. auf deren Anwesen.
Abgesehen davon spricht auch eine reine Interessenabwägung für die Aufrechterhaltung des Sofortvollzugs. Denn die sofortige Vollziehung der im streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Maßnahme ist zur Herstellung tierschutzgemäßer Zustände im überwiegenden öffentlichen Interesse geboten. Nach den Umständen des vorliegenden Einzelfalles ist es nicht verantwortbar, dass für Frau A. F. auf deren Anwesen hier konkret durch den Antragsteller bis zur eventuellen Bestandskraft des Bescheids weiterhin Tiere gehalten werden. Im Rahmen der zu treffenden Güterabwägung ist der nicht zu verkennende Nachteil, den die getroffenen Anordnungen dem Antragsteller auferlegen, nicht schwerer zu gewichten als das entgegenstehende öffentliche Interesse. Dem Grundrecht des Antragstellers aus Art. 2 GG steht das Tierwohl, das ebenfalls durch das Grundgesetz geschützt ist (Art. 20a GG), entgegen. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung einer Klage, weil es darum geht, eine sachgerechte Betreuung und Versorgung der Tiere entsprechend der tierschutzrechtlichen Vorgaben ab sofort sicherzustellen und die Tiere vor (weiteren) Schmerzen oder vermeidbaren Leiden und Schäden zu bewahren. Bei einer Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache würde der Antragsteller sein bisheriges tierschutzwidriges Verhalten aller Voraussicht nach fortsetzen und die berechtigten Belange der Allgemeinheit zusätzlich gefährden. Diese Annahme begründet sich auch darin, dass es dem Antragsteller bislang nicht gelungen ist, eine tierschutzgerechte Haltung der Tiere zu gewährleisten. In Obhut von Menschen gehaltene Tiere sind aber auf deren ausreichende Pflege, Versorgung und Schutz angewiesen (vgl. OVG LSA, B.v. 27.10.2017 – 3 M 240/17 – juris).
Der Antrag war daher abzulehnen.
2.2 Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung des Bescheids vom 18. Dezember 2019 (soweit die im Neubau gehaltene Haltungseinheit Katzen mit dem hier gehaltenen Bestand betroffen ist) ebenfalls schon mangels Antragsbefugnis unzulässig. Adressatin der betreffenden Anordnung ist Frau A. F., nicht der Antragsteller. Eine dingliche Wirkung auf den Antragsteller und damit dessen unmittelbare rechtliche Betroffenheit sind nicht ersichtlich. Im Übrigen müsste eine Entscheidung über eine Duldung der Fortnahme und Unterbringung der streitgegenständlichen Tiere gegenüber dem Antragsteller und Frau A. F. als Anordnungsadressatin nicht zwingend einheitlich ergehen (vgl. OVG Bremen, B.v. 29.10.2018 – 1 B 230/18 – juris).
Der Antrag war daher abzulehnen.
3. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die Beigeladenen haben ihre außergerichtlichen Kosten mangels Antragsstellung gemäß § 154 Abs. 3 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO selbst zu tragen.
4. Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 63 Abs. 2 GKG. Abgesehen davon, dass dem Gericht Angaben zum gegenwärtigen Wert der streitgegenständlichen Tiere nicht vorliegen, geht es dem Antragsteller offensichtlich nicht allein um das wirtschaftliche Interesse, sondern auch um ein darüber hinausgehendes ideelles Interesse an den Tieren. Des Weiteren sieht das Gericht die einzelnen angegriffenen Maßnahmen als eine Einheit an, die sich nicht streitwerterhöhend auswirken. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte geht das Gericht daher für das streitgegenständliche Begehren vom Auffangwert von 5.000,00 EUR aus, der nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes üblicherweise zu halbieren ist, so dass im gegenständlichen Verfahren ein Streitwert von 2.500,00 EUR festzusetzen war.


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