Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage eines nigerianischen Asylbewerbers auf Erteilung einer Erlaubnis für die Ausübung einer Beschäftigung

Aktenzeichen  Au 6 K 17.1271

Datum:
22.11.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 15 Abs. 2 Nr. 6, § 61 Abs. 2
AufenthG AufenthG § 3
PassG PassG § 6, § 15

 

Leitsatz

1. Ermessenserwägungen, die die Ablehnung der Beschäftigungserlaubnis maßgeblich auf die fehlende Identitätsklärung und die Passlosigkeit stützen, sind rechtsfehlerfrei. (Rn. 24 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es entspricht migrationspolitischen öffentlichen Belangen, die Verwurzelung von Personen ohne oder mit geringer Bleibeperspektive zu verhindern. (Rn. 30 – 38) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für die Ausübung einer Beschäftigung noch auf Neuverbescheidung seines Antrags, da keine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt und die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht rechtswidrig ist und ihn daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).
I.
Ein Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis für die Ausübung einer Beschäftigung besteht nicht.
Anspruchsgrundlage der begehrten Erlaubnis kann, da sich der Kläger noch im laufenden Asylverfahren befindet, nur § 61 Abs. 2 AsylG sein. Danach kann einem Asylbewerber, der sich seit drei Monaten gestattet im Bundesgebiet aufhält, die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist. Die Vorschrift regelt insofern eine Ausnahme und benennt die Voraussetzungen, unter denen einem Asylbewerber abweichend vom generellen Erwerbstätigkeitsverbot nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG die Aufnahme einer Beschäftigung im Sinne einer nichtselbstständigen Arbeit gestattet werden kann (§ 4 Abs. 3 Satz 3 AufenthG).
Die Entscheidung über die Erlaubnis liegt jedoch im Ermessen der Behörde („kann“). Die Vorschrift des § 61 Abs. 2 AsylG eröffnet der Behörde damit mehrere Entscheidungsalternativen. Ein Asylbewerber hat also selbst bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen grundsätzlich keinen Anspruch auf die Erlaubnis, sondern lediglich auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Damit könnte sich ein zwingender Anspruch des Klägers nur dann ergeben, wenn das Ermessen im konkreten Einzelfall auf Null reduziert wäre. Eine solche Reduzierung des Ermessens auf Null kommt in den Fällen in Betracht, in denen die Entscheidung deshalb alternativlos ist, weil sich keine andere Entscheidung mit dem Zweck der Ermächtigung begründen ließe (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage 2016, § 40 Rn. 71).
Hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Gründe, die im vorliegenden Fall zu einer Ermessensreduzierung auf Null führten, hat der Kläger weder vorgetragen noch sind solche Gründe ersichtlich. Die vom Kläger geltend gemachten positiven Gesichtspunkte wie seine bisherige Beschäftigung und sein mehrjähriger Aufenthalt führen nicht zu einer Alternativlosigkeit der behördlichen Entscheidung. Die Erhaltung einer menschenwürdigen Existenz des Klägers auch ohne Beschäftigung ist durch Sozialleistungen (in Form des Asylbewerberleistungsgesetzes – AsylbLG) gesichert. Ein besonderer Härtefall ist beim Kläger ebenfalls nicht ersichtlich, vielmehr findet er sich in einer Lage, die mit derjenigen vieler anderer Asylbewerber vergleichbar ist. Insbesondere ist die Dauer seines zweieinhalbjährigen Asylverfahrens in Hinblick auf die stark gestiegene Zahl der Asylanträge in den letzten Jahren, den damit verbundenen Arbeitsaufwand der zuständigen Behörden und das vom Kläger eingeleitete gerichtliche Verfahren noch nicht derart unangemessen lang, dass dem Kläger aus diesem Grund ein weiteres Abwarten der gerichtlichen Entscheidung über seinen Asylantrag unter Bezug von Sozialhilfeleistungen nicht mehr zumutbar wäre. Sonstige besondere Härten für den Kläger sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
II.
Ein Anspruch des Klägers auf Neuverbescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Erlaubnis für die Ausübung einer Beschäftigung besteht ebenfalls nicht.
Die Ermessensentscheidung des Beklagten ist im gerichtlichen Verfahren nur eingeschränkt überprüfbar. Die gerichtliche Prüfungsdichte bemisst sich nach der Regelung des § 114 VwGO, was im Wesentlichen zur Folge hat, dass die Entscheidung lediglich daraufhin zu überprüfen ist, ob überhaupt eine Ermessensentscheidung getroffen wurde, ob in diese Ermessensentscheidung alle maßgeblichen und keine unzulässigen Erwägungen Eingang gefunden haben und ob einzelne Belange entgegen ihrer objektiven Wertigkeit in die Abwägung eingestellt worden sind. Im Rahmen des § 61 Abs. 2 AsylG müssen die Ermessenserwägungen asyl- und aufenthaltsrechtlich erheblichen Zwecken dienen. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist die Ermessensentscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden, sodass der Kläger auch keinen Anspruch auf eine erneute ermessensfehlerfreie Verbescheidung hat.
1. Dabei hat der Beklagte die maßgeblichen positiven Belange des Klägers, insbesondere seine bisherigen Beschäftigungszeiten und seinen bisherigen zweieinhalbjährigen Aufenthalt in der Bundesrepublik, erkannt und ermessensfehlerfrei in die Abwägung eingestellt.
2. Der Beklagte hat die Ablehnung der Beschäftigungserlaubnis rechtsfehlerfrei maßgeblich auf die fehlende Identitätsklärung und Passlosigkeit des Klägers gestützt.
Die Identität des Klägers ist nach wie vor ungeklärt. Alle Daten zu seiner Person beruhen auf seinen Angaben; objektive Beweise hierfür liegen nicht vor. Er ist nicht nur ohne Pass und damit unter Verstoß gegen die nach § 3 AufenthG grundsätzlich für alle Ausländer im Bundesgebiet geltende Passpflicht eingereist, sondern er hat auch bis heute keinen Pass oder sonst ein Identitätsdokument vorgelegt.
Nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG ist er jedoch im Fall des Nichtbesitzes eines gültigen Passes oder Passersatzes verpflichtet, an der Beschaffung eines Identitätspapiers mitzuwirken. Dies gilt bereits im laufenden Asylverfahren, anderenfalls liefe die Regelung des § 15 AsylG leer. Als zumutbare Mitwirkung an der Beschaffung eines Identitätspapiers gilt weiter, in der den Bestimmungen des deutschen Passrechts, insbesondere den § 6 und § 15 PassG, entsprechenden Weise an der Ausstellung mitzuwirken und die Behandlung eines Antrags durch die Behörden des Herkunftsstaats nach dessen Recht zu dulden, sofern dies nicht zu einer unzumutbaren Härte führt. Zumutbar ist es danach insbesondere, in einem Antrag alle Tatsachen anzugeben, die zur Feststellung der Identität der Person und seiner Eigenschaft als Staatsangehöriger seines Herkunftsstaats notwendig sind und die entsprechenden Nachweise zu erbringen (vgl. zur Passbeschaffung BayVGH, B.v. 14.4.2014 – 10 C 12.498 – juris Rn. 8 m.w.N.). Die Zumutbarkeit beurteilt sich darüber hinaus nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BayVGH a.a.O. Rn. 9), wobei der Ausländer an allen Handlungen mitwirken muss, die die Behörden zulässigerweise von ihm verlangen. Die behördlichen Hinweise müssen so gehalten sein, dass für den Ausländer hinreichend erkennbar ist, welche Schritte er zu unternehmen hat; ein bloßer allgemeiner Verweis auf bestehende Mitwirkungspflichten oder die Wiedergabe des Gesetzestextes wird diesen Anforderungen nicht gerecht. In aller Regel ist die Behörde angesichts ihrer organisatorischen Überlegenheit und sachlichen Nähe, ihrer Kontakte und Kenntnisse besser in der Lage, die bestehenden Möglichkeiten zu erkennen und die entsprechenden Schritte in die Wege zu leiten. Daher hat in erster Linie die Ausländerbehörde nach Möglichkeiten für die Beseitigung von Hindernissen zu suchen. Der Ausländer ist aber auch gehalten, eigenständig die Initiative zu ergreifen. Eine Grenze bildet dabei die Frage, welche Möglichkeiten ihm bei objektiver Betrachtungsweise bekannt sein können. Der Ausländer und die Behörde müssen sich gemeinsam um die Beseitigung von Hindernissen kümmern; ihre Pflichten stehen in einem Verhältnis der Wechselseitigkeit. Keine Seite kann von der anderen verlangen, dass diese allein sich um die Beseitigung bestehender Hindernisse bemüht (vgl. BayVGH, B.v. 14.10.2011 – 19 C 11.1664 – juris Rn. 6).
Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn nicht allein die Beschaffung eines Passes durch Beantragung bei den Behörden des Herkunftslandes verlangt wird, sondern die Vorlage bereits existierender Passpapiere und Dokumente, die zur Identitätsklärung beitragen. Regelmäßig ist der Ausländer in derartigen Fällen indes verstärkt zur Eigeninitiative verpflichtet. Denn er hat insoweit regelmäßig einen Wissensvorsprung vor der Ausländerbehörde, da er selbst am besten weiß, zu welchen Personen, Behörden und sonstigen Stellen er im Heimatland bzw. in Drittländern Kontakt hat oder – ggf. über Vermittlung weiterer Personen – in Kontakt treten kann und welche dieser Personen, Behörden oder sonstigen Stellen identitätsklärende Dokumente besitzen oder diese für den Ausländer beschaffen können. Anders als bei den Voraussetzungen einer Neubeantragung eines Passes, bei der regelmäßig die Ausländerbehörde als Fachbehörde über die genauen Erteilungsvoraussetzungen besser informiert ist als der Ausländer und diesen folglich regelmäßig hierüber zu informieren hat, kann von einem Ausländer, der entgegen dem grundsätzlichen Erwerbstätigkeitsverbot während des Asylverfahrens ausnahmsweise eine Beschäftigungserlaubnis begehrt, im Rahmen der Ermessensentscheidung erwartet werden, dass er zumutbare Bemühungen zur Identitätsklärung nach Belehrung über seine Mitwirkungspflichten auch in Eigeninitiative ergreift. Dies gilt umso mehr, wenn der Ausländer selbst vorträgt, noch Verwandte im Heimatland zu haben.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger keinerlei ernsthafte Bemühungen nachgewiesen, identitätsklärende Dokumente zu beschaffen, beispielsweise über seine noch in Nigeria wohnhafte Mutter, von seinem ehemaligen Arbeitgeber während seiner dortigen Ausbildung zum Schweißer, von den von ihm über viele Jahre besuchten Schulen (Primary und Secondary School) oder von der katholischen Kirche in Nigeria (beispielsweise Taufschein des katholischen Klägers). Derartige Dokumente wären möglicherweise geeignet, die Angaben des Klägers über seine Identität zu stützen. Dass dem Kläger die Kontaktaufnahme mit diesen Personen und Institutionen wegen seiner Schwierigkeiten mit anderen Stammesangehörigen unmöglich oder unzumutbar wäre, ist nicht ersichtlich. Insbesondere zu seiner Mutter hat der Kläger nach eigenen Angaben Kontakt. Eine etwaige Gehbehinderung der Mutter mag diese zwar an Behördengängen hindern, nicht jedoch an der Vermittlung weiterer Kontaktpersonen für den Kläger und an der Erledigung notwendiger organisatorischer (Vermittlungs-)Aufgaben. Der Kläger hat weder vorgetragen noch ist ersichtlich, dass er überhaupt versucht hat, über seine Mutter oder über andere Personen Kontakt mit Behörden, Institutionen oder Personen, die zur Identitätsklärung beitragen könnten, aufzunehmen. Da der Kläger im Asylverfahren keine staatliche Verfolgung geltend macht, sondern lediglich eine Verfolgung durch andere Dorfbewohner seines Stammes, ist ihm ferner eine Passbeantragung bei der nigerianischen Botschaft zumutbar. Zwar hat der Beklagte soweit ersichtlich im vorliegenden Fall dem Kläger nicht die einzelnen Handlungsschritte zur Passbeschaffung aufgezeigt. Dies war im konkreten Einzelfall indes nicht nötig, weil der Kläger in Eigeninitiative die nigerianische Botschaft in Berlin aufgesucht hat und er dort über die notwendigen Schritte für eine Passbeantragung (insbesondere die Vorlage einer Geburtsurkunde) informiert wurde. Das Aufsuchen der nigerianischen Botschaft durch den Kläger ist zwar als erster Schritt, nicht jedoch als hinreichende Mitwirkungshandlung des Klägers zu werten. Es ist offenkundig, dass die nigerianische Botschaft – wie höchstwahrscheinlich jede andere Botschaft eines Drittstaates auch – keine Passausstellung initiiert, wenn in ihrer Botschaft eine Privatperson erscheint, die keinerlei Identitätspapiere vorweist. Dies musste auch der Kläger wissen. Das Aufsuchen der nigerianischen Botschaft ohne Identitätspapiere kann daher nicht als ernsthafter Versuch der Passbeschaffung wesentlich positiv berücksichtigt werden. Es läge vielmehr am Kläger, sich um den Erhalt oder um die Neuausstellung einer Geburtsurkunde zu bemühen, mit der dann ein nigerianischer Pass beantragt werden kann. Zu seiner Geburtsurkunde hat der Kläger indes widersprüchliche Angaben gemacht: Gab er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt noch an, eine Geburtsurkunde ausgestellt bekommen zu haben („Ich hatte eine Geburtsurkunde“, Bl. 121 der Behördenakte), schrieb er dem Beklagten, dass seine (Haus-)Geburt nie von staatlichen Stellen registriert wurde („Aus diesem Grund wurde meine Geburt von keiner staatlichen Stelle registriert“, Bl. 95 der Behördenakte). Im Rahmen seiner Klagebegründung führte der Klägerbevollmächtigte wiederum aus, die früher im Besitz des Klägers befindliche Geburtsurkunde sei nicht auffindbar (Bl. 11 der Gerichtsakte). In der mündlichen Verhandlung stellte sich der Kläger erneut auf den Standpunkt, nie eine Geburtsurkunde besessen zu haben. Die sich auch aus diesen Widersprüchen ergebenden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bemühungen um eine Identitätsklärung hat der Kläger bisher nicht ausgeräumt. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, weshalb eine Hausgeburt die Ausstellung einer Geburtsurkunde und daran anknüpfend eine Passbeschaffung hindert. Hausgeburten kommen sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in wohl deutlich größerer Anzahl in Nigeria vor. Es ist nicht davon auszugehen, dass bei einer Hausgeburt eine Registrierung und Ausstellung einer Geburtsurkunde nicht auch im Nachhinein möglich ist und dass nur im Krankenhaus geborene Kinder die Möglichkeit zum Erhalt einer Geburtsurkunde und basierend hierauf auch eines Passes haben. Vielmehr hat sich der Kläger nach Überzeugung des Gerichts bisher nur nicht nachhaltig und ernsthaft um seine Identitätsklärung und Passbeschaffung bemüht.
3. Die der Versagung der Beschäftigungserlaubnis ebenfalls zu Grunde gelegte Ermessenserwägung der geringen Bleibeperspektive des Klägers ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Gegen die Berücksichtigung migrationspolitischer Erwägungen ist nichts zu erinnern. Es entspricht migrationspolitischen öffentlichen Belangen, die Verwurzelung von Personen ohne oder mit geringer Bleibeperspektive zu verhindern. Daher ist es auch zulässig, die Verfestigung eines Aufenthalts bei Asylbewerbern nicht zu unterstützen, solange ihr endgültiges Bleiberecht nicht feststeht. Um Fehlanreize zur Stellung aussichtsloser Asylanträge mit dem Ziel einer Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik zu vermeiden, sind solche Erwägungen zulässigerweise in die Entscheidung nach § 61 Abs. 2 AsylG miteinzubeziehen (VG Augsburg, B.v. 9.5.2017 – Au 1 K 17.75 Rn. 23; U.v. 13.6.2017 – Au 1 K 17.101; Neundorf in Kluth/Heusch, Beck´scher Online Kommentar Ausländerrecht, Stand: 1.2.2017, § 61 Rn. 12).
a) Es ist in Hinblick auf die Bleibeperspektive des Klägers grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die den Asylantrag ablehnende Entscheidung des Bundesamts als Fachbehörde als Indiz für die Bleibeperspektive herangezogen wird.
Dabei hat sich die Ausländerbehörde ermessensfehlerfrei an den Vollzugshinweisen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 1. September 2016 (IMS IA2-2081-1-8-19) orientiert. Danach kann als Umstand gegen die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis berücksichtigt werden, dass – wie hier – der Asylantrag durch das Bundesamt abgelehnt wurde (2.2.2 Buchstabe b der Vollzugshinweise). Der Beklagte hat dabei nicht verkannt, dass das Asylverfahren des Klägers noch nicht bestandskräftig abgeschlossen ist – § 61 Abs. 2 AsylG ist schließlich nur im laufenden Asylverfahren anwendbar. Nach der in der Rechtsprechung vorherrschenden Vollziehbarkeitstheorie hemmt die aufschiebende Wirkung einer Klage nach § 38 Abs. 1, § 75 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 1 VwGO indes lediglich die Vollziehung des Bescheids, lässt dessen Wirksamkeit jedoch unberührt (BayVGH, U.v. 15.3.2010 – 1 BV 08.3157 – juris Rn. 25; BVerwG, U.v. 27.10.1982 – 3 C 6/82 – juris Rn. 23). Die aufschiebende Wirkung soll als Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes verhindern, dass durch die Vollziehung des noch nicht bestandskräftig gewordenen Verwaltungsakts vollendete Tatsachen geschaffen werden und dadurch ein effektiver Rechtsschutz vereitelt wird, wofür es nicht der vorläufigen Unwirksamkeit des Bescheids, sondern lediglich der Hemmung der Vollziehbarkeit bedarf. Die Rechtswirkungen des Verwaltungsakts, die vor seiner Anfechtung bereits eingetreten waren, bleiben auflösend bedingt wirksam. Die Bleibeperspektive einer vom Bundesamt abgelehnten Person ist daher, solange der ablehnende Bescheid des Bundesamts wirksam ist, schlecht. Es ist dabei auch nicht Aufgabe der Ausländerbehörde (und auch nicht des hier erkennenden Gerichts), diese Entscheidung des Bundesamts im Rahmen eines Verfahrens zur Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis inhaltlich zu überprüfen (in diese Richtung jedoch VG Würzburg, B.v. 22.8.2017 – W 1 E 17.33120 – juris Rn. 18). Die Überprüfung des wirksamen, aber nicht vollziehbaren ablehnenden Bescheids des Bundesamts erfolgt ausschließlich durch den für die Klage gegen den ablehnenden Bescheid zuständigen Einzelrichter oder durch die hierfür zuständige Kammer. Lediglich im Ausnahmefall, wenn augenfällig ist, dass dem Asylsuchenden internationaler oder nationaler Schutz zusteht, darf die ablehnende Entscheidung des Bundesamts wohl nicht als negativer Ermessensgesichtspunkt berücksichtigt werden. Es obliegt jedoch dem durch wirksamen Bescheid abgelehnten Asylbewerber, einen derartigen Ausnahmefall substantiiert darzulegen.
Nach Ablehnung des Asylantrags durch das Bundesamt mit Bescheid vom 25. April 2017 besteht derzeit im vorliegenden Fall konkret eine schlechte asylrechtliche Bleibeperspektive. Ein Ausnahmefall, in dem offensichtlich wäre, dass dem Kläger internationaler oder nationaler Schutz zustünde und deshalb der wirksame Bescheid des Bundesamts unberücksichtigt bleiben müsste, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) Das Gericht hat des Weiteren keine Zweifel daran, dass auch die abstrakt niedrige Anerkennungsquote von Asylanträgen für Nigeria nach den Statistiken des Bundesamts ein geeignetes Ermessenskriterium ist (dagegen VG München, B.v. 9.8.2017 – M 9 E 17.3293 – juris Rn. 28 ff.). Offenbleiben kann hierbei die Frage, ob eine Ablehnung einer Beschäftigungserlaubnis auch dann ermessensfehlerfrei ist, wenn sich die Ablehnung allein auf die Anerkennungsquoten des Bundesamts stützt. Jedenfalls dann, wenn die Statistik des Bundesamts sich auf einen längeren Entscheidungszeitraum bezieht und als weiterer Aspekt neben andere, maßgelbliche Ablehnungsgründen (hier: mangelnde Identitätsklärung und ablehnender Bescheid des Bundesamtes) tritt, ist gegen die Einbeziehung der Anerkennungsquoten nichts zu erinnern.
(1) Aus den Vollzugshinweisen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr vom 1. September 2016 (IMS IA2-2081-1-8-19) ergibt sich – unabhängig von deren fehlenden Bindungswirkung in Bezug auf das gerichtliche Verfahren – nichts anderes (so aber VG München, B.v. 9.8.2017 – M 9 E 17.3293 – juris Rn. 34). Zwar werden in den Vollzugshinweisen eine generell in Bezug auf das entsprechende Herkunftsland hohe Anerkennungsquote des Bundesamts als positiver Umstand und eine Ablehnung des Asylantrags im konkreten Fall als ein negativer Umstand genannt. Daraus ergibt sich jedoch kein Umkehrschluss, dass eine niedrige Anerkennungsquote für das jeweilige Herkunftsland nicht berücksichtigt werden darf.
Denn zum einen sind die Vollzugshinweise vom 1. September 2016 bewusst nicht abschließend formuliert, wenn es heißt (Unterstreichungen nicht im Original): „Dabei können insbesondere folgende (nicht abschließende) Umstände berücksichtigt werden.“
Zum anderen hat das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr mit Schreiben vom 19. Dezember 2016 (IMS Az.: IA2-2081-1-8-19) in Bezug auf die Vollzugshinweise vom 1. September 2016 nochmals ausdrücklich klargestellt, dass auch eine niedrige Anerkennungsquote des Bundesamts berücksichtigt werden darf (Unterstreichungen nicht im Original): „Einen wesentlichen Gesichtspunkt bei der Ermessensausübung stellt die aktuelle Anerkennungsquote des BAMF für den Herkunftsstaat des jeweiligen Asylbewerbers (also dessen Bleibewahrscheinlichkeit) dar. Ist aufgrund hoher Anerkennungsquote ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten, spricht dies für die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis. Eine hohe Bleibewahrscheinlichkeit besteht derzeit bei Asylbewerbern aus Eritrea, Irak, Iran, Somalia und Syrien; Aktualisierungen dieser Asylbewerbergruppe erfolgen durch das BAMF im Wege seiner Trägerrundschreiben (s. Ziff. 2.2.2 Buchst. a des IMS vom 01.09.2016). Umgekehrt kommt einer geringen Anerkennungsquote im Rahmen der Ermessensausübung zulasten des Asylbewerbers umso mehr Gewicht zu, je niedriger die Quote ist. In Fällen geringer Anerkennungsquote spricht die migrationspolitische Erwägung, dass mit dem Stellen wahrscheinlich aussichtsloser Asylanträge nicht das Ziel einer Beschäftigung in Deutschland verfolgt werden kann, dafür, den Antrag des Asylbewerbers auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis abzulehnen (vgl. Neundorf in Kluth/Heusch, Beck’scher Online-Kommentar Ausländerrecht, 11. Edition [Stand: 15.08.2016], § 61 AsylG Rn. 17; Grünewald in GK AsylVfG, Bd. 3, § 61 Rn. 25 und 27 [Stand: 01/2005]).“
(2) Auch der Umstand, dass sich im Einzelfall im Gerichtsverfahren eine vom Bundesamt abweichende Beurteilung – beispielsweise durch Hinzutreten bisher nicht bekannter oder neu eingetretener Umstände – ergeben kann und daher die Statistik des Bundesamts nicht das gerichtliche Verfahren präjudiziert, führt nicht zu einer generell fehlenden Aussagekraft der Statistiken des Bundesamts (so aber VG München, B.v. 9.8.2017 – M 9 E 17.3293 – juris Rn. 33 ff.). Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die – wie hier – geringe Anerkennungsquote des Bundesamts in Bezug auf Nigeria regelmäßig durch erfolgreiche Gerichtsverfahren nigerianischer Staatsangehöriger derart korrigiert würde, dass sich insgesamt unter Berücksichtigung der erfolgreich erhobenen Klagen eine zumindest hinreichend wahrscheinliche Bleibeperspektive ergebe. Dies ist insbesondere in Hinblick auf die Klagen alleinstehender, gesunder Männer mit nigerianischer Staatsangehörigkeit wie dem Kläger nach Erfahrung des Gerichts regelmäßig nicht der Fall. Den Statistiken des Bundesamts sind daher, auch wenn sie die gerichtlichen Entscheidungen soweit ersichtlich nicht berücksichtigen, hinreichend genau, dass sie als Ermessenserwägung für die Bleibeperspektive herangezogen werden können. Dies gilt jedenfalls für Länder, für die die Anerkennungsquote schon nach den Statistiken des Bundesamts besonders niedrig ist und sich im niedrigen zweistelligen oder einstelligen Prozentbereich bewegt.
(3) Es ist Statistiken, Prognosen und Wahrscheinlichkeitsrechnungen ferner immanent, dass sie zwar im Regelfall, nicht aber in jedem konkreten Einzelfall die zukünftigen Entwicklungen korrekt vorhersagen. Bei Anwendung eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs auf die jeweiligen Einzelfälle ist es daher sogar zwingend, dass bei einer hypothetischen Betrachtung von 100 Einzelfällen der Ausgang einiger Verfahren vom Ausgang der Mehrzahl der Verfahren abweicht (siehe hierzu VG München, B.v. 9.8.2017 – M 9 E 17.3293 – juris Rn. 33). Ansonsten handelt es sich nicht um eine Statistik oder Prognose. Dies führt jedoch nicht dazu, dass ein Abstellen auf Statistiken und auf Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe deswegen grundsätzlich ungeeignet oder sachfremd und damit ermessensfehlerhaft ist. Die Heranziehung der – soweit ersichtlich einzig verfügbaren – Statistik des Bundesamts dient der migrationspolitischen Erwägung, dass Staatsangehörige aus Ländern mit geringer Anerkennungsquote ihren derzeit unerlaubten Aufenthalt, der in der Mehrzahl der Fälle mit einer Ausreiseverpflichtung enden wird, nicht durch eine wirtschaftliche Integration verfestigen. Dieser Erwägung darf der Beklagte ermessensfehlerfrei den Vorrang einräumen gegenüber dem Interesse der statistisch wenigen – hier nigerianischen – Asylbewerber, die entgegen dem allgemeinen Trend ein Aufenthaltsrecht nach Abschluss des Asylverfahrens erlangen werden und schon während ihres Asylverfahrens erwerbstätig sein wollen. Die sich durch ein Abstellen auf Statistiken ergebene Mehrbelastung für diejenigen, die entgegen der Prognose als Bleibeberechtigte anerkannt werden, ist als nicht besonders schwere Belastung hinzunehmen. Zum einen wird das Beschäftigungsverbot durch die dem Asylbewerber gewährten Sozialleistungen sozial abgefedert und wirkt auch nur solange, bis das Asylverfahren – anders als in der statistischen Mehrheit der Fälle – für den Asylbewerber positiv beendet wurde. Zum anderen bleibt es dem Asylbewerber unbenommen, substantiiert darzulegen, warum er einer der wenigen Ausnahmefälle ist, deren Asylverfahren entgegen der Mehrzahl der Verfahrensausgänge abgeschlossen werden wird. Auch stellen die Statistiken des Bundesamtes wie bereits erläutert regelmäßig nicht den einzigen negativen Ermessensgesichtspunkt dar, so dass auch für einen Asylbewerber aus einem Herkunftsstaat mit geringer Anerkennungsquote bei Fehlen weiterer negativer Ermessensgesichtspunkte und Vorliegens für ihn positiver Ermessenserwägungen die Möglichkeit der Erwerbstätigkeit besteht. Mithin kommt es durch die Einbeziehung der Anerkennungsquoten des Bundesamts nicht zu einem absoluten Erwerbstätigkeitsverbot, das im Umkehrschluss zu § 61 Abs. 1, Abs. 2 Satz 4 AsylG unzulässig wäre.
(4) Im vorliegenden Fall enden nach längerfristigen Erhebungen des Bundesamts 85% bis 90% aller Asylverfahren nigerianischen Asylbewerber mit einer Antragsablehnung. In Hinblick auf männliche, alleinstehende und gesunde nigerianische Staatsangehörige ist die Anerkennungsquote nach Erfahrung des Gerichts sogar noch deutlich geringer. Ein Ausnahmefall, bei dem aufgrund besonderer Umstände die Statistik nicht aussagekräftig ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Beklagte hat sich zudem nicht allein auf die Statistik des Bundesamtes gestützt, sondern hat auch weitere Ermessenserwägungen herangezogen. Ermessensfehler liegen folglich nicht vor.
4. Das Fernziel einer Verhinderung einer Verfestigung des Aufenthalts nach § 60a Abs. 2 Satz 4 und 5 AufenthG hat nach Vorbringen des Beklagten dessen Ermessenserwägungen nicht beeinflusst. Somit ist nicht entscheidungserheblich, ob es sich hierbei um zulässige Ermessenserwägungen handelt (siehe hierzu VG München, B.v. 9.8.2017 – M 9 E 17.3293 – juris Rn. 36).
5. Fiskal- und arbeitspolitische Belange stellen für die Ermessensentscheidung des Beklagten keine asyl- und aufenthaltsrechtlich wesentlichen Belange dar, so dass der Beklagte unberücksichtigt lassen durfte, ob der Kläger bei Versagung der Beschäftigungserlaubnis wieder auf Sozialhilfeleistungen, z.B. nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, angewiesen sein wird und damit den Staatshaushalt belastet. Ebenso ist die allgemeine Arbeitsmarktsituation allenfalls von der Bundesagentur für Arbeit als Fachbehörde im Rahmen ihrer teilweise für die Beschäftigung nötigen Zustimmung zu prüfen. Für die Ausländerbehörde sind derartige Erwägungen regelmäßig nicht entscheidend und durften daher ermessensfehlerfrei unberücksichtigt bleiben. Ebenso verhält es sich mit den Auswirkungen von Erwerbstätigkeitsverboten auf das Wirtschaftswachstum, das Rentensystem und Forderungen der deutschen und bayerischen Wirtschaft. Der Kläger strebt des Weiteren auch keine qualifizierte Ausbildung bzw. eine qualifizierte Beschäftigung an, sondern lediglich die Anlernung als Schweißer bei einem Zeitarbeitsunternehmen. Hieraus ergibt sich kein wesentlich zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigender Umstand.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Gerichtskosten fallen nach § 83b AsylG nicht an. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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