Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage eines Palästinensers

Aktenzeichen  AN 17 K 17.33572

Datum:
19.11.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 45327
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 3 Abs. 1, Abs. 3, § 4 Abs. 1, § 38 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1. In Asylverfahren vorgelegte Dokumente können zwar einen glaubhaften Vortrag stützen, während ihnen, selbst bei Vorlage von Originalen, kein Beweiswert zukommt, wenn es an einem stimmigen und glaubhaften Vortrag mangelt. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Gewährung subsidiären Schutzes kommt unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich bei besonderer Verdichtung einer allgemeinen Gefahrenlage, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Maß erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein. (Rn. 32 – 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. 
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Das Gericht konnte trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beklagten über die Sache verhandeln und entscheiden, da die Beklagte ordnungsgemäß geladen und in der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann, § 102 Abs. 2 VwGO.
Die Klage ist zulässig, sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben. Aufgrund des Feiertages am 25. Mai 2017 ging die Klage am 26. Mai 2017 noch innerhalb der Klagefrist ein. Die Klage ist jedoch unbegründet, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO.
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1, 4 AsylG, weil es an einer begründeten Furcht vor Verfolgung fehlt. Der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft steht überdies § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG entgegen.
Ein Ausländer ist Flüchtling, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will, § 3 Abs. 1 AsylG. Nach § 3a Abs. 3 AsylG muss die Verfolgung an eines der flüchtlingsrelevanten Merkmale anknüpfen, die in § 3b Abs. 1 AsylG näher beschrieben sind, wobei es nach § 3b Abs. 2 AsylG ausreicht, wenn der betreffenden Person das jeweilige Merkmal von ihren Verfolgern zugeschrieben wird. Nach § 3c AsylG kann eine solche Verfolgung vom Staat (§ 3c Nr. 1 AsylG), von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG).
Maßstab für die Beurteilung der Furcht des Klägers vor Verfolgung als begründet im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG ist das Vorliegen einer tatsächlichen Gefahr („real risk“) der Verfolgung. Erforderlich ist also, dass dem Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit bei einer angenommenen Rückkehr Verfolgung droht (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 33/18 – juris Rn. 15, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32, U.v. 22.11.2011 – 10 C 29/10 – juris Rn. 23 ff., U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – juris Rn. 22). Die Bejahung einer solchen beachtlichen Wahrscheinlichkeit der Verfolgung setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 33/18 – juris Rn. 15; BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32). Damit kommt dem qualitativen Kriterium der Zumutbarkeit maßgebliche Bedeutung zu. Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, B.v. 7.2.2008 – 10 C 33.07 – juris Rn. 37; BayVGH, U.v. 12.12.2019 – 8 B 19.31004 – juris Rn. 23). Diesbezüglich gewährt Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikations-RL) eine Beweiserleichterung: Für Vorverfolgte wird vermutet, dass ihre Furcht vor Verfolgung begründet ist. Die Vermutung ist widerleglich. Hierfür sind stichhaltige Gründe erforderlich, die dagegen sprechen, dass dem Antragsteller eine erneute derartige Verfolgung droht (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 33/18 – juris Rn. 16).
Das Gericht muss auch in Asylstreitsachen die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Verfolgungsschicksals erlangen (vgl. BVerwG, B.v. 29.11.1996 – 9 B 293/96 – juris Rn. 2, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – juris, U.v. 12.11.1985 – 9 C 27/85 – juris), wobei allerdings der sachtypische Beweisnotstand hinsichtlich der Vorgänge im Verfolgerstaat angemessen zu berücksichtigen und deshalb den glaubhaften Erklärungen des Asylsuchenden größere Bedeutung beizumessen ist als dies sonst in der Prozesspraxis bei Parteibekundungen der Fall ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.11.1996 – 9 B 293/96 – juris Rn. 2 f., U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – juris, U.v. 12.11.1985 – 9 C 27/85 – juris). Dem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung kommt gesteigerte Bedeutung zu (vgl. BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109.84 – juris Rn. 16). Der Schutzsuchende hat sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darzulegen (vgl. VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris Rn. 35; HessVGH, U.v. 4.9.2014 – 8 A 2434/11.A – juris). Er hat die Gründe für seine Verfolgung schlüssig vorzutragen. Dazu hat er unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei verständiger Würdigung ergibt, dass ihm in seinem Heimatstaat Verfolgung droht (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405/89 – juris). Vom dem Asylsuchenden kann verlangt werden, dass er zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Asylanspruch lückenlos zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 19.3.1991 – 9 B 56/91 – juris, B.v. 26.10.1989 – 9 B 405/89 – juris; U.v. 8.5.1984 – 9 C 141/83 – juris). Erhebliche Widersprüche und Unstimmigkeiten im Vorbringen können dem entgegenstehen, es sei denn, diese können überzeugend aufgelöst werden (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris, U.v. 23.2.1988 – 9 C 273/86 – juris). An der Glaubhaftmachung fehlt es auch, wenn der Schutzsuchende sein Vorbringen im Lauf des Verfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät ins das Verfahren einführt (vgl. VGH BW, U.v. 27.8.2013 – A 12 S 2023/11 – juris).
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist das Gericht zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 AsylG) nicht davon überzeugt, dass dem Kläger im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsland mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG droht.
Die vom Kläger geschildete Verfolgung durch die Hamas können eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht begründen. Die Ausführungen des Klägers sind nach Überzeugung des Gerichts nicht glaubhaft. Der widersprüchliche, detailarme und von Steigerungen geprägte Vortrag des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal ist nicht schlüssig. Der Vortrag vor dem Bundesamt ist bereits zu pauschal und widersprüchlich. Doch auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der mündlichen Verhandlung kommt das Gericht zu keiner anderen Überzeugung. Unklar ist schon, weshalb der Kläger so wichtige Details zu den Verhaftungsversuchen wie etwa seine dabei erlittene Verletzung, das Untertauchen bei der Schwester und die Angabe, dass er bei dem zweiten Verhaftungsversuch nicht zu Hause gewesen sei, nicht bereits vor dem Bundesamt darlegte. Nicht schlüssig ist zudem, dass die Mutter des Klägers den zweiten Haftbefehl erst am 15. Juni 2014 um 16 Uhr erhalten haben will, auf dem Haftbefehl als Uhrzeit der Festnahme aber 9 Uhr angegeben ist. Nicht überzeugend sind außerdem die Angaben des Klägers zum Motiv der Hamas, ihn verhaften zu wollen. Der Kläger gab hierzu an, dass er für die Hamas habe arbeiten sollen, was er abgelehnt habe, weshalb ihn die Hamas habe verhaften wollen. Nachdem der Kläger auf die Frage, wie die Hamas ihn zur Mitarbeit aufgefordert habe, vor dem Bundesamt lediglich angab, dass die Hamas mit ihm darüber gesprochen habe und dass sie ihm mehrmals Probleme wegen seiner Haare oder seiner Kleidung gemacht hätten, er aber nie bei der Hamas gewesen sei, gibt er auf entsprechende Frage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung an, dass er Briefe von der Hamas erhalten habe. Diese Briefe seien die Haftbefehle, die er übergeben habe. Weitere Schreiben habe er nicht erhalten. Vor Übergabe der Haftbefehle habe ihn die Hamas nie kontaktiert, er sei aber vorher wegen seiner Kleidung und der Haare von Hamas angesprochen worden. Sind die Angaben des Klägers beim Bundesamt zur Aufforderung der Hamas, für diese zu arbeiten, bereits wegen ihrer Pauschalität und Widersprüchlichkeit unglaubhaft, so vermögen auch die diesbezüglichen Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht darzulegen, dass die Hamas den Kläger, wie er angegeben hat, aufgrund seiner Weigerung, für diese zu arbeiten, habe verhaften wollen. Der Kläger konnte ein Motiv für die Verhaftung gerade nicht glaubhaft darlegen. Abgesehen davon, vermag auch die Aussage des Klägers, dass ihn sein Vater überzeugt habe wegzugehen, da es dem Vater peinlich gewesen sei, dass diese Leute ständig bei ihm seien und nach dem Kläger gesucht hätten, die angegebene Angst, von der Hamas bei einer Rückkehr getötet zu werden, nicht zu stützen. Dem Kläger ist es, auch wenn er angibt, weiterhin von Hamas gesucht zu werden, nicht gelungen, unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern.
Auch die vorgelegten Haftbefehle, nach Angaben des Klägers ausgestellt durch die Hamas, vermögen das Gericht nicht vom Vorliegen einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung zu überzeugen. Unerheblich ist, dass nach Aussage der Beklagten nicht mehr nachvollziehbar sei, ob der Kläger beim Bundesamt Originale eingereicht habe und der Klägerbevollmächtigte angesichts dessen moniert, dass die Unauffindbarkeit nicht zu Lasten des Klägers gehen dürfe. Selbst wenn der Kläger die Originale dieser Bescheinigungen vorgelegt hätte, hätte dies an der Einschätzung des Gerichts nichts geändert. Zwar erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Hamas Formulare der Palästinensischen Autonomiebehörde verwendet. Die Hamas verfügt im Gazastreifen in allen Gesellschaftsbereichen de-facto die Kontrolle (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand: 29.4.2020, S. 16). Dennoch ist schon die Echtheit der Dokumente zweifelhaft. Auf den Dokumenten fehlen jeweils wesentliche Angaben. So wird der Anklagepunkt laut den Haftbefehlen erst „noch untersucht“, weiter fehlen die Angaben zur einschlägigen Rechtsnorm, Fallnummer sowie zur Personalausweisnummer des Klägers. Auffällig ist zudem, dass der Name des Leutnants bei beiden Haftbefehlen unleserlich ist. Unabhängig davon geht das Gericht davon aus, dass in Asylverfahren vorgelegte Dokumente zwar einen glaubhaften Vortrag stützen können, während ihnen, selbst bei Vorlage eines Originals, kein Beweiswert zukommt, wenn es, wie hier, an einem stimmigen und glaubhaften Vortrag mangelt (vgl. auch: VG Ansbach, U.v. 10. März 2020 – AN 17 K 17.36034, U.v. 24.10.2019 – AN 18 K 16.31262 – juris Rn. 18; VG Saarlouis, U.v. 6.2.2019 – 5 K 179/17 – juris Rn. 34).
Schließlich vermögen auch die beiden wenige Tage vor der mündlichen Verhandlung vorgelegten Filme das Gericht nicht von einer begründeten Furcht vor Verfolgung überzeugen. Wie zu den vorgelegten Haftbefehlen bereits ausgeführt, können in Asylverfahren vorgelegte Dokumente zwar einen glaubhaften Vortrag stützen, während ihnen kein Beweiswert zukommt, wenn es, wie hier, an einem stimmigen und glaubhaften Vortrag mangelt. Ohnehin ist schon die Authentizität der Filme unklar. Hinsichtlich des Videos, welches zeigen soll, wie die Hamas Mutter und Vater des Klägers eindringlich und bedrohlich ansprechen, ist außerdem festzustellen, dass sowohl unklar ist, was gesprochen wird als auch wer auf dem Film zu sehen ist als auch wo sich das Geschehen ereignet haben soll. Doch auch der andere Film, welcher zeigen soll, wie die Hamas am Haus der Familie auftaucht, an die Tür tritt und den Bruder des Klägers aus der Tür herauszieht, mag an der Einschätzung des Gerichts nichts zu ändern. Neben der fehlenden Authentizität des Filmes ist bereits unklar, wann genau das Ereignis passiert sein soll. So heißt es nur „längerer Kurzfilm aus diesem Jahr“. Auch bleiben sowohl die Personen als auch die Örtlichkeit nicht verifizierbar. Auch der Anlass des Erscheinens der schwarzgekleideten Männer bleibt im Dunkeln. Schließlich lassen die Aufnahmen vermuten, dass die Männer, selbst wenn es sich hier um das Haus der Familie und Familienangehörige des Klägers und die Hamas handeln sollte, weniger in das Haus der Familie als vielmehr in das rechts danebenliegende Gebäude eindringen wollte und der Bruder des Klägers anfangs festgehalten wurde, weil er aufgrund des Lärms aus dem Haus trat. Da der Kläger in der mündlichen Verhandlung angab, seine Eltern und sein Bruder würden nicht direkt nebeneinander wohnen, kann es sich bei den beiden gezeigten Gebäuden zudem auch nicht um die Häuser von Bruder und Eltern des Klägers handeln.
Auch die erwähnte Bombardierung des Hauses der Familie des Klägers am 24. Juli 2014 durch die Juden vermag eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht zu begründen. Wenn der Kläger hier angibt, dass dies eine gezielte Bombardierung aufgrund der häufigen Besuche durch die Hamas gewesen sei, so ist dies schon aufgrund des diesbezüglichen detailarmen und zudem erst in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Vortrags unglaubhaft. Zudem ist bereits der Vortrag des Klägers zu den Verhaftungsversuchen, wie dargestellt, unglaubhaft. Selbst bei unterstellter tatsächlicher Bombardierung handelt es sich hierbei um eine Bombardierung, welche die gesamte Bevölkerung und nicht gezielt den Kläger betraf. Die Bombardierung knüpft nicht an ein flüchtlingsrelevantes Merkmal, §§ 3a Abs. 3, 3b AsylG, an und stellt somit keine konkrete individuelle Verfolgungshandlung gegenüber dem Kläger dar. Nach Überzeugung des Gerichts hat der Kläger sein Heimatland unverfolgt verlassen.
Darüber hinaus steht der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft § 3 Abs. 3 Satz 1 AsylG entgegen, nach dem ein Ausländer auch dann nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, wenn er den Schutz oder den Beistand einer Organisation oder Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Art. 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge genießt. Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) fällt derzeit als einzige Organisation in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung, die Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Qualifikations-RL 2011/95/EU in nationales Recht umsetzt (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.2019 – 1 C 28/18 – juris Rn. 18). Aus der vorgelegten Family Registration Card geht hervor, dass der Kläger bei der UNRWA im Gazastreifen registriert ist. Ist eine Person beim UNRWA registriert, so ist diese Registrierung grundsätzlich ein ausreichender Nachweis der tatsächlichen Inanspruchnahme der Hilfe (vgl. BVerwG, U.v. 25.4.2019 – 1 C 28/18 – juris Rn. 20 28/18 – juris Rn. 18; EuGH, U.v. 17.6.2010 – C-31/09 – juris Rn. 51 f.).
Es greift auch nicht die Regelung des § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG, nach der, wenn ein solcher Schutz und Beistand nicht länger gewährt wird, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig geklärt worden ist, § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG anwendbar sind. § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG ist eine Rechtsfolgenverweisung, d.h. bei Vorliegen ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen ist „ipso facto“ der Flüchtlingsstatus nach § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, d.h. unmittelbar ohne dass es einer Einzelfallprüfung der Voraussetzungen der Flüchtlingseigenschaft bedürfte, mithin unabhängig davon, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG vorliegen, wenn nicht die Ausschlussgründe des § 3 Abs. 2 AsylG entgegenstehen (vgl. BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 28). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die bloße Abwesenheit des Betreffenden vom Gebiet der Schutzgewährung oder die freiwillige Entscheidung, dieses zu verlassen, nicht geeignet die Annahme zu rechtfertigen, der Schutz im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Buchst. a der Qualifikations-RL 2011/95/EU und des ihn umsetzenden § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG sei weggefallen. Fehlende Freiwilligkeit ist dagegen anzunehmen, wenn vom Willen des Betroffenen unabhängige, von ihm nicht zu kontrollierende Gründe vorliegen, die ihn zum Verlassen des Gebietes zwingen. Ein palästinensischer Flüchtling ist dann als gezwungen anzusehen, das Operationsgebiet des UNRWA zu verlassen, wenn er sich in einer sehr unsicheren persönlichen Lage befindet und es dem UNRWA unmöglich ist, in seinem Mandatsgebiet Lebensverhältnisse zu gewährleisten, die mit der ihm obliegenden Aufgabe in Einklang stehen (vgl. BVerwG, U.v. 25.04.2019 – 1 C 28.18 – juris, Rn. 25 unter Verweis auf EuGH, U.v. 19.12.2012 – C-364/11 – juris; BVerwG, B.v. 14.05.2019 – 1 C 5.18 – juris, Rn. 26; EuGH, U.v. 25.07.2018 – C-585/16 – juris, Rn. 86; BayVGH, B.v. 7.11.2017 – 15 ZB 17.31475 – juris Rn. 28). Nach den Ausführungen des Gerichts, auf die verwiesen wird, zur Verneinung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG und zur im Folgenden Ablehnung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG sowie zur Verneinung von Abschiebeverboten nach § 60 Abs. 5, 7 AufenthG hat der Kläger den Gazastreifen freiwillig verlassen. Es liegt kein Wegfall des Schutzes oder Beistandes nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG vor. Eine „ipso-facto“-Flüchtlingsanerkennung scheidet aus.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG.
a) Dem Kläger droht bei einer Rückkehr weder die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, Satz 1 AsylG, noch ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Satz 1 AsylG. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen. Auch im Hinblick auf die humanitäre Situation sind die Voraussetzungen der Norm nicht gegeben, denn es fehlt an einem zielgerichteten Handeln bzw. Unterlassen eines Akteurs, das die schlechte humanitäre Lage hervorruft oder erheblich verstärkt (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 11.19 – juris Rn. 12, B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 13; VGH BW, U.v. 17.1.2018 – A 11 S 241/17 – juris Rn. 167 ff.).
b) Der Kläger hat zudem keinen Anspruch auf die Zuerkennung des hilfsweise begehrten Schutzstatus gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Satz 1 AsylG. Dieser ist einem Ausländer zuzuerkennen, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Dabei gilt als ernsthafter Schaden eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Satz 1 AsylG). Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG, so dass dem Ausländer der subsidiäre Schutz insbesondere nicht zuerkannt wird, wenn ihm in einem Teil seines Herkunftslandes kein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 AsylG droht und er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 4 Abs. 3 AsylG i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG). Bei der Prüfung, ob dem Ausländer ein ernsthafter Schaden droht, ist – wie bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft – der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5/09 – juris). Für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist tatbestandliche Voraussetzung neben dem Vorliegen eines innerstaatlichen bzw. internationalen bewaffneten Konflikts das Bestehen einer individuellen Bedrohungssituation (vgl. OVG Münster, B.v. 10.10.2017 – 13 A 2235/17.A – juris).
Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG und Art. 15 Buchst. c der Qualifikations-RL 2011/95/EU zwischen Fatah und Hamas liegt bereits tatsächlich nicht vor, da sich die den Gazastreifen beherrschende Hamas und die im Westjordanland regierende Fatah nach früheren gewaltsamen Auseinandersetzungen am 23. März 2014 auf die Bildung einer Einheitsregierung geeinigt haben, die der erste Schritt auf dem Weg zu einer Aussöhnung sein sollte. Die für Anfang 2015 angedachten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen fanden jedoch bislang nicht statt. Am 12. Oktober 2017 folgte ein weiteres Versöhnungsabkommen zwischen Hamas und Fatah. Zwar stagnieren die Versöhnungsbemühungen derzeit, gleichwohl wird nicht von einem Wiederaufflammen gewaltsamer Auseinandersetzungen zwischen Hamas und Fatah berichtet (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation: Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand: 29.4.2020, S. 7 ff.).
Die Sicherheitslage ist vielmehr im Wesentlichen vom israelisch-palästinensischen Konflikt geprägt. So wurden im Jahr 2019, Stand November, 1378 Raketen durch bewaffnete palästinensische Gruppen aus dem Gazastreifen auf Israel abgeschossen und bei Angriffen vier israelische Zivilisten getötet und 123 verletzt (vgl. Human Rights Watch, World Report 2020 – Israel and Palestine, S. 3 Druckversion). Umgekehrt kamen beim Einsatz von Gewalt durch die israelischen Streitkräfte im Gazastreifen 2019 108 Palästinenser ums Leben und wurden 11.845 verletzt (vgl. UN OCHA, Protection of Civilians Report, 24.12.2019 – 6.1.2020).
Letztlich kann dahinstehen, ob es sich hierbei um einen bewaffneten internationalen (oder innerstaatlichen) Konflikt im Sinne der § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG und Art. 15 Buchst. c der Qualifikations-RL 2011/95/EU zwischen Israel und Palästina beziehungsweise der den Gazastreifen beherrschenden Hamas handelt, denn für die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, Satz 1 AsylG ist tatbestandliche Voraussetzung neben dem Vorliegen eines innerstaatlichen oder internationalen bewaffneten Konflikts das Bestehen einer individuellen Bedrohungssituation (vgl. OVG Münster, B.v. 10.10.2017 – 13 A 2235/17.A – juris). Eine solche individuelle Bedrohungssituation ist für den Kläger nicht gegeben. Der Kläger ist bei seiner Rückkehr als Angehöriger der Zivilbevölkerung nicht einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts ausgesetzt. In der Person des Klägers selbst liegen keine individuellen gefahrerhöhenden Umstände vor. Diese sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich. Der Kläger, der gelegentlich als Taxifahrer gearbeitet hat, ist insbesondere keinen berufstypisch bedingten sachlichen oder örtlichen Gefährdungen ausgesetzt.
Weiter kann die Gewährung subsidiären Schutzes unabhängig von individuellen gefahrerhöhen-den Umständen nur ausnahmsweise in Betracht kommen, nämlich bei besonderer Verdichtung einer allgemeinen Gefahrenlage, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Maß erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. zu den Voraussetzungen einer individuellen Bedrohungssituation EuGH, U.v. 17.2.2009 – Rs. C 465/07 (Elgafaji) – juris, Rn. 35 und 39 und U.v. 30.1.2014 – Rs. C 285/12 (Diakité) – juris, Rn. 30; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 32 und U.v. vom 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris, Rn. 18 ff.). Es ist eine jedenfalls annähernde quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris) erforderlich. Abzustellen ist hierbei auf die Herkunftsregion (vgl. hierzu: BVerwG, U.v. 31.3.2013 – 10 C 15.12 – juris). Unerheblich ist, dass es sich bei den errechneten Wahrscheinlichkeiten nur um Näherungen handelt, da beispielsweise bei der Erfassung der Daten, in Bezug auf die einzelnen Erhebungszeitpunkte sowie bezüglich der Zuordnung der Opfer zu den einzelnen Anschlägen Unschärfen bestehen. Insoweit ist in der Rechtsprechung jedoch geklärt, dass eine annäherungsweise Ermittlung der entsprechenden, zueinander ins Verhältnis gesetzten Zahlen ausreichend ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.1.2017 – 13a ZB 16.30182 – juris).
Auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben im Sinn von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist – bei Fehlen individueller gefahrerhöhender Umstände – ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich. Zur Bestimmung der hierfür erforderlichen Gefahrendichte bedarf es zunächst einer annäherungsweise quantitativen Ermittlung des Tötungs- und Verletzungsrisikos und auf deren Grundlage einer wertenden Gesamtschau zur individuellen Betroffenheit des Ausländers. Dieser „quantitative“ Ansatz unterscheidet sich allenfalls graduell von der teilweise vertretenen Gegenposition, wonach es einer rein qualitativen Betrachtung bedarf. Denn er zielt nicht auf einen „Gefahrenwert“ im Sinne einer zwingend zu beachtenden mathematisch-statistischen Mindestschwelle, sondern lässt durch das Erfordernis einer abschließenden Gesamtbetrachtung ausreichend Raum für qualitative Wertungen (vgl. BVerwG, U.v. 20.5.2020 – 1 C 11.19 – juris Rn. 21; BayVGH, U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004 – juris Rn. 28 ff. jeweils mit weiteren Nachweisen).
Ausgehend hiervon ist der Kläger bei einer Rückkehr in den Gazastreifen bzw. das Gouvernement Rafah keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben in Folge willkürlicher Gewalt ausgesetzt. Es fehlt an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt. Während im Jahr 2019 im Gazastreifen durch israelische Kräfte 108 Palästinenser getötet und 11.845 verletzt (vgl. UN OCHA, Protection of Civilians Report, 20.10.2020 – 2.11.2020) und im Jahr 2018 260 getötete und 25.177 verletzte Palästinenser zu verzeichnen waren (vgl. UN OCHA, Protection of Civilians Report, 20.10.2020 – 2.11.2020), wurden im Jahr 2020 im Zeitraum bis zum 2. November 2020 im Gazastreifen durch israelische Kräfte sechs Palästinenser getötet und 62 verletzt (vgl. UN OCHA, Protection of Civilians Report, 20.10.2020 – 2.11.2020). Wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass sämtliche Opfer keine Kombattanten waren, ergibt sich bei einer Bevölkerungszahl im Gazastreifen von etwa 1,9 bis 2 Millionen (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand: 29.4.2020, S. 8), hochgerechnet auf ein Jahr, für das Jahr 2020 für palästinensische Zivilisten im Gazastreifen ein geringes Risiko verletzt oder getötet zu werden (ca. 0,004%), während das Risiko verletzt oder getötet zu werden im Jahr 2019 bei 0,63% und im Jahr 2018 noch bei 1,34% lag.
Stand 2018 und 2019 das Risiko, getötet oder verletzt zu werden, in signifikantem Zusammenhang mit den Massenprotesten („Great March of Return“) am Grenzzaun/Pufferzone zwischen dem Gazastreifen und Israel, so ist der Rückgang der Opferzahlen in 2020 auf die Ende 2019 ausgesetzten Massenproteste am Grenzzaun/Pufferzone zwischen dem Gazastreifen und Israel zurückzuführen. Die Proteste („Great March of Return“) an dieser Grenzanlage zu Israel begannen am 30. März 2018 (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand: 29.4.2020, S. 11 ff.). Im Rahmen der Grenzproteste kommt es zu gewaltsamen Konfrontationen mit Todesopfern zwischen der israelischen Armee und den Demonstranten, wobei inzwischen von einer Kontrolle der Proteste durch die Hamas auszugehen ist, die zur Gewaltausübung animiert (vgl. United States Department of State, Country Report on Human Rights Practices 2018 – West Bank and Gaza, S. 1 [S. 61 d. Gesamtversion zu Israel, Golan Heights, West Bank and Gaza]; s.a. United Kingdom Home Office, Country Policy and Information Note, Occupied Palestinian Territories, Stand Dezember 2018, S. 15: Die Hamas hat eingeräumt, dass eigene Mitglieder bei den Protesten getötet wurden). Etwa werden seitens der Palästinenser mit Brandsätzen ausgestattete Drachen und Molotov-Cocktails eingesetzt (vgl. Amnesty International, Human Rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 – Israel and the Occupied Palestinian Territories, Stand 26. Februar 2019, S. 2; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand 29.4.2020, S. 11 ff.). Nach der Eskalation der Lage zwischen Israel und dem Gazastreifen herrscht seit dem 14. November 2019 nunmehr Waffenstillstand. Eine erneute Eskalation kann nicht ausgeschlossen werden (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand 29.4.2020, S. 11 ff.). Ob und in welchem Ausmaße die Grenzzaunproteste insbesondere nach einem Abflauen der Corona-Pandemie wiederaufgenommen werden, ist unklar.
Doch selbst bei einer zugunsten des Klägers unterstellten Wiederaufnahme der Grenzzaunproteste und damit einem erneuten Ansteigen der Totes- und Verletztenzahlen liegt dennoch keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG vor. Bei dem 1:800 Kriterium (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.), welches nach oben Gesagtem in den Jahren 2018 und 2019 rechnerisch überschritten wurde, handelt es sich um keinen starren Richtwert. Die quantitative Betrachtung ist in eine wertende (qualitative) Gesamtbetrachtung einzubetten. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das Risiko getötet zu werden, für das Jahr 2018 bei etwa 0,014% und für das Jahr 2019 bei etwa 0,006% liegt, sprich die Gefahr (nicht tödlich) verletzt zu werden, im Vordergrund steht. Des Weiteren steht das Risiko, getötet oder verletzt zu werden, wie bereits ausgeführt, in signifikantem Zusammenhang mit den Massenprotesten („Great March of Return“) am Grenzzaun/Pufferzone zwischen dem Gazastreifen und Israel. So wurden im Zuge der Grenzproteste im Jahr 2019 33 Palästinenser getötet (vgl. UN OCHA, Casualities: Thousands killed in conflict-related incidents, 12.2.2020) und 11.523 (vgl. UN OCHA, Protection of Civilians Report, 24.12.2019 – 6.1.2020) verletzt, bei einer Gesamtzahl im Gazastreifen getöteter Palästinenser in 2019 von 108 und einer Gesamtzahl im Gazastreifen verletzter Palästinenser in 2019 von 11.845 (vgl. UN OCHA, Protection of Civilians Report, 20.10.2020 – 2.11.2020). Bei einer Außerachtlassung der im Zusammenhang mit den Demonstrationen stehenden Opferzahlen ergibt sich für das Jahr 2019 somit eine Tötungs- oder Verletzungswahrscheinlichkeit von 0,02%. Bei einer wertenden Betrachtung zeigt sich somit, dass zwar das Risiko, durch israelische Streitkräfte getötet, insbesondere aber verletzt zu werden, vor allem in der Nähe des Grenzzauns zu Israel und in Zusammenhang mit dem „Great March of Return“ erhöht ist, jedoch nicht auf den Gazastreifen als Ganzes bzw. auf das Gouvernement Rafah als Herkunftsregion des Klägers bezogen. Gerade das erhöhte Verletzungsrisiko, welches erst die Signifikanz des Gesamtrisikos, verletzt oder getötet zu werden, mit Blick auf § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG begründet, ist nahezu vollständig auf die Auseinandersetzungen anlässlich der Zaunproteste zurückzuführen und somit räumlich isoliert. Insofern muss sich der Kläger darauf verweisen lassen, in seinem Heimatort …, der bereits in größerem Abstand zur Grenze liegt, zu verbleiben bzw. sich dort aufzuhalten und sich nicht unmittelbar in die Pufferzone zum Grenzzaun hin zu begeben. Die Hamas unterbindet die interne Bewegungsfreiheit im Gazastreifen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand 12.9.2018, S. 23). Nichts anderes ergibt sich aus den Regelungen zur inländischen Fluchtalternative des § 4 Abs. 3 i.V.m. § 3e AsylG, die dem Ausländer zumuten, in einem Teil seines Herkunftslandes Aufenthalt zu nehmen, in dem ihm keine tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens droht, er sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Dieses Ergebnis entspricht zudem der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, wonach ein Kläger, auch wenn der Gazastreifen insgesamt flächenmäßig überschaubar ist, das Risiko, Opfer von militärischen Operationen zu werden, durch Aufenthalt in Regionen, die sich nicht unmittelbar in Grenznähe und in der Nähe potenzieller militärischer Ziele befinden, weiter minimieren kann (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 16.3.2020 – 15 ZB 20.30526 – juris Rn. 15, B.v. 20.9.2018 – 15 ZB 18.32223 – juris Rn. 14).
Betrachtet man lediglich das Jahr 2020 ist das Risiko, durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, gering, so dass eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bei wertender Gesamtschau erst recht ausscheidet. Im Rahmen einer umfassenden Beurteilung aller gefahrbegründenden Umstände wirkt sich zudem durchgreifend aus, wenn sich das konfliktbedingte Schädigungsrisiko deutlich unter 1:800 und damit auf einem nicht hinreichend hohen Niveau befindet (vgl. hierzu: BayVGH, U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004 – juris Rn. 30).
3. Auch besteht kein nationales Abschiebungsverbot zugunsten des Klägers.
a) Anhaltspunkte für das Vorliegen von Gründen, die ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK rechtfertigen, sind nicht gegeben. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In Bezug auf Gefahren, die dem Kläger individuell durch einen konkret handelnden Täter drohen, ergibt sich keine andere Bewertung als bei der Prüfung der §§ 3, 4 AsylG. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen. Ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK folgt auch nicht aus einer dem Kläger bei Rückkehr drohenden allgemeinen Situation der Gewalt, die der EGMR nur in äußerst extremen Fällen annimmt (vgl. EGMR, U.v. 28.6.2011 – Sufi u. Elmi/Vereinigtes Königreich, 8319/07 – NVwZ 2012, 681 Rn. 218). Diese Voraussetzungen liegen nach den Ausführungen unter 2. nicht vor (vgl. hierzu auch: BayVGH, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 38).
Darüber hinaus kann nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte eine Verletzung des Art. 3 EMRK auch ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn der Kläger im Falle seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft im Ausnahmeland auf so schlechte humanitäre Bedingungen (allgemeine Gefahren) zu treffen, dass die Abschiebung dorthin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt. Hierbei ist es nicht ausreichend, dass bei seiner Rückführung die Lage des Ausländers einschließlich seiner Lebenserwartung beeinträchtigt würde (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris). Der Gerichtshof der Europäischen Union stellt in seiner neueren Rechtsprechung zu Art. 4 GRCh darauf ab, ob sich die betroffene Person unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaube, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (vgl. EuGH, U.v. 19.3.2019 – Ibrahim, C-297/17 u.a. – juris Rn. 89 ff.; U.v. 19.3.2019 – Jawo, C-163/17 – juris Rn. 92 ff.). Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots aus § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Zielstaat ist keine Extremgefahr wie im Rahmen der verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13). Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen vielmehr ein gewisses „Mindestmaß an Schwere“ erreichen. Diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der Ausländer nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Zielstaat der Abschiebung seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 11). Die Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR, U.v. 28.6.2011 – Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 – NVwZ 2012, 681 – Rn. 278, 282 f.) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167) macht letztlich deutlich, dass von einem sehr hohen Gefahrenniveau auszugehen ist; nur dann liegt ein „ganz außergewöhnlicher Fall“ vor, in dem die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ sind (vgl. BayVGH, U.v. 14.11.2019 – 13a B 19.31153 – juris Rn. 22; U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31918 – juris Rn. 20 m.w.N.). Die Beurteilung ist relativ und hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, etwa der Dauer der erniedrigenden Behandlung, ihren physischen und psychischen Wirkungen sowie von Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Klägers (vgl. EGMR, U.v. 21.1.2011 – M.S.S./Belgien u. Griechenland, 30696/09 – NVwZ 2011, 413 Rn. 219; s.a. EGMR, U.v. 13.12.2015 – Paposhvili/Belgien, 41738/10 – NVwZ 2017, 1187 Rn. 174).
Es ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Erforderlich aber auch ausreichend ist daher die tatsächliche Gefahr („real risk“) einer unmenschlichen Behandlung (vgl. BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 5.09 – BVerwGE 136, 377 = NVwZ 2011, 51 – juris Rn. 22). Bei der Prüfung einer Verletzung von Art. 3 EMRK ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und primär zu prüfen, ob eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung an dem Zielort der Abschiebung, und damit regelmäßig der Herkunftsregion, besteht (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 13).
Diese hohen Voraussetzungen sind im Fall des Klägers nicht erfüllt. Dabei verkennt das Gericht nicht die schlechten Lebensbedingungen im Gouvernement Rafah bzw. im Gazastreifen allgemein. So sind im Gazastreifen 80% der Bevölkerung auf humanitäre Hilfe angewiesen (vgl. Amnesty International, Human Rights in the Middle East and North Africa: Review in 2018, Palestine, 26.2.2019, S. 1). Es gibt wegen der Stromknappheit Probleme mit der Wasserversorgung und dem Abwasserkreislauf (vgl. Human Rights Watch, World Report 2020 – Israel and Palestine, S. 2), jedoch hat sich die Verfügbarkeit von Elektrizität auf durchschnittlich 12 Stunden pro Tag in den ersten 10 Monaten des Jahres 2019 verbessert (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand: 29.4.2020, S. 33 ff.). 95% der Bevölkerung haben keinen Zugang zu sauberem Wasser (vgl. Report of the Special Rapporteur on the situation of human rights in the Palestinian territories occupied since 1967, 15.3.2019, S. 3 f.), das Leitungswasser kann nicht zum Kochen oder Trinken verwendet werden. 90% der Bevölkerung kaufen Wasser von Wasserentsalzungs- oder Reinigungsanlagen, das über Tankwagen geliefert wird, zu. 71% der Haushalte im Gazastreifen sind von Lebensmittelunsicherheit betroffen. Die Arbeitslosenquote liegt bei über 50% (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand: 29.4.2020, S. 33 ff.). Hinsichtlich der gesundheitlichen Versorgung sinken die Kapazitäten des medizinischen Sektors im Allgemeinen. Patienten sind häufig auf eine Behandlung im Ausland angewiesen, weil etwa Medikamente, medizinische Ausrüstung und Personal fehlen. So waren Mitte November 2019 46% der „unentbehrlichen“ im zentralen Medikamentenlager des Gazastreifens nicht vorrätig. Zwar erlaubt es Israel palästinensischen Patienten aus dem Gazastreifen, sich in Krankenhäusern in Israel und im Westjordanland medizinisch behandeln zu lassen, sofern sie eine Reihe von bürokratischen Hürden überwinden, jedoch werden nicht alle Anträge (rechtzeitig) genehmigt (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Palästinensische Gebiete – Gaza, Stand: 29.4.2020, S. 37 ff.), wobei sich aus den Erkenntnisquellen nicht ergibt, woran die Erteilung der Genehmigungen im Einzelfall scheiterte.
Wegen der genannten erheblichen Defizite bei der Versorgung der Bevölkerung kommt den Hilfsleistungen der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) große Bedeutung bei der Gewährleistung eines Minimalstandards zu. Das UNRWA agiert, was die Versorgung anbelangt, als de facto Regierung und betreibt im Gazastreifen acht Flüchtlingslager, 267 Schulen, 21 Gesundheitszentren, 16 Unterstützungs- und Sozialeinrichtungen, drei Büros zur Vergabe von Mikrokrediten und zwölf Verteilungszentren für Nahrungsmittel (vgl. United Kingdom Home Office, Country Policy and Information Note, Occupied Palestinian Territories, Stand Dezember 2018, S. 30 ff.).
In einer Gesamtschau der persönlichen Umstände des Klägers sowie der durch das UNRWA gewährleisteten Grundversorgung ist bei seiner Rückkehr in das Gouvernement Rafah bzw. den Gazastreifen nicht mit der tatsächlichen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK zu rechnen. Zunächst ist der Kläger gesund und arbeitsfähig. Er hat sich bereits in der Vergangenheit mit Hilfsarbeiten und Taxifahrten mit seinem Auto seinen Lebensunterhalt finanziert. Während seiner Zeit in Deutschland konnte er weitere berufliche Erfahrungen machen und sich Deutschkenntnisse aneignen. Darüber hinaus ist auch eine Unterstützung durch seine weiter im Gazastreifen lebende Familie und Verwandtschaft zu erwarten, denn es ist im Kulturkreis des Klägers üblich, dass in Notsituationen Unterstützung geleistet wird und es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass dies vorliegend, trotz angegebener bescheidener finanzieller Verhältnisse, nicht geschehen könnte und würde. Der Kläger könnte im Haus der Eltern, wie bereits in der Vergangenheit, oder bei seinen Geschwistern unterkommen. Weiter kann auf die durch das UNRWA gewährleistete Grundversorgung zurückgegriffen werden.
An diesem Ergebnis vermögen schließlich auch die Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie nichts zu ändern. Nach den zum Verfahren beigezogenen Erkenntnismitteln ist eine Gefährdung im dargelegten Sinn nicht zu erkennen. Bei einer Gesamtbevölkerung von 1,9 bis 2 Millionen Einwohnern wurden im Gazastreifen im Zeitraum vom 20. Oktober 2020 bis 2. November 2020 2.647 aktive Corona-Infektionen bei neun Toten gemeldet. Dem liegt eine Gesamtzahl an Infektionen von 7.231 Fällen bei 37 Toten im Gazastreifen zugrunde bzw. zum 12. November 2020 3.080 aktive Fälle bei 44 Toten bei einer Gesamtzahl an Infizierten von 9.542 (vgl. die von OCHA, Occupied Palestinian Territory, zu COVID-19 erstellte Statistik: Coronavirus disease 2019 (COVID-19) in the occupied Palestinian territory, Stand: 12. November 2020). Lockdown-Maßnahmen wurden verhängt, die zuletzt teilweise auch gelockert wurden (vgl. OCHA, Occupied Palestinian Territory, COVID-19 Emergency Situation, Report No. 21, 20.10.2020 – 2.11.2020, S. 3). Es erscheint naheliegend, dass die Lockdown-Maßnahmen auch Auswirkungen auf die schwierige Versorgungssituation und insbesondere den Arbeitsmarkt haben. Den Berichten lässt sich allerdings nicht entnehmen, dass im Fall des Klägers mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im Gazastreifen eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung zu erwarten ist und dies auch, obwohl … derzeit als „rotes“ Gebiet besonders von Corona betroffen ist und isoliert wurde (vgl. OCHA, Occupied Palestinian Territory. COVID-19 Emergency Situation, Report No. 21, 20.10.2020 – 2.11.2020, S. 3). In den Palästinensischen Autonomiegebieten werden vielfältige Anstrengungen unternommen, um der Pandemie wirksam zu begegnen. So wurde eine „Inter-Agency COVID-19 Task Force“ eingeführt, die die verschiedenen Maßnahmen festlegt und deren Durchführung koordiniert. Von geschätzten in 2020 benötigten 72 Millionen US-Dollar für den „COVID-19 Inter-Agency Response Plan“ sind bereits knapp 55 Millionen US-Dollar aufgebracht worden, die im Wesentlichen für die Bereiche Gesundheit, Unterkunft, sanitäre Einrichtungen/Hygiene, Bildung, Nahrungsmittel benötigt werden. Dabei sind von geschätzten 18 Millionen US-Dollar für die aufgrund der Pandemie nötige Versorgung mit Nahrungsmitteln knapp 11 Millionen Dollar bereits angekommen (vgl. OCHA, Occupied Palestinian Territory. COVID-19 Emergency Situation, Report No. 21, 20.10.2020 – 2.11.2020, S. 5 ff., 10). Auch die Vereinten Nationen betreiben einen Logistikverbund zur Sicherstellung der notwendigen Lieferungen und Spenden (vgl. OCHA, Occupied Palestinian Territory, COVID-19 Emergency Situation, Report No. 21, 20.10.2020 – 2.11.2020, S. 4). Nach alledem ist hinsichtlich des Klägers ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht gegeben. Unabhängig davon hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof jüngst ausgeführt, dass das weltweite Pandemiegeschehen gegenwärtig von großer Dynamik gekennzeichnet und deshalb nicht ersichtlich ist, dass über eine bloße Momentaufnahme hinaus eine verlässliche Einschätzung seiner mittelfristigen Auswirkungen auf die Lebensbedingungen in einzelnen Ländern überhaupt möglich wäre (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004 – juris Rn. 48, B.v. 16.6.2020 – 9 ZB 20.31250 – juris Rn. 4 mit Verweis auf VGH BW, B.v. 8.5.2020 – A 4 S 1082/20 – juris Rn. 5; OVG NW, B.v. 21.9.2020 – 2 A 2255/20.A – juris Rn. 12). In diesem Zusammenhang hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch angemerkt, dass aktuelle Entwicklungen, die einer Abschiebung entgegenstehen, im Rahmen der Abschiebung von der Ausländerbehörde zu berücksichtigen sind (vgl. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG) bzw. ihnen mit einem Folgeantrag zu begegnen ist (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004 – juris Rn. 48).
b) Ferner kann der Kläger kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG geltend machen. Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG), wofür hier weder etwas vorgetragen noch ersichtlich ist.
Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Ausnahmsweise kann hier Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beansprucht werden, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren. Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassungs wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Die Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Der erforderliche hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“. Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2020 – 13a B 20.31004 – juris Rn. 54, U.v. 8.11.2018 – 13a B 17.31960 – juris Rn. 60 ff.; BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 23.10 – juris Rn. 21 ff.).
Eine Gefahr in diesem Sinne ergibt sich nicht aufgrund der Auswirkungen der SARS-CoV-2-Pandemie. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen, § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, des Klägers ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Gefahr, nach Rückkehr im Gazastreifen zu erkranken, stellt eine allgemeine Gefahr dar, bei der nach obigen Darlegungen nur Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beansprucht werden kann, wenn der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Wie bereits ausgeführt wurden im Gazastreifen im Zeitraum vom 20. Oktober 2020 bis 2. November 2020 2.647 aktive Corona-Infektionen bei neun Toten gemeldet. Dem liegt eine Gesamtzahl an Infektionen von 7.231 Fällen bei 37 Toten im Gazastreifen zugrunde (vgl. OCHA, Occupied Palestinian Territory, COVID-19 Emergency Situation, Report No. 21, 22.10.2020 bis 2.11.2020, S. 3) bzw. zum 12. November 2020 3.080 aktive Fälle bei 44 Toten bei einer Gesamtzahl an Infizierten von 9.542 (vgl. die von OCHA, Occupied Palestinian Territory, zu COVID-19 erstellte Statistik: Coronavirus disease 2019 (COVID-19) in the occupied Palestinian territory, Stand: 12. November 2020). Bei einer Gesamtbevölkerung von 1,9 bis 2 Millionen Einwohnern ergibt sich somit ein moderates Infektions- und ein weit darunterliegendes Risiko an einer Infektion mit SARS-CoV2 zu versterben und dies trotz der beschriebenen Mängel im Gesundheitssystem. Die Behörden im Gazastreifen haben zudem Maßnahmen zur Bekämpfung der Verbreitung der Pandemie umgesetzt. So wurden Lockdown-Maßnahmen verhängt. Infizierte mit keinen oder milden Symptomen, die die Mehrheit der aktiven Fälle stellen, sind in häuslicher Isolation oder werden in einem der dafür vorgesehenen Einrichtungen in Khan Yunis und Diar al-Balah untergebracht, die übrigen werden im European Hospital und dem Turkish Hospital versorgt (vgl. OCHA, Occupied Palestinian Territory, COVID-19 Emergency Situation, Report No. 19, 22.9.2020 bis 5.10.2020, S. 3). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist hinsichtlich der Verlegung von entsprechend behandlungsbedürftigen Patienten in Kliniken im Westjordanland und nach Israel unterstützend tätig (vgl. OCHA, Occupied Palestinian Territory, COVID-19 Emergency Situation, Report No. 21, 20.10.2020 bis 2.11.2020, S. 4). Für die medizinische Versorgung im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie wurden bereits 23 Millionen US-Dollar aufgebracht (vgl. OCHA, Occupied Palestinian Territory, COVID-19 Emergency Situation, Report No. 21, 20.10.2020 bis 2.11.2020, S. 6 ff., 10). Überdies schätzt die Weltgesundheitsorganisation, dass trotz Zunahme der Bettenauslastung in den Krankenhäusern und Verdopplung der Anzahl von Menschen auf den Intensivstationen binnen einer Woche, das Gesundheitssystem mit der aktuellen Falllast fertig wird (vgl. OCHA, Occupied Palestinian Territory, COVID-19 Emergency Situation, Report No. 21, 20.10.2020 bis 2.11.2020, S. 3). Insgesamt ist damit für den Kläger nicht von einer Gefahr, dass es zu einem schwerwiegenden (tödlichen) Verlauf käme, auszugehen. Er wird nicht „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“. Lediglich in besonderen, hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen mag die Gefährdung anders zu sehen sein (etwa bei älteren Personen oder bei Personen mit relevanten Vorerkrankungen).
Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze und der aktuellen Erkenntnismittel sind auch im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die einen Ausländer im Zielstaat erwarten – insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage – die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in analoger Anwendung nicht gegeben. Insoweit wird auf die Ausführungen zu Art. 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK verwiesen. Insbesondere sind hinsichtlich allgemeiner Gefahren im Zielstaat die Anforderungen in § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr) höher als jene in § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. BVerwG, B.v. 23.8.2018 – 1 B 42.18 – juris Rn. 13), so dass im Lichte des Nichtvorliegens eines Abschiebungsverbots aus Art. 60 Abs. 5 AufenthG erst recht die Voraussetzungen aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung nicht gegeben sind (vgl. VGH BW, U.v. 12.10.2018 – A 11 S 316/17 – juris).
4. Der Kläger ist schließlich auch nicht durch die in Ziffer 5 des angefochtenen Bescheides ergangene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung in seinen Rechten verletzt. Das Gericht schließt sich der Auffassung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts an, dass eine Abschiebungsandrohung auch hinsichtlich der Palästinensischen Autonomiegebiete, im angefochtenen Bescheid als Gazastreifen, wie hier, oder Westjordanland konkretisiert, erfolgen kann, obschon deren völkerrechtlicher Status als Staat wenigstens umstritten ist (vgl. Nds. OVG, U.v. 14.12.2017 – 8 LC 99/17 – juris Rn. 27 ff.). Mit Schreiben vom 16. September 2020 hat die Beklagte das Zielland der Abschiebung mit Gazastreifen konkretisiert (dem zustimmend der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung), so dass nach Überzeugung des Gerichts den Voraussetzungen an eine rechtmäßige Abschiebungsandrohung (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.1991 – 1 C 11.01 – juris Rn. 11; OVG LSA, B.v. 13.8.2008 – 2 L 12/08, juris Rn. 5) spätestens hiermit Genüge getan wurde.
Die Verbindung der ablehnenden Entscheidung über einen Asylantrag mit einer Rückkehrentscheidung in Gestalt einer Abschiebungsandrohung steht nur dann mit der Rückführungsrichtlinie 2008/115/EG im Einklang, wenn gewährleistet ist, dass der Ausländer ein Bleiberecht bis zur Entscheidung über den maßgeblichen Rechtsbehelf gegen die Ablehnung des Antrags hat und dieser Rechtsbehelf seine volle Wirksamkeit entfaltet. Dies ist nicht der Fall beim gleichzeitigen Erlass einer Asylablehnung und einer Abschiebungsandrohung mit einer Ausreisefrist, die – wie in § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG vorgesehen und in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheides formuliert – mit der Bekanntgabe der Entscheidung beginnt. Allerdings ist der Kläger durch die anfängliche objektive Unionsrechtswidrigkeit der Fristsetzung zur freiwilligen Ausreise nach § 38 Abs. 1 Satz 1 AsylG in Ziffer 5 des angefochtenen Bescheides seit Klageerhebung nicht mehr beschwert. Denn nach § 38 Abs. 1 Satz 2 AsylG und der im Bescheid formulierten Bedingung, dass im Falle einer Klageerhebung die Ausreisefrist von 30 Tagen erst nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens beginnt, wird nachträglich Unionsrechtskonformität hergestellt und der Kläger ist nicht mehr im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzt (vgl. im Einzelnen: BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – juris; EuGH, U.v. 19.6.2018 – Gnandi, C-181/16 – NVwZ 2018, 1625-1629).
Schließlich führt auch die unionsrechtliche vorgegebene, aber nicht vollständig erfüllte Informationspflicht im Falle der Verbindung der ablehnenden Asylentscheidung mit der Rückkehrentscheidung nicht zur (teilweisen) Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung. Der Kläger hätte nach den Vorgaben der Gnandi-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in transparenter Weise über die zu seinen Gunsten bestehenden Verfahrensgarantien – unter anderem die Aussetzung aller Wirkungen der Rückkehrentscheidung, den Nichtlauf der freiwilligen Ausreisefrist, solange ein Bleiberecht besteht, ein Bleiberecht bis zur Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die Ablehnung, den Ausschluss der Abschiebehaft, den Genuss der Rechte aus der Aufnahmerichtlinie sowie die Möglichkeit, sich auf jede nach Erlass der Rückkehrentscheidung eingetretene Änderung der Umstände berufen zu können, die in Anbetracht insbesondere des Art. 5 der Rückführungs-Richtlinie erheblichen Einfluss auf die Beurteilung ihrer Situation haben kann – informiert werden müssen (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – juris Rn. 29 ff.; EuGH, U.v. 19.6.2018 – Gnandi, C-181/16 – NVwZ 2018, 1625 Rn. 65). Eine so weitreichende Unterrichtung enthalten die Rechtsbehelfsbelehrung:des streitgegenständlichen Bescheides und sonstige aktenkundig ausgehändigte Informationsblätter nicht. Die Nichterfüllung der unionsrechtlichen Informationspflicht hat indes nicht die Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung nach §§ 34, 38 Abs. 1 AsylG zur Folge, weil sie nicht zu deren tatbestandlichen Voraussetzungen gehört, auch sonst nicht in einem Rechtmäßigkeitszusammenhang mit ihr steht und zudem nicht geeignet ist, die Rechtsstellung des Klägers nach Klageerhebung zu beeinträchtigen (vgl. im Einzelnen: BVerwG, U.v. 20.2.2020 – 1 C 1.19 – juris Rn. 34 ff.).
5. Auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG in Ziffer 6 des Bescheides begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
6. Die Klage ist mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylG gerichtskostenfrei.


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