Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage gegen die Nichtgewährung subsidiären Schutzes und die Verneinung von Abschiebungshindernissen (Elfenbeinküste)

Aktenzeichen  W 2 K 18.31304

Datum:
25.10.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36333
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 4 Abs. 1
AufenthG § 11 Abs. 1, § 59, § 60 Abs. 5, Abs. 7
EMRK Art. 3

 

Leitsatz

1 Die allgemeine Gefahr, Opfer von Straßenkriminalität durch Jugendbanden zu werden, fällt nicht in den Schutzbereich von § 4 Abs. 1 AsylG. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Es ist davon auszugehen, dass ein gesunder, junger und arbeitsfähiger Mann mit überdurchschnittlicher Schulbildung und einer gewissen Arbeitserfahrung sich in einer der zahlreichen Großstädte der Elfenbeinküste eine den Anforderungen des Art. 3 EMRK entsprechende Existenz aufbauen kann. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Die zulässige Klage, über die gemäß § 102 Abs. 2 VwGO auch in Abwesenheit eines Beteiligten verhandelt werden konnte, ist unbegründet.
Der Bundesamtsbescheid vom 12. Juni 2018 ist in dem verfahrensgegenständlichen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG.
Es liegen auch keine nationalen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Die Ausreiseaufforderung unter Androhung der Abschiebung in die Elfenbeinküste und die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots sind rechtmäßig.
Auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffen Bundesamtsbescheid, die sich das erkennende Gericht gemäß § 77 Abs. 2 AsylG zu eigen macht, wird Bezug genommen. Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
1.1.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG. Danach ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als solcher gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c bis 3e AsylG entsprechend. Damit werden die dortigen Bestimmungen über den Vorverfolgungsmaßstab, Nachfluchtgründe, Verfolgungs- und Schutzakteure und internen Schutz als anwendbar auch für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erklärt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts muss das Gericht auch in Asylstreitigkeiten die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen. Aufgrund der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Sachvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern sich das Tatsachengericht unter Berücksichtigung aller Umstände von dessen Wahrheit überzeugen kann (BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – InfAuslR 1989, 349). Maßgeblich sind die Glaubhaftigkeit seiner Schilderung und die Glaubwürdigkeit seiner Person. Seinem persönlichen Vorbringen und dessen Würdigung ist daher eine gesteigerte Bedeutung beizumessen. Auch unter Berücksichtigung des Herkommens, Bildungsstands und Alters muss der Asylbewerber im Wesentlichen gleichbleibende möglichst detaillierte und konkrete Angaben zu den Umständen machen.
Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden i.S.v. § 4 AsylG droht.
Dabei kann sein Vortrag zur bestehenden Bandenkriminalität in den in Bezug genommenen Stadtvierteln Abidjans als wahr unterstellt werden. Ebenfalls kann als wahr unterstellt werden, dass der Kläger sich in seinem Wohnviertel am Straßenfußball beteiligte hat und es in diesem Zusammenhang zu willkürlichen Aggressionen und Gewalttätigkeiten durch Mitglieder krimineller Jugendbanden gekommen ist. Weiterhin geht das Gericht mit den plausiblen Ausführungen des Klägers davon aus, dass es in einer solchen Situation nicht unwahrscheinlich ist, auch dann in eine gewaltsame Auseinandersetzung hineingezogen zu werden, wenn man selbst nicht der Aggressor ist.
Nicht glaubwürdig sind jedoch die Einlassungen des Klägers, dass er – unabhängig von gefahrgeneigten Situationen wie dem Straßenfußball – als Person selbst zur Zielscheibe der rivalisierenden Banden geworden sei und ihm als Person gezielte Verfolgung durch eine oder mehrere Banden drohe. Denn einerseits gibt er an, selbst sei kein Bandenmitglied gewesen zu sein. Er habe auch bei den Auseinandersetzungen, in die er als Unbeteiligter hineingezogen worden sei, niemanden verletzt. Andererseits konnte der Kläger – trotz mehrfacher Nachfrage des Gerichtes – keine konkrete Umstände schildern, wann, von wem und in welcher Form er gezielt bedroht oder angegriffen worden sei soll. Aus dem behaupteten gewaltsamen Tod eines mit dem Kläger befreundeten Bandenchefs, lässt sich – selbst bei Wahrunterstellung – auch keine entsprechende Gefährdung für den Kläger ableiten. Zum einen trägt er selbst vor, gerade kein Bandenmitglied zu sein, zum anderen soll der Freund des Klägers bereits 2013 umgebracht worden sein. Mithin hat der Kläger sich nach dem Tod des Freundes noch drei Jahre ohne konkrete Vorfälle in Abidjan aufgehalten. Insgesamt blieben seine Ausführungen pauschal und oberflächlich. Größtenteils erschöpften sie sich in der Schilderung der allgemeinen Gefahrensituation für die Bevölkerung durch Bandenkriminalität, ohne dass ein besonderer Bezug zum Kläger hergestellt wurde.
Die allgemeine Gefahr, Opfer von Straßenkriminalität durch Jungendbanden zu werden, fällt jedoch nicht in den Schutzbereich von § 4 Abs. 1 AsylG. Bei dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung beschriebenen Phänomen der Bandenkriminalität handelt es sich offensichtlich nicht um einen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Eine Schutzgewährung aufgrund unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung durch die allgemeine Gefahr als Bewohner eines von Bandenkriminalität betroffenen Stadtviertels Opfer von deren Straßenkriminalität zu werden, kommt auch dann nicht in Betracht, wenn die ivorischen Sicherheitskräfte, diese nicht in jedem Fall verhindern oder ahnden können. So haben die Polizei und Gendarmerie zwar nur beschränkte Kapazitäten, jedoch sind die wichtigsten Städte wie Abidjan, der Heimatstadt des Klägers, relativ gut gesichert (vgl. österr. Bundesamt, Länderinformationsblatt v. 30.3.2018, S. 7). Für eine völligen Unfähigkeit oder Verweigerung der Schutzgewährung bestehen jedenfalls keine Anhaltspunkte, so dass die Gewährung subsidiären Schutzes bereits gem. § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3d Abs. 1 Nr. 1 AsylG ausscheidet. Insbesondere ergibt sich aus den in das Verfahren einbezogenen Erkenntnismitteln ohne weiteres, der ivorische Staat über wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Kriminaldelikten verfügt. Die Einlassung des Klägers, es habe keinen Zweck, sich an die Polizei zu wenden. Diese komme nicht zu Bandenstreitigkeiten und wenn sie komme, greife sie nicht ein, kann die aus den Erkenntnismitteln gewonnene Überzeugung des Gerichtes nicht entkräften. Im Übrigen ist auch nicht ersichtlich, weshalb es dem Kläger bzw. seiner Familie nicht möglich und zumutbar sein soll, sich in einem anderen Stadtteil Abidjans oder einer anderen Großstadt innerhalb der Elfenbeinküste im Sinne einer inländischen Fluchtalternative niederzulassen.
Dem Kläger steht mithin kein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus zu.
1.2.
Es liegen auch keine Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vor.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Die Abschiebung eines Ausländers ist danach unzulässig, wenn ihm im Zielstaat unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK droht oder wenn im Einzelfall andere in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind (vgl. BVerwG, U.v. 24. Mai 2000 – 9 C 34/99 -, juris Rn. 11).
Dabei können unter bestimmten Umständen auch schlechte humanitäre Bedingungen eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen. Ist die schlechte humanitäre Lage weder dem Staat noch den Konfliktparteien zuzurechnen, sondern bedingt durch die allgemeinen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, kommt eine Verletzung von Art. 3 EMRK nur dann in Betracht, wenn ganz außergewöhnliche Umstände in der Person des Antragstellers vorliegen, die über die allgemeine Beeinträchtigung der Lebenserwartung des Antragstellers im Herkunftsland hinausgehen (vgl. EGMR, U.v. 27. Mai 2008 – 26565/05, U.v. 28. Juni 2011 – 8319/07). Solche Umstände sind vom Kläger weder vorgetragen, noch ersichtlich. Mit seiner überdurchschnittlichen Schulbildung und seiner bereits in der Elfenbeinküste jedenfalls im Rahmen von Gelegenheitsarbeiten gesammelten Berufserfahrung ist davon auszugehen, dass der gesunde, junge, arbeitsfähige in der Lage sein wird, sich in einer der zahlreichen Großstädte der Elfenbeinküste eine den Anforderungen des Art. 3 EMRK entsprechende Existenz aufbauen kann. Im Übrigen verfügt er in der Elfenbeinküste auch über ein intaktes familiäres Netzwerk.
Gesundheitsbedingte Einschränkungen in einem für ein Abschiebungsverbot relevanten Schweregrad wurden weder vorgetragen, noch sind sie offensichtlich. Auftreten und Erscheinungsbild des Klägers in der mündlichen Verhandlung gaben zudem keinen Anlass an seiner Gesundheit und Leistungsfähigkeit zu zweifeln, so dass auch ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht in Betracht kommt.
1.3.
Die vom Bundesamt verfügte Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung sind nicht zu beanstanden. Die betreffende Entscheidung beruht auf § 34 Abs. 1 AsylG, § 59 Abs. 1 bis 3 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG, deren Voraussetzungen hier gegeben sind.
1.4.
Schließlich sind auch gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots des § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6 des Bescheids) keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken vorgetragen worden oder sonst ersichtlich. Insbesondere sind keine Ermessensfehler des Bundesamts bei der Bemessung der Frist nach § 11 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 AufenthG zu erkennen.
Somit hatte die Klage insgesamt keinen Erfolg.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.


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