Verwaltungsrecht

Erfolglose Klage gegen Einstellungsverfügung des BAMF wegen Nichtbetreibens des Verfahrens

Aktenzeichen  M 19 K 17.34668

Datum:
21.8.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 160289
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG § 33
VwGO § 42 Abs. 2, § 84

 

Leitsatz

Die asylverfahrensrechtliche Verpflichtungsklage ist unzulässig (BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16), weil die Systematik des Asylverfahrensrechts voraussetzt, dass zunächst das BAMF eine Sachentscheidung trifft; auch bei einer fehlerhaften Einstellung des Asylverfahrens  darf das Gericht mit der Aufhebung der Verfahrenseinstellungsentscheidung nicht zugleich über die Begründetheit des Begehrens auf Gewährung von Asyl und Zuerkennung der Flüchtlingsanerkennung entscheiden (BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 10 C 1.13). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Über die Klage konnte nach Anhörung der Parteien durch Gerichtsbescheid (§ 84 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) entschieden werden.
Die Klage hat keinen Erfolg. Die Verpflichtungsklage ist bereits unzulässig. Die Anfechtungsklage ist unbegründet.
1. Die Klage ist nur zum Teil zulässig.
1.1. Die Klage ist, soweit die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheids begehrt wird, zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage statthaft (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 14 ff.; BayVGH, U.v. 3.12.2015 – 13a B 15.50069 u.a. – juris Rn. 21). Sie wurde fristgerecht erhoben (§ 74 Abs. 1 Halbs. 1 AsylG. Ihr fehlt, obwohl sich aus § 33 Abs. 5 Satz 2, 4, 5 und 6 AsylG ergibt, dass der Kläger beim Bundesamt die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen kann und das Bundesamt das Verfahren in dem Verfahrensabschnitt wieder aufnehmen muss, in dem die Prüfung eingestellt wurde, auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BVerfG, B.v. 20.7.2016 – 2 BvR 1385/16 – juris Rn. 8).
1.2. Im Übrigen ist die Klage, soweit sie auf Verpflichtung der Beklagten zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzstatus bzw. auf Feststellung, dass nationale Abschiebungsverbote vorliegen, gerichtet ist, unzulässig (vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2016 – 1 C 4.16 – juris Rn. 17). Zwar ist das Ziel des Klägers letztlich eine Entscheidung über das Asylgesuch in der Sache. Allerdings kann er eine solche Entscheidung nicht bereits in diesem Verfahrensstadium durch das Gericht erlangen. Die Systematik des Asylverfahrensrechts setzt voraus, dass zunächst das Bundesamt eine Sachentscheidung trifft, die einer Überprüfung durch das Gericht zugänglich ist. Macht das Bundesamt von der gesetzlichen Ermächtigung zur Einstellung des Asylverfahrens fehlerhaft Gebrauch, darf das Gericht mit der Aufhebung der nach § 32, § 33 AsylG getroffenen Entscheidung gerade nicht zugleich über die Begründetheit des Begehrens auf Gewährung von Asyl und Zuerkennung der Flüchtlingsanerkennung entscheiden; der Asylsuchende muss vielmehr zunächst die Aufhebung dieses Bescheids erreichen, wenn er eine Entscheidung über seinen Asylantrag erhalten will (BVerwG, U.v. 5.9.2013 – 10 C 1.13 – juris Rn. 14).
2. Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, jedoch begründet. Der Bescheid des Bundesamts vom 6. März 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
2.1 Die Verfahrenseinstellung ist zu Recht erfolgt.
Ein Asylantrag gilt als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren nicht betreibt, wobei das Nichtbetreiben vermutet wird, wenn er einer Aufforderung zur Anhörung gemäß § 25 AsylG nicht nachgekommen ist (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG). Diese Vermutung gilt nicht, wenn der Ausländer unverzüglich nachweist, dass das Versäumnis auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte (§ 33 Abs. 2 Satz 2 AsylG). Weiter ist der Ausländer auf die nach § 33 Abs. 1 und 3 AsylG eintretenden Rechtsfolgen schriftlich und gegen Empfangsbestätigung hinzuweisen (§ 33 Abs. 4 AsylG).
Im vorliegenden Fall ist der Kläger der Aufforderung zur Anhörung nach § 25 AsylG nicht nachgekommen. Er ist zwar zum Termin erschienen, hat eine Anhörung aus gesundheitlichen Gründen jedoch nicht durchgeführt. Anders als vom Bundesamt angeordnet, hat er auch nicht unverzüglich den Nachweis geführt, dass das Versäumnis nicht auf Umstände zurückzuführen war, auf die er keinen Einfluss hatte. Die vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht nicht aus, weil sie nicht den Tag des Anhörungstermins am 7. November 2016 umfasst, sondern den Zeitraum vom 9. bis 13. November 2016. Ausreichende Umstände, warum er für den 7. November 2016 keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hat, hat der Kläger nicht geltend gemacht. Der Vortrag seines Bevollmächtigten, seine Krankenkarte sei ihm erst am 8. November 2016 ausgestellt worden, ist durch nichts belegt. Nicht ersichtlich ist auch, was durch den ebenfalls von dem Bevollmächtigten vorgelegten Überweisungsschein dokumentiert werden soll, da dieser am 17. März 2017 und damit weit nach dem fraglichen Zeitraum ausgestellt wurde.
Der Kläger wurde auch ordnungsgemäß schriftlich und gegen Empfangsbestätigung auf die Folgen des Nichtbetreibens des Verfahrens hingewiesen (vgl. § 33 Abs. 4 AsylG). Ausreichend ist insoweit der letztgenannte Hinweis in der Belehrung für Erstantragsteller über Mitwirkungspflichten und Allgemeine Verfahrenshinweise“, die der Kläger gegen Empfangsbekenntnis erhalten hat. Hier wurde unter Wiedergabe des Gesetzestexts auf die Folgen des Nichtbetreibens des Verfahrens hingewiesen. Eine weitergehende Belehrung, gegebenenfalls unter Erläuterung des Gesetzestexts, ist nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 4 AsylG nicht erforderlich. Damit kommt es nicht darauf an, dass dem Kläger das Ladungsschreiben zum Anhörungstermin nicht – wie in § 33 Abs. 4 AsylG gefordert – gegen Empfangsbekenntnis bekannt gegeben wurde.
Das Verfahren konnte somit nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG eingestellt werden.
Es wird darauf hingewiesen, dass nach Maßgabe des § 33 Abs. 5 AsylG die Möglichkeit besteht, binnen neun Monaten nach der erstmaligen Einstellung des Verfahrens die Wiederaufnahme zu beantragen. Das Bundesamt nimmt dann die Prüfung des Asylantrags in dem Verfahrensabschnitt wieder auf, in dem sie eingestellt wurde.
2.2 Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht ersichtlich. Vom Kläger wurden bislang keine Gründe vorgebracht, die zur Bejahung von Abschiebungsverboten führen könnten.
Insbesondere sind arbeitsfähige, gesunde junge Männer – wie der Kläger – auch ohne besondere Qualifikation, nennenswertes Vermögen und familiären Rückhalt in Pakistan in der Lage, durch Gelegenheitsarbeiten ein kleines Einkommen zu erwirtschaften und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten, so dass für alleinstehende männliche Staatsangehörige keine extreme Gefahrenlage besteht.
2.3 Nach alledem sind auch die vom Bundesamt nach Maßgabe der §§ 34, 38 Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG erlassene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordung (ZPO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben